DTAU0610

GEILENKIRCHEN – Die Vital- amputation(VitA)vonMilchzäh- nen ist eine allgemein akzep- tierte Maßnahme zum Erhalt ihrer Funktionstüchtigkeit für einen begrenzten Zeitraum. Da- gegen wird die VitA von Perma- nentes nur mit eingeschränkter Indikation befürwortet. Wäh- rend therapeutische Mittel wie Calciumhydroxid Ca(OH)2 und MTA zur Vitalamputation emp- fohlen werden, sind die Aussa- gen zur Verwendung von for- maldehydhaltigen Mitteln kon- trovers. Eine Langzeitstudie aus einer allgemein zahnärztlichen Praxis vermittelt eine Übersicht über die Erfolgsrate des zur VitA verwendeten, formaldehydhal- tigen N2 im Vergleich zur Vital- exstirpation an Molaren. Die ESE1 definiert die Pul- paamputationalseineMaßnahme, beidereinTeildesexponierten,vi- talen Pulpengewebes in der Ab- sichtentferntwird,dieVitalitätund Funktion der verbleibenden Pul- paanteile zu erhalten. Die ESE sieht folgende Indikationen zur Vitalamputation (= Pulpotomie): 1.Behandlung von Milchzähnen 2.Behandlung von Permanentes mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum 3.Notfallmaßnahme. 2. und 3. beinhalten die Option zu einer späteren definitiven Wur- zelkanalbehandlung (WKB). Seid- ler2 befürwortet die VitA bei akzi- dentell eröffneter Pulpa in jungen Molaren und stark gekrümmten, engen Wurzelkanälen. Für Stern3 stellen auch Probleme bei der MundöffnungeineVitA-Indikation dar. McDougal et al.4 erweitern die IndikationzurPulpotomieumöko- nomische Aspekte, da manche Pa- tienten/-innen die Kosten für eine WKB nicht tragen können oder wollen. Nach Swift et al.5 darf ein Erfolg der VitA eher nach trauma- tischer oder mechanischer als nach kariöser Eröffnung der Pul- pa erwartet werden. Die Autoren halten einen Erfolg für vorherseh- bar unter den Voraussetzungen, dass die Pulpa nicht entzündet ist, der Verschluss bakteriendicht ist und ein von der Pulpa tolerierten Überkappungsmaterials verwen- det wird. Seidler erscheinen fol- gende Aussagen als für die Pro- gnose valide: – EinhöhererErfolgwirdbeiiatro- gener Eröffnung der Pulpa beob- achtet. – Bei abgeschlossenem Wurzel- wachstum ist der Behandlungs- erfolg reduziert. – Molaren zeigen einen höheren Erfolg als Frontzähne. Für eine Pulpotomie mit Ca(OH)2 setzt Jensen6 voraus, dass anamnestisch keine Schmerzen vorgelegen haben. Die Bedeutung des Negativfaktors „Schmerzen vorderVitA“wiesenTeixeiraetal.7 nach. In ihrer Studie über 41 mit Ca(OH)2 vitalamputierten Perma- nentes hatten 12 anamnestische Schmerzen.DiePulpotomiedieser schmerzenden Zähne mündete nach sechs bis acht Monaten zu 50% (n = 6) in einen Misserfolg, während alle anderen vitalampu- tierten Zähne als erfolgreich be- handelt galten. McDougal et al. berichteten von 73 Eugenol-Pulpotomien an schmerzenden permanenten Mo- laren und Prämolaren. Nach sechs Monaten war ein klinischer Er- folg von 90%, nach zwölf Monaten von 78% zu verzeichnen. Die bei der Nachuntersuchung schmerz- freienZähnewurdeneinerröntge- nologischenKontrolleunterzogen. Radiologisch waren nach sechs Monaten 49%, nach zwölf Mona- ten 42% ohne pathologischen Be- fund. Nach Jensen ist die Pulpo- tomie der Versuch, eine Hartge- websheilung im Bereich der Am- putationsstelle zu stimulieren. FountainundCamp8 machtendar- auf aufmerksam, dass nach einer Pulpotomie eine Kanalverkal- kung,interneResorptionbzw.eine Nekrose der Pulpa eintreten kann. Die Autoren Kozlow und Massler9 weisen auf Literatur hin, nach der die Formation einer Dentin- brücke in Rattenzähnen unter nicht-calciumhaltigenMaterialien wieWachs,Amalgam,Acryl-Resin, Zinkoxid-Eugenol eintrat. In hu- manen Zähnen gelang das Bridging unter Ca(OH)2 zu 43%, unter einer antibiotischen Appli- kation zu 23%. In eigenen Versu- chen an Rattenzähnen stellten die AutoreneinegutereparativeReak- tion mit vollständigem Bridging nach Pulpotomie mittels Ca(OH)2, Zinkoxid-Eugenol, Kortison und Silber-Amalgam fest. Nach Alacam10 werden für die PulpotomieverschiedeneMateria- lien empfohlen: Ca(OH)2, Formo- cresol, Glutaraldehyd, Eisensulfal, Zinkoxid-Eugenol und Polycarbo- xylat-Zement. Salako et al.11 ver- glichenanRattenzähnendieMittel Mineral-Trioxid-Mineral (MTA), Formocresol, Eisensulfat und bio- aktives Glas (BAG) hinsichtlich ihrer Pulpotomie-Kompatibilität. MTA stellte sich als ideales Pulpo- tomiemittel heraus. Historisch bewährte Vitalam- putationsmittel für Milchzähne undPermanentesstellenMittelmit FormaldehydzusatzsowieCa(OH)2 dar. Massler et al.13 sprachen von einem 92%igen klinischen Erfolg nach Ca(OH)2-VitA. Unter Einbe- ziehung von postoperativen Rönt- genaufnahmenfielderErfolgnach einem Jahr auf 75%, nach 2 bis 5 Jahren auf 65%. Die Autoren ver- muteten mehrere Ursachen des Misserfolgs: Die Pulpa war initial schon zu stark entzündet, bei der Applikation wurde ein zu starker Druckausgeübt,einBlutkoagulum wurde mit blutstillenden Mitteln beseitigt. Dasamhäufigstenverwendete Vitalamputationsmittel bei Milch- zähnen ist Formocresol. Eine Um- frage15 lieferte das Ergebnis, dass die Formocresol-Pulpotomie in Milchzähnen zu 73% von den All- gemeinzahnärzten/-innen, zu 98,2% von den Kinderzahnärz- ten/-innen angewandt wurde. Die Anwendungshäufigkeit an perma- nenten Zähnen fiel geringer aus – zu 18,9% bei den Allgemeinzahn- ärzten/-innen und zu 55,4% bei den Kinderzahnärzten/-innen. Fisch16 publizierte 1.933 Spät- resultate der Pulpaamputation an 600 Zähnen mit dem Formalde- hydpräparat Triopaste. Die Kon- trollenerfolgten6Monatebiszu18 Jahre nach Amputation. 9% wie- senbeiderRöntgenkontrolleeinen pathologischen Apex auf. 11 extra- hierte Zähne konnten histologisch untersucht werden. Hartsubstanz- bildung wurde nachgewiesen in Form eines Verschlusses des Fora- menapicaleundAppositionanden lateralenKanalwänden,diez.T.bis zur Obliteration des Kanallumens führte. Overdiek17 testete N2 als formaldehydhaltiges VitA-Mittel an Humanzähnen im Kurzzeit- versuch bis zu zweieinhalb Mona- ten. Er stellte fest, dass mehrere Wochen nach N2-Applikation die Möglichkeit der Entwicklung ei- ner Hartsubstanzbarriere be- stünde.Sternführtewährendeiner Periode von 12 Jahren unter rela- tiver Trockenlegung 175 Pulpoto- mien mit N2 an Zähnen mit abge- schlossenem Wurzelwachstum durch, unabhängig von eventuel- len anamnestischen Schmerzen. 15% der Patienten/-innen hatten nach der Behandlung stärkere Beschwerden, die innerhalb von 48 Stunden abklangen. Jedoch hätten 4 Patienten/-innen eine Pulpitis entwickelt mit der Folge der Extraktion von 3 Zähnen und der konservativen WKB eines Zahnes. Stern war in der Lage, das Schicksal von 35 vitalamputierten Zähnen länger zu verfolgen. Im Laufe der Nachbeobachtung wur- den 2 Zähne extrahiert – davon ei- ner wegen Fraktur. 5 Jahre nach Behandlung beobachtete Stern anhand der Röntgenbilder eine fortschreitende Verkalkung der Nervkanäle. Da laut Schriftum eine N2-VitA an Milchzähnen deutlich bessere Erfolge erzielte als Ca(OH)2- Pulpotomien, entschloss sich Frankl18,19 ,dieN2-Pulpotomieauch bei Permanentes anzuwenden. Allerdings nahm er eine Fallselek- tion vor, indem nur symptomlose Zähne,derenPulpaakzidenteller- öffnetwordenwar,fürdieBehand- lung infrage kamen. Die Behand- lung wurde unter einem Koffer- dam durchgeführt. Auftretende Pulpablutungen spielten keine Rolle. 250 Fälle wurden bis zu 13 Jahre nachkontrolliert. Das Alter der Patienten betrug zwischen 22 und 55 Jahre. Die Misserfolge be- liefen sich auf 2%, die sich schon innerhalb von 48 Stunden durch Schmerzen äußerten. ZieldervorliegendenStudieist es, die Erfolgs-/Misserfolgsquote derN2-VitAanpermanentenMola- ren zu analysieren und diese zu vergleichen mit den im gleichen Zeitraum erbrachten Molaren-Vi- talextirpationen (VitE). MaterialundMethode Die Studie wurde vorgenom- menindervomAutorengeführten Praxis, die als ländliche Sozial- praxis zu charakterisieren ist. In den Jahren 1992–1998 wurden 795 VitAs und 945 VitEs an Molaren ausgeführt. 85 VitA- und 93 VitE- Patienten/-innen erschienen nach der Behandlung nicht mehr in der Praxis. Diese wurden von der Stu- dieausgeschlossen.Somitstanden 710 VitAs und 852 VitEs für eine Analyse zur Verfügung. Im unter- suchten Behandlungszeitraum wurde ausschließlich N2 als The- rapeutikumverwendet,dasgemäß einer Zertifizierung des Regie- rungspräsidenten, Düsseldorf, am 8. Februar 1990 mit folgender For- mel zugelassen wurde: Endo Tribune DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 6/2010 · 11. Juni 201012 Die Vitalamputation permanenter Zähne Eine Studie aus der Praxis wertet den Erfolg der Therapiemaßnahme aus. von Dr. Robert Teeuwen, Deutschland Patientenfall 1 Alter: 24 Jahre VitA 16 am 16. Juli 1993 Vor der VitA. (Bilder: Dr. Teeuwen) Nach der VitA und Amalgamfül- lung. Kontrolle am 29. September 1999. Nach der N2-VitA noch starke Blu- tung aus der Pulpa (16. Juli 1993). Patientenfall 3 Alter: 53 Jahre VitA 38 am 31. Oktober 1995 Nach der VitA und Amalgamfül- lung. Kontrolle nach sechs Jahren . Kavität präpariert. N2 appliziert. Patientenfall 2 Alter: 30 Jahre VitA 28 am 3. Mai 1993 Vor der VitA. Kontrolle (17. Dezember 1994) Kavität präpariert und Pulpenca- vum ausgeräumt

Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download