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DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 7+8/2010 · 9. Juli 2010 International Science 7 REGENSBURG – Die Behand- lung von Kindern kann zur Her- ausforderung werden – für die Eltern, den Zahnarzt und vor allem für die kleinen Patienten/ -innen. Eine gezielte Kommuni- kation kann zum Behandlungs- erfolg führen und vermeiden, dass sich Kinder vor dem näch- sten Zahn-arztbesuch fürchten. Wer sich mit Kindern intensiv beschäftigt, kann oft intuitiv er- fassen, auf welche Weise man Zu- gang zu seinen kleinen Patienten/ -innen bekommt und dies auch umsetzen. Wird diese Fähigkeit nun aber trainiert, die Kommuni- kationskompetenz im gesamten Team geschult und dann bewusst eingesetzt,hatmaneineTrickkiste zur Verfügung, mit der auch die interessanten Patienten/-innen zur Behandlung zu bewegen sind. Gleichzeitig kann durch den ge- zielten Einsatz von Körpersprache und nonverbalen Signalen eine entspannteOrdinationsatmosphäre geschaffen werden, die den Eltern vermittelt, dass sie mit ihren Kin- dern willkommen sind und eine professionelle Behandlung auf ho- hem Niveau erwarten dürfen. Diese Botschaft zu vermitteln ist zunehmend bedeutsam, da viele kleinePatienten/-innenschoneine regelrechte Odyssee hinter sich haben. Dementsprechend ange- spannt sind die Begleitpersonen, die in der Vorgeschichte bereits Behandlungsabbrüche, Verweige- rungsaktionen oder Tobsuchtsan- fällemiterlebthabenundvonratlo- sen und verunsicherten Kollegen/ -innen unverrichteter Dinge wie- der heimgeschickt oder hinaus- komplimentiert wurden. Diese VerunsicherungübertragenEltern oft unabsichtlich durch unbewusst ausgesendete Signale auf ihre Kin- der,diesichdanninderOrdination entsprechend präsentieren. Es ist also zunächst von großer Wichtig- keit, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen, denn erst dann kann sich die Situation derart entspan- nen, dass Sie gemeinsam mit der HelferineineunbeschwerteBezie- hung zu ihrem Patienten aufbauen können. Alle Mitglieder des Ordina- tionsteams sollten gemeinsam ein Kommunikationstraining durch- laufen, damit es bezüglich der Fachinhalte und der verwendeten Sprachmuster keine Abweichun- gen gibt. So kann bereits bei der telefonischen Terminvergabe sig- nalisiert werden, dass in der Ordi- nation für jede noch so spannende Aufgabe bislang eine zufrieden- stellendeLösunggefundenwurde. Und die Assistentin, die das Kind aus dem Wartezimmer abholt, er- zählt, sie habe sich schon den ganzen Tag gefreut, dass sie heute Besuch bekommt und sie ihr tol- les „Tigerzimmer“ mal herzeigen kann etc. Es gilt also, einen ande- ren Kontext zu präsentieren, der dem herkömmlichen Bild einer zahnärztlichen Ordination wider- spricht. Eltern, bitte nicht helfen! Die Begleitpersonen werden vorab gebeten, das Kind nicht auf den Zahnarztbesuch vorzuberei- ten, sodass es völlig unbefangen in die Ordination kommen kann. Sie werden weiterhin gebeten, sich zurückzuhalten und eine be- obachtendeHaltungeinzunehmen, damit eine individuelle Beziehung zwischen dem Kind und dem Be- handlungsteam entstehen kann. Wichtig ist, dass auch die Assisten- tin korrigierend eingreifen darf, wenndieEltern–oftausUnsicher- heit – den Beziehungsaufbau ver- unmöglichen. Dazu muss der Zahnarzt eine stabile Teamstruk- tur gestalten (horizontal oder ver- tikal), in der die Rollenverteilun- gen, die Verantwortlichkeiten und die Kommunikationsbeziehungen (wer berichtet wem, was, wann?) feststehen.SozeigtdasganzeTeam Kompetenz und Souveränität, was den Eltern die Sicherheit gibt, sich zurückzunehmen,sodassSiezuih- rem Kind einen Rapport, also eine zwischenmenschlicheverbaleund nonverbale Beziehung, aufbauen können. Eine positive Prägung Das „metakommunikative Axiom“ von Paul Watzlawick (1921–2007) besagt, dass man nicht nicht kommunizieren kann; sobaldmansichwahrnimmt,kom- muniziert man allein durch sein Verhalten. Diese Tatsache ermög- licht die Kontaktaufnahme auch mit kleineren Kindern, die noch keiner Sprache mächtig sind oder aus einem anderen Kulturkreis stammen. Hier ist die Körperspra- che gefragt, die – wenn sie mit der Empathie, die Sie empfinden, kon- gruent ist – eine erste nonverbale Kontaktaufnahme ermöglicht, in der Zahnärzte/-innen ihre Harm- losigkeit präsentieren können. Auch rhythmische Geräusche, pentatonischeKlangfolgen,Reime, Liedchen, Handpuppen oder Fin- gerspiele helfen, die ganz kleinen Patienten/-innen für sich zu ge- winnen (Abb. 1). Größere Patien- ten/-innen können je nach Alter und Verhalten zunächst gespiegelt werden, indem Teammitglieder Haltung und Ausdruck überneh- men und nachahmen. Assistentin- nen, die lustige Grimassen schnei- den oder Luftballons zu Tieren knoten können, sind ebenso ge- winnbringend einsetzbar, da hier zunächst eine positive Stimmung gezielterzeugtwirdunddieUnter- suchung der Zähne in einen völlig anderen Kontext gesetzt wird („re- framing“). Es wird sowohl bei den ElternalsauchbeidenKindernein „Yes-Set“ erzeugt; die bisher mit dem Zahnarztbesuch verbundene Aufregung wird überflüssig. Auch Patienten/-innen, die zunächst eine direkte Kommunikation ver- weigern, können mit unglaub- lichen Geschichten von ihrem Haustier oder einer haarsträuben- denQuatschgeschichteausderRe- serve gelockt werden. Hier ist die Kunst des sich selbst aufrechter- haltenden Gesprächs gefragt. MancheKinderkönnensehrnach- drücklich schweigen, andererseits könnenmancheZahnarzthelferin- nen umso unbeschwerter erzäh- len.Esistwichtig,dasswirklichalle indemBehandlungsraum–derbe- handelnde Zahnarzt eingeschlos- sen – signalisieren, alle Zeit der Welt zu haben, um über Neben- sächlichkeiten zu plaudern und ei- nen Rapport zum Patienten aufzu- bauen.DadurcherfolgteineUnter- brechung bekannter Abläufe: Das Kind „muss“ zum Zahnarzt gehen, der „muss“ die Zähne anschauen. Man kann schon beim Lesen fest- stellen, welcher Druck sich da auf- bauen lässt. Hat man die Aufmerksamkeit des Patienten gewonnen, kann mandurchstringenteVerwendung ausschließlich positiver Sprach- muster sein geplantes Vorgehen schildern, und durch das Prinzip der kleinen Schritte und den Ein- satz des „tell-show-do“-Verfah- rens, absolute Aufrichtigkeit und das Versprechen, ganz vorsichtig zu sein, das Vertrauen des Patien- ten gewinnen. In unserer Ordina- tion wird jeder neue Patient auf diese Weise beim ersten Termin „behandelt“, egal ob eine negative Vorerfahrung besteht oder der Patient völlig unbeschwert herein- kommt.InderRegelbestehennach kürzester Zeit bei keinem Kind irgendwelche Bedenken, sich die Zähne zählen zu lassen. Wer uns nicht traut, bekommt einen Spie- gel, damit er genau beobachten kann, was gerade passiert. Dieser Trick stammt aus der zahnärztli- chen Hypnose und induziert durch die Handkatalepsie, die Blickfixa- tion und die Dissoziation über den Spiegel eine kurze Trance, in der dieZähneuntersuchtwerdenkön- nen (Abb. 2a und b). Wird bei der Untersuchung eine Behandlungsnotwendigkeit festgestellt, ist die Einschätzung der Kooperationsfähigkeit des Pa- tienten bezüglich der durchzufüh- renden Maßnahmen die zentrale Aufgabe vor Behandlungsbeginn. Je nach Alter, Entwicklungsstand und Umfang der Behandlung wer- den Praxistermine, Dormicumbe- handlungen oder Zahnsanierun- gen geplant. Altersgerechte An- sprache und Information unter VerwendungpositiverSprachmus- ter kann bereits Dreijährige dazu befähigen, bei komplexeren Be- handlungen mitzuarbeiten, ande- rerseits sind manche Elfjährige auch nach entsprechenden Erklä- rungen und Bemühungen nicht ohne die Hilfe eines Anästhesisten zu behandeln. Wird die Behand- lung in der Ordination durchge- führt, sollten alle Behandlungs- schritte zuvor erklärt, gegebenen- falls positiv umformuliert und de- monstriert werden. Wichtig ist, dass die Kinder bei unschönen, aber notwendigen Maßnahmen, wie zum Beispiel bei einer Injek- tion, sprachlich begleitet („Merkst du eigentlich,wiedolldasamZahn glitzert?“)undfürihreKooperation fortwährend gelobt werden. Es er- folgt kein Behandlungsabbruch, sondern das Kind wird durch die Behandlung geführt. Das diesbe- züglich ruhige und stabile Verhal- ten des Teams wird so auf den Pa- tienten und dessen Eltern übertra- gen. Die Eltern wurden im Vorfeld überdieWirkungpositiverSprach- muster informiert und dürfen sich ausschließlich mit Bemerkungen wie:„Das machst du richtig toll“ oder „Heute ging das ja super- schnell, weil du den Zahn so ruhig gehalten hast“ zu Wort melden, was für die weitere Behandlung sehr hilfreich ist. Hier wird durch Belohnung des erwünschten Ver- haltensderPatientpositivbestärkt, sodass er sich nach der Behand- lung im Idealfall nur an seine tolle Mitarbeit erinnert und sich auf den nächsten Termin bereits beim Verlassen der Ordination freut. Negative elterliche Äußerungen im Sinne von: „War das denn jetzt so schlimm?“ können – auch wenn die ganze Behandlung absolut undramatisch verlief – den Patien- ten in Tränen ausbrechen lassen undsinddeshalbuntersagt.Eltern, die diese Praxisregel nicht beher- zigen, bekommen im Bedarfsfall eine „gelbe Karte“ überreicht, auf der sie nochmals erklärt bekom- men, wie sie ihr Kind durch posi- tive Sprachmuster unterstützen können. Die zahnärztliche Kinderbe- handlung mit einer professionel- len Kommunikation macht Spaß. Das wunderbarste aller Kompli- mente bekam ich diesbezüglich vor ungefähr einem Jahr von ei- nem Vierjährigen, der mir mit größter Begeisterung entgegen- schmetterte: „Ich find’ das toll, wenn du mich bohrst!“ In diesem Sinne wünsche ich allen Kollegin- nen und Kollegen ein fröhliches und entspanntes Arbeiten mit ih- ren kleinen Patienten/-innen. DT „Ich find’ das toll, wenn du mich bohrst!“ Die Kommunikation mit Kindern und ihren Eltern sollte gut durchdacht sein. von Dr. Isabell von Gymnich, Deutschland Dr. Isabell von Gymnich Gemeinschaftspraxis mit Dr. Sandra Herbrig Im Gewerbepark C 27 93059 Regensburg Deutschland www.kinderzahnfee.de Kontakt Fortbildung Die Österreichische Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (ÖGK, www.kinderzahnheilkunde-on- line.at) bietet regelmäßig einen Kompaktkurs an. In drei Blöcken werden die wichtigsten Grund- lagen der Kinderzahnheilkun- de vermittelt. Der Kompaktkurs 2010/2011 ist ausgebucht, der Kurs 2011/2012 beginnt im Okt- ober des kommenden Jahres. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGK) bietet Fortbildungen an. Abb. 1: Die erste Kontaktaufnahme, bei der die Zahnärzte/-innen ihre Harmlo- sigkeit präsentieren können, ist wichtig. Fotos:Dr.vonGymnich Abb. 2a und b: Wer der Zahnärztin nicht traut, bekommt einen Spiegel, damit er genau beobachten kann, was gerade passiert. Der Trick stammt aus der zahnärztliche Hypnose.

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