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DTAUT1110

International Science DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 11/2010 · 12. November 20106 WIEN – Aktuelle Studien in Österreich belegen, dass zu- mindest 20 Prozent der Ärzte/ -innen und Zahnärzte/-innen manifeste Burn-out-Symptome aufweisen, 50 Prozent gelten nach Angaben der Ärztekam- mer als gefährdet. Eine dra- matische Situation, zumal die Frühmorbidität, Frühmorta- lität und die Suizidrate bei der Berufsgruppe höher ist als in der Normalbevölkerung. Burn-out gefährdet weiter die Qualität der ärztlichen Leistung. Schlechte Kommunikation mit den Patienten/-innen, erhöhte Fehleranfälligkeit und vermin- derte Effizienz sind augen- scheinliche Beispiele für Folgen von Übermüdung, Erschöpfung und Frustration. Aufgrund die- ser alarmierenden Daten gilt es, die individuelle Wahrnehmung für erste Anzeichen im persön- lichen und beruflichen Umfeld zu schärfen und möglichst früh- zeitig nachhaltige, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Was macht Burn-out gefährlich? „I have done too much for too many for too long with too little regard for myself.“ * Der Begriff Burn-out wurde 1974 von dem New Yorker Psychoanalytiker Herbert Freu- denberger aufgrund eigener Er- fahrungen und Beobachtungen geprägt und beschrieb die emo- tionale Erschöpfung von Per- sonen in sozialen Berufen. Als weitereKernsymptomedesBurn- out gelten Depersonalisation (Abgestumpftheit, Gleichgültig- keit) und Leistungsminderung. Burn-out ist mittlerweile als „Ausgebranntsein“ oder „Zu- stand der totalen Erschöpfung“ in der „International Classifica- tion of Diseases and Health rela- ted Problems“ (ICD 10) mit dem Diagnoseschlüssel Z73.0 erfasst. Es ist ein höchst individueller Prozess sowohl, was die Genese betrifft, als auch die Erschei- nungsform. Rund 130 Symptome werden in der Fachliteratur mit Burn-outinVerbindunggebracht. Aus meiner Sicht besteht bei Burn-out ein extremes Ungleich- gewicht von Energieaufnahme und -abgabe. Es ist ein hoch komplexes psychovegetatives Überlastungssyndrom mit viel- fältigen Erscheinungsformen zunehmender bis totaler Er- schöpfung, das den Menschen auf allen Ebenen (geistig, see- lisch und körperlich) betrifft. Bislang gibt es keine wissen- schaftlich eindeutige und ein- heitlich valide Definition der Erkrankung, was die Diagnose zusätzlich erschwert und ein frühzeitiges zielgerichtetes Inter- venieren hinauszögert. So wer- den die eigentlichen Ursachen oft nicht gesehen. Es folgen langwierige Untersuchungen, die keine klare Diagnose brin- gen, und nur erfolglose Thera- pieversuche einzelner Symp- tome.NebenderKomplexitätdes Themas und seiner schleichen- den Entwicklung trägt auch das Herabspielen der Symptome durchdieBetroffenenundihrso- ziales Umfeld – nach dem Motto „Schalt doch einfach mal ab“ – dazu bei, dass das Erkennen und damit die Behandlung des Burn- outs verzögert werden. Betrof- fene brennen aus, gerade weil sie nicht abschalten können. Burn-out basiert auf inneren Fallen, in die der Betroffene gerne hineintappt: Oft hat er ein hohes Anspruchsniveau, was die eigenen Leistungen, die Einnah- men, die Ziele und auch den Sta- tus betrifft. Unrealistisch hoch gesteckte Ziele und überhöhte Erwartungen werden unter un- verhältnismäßig hohem persön- lichen Einsatz versucht zu er- reichen. Die zerstörerische Kraft entstehtdabeidurchdaszulange Übergehen der eigenen Bedürf- nisse, zu geringe Regenerations- phasen und Durchhalten eines vermeintlich kurzen Anstren- gungszustandes unter Aufbie- tung sämtlicher Energiereser- ven und Ressourcen. Menschen mit Burn-out haben meist mehr Angst davor, stehen zu bleiben und zur Ruhe zu kommen, als sehenden Auges weiterzuren- nen. Es ist eine Selbstüberschät- zung mit einem hohen gesund- heitlichen Preis. Oft höre ich: „nur noch dieses eine Projekt …“ oder „nur noch diese eine Auf- gabe …“ Die „nur noch“-Liste lässt sich je nach individuellen Schwerpunkten beliebig fortset- zen. Längst überfällige, drin- gendst erforderliche Pausen da- zwischen, um die eigenen Batte- rien aufzuladen, werden immer weiter in die Zukunft verscho- ben, solange bis am Ende gar nichts mehr geht. Ein zentrales Thema dabei ist die Verleug- nung der Endlichkeit und Be- grenztheit der eigenen Kräfte. Risikofaktoren Aus meiner langjährigen Er- fahrung mit Betroffenen beob- achte ich eine enge Korrelation einer bestimmten Persönlich- keitsstruktur, einhergehend mit verstärkenden Rahmenbedin- gungen. Da sind zum einen prä- disponierende Faktoren, die in der Persönlichkeit verankert sind: • Perfektionismus/Zwanghaf- tigkeit • Idealismus/Überidentifikation • Ehrgeiz/hohes Engagement • Konkurrenzdenken • geringes Selbstwertgefühl • hohes Bedürfnis nach Aner- kennung • Schwierigkeiten sich abzu- grenzen/nein zu sagen • ausgeprägte Willensstärke • Schwierigkeiten, persönliche Schwäche und Hilflosigkeit einzugestehen. Rahmenbedingungen und Stressoren am Arbeitsplatz, die dann das Bur-nout-Risiko bei ei- ner persönlichen Prädisposition signifikanterhöhenundschluss- endlich zum totalen Ausbrennen führen können, sind • hoher Zeit- und Leistungs- druck • qualitative/quantitative Arbeitsüberlastung • zu geringer Handlungs- spielraum • mangelnde Anerken- nung • zu geringe Entlohnung • Wirtschaftlichkeits- und Konkurrenzdruck • Konflikte im sozialen Umfeld. Entscheidend für die Entwicklung eines Burn- out sind oft weniger die tatsächlichen Anforde- rungen, als vielmehr die innere Haltung und die subjektive Bewertung der Situation. Der Beginn des Burn- outs ist meist schlei- chend und leise. Eine an- fänglich gesteigerte Akti- vität und Leistungsfähig- keit weicht zunehmend Müdigkeit, Lustlosigkeit, Angespanntheit und dem Gefühl, mit Vollgas auf der Stelle zu tre- ten. Der Körper befindet sich in einem Daueralarmzustand und gerät zunehmend aus der Ba- lance. Über eine neuro-bioche- misch-hormonelle Rückkoppe- lung wird so lange Energie be- reitgestellt, um eine perzipierte Bedrohung abzuwehren, bis alle Reserven erschöpft sind. So kommt es neben einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormo- nen wie Noradrenalin und Adre- nalin auch zur Erhöhung von Cortisol, der stärksten Immun- bremse des menschlichen Kör- pers. Jüngste Forschungsergeb- nisse der Western Ontario Uni- versitätinLondon,Kanada,bele- gen erstmals Ablagerungen von Cortisol im Haarschaft bei chro- nischer unbewältigter Stressbe- lastung, ein Indikator für stress- bedingte Folgeerkrankungen (etwa Herzinfarktrisiko). Alarmsignale des Körpers Der Körper sendet anfangs dezente, später immer deut- lichere Signale. Hartnäckige Verleugnung der eigenen kriti- schen Situation und Verdrän- gung von Alarmsignalen gefähr- denaufDauernachhaltigdieGe- sundheit. Um das Risiko eines Burn-out zu senken und die Ge- sundheit zu schützen, ist es da- her essenziell, die Wahrneh- mung zu schärfen und die ersten Signale zu erkennen. Folgende Symptome treten gehäuft auf und können sich gegenseitig beeinflussen und verstärken: • Physisch: die gesamte Palette psychosomatischer Beschwer- den wie Herzrasen, Schwitzen, Schwindelgefühle, Müdigkeit, Schlafstörungen, Tinnitus, Seh- störungen, Nackenverspan- nungen, Engegefühl in der Brust, Magenkrämpfe, erhöhte Infektanfälligkeit, Schmerzen (im Rücken, Kopf, Bauch und den Gelenken) u.a. • Mental: Gedankenkreisen, Grübeln, Vergesslichkeit, Kon- zentrationsstörungen, Wort- findungsstörungen, Schwarz- Weiß-Denken, Tunnelblick (Ausblenden essenzieller Le- bensbereiche), Verdrängen, Realitätsverlust • Emotional: Unzufriedenheit, Nervosität, Reizbarkeit, Anhe- donie(Unfähigkeit,Freudeund Lust zu empfinden), Versagens- ängste, Wut, Trauer, Schuldge- fühle, Antriebslosigkeit, Ver- zweiflung, Depression • Verhaltensbezogen: Kompen- sationsmaßnahmen wie er- höhte Verwendung von Sucht- mitteln (Alkohol, Medika- mente,Schlafmittel,Aufputsch- mittel, Nikotin), veränderte Essgewohnheiten (Fehl-, Über- und Unterernährung), gestei- gertesKonsumverhalten(Kauf- rausch) u.a. Der „Ausgebrannte“ erlebt seine Umwelt zunehmend als nicht mehr kontrollierbar und ziehtsichimmermehrinsichzu- rück, ohne Hilfe von außen, etwa von Freunden, Verwandten oder professionelle Unterstützung anzunehmen. Typische Aussa- gen, die auf eine emotionale Er- schöpfung hinweisen: „Ich fühle mich leer“‚ „Wenn ich 50 bin, höre ich mit der Praxis auf“‚ „Ich habe für nichts mehr Zeit“, „Wozu mache ich das über- haupt?“, „Ich brauche dringend Urlaub“ oder „Ich habe an nichts mehr Freude“. Die drei Phasen des Burn-out-Syndroms Aus meiner Erfahrung kön- nen dabei drei grundlegende Phasen unterschieden werden, wobei im Zentrum ein drama- tisch zunehmender Energiever- lust steht. Die erste Phase ist zu- nächstgeprägtvonidealistischer Begeisterung, hohem En- gagement und verstärk- tem Energieeinsatz, ei- nem Gefühl der Unent- behrlichkeit, gefolgt von zunehmender emotiona- ler und physischer Er- schöpfung. Selbst nach ei- nem verdienten Jahresur- laub stellt sich das Gefühl der Erholung nicht ein. Die zweiten Phase bestim- men Unzufriedenheit, Ge- reiztheitundeinezynische Einstellung, die den oder die Betroffene vorher nicht gekennzeichnet hat. Resignation, Gleichgültig- keit, Gefühllosigkeit und Kontaktvermeidung be- ruflich und privat kom- men hinzu. Spätestens in dieser Phase sollte Burn- out erkannt werden. In der dritten und letzten Phase verliert der Betrof- fene sein gesamtes Selbst- vertrauen, die eigene Kompetenz wird infrage gestellt, Leistungsfähigkeit und Produk- tivität nehmen rapide ab. Er- schöpfung stellt sich schon bei kleinsten Anfordernissen des täglichen Lebens ein, die mit maximalem Energieaufwand in Angriff genommen werden. Die Folge ist der totale Zusammen- bruch,deroftzurlangandauern- den Arbeitsunfähigkeit, und im extremen Fall zur längerem sta- tionären Aufenthalt oder gar Suizid führt. In der Dezember-Ausgabe folgt der zweite Teil des Beitra- ges über wirksame Prävention gegen Burn-out. DT Burn-out – Selbstausbeutung auf Raten Die Merkmale des Burn-out-Syndroms sollten rechtzeitig erkannt werden (Teil 1). von Dr. med. Gisela Hruzek Dr. med. Gisela Hruzek Geschäftsführerin performance & more consulting coaching Wien/Düsseldorf Tel.: 0676 4365255 office@ performanceandmore.net Kontakt „DerKörpersendetanfangsdezente, späterimmerdeutlichereSignale.“ Burn-out-Betroffene haben sich oft viel zu hoch gesteckte Ziele gestellt und sich kaum Pausen gegönnt. * Diesen Satz habe ich mehrfach bei meinen Vor- trägen in Princeton/USA von Betroffenen gehört. Foto:forestpath