DTGER0910

Zubeachtenist,dassdieArteriitistem- poralis als lokale Gefäßentzündung aufgrund der möglichen Konsequen- zen (irreversibles Erblinden) ein schnelles Handeln verlangt. Leit- symptome der MAP resp. CMD sind vor allem Schmerzen im Bereich des Kiefergelenks und/oder der Kau- muskulatur, Gelenkgeräusche und Bewegungseinschränkungen des Un- terkiefers, die durch entzündliche und/oder degenerative Veränderun- gen verursacht werden. Häufig treten BegleitsymptomeinFormvonZahn-, Kopf-, Nacken- oder Ohrenschmer- zen auf, die den Behandler initial wegenderVielfaltderBeschwerdenir- reführen können. Als Ätiologie wer- den parafunktionelle Aktivitäten, die tagsüber und nachts auftreten kön- nen,diskutiert.NeuereForschungsar- beiten konnten frühereVermutungen nicht erhärten, dass okklusale Fakto- ren bei der Entstehung einer MAP resp.CMDeineursächlicheRollespie- len. Therapeutische Möglichkeiten sind Aufklärung des Patienten, In- struktion von Selbstbeobachtung, Pharmakotherapie, physikalische Maßnahmen, Schienentherapien, kognitive Verhaltenstherapie (auch Biofeedback und Entspannungstrai- ning) sowie alternativmedizinische Ansätze. Chirurgische Interventio- nen sollten gemäß international an- erkannten Richtlinien erst nach um- fassenden konservativen Maßnah- menbeitherapierefraktärenPatienten zum Einsatz kommen. Insgesamt weist dieses Krankheitsbild eine gute Prognose auf,wobei die Intensität der Beschwerden im Verlauf typischer- weisealterniert. MAP resp. CMD Gegen MAP resp. CMD abzu- grenzenistdersogenannteanhaltende idiopathische Zahn- oder Gesichts- schmerz, dessen Diagnose erst nach Ausschluss lokaler Pathologien und Schmerzsyndrome bei unauffälliger Bildgebung gestellt werden darf. Ty- pischerweise imponiert dieser auch durchdumpfe,oftbrennendeundzie- hende Dauerschmerzen von schwan- kenderIntensität,diedenSchlaf nicht beeinträchtigen. Diesem primär ein- seitigen Schmerz können attackenar- tige Beschwerden aufgelagert sein. Häufig beschreiben die Patienten ein subjektives Schwellungs- und Taub- heitsgefühl. Eine diagnostische Anäs- thesie kann in der Diagnosefindung hilfreich sein, wobei in diesen Fällen trotz Ausschaltung der peripheren Rezeptoren ein Restschmerz bleibt, was auf eine Mitbeteiligung zentraler neuraler Prozesse hinweist. Thera- peutischistdieAufklärungdesPatien- ten über das Vorkommen dieser Schmerzform von entscheidender Bedeutung. Meist ist die Vorge- schichte komplex mit multiplen endodontischen Behandlungen und Extraktionen, die nicht selten auch von Patientenseite gefordert werden. Dies bedingt einen interdisziplinären Therapieansatz, der sowohl schmerz- psychologische als auch pharma- kologische Aspekte umfassen sollte. Dabei kommen lokale Maßnahmen wie Medikamententrägerschienen (Capsaicin in Kombination mit Lo- kalanästhetika zur Desensibilisierung von TRPV1-Schmerzrezeptoren) oderInjektionen(Lokalanästhetikum mit Kortikosteroid) und systemische Medikationen (trizyklische Antide- pressiva, Antikonvulsiva) zum Ein- satz. Invasive Maßnahmen sind kontraindiziert und wegen resultie- render neuraler Sensiblisierungs- prozesse mit Schmerzintensivierung und -ausbreitung unbedingt zu ver- meiden. Phantomschmerz Klinisch zeigt der Deafferen- zierungsschmerz ein ähnliches Be- schwerdebild. Dieser neuropathische Schmerz („Phantomschmerz“), der durch eine traumatische oder chirur- gische Nervverletzung entstehen kann, wird auch im Sinne einer Neu- rombildung verstanden und ist mit einer Prävalenz (je nach Studie) von bis zu sechs Prozent nach endodon- tischer Behandlung ein nicht seltenes Beschwerdebild. Ein erhöhtes Risiko dafür wird bei vorbestehenden Schmerzenbeschrieben. Daraus ergibt sich, dass unklare orofaziale Beschwerden vom Allge- meinarzt und -zahnarzt therapeu- tische Zurückhaltung erfordern, solange nicht eine umfassende in- terdisziplinäre Abklärung stattge- funden hat, welche ein biopsy- chosoziales Krankheitskonzept berücksichtigt. Dies beinhaltet neben der Erfassung physi- scher,nozizeptiverFakto- ren(sog.AchseI)auch die Diagnose psy- chologischer Fakto- ren (sog. Achse II), die das Schmerzer- leben entscheidend be- einflussen können (Okeson 2008). Voraussetzung ist eine ausführliche psycho- soziale Anamnese mit Fra- gen zu Lebensumständen (Live-Events,Stressorenund Ressourcen), der Beein- trächtigung und den Aus- wirkungen der Schmerzen im Alltag, den Schmerzbewälti- gungsstrategien, Krankheits- überzeugungen sowie der psy- chischen Befindlichkeit. Psychische Komorbiditäten können mit zuneh- mender Schmerzdauer und Leidens- druck in Form von Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen sowie in Form von somatoformen Störungen bei 20–60 Prozent der Pa- tientenauftreten.Diesbelegtdenaus- geprägten sekundären Effekt einer primären Schmerzerkrankung (Oke- son 2008). Häufig bestehen auch Schmerzen in anderen Körperbe- reichen (60 Prozent) oder andere chronische Beschwerdebilder. Disku- tiert wird beispielsweise für Fibro- myalgieundfürchronischeorofaziale SchmerzeneineStörungderzentralen Schmerz- und Stressverarbeitung (Korszun2002,Egleetal.2004). Stabilisierung der Alltagssituation Die schmerzbezogene Psycho- therapie beinhaltet die Verbesserung des Verständnisses für das Schmerz- erleben und den Umgang mit dem Schmerz. Hierbei steht die Erarbei- tung eines gemeinsamen Schmerz- modells im Vordergrund. Dies beruht auf einem umfassen den In- formationsaustausch und ausführ- lichen Erklärungen zur Schmerz- entstehung und Schmerzaufrecht- erhaltung durch biologische und psychologische Faktoren. Das Ver- ständnis muss auch auf den Einfluss des sozialen Kontext (Stress- und Belastungssituationen) ausgedehnt und die diesbezüglichen Auswir- kungen des Schmerzes (sekundärer Krankheitsgewinn) angesprochen werden. Die Schmerzbewältigung beruht auf einer Verbesserung der Kontrollierbarkeit des Schmerzes und der persönlichen Akzeptanz der Situation. Unterstützend wirken hierbei Techniken wie Selbstbeob- achtung, Körperwahrnehmung und Biofeedback, das eine optische Dar- stellung von Spannungszuständen erlaubt. So können die Patienten für Zusammenhänge zwischen emo- tionalenZuständen,innererUnruhe, mangelnder psychophysiologischer Entspannungsfähigkeit und Schmerz- verstärkung sensibilisiert werden (FeinmanundNewton-John 2004). Entspannungstechniken (z.B. pro- gressive Muskelentspannung nach Jacobson)unterstützendenPatienten durch eine differenzierte Wahrneh- mung von muskulären Spannungs- zuständen. Somit kann das Behand- lungsziel weniger als eine vollstän- dige Beschwerderemission, son- dern vielmehr als eine Stabilisierung der Alltagssituation mit dem chroni- schen Schmerz bezeichnet werden. ChronischeorofazialeSchmerzen können aufgrund der komplexen Schmerzgenese und oft fehlendem klinischen Korrelat nicht immer kau- sal behandelt werden. Dies stellt eine besondere Herausforderung für die Aufklärung des Patienten, aber auch für das Verständnis des Behandlers dar. Eine umfangreiche Schmerz- anamnese kann die Erfassung der Komplexität der Schmerzerkrankung erleichternundzueinerumfassenden Diagnose führen. Der koordinierte interdisziplinäre Therapieansatz (je nach Fall unter Einbezug von Zahn- arzt,Allgemeinarzt,Neurologe,Hals-, Nasen-, Ohren-Spezialist, Psychiater und Psychologe) optimiert nicht nur die Schmerzlinderung, sondern ist letztlich auch der ökonomischste Behandlungsweg. Erstveröffentlichung: face 2/09. Eine Literaturliste steht nun unter www.zwp-online.info/fachportal/ kieferorthopaedie für Sie bereit. DT International Science DENTALTRIBUNE German Edition · Nr. 9/2010 · 1. September 20106 ➟ ANZEIGE Dr.DominikEttlin KlinischerDozent,Leiterder Sprechstundefürorofaziale SchmerzendesZZMK,Klinikfür Kaufunktionsstörungen,Abnehm- bareRekonstruktionen,Alters- undBehindertenzahnmedizin Plattenstr.11,8032Zürich,Schweiz Kontakt Foto:TonisPan

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