DTAU0410

DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 4/2010 · 16. April 2010 Legal Question 5 WIEN – Dürfen Dentaldepots und Händler rezeptpflichtige Arzneimittel an die Zahnärzte/ -innen vertreiben? Wie sieht die rechtliche Regelung aus? Ein kritischer Streifzug durch die Paragrafenlandschaft von Stefan Smyczko, Berater für Management und Legal Com- pliance im Gesundheitswesen. In den vergangenen Wo- chen kursierten Gerüchte un- terdenZahnärzten/-innen,ihre Händler würden aufgrund der Gesetzeslage keine Dentalarz- neimittel mehr liefern. Vorab ist klarzustellen, dass die besagte Botschaft rein rezept- pflichtige Arzneimittel be- trifft. Weiters wird fälschlicherweise von einer „neuen“ bzw. „geänderten“ Gesetzesregelung gesprochen. Vielmehr handelt es sich um bestehendes, geltendes Recht, sodass man von einer bis- herigen Fehlinterpretation sei- tens aller Beteiligten ausgehen muss. Diese mag wohl im Sinne eines eigenen Verständnisses für eine funktionierende, ideale Ver- sorgung entstanden sein, oder aber aufgrund vorschneller Eu- phorie über die Tatsache, dass im Paragraf 57, Absatz 7 des Arz- neimittelgesetzes (AMG) eine Sonderregelung zur Direktbelie- ferung des Zahnarztes mit Den- talarzneimitteln durch Hersteller und Dentaldepots vorgesehen ist. Diese bezieht sich allerdings aus- schließlich auf rezeptfreie Arz- neimittel, womit die direkte Ab- gabe von rezeptpflichtigen Arz- neimittelndurchDentaldepotsan Zahnärzte/-innen mit den Be- stimmungen des AMG nicht kon- form geht. PraktischeKonsequenzen Den niedergelassenen Zahn- arzt trifft diese Bestimmung zweierlei: Einerseits hat der Handel bei bestimmten Fällen bereits die Nichtkonformität er- kannt und reagiert. Der Österrei- chische Dentalverband (ODV) hat sich mit der Thematik von Direktlieferungen seitens der Dentaldepots auseinanderge- setzt und eine dringende Emp- fehlung an diese ausgesprochen, den Handel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln gegebenenfalls einzustellen. Daraus resultiert aus der Sonderregelung, dass die faktische Verfügbarkeit nun tatsächlich – wie im Gesetz vor- gesehen – auf die Apotheken re- duziert ist. Andererseits muss darauf hingewiesen werden, dass der Gesetzgeber für den Zahnarzt eine entsprechende Verpflich- tung zum korrekten Bezug von rezeptpflichtigen Arzneimitteln vorgesehen hat: § 37 des Zahn- ärztegesetzes regelt (analog dem Arzneimittelvorrat gemäß § 57 des Ärztegesetzes) die Vor- rathaltung von Arzneimitteln für Angehörige des zahnärztlichen Berufs. Sie sind zur Vorrathal- tung der zur Ausübung des Be- rufes notwendigen Arznei- mittel verpflichtet, und haben diese, soweit re- zeptpflichtig, aus einer öffentlichen Apotheke im europäischen Wirt- schaftsraum zu beziehen. Somit steht derZahnarzt selbst in der Pflicht, für rezept- pflichtige Arzneimittel den vorgesehenen Bezugsweg über die Apotheke zu wählen – mit al- len damit verbundenen Konse- quenzen. Hintergrund Die betreffenden gesetz- lichen Rahmenbedingungen re- geln somit eine nicht unerhebli- che Interessensfrage der Dental- branche sowie auch eine Frage der Versorgung im Gesundheits- wesen, was Anlass genug ist, sie nochmals unter praktischen As- pekten zu hinterfragen. Der Ge- setzgeber hat grundsätzlich an- erkannt, dass bei Dentalpharma- zeutika eine besondere Situation vorliegt,dieeineAusnahmerege- lung verlangt (§ 57, Absatz 7 des AMG). Sucht man nun nach dem SchutzzweckderEinschränkung betreffend rezeptpflichtiger Arz- neimittel, so wird dieser auf den Patientenschutz fokussiert sein (beispielsweise Schutz vor un- sachgemäßem Gebrauch durch geringe Fachkenntnisse). Dem- nach kann es aber keinen Unter- schied machen, ob der Zahnarzt die Dentalprodukte direkt beim Arzneimittelgroßhändlerbestellt und von dort geliefert bekommt, oder den Umweg über die Apo- theke einschlagen muss. Denn im letzteren Fall wird nur eine weitere Distributionsstufe da- zwischengeschoben, ohne damit ein „Mehr“ an Sicherheit für den Patienten zu garantieren. Er er- hält weder ein Rezept, noch ist er in den Einkaufsprozess für diese Art von Dentalprodukten involviert. Die entsprechenden Entscheidungen trifft letztlich ohnehinausschließlichderdafür ausgebildete Zahnarzt, dessen Fachkenntnisse für den Patien- tenschutz ausreichendseindürf- ten. Andere Länder lassen solch einefreiereVertriebspraxiszu.In Deutschland besagt eine ent- sprechende Regelung, dass auch rezeptpflichtige Dentalarznei- mittel an „zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigte Per- sonen, soweit es sich um Fertig- arzneimittel (Anm.: Arzneimit- telspezialitäten) handelt, die ausschließlich in der Zahn- heilkundeverwendetundbei der Behandlung am Patienten angewendet werden“ über Dentaldepots abgegeben wer- den dürfen. Die Lösung in Deutschland ist gegen- über der in Österreich weniger streng, und lässt mehrere wie auch direktere Ver- sorgungswege zu. Diskussion Aufgrund der obigen Ausfüh- rungen eröffnen sich folgende Fragen: Existieren die strengen Maßstäbe des gelten- den Rechts „zu Recht“? Oder sollte der Gesetzgeber dem selbstregelnden Markt folgen und dem Versorgungsweg über die Händler, der Usus ist, legali- sieren? Der ODV sucht aktuell, gemeinsam mit der Österreichi- schen Zahnärztekammer, den Dialog mit den zuständigen Be- hörden anzuregen, die bewährte Praxis rechtlich zu genehmigen. Ein Argument ist, dass die Ver- triebswege über Dentaldepots in anderen Ländern erlaubt sind. Der Anspruch, der an das Rechts- system gestellt wird, ist ein sehr hoher: Es soll die Gratwande- rung zwischen der Schutzbe- dürftigkeit des Patienten und der Gewährleistung einer opti- malen Versorgung meistern. Das Rechtssystem soll allgemein- gültig und gleichzeitig praxis- nah sein. Hierfür ist ständige Weiterentwicklung erforderlich, ebenso wie auch der Mediziner selbstdemStandderTechnikund den (nicht nur gesetzlichen) An- forderungen an seine Arbeitsab- läufe und Ordinationsorganisa- tion Schritt halten muss. Diese Anforderungenliegenletztlichin der alleinigen Verantwortung des Zahnarztes begründet, der sich systematisch mit den Fragen der Rechtssicherheit und Quali- tätssicherung im Sinne des Pa- tienten beschäftigen sollte. DT Überholungsbedürftiges Gesetz? Die Vergabe rezeptpflichtiger Arzneimittel ist per Gesetzgeber eng begrenzt. von Stefan Smyczko congress@fdiworldental.org www.fdiworldental.org FDI Annual World Dental Congress 2-5 September 2010 Salvador da Bahia, Brazil ANZEIGE Stefan Smyczko ecerta Ltd. Niederlassung Österreich Donaufelderstraße 247 1220 Wien stefan.smyczko@ecerta.eu www.ecerta.eu Kontakt

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