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DTAUT1110

DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 11/2010 · 12. November 2010 International Science 7 KREMS – An der Danube Pri- vate University wird ein vir- tueller Artikulator weiterent- wickelt,denDr.med.Friedrich Henk entworfen hat. Ein Ge- spräch mit dem Mediziner und Zahnmediziner über Artikula- toren und die jüngste Techno- logie. Herr Dr. Henk, traditionell arbeiten Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner mit me- chanischenArtikulatoren.Wel- cheFehlerquellenkannesdabei geben? Dr. Friedrich Henk: In der Zahnheilkunde sollen mechani- sche Artikulatoren die Kontakte zwischendenKauflächenunddie zahngeführten Bewegungsbah- nen entlang der Kauflächen dar- stellen. Was aber die tatsächliche Situation im Mund betrifft, so gibt es eine Reihe von werkstoff- und verfahrenstechnisch bedingten Fehlermöglichkeiten,diedieVer- hältnisse im mechanischen Arti- kulator nachteilig beeinflussen. Denken Sie nur an die indivi- duelle parodontale Beweglich- keit der Zähne zueinander, das spaltfreie Aufbringen von Regis- traten auf Modelle aus Gips, das räumlich korrekte schädelge- rechte Montieren von Oberkie- fermodellen, das oberkieferbe- züglicheMontierendesUnterkie- fermodelles, die Expansion des Modellgipses, die Expansion des Montagegipses und die Verfor- mung der für die Registrierung verwendeten Referenzmassen. Außerdem lassen sich viele biologische Faktoren, wie zum Beispiel die Resilienz von Weich- teilstrukturen im menschlichen Kiefergelenk, die physiologische oder pathologische Eigenbeweg- lichkeit der Zähne, oder wenn wirandieBeweglichkeitvonPro- thesen denken, auch mit noch so hohem Aufwand mechanisch nicht nachvollziehen. Auch an die Verbiegungen des gesamten Unterkiefers bei entsprechender Beanspruchung müssen wir da- bei denken. Es gibt ja genug wis- senschaftliche Arbeiten über die Reproduzierbarkeit von okklusa- len Bewegungen im mechani- schen Artikulator, die die Diskre- panz zwischen den Kontakten im Mund und im mechanischen Artikulator aufgezeigt haben. Herr Dr. Henk, wie ausge- reift sind die virtuellen Artiku- latoren, die auf dem Markt erhältlich sind? Der virtuelle Artikulator, wie im CAD/CAM-Softwarebereich angesiedelt, dient zur Darstel- lung von Kontakten zwischen den antagonistischen Zähnen und einer nur mittelwertig ein- gestellten Pro- und Laterotru- sionsbewegung und bietet also keinerlei Vorteile gegenüber ei- nem mechanischen Artikulator, wir stehen also erst am Beginn der Möglichkeiten eines virtuel- len Artikulators, von ausgereift möchte ich nicht sprechen. WassinddieVorteilevirtuel- ler Artikulatoren? Da es ja gerade in der Okklu- sions- und Funktionsanalyse ent- scheidend ist, der biomechani- schen Situation des Kausystems so nahe wie möglich zu kommen, so sind in diesem Punkt die Mög- lichkeiten eines virtuellen Arti- kulators bei Weitem vielseitiger. Ein virtueller Artikulator, wie wir ihnanderDPUentwickelthaben, ist ein mittels eines Computer- programmes simulierter Artiku- lator. Dieser ist grundsätzlich im- stande, sämtliche biomechani- schen Parameter des individuel- len Kauorgans zu simulieren und darzustellen, sofern geeignete individuelle Messwerte verfüg- bar sind. Wir können ganz analog zum mechanischen Artikulator die Kondylarbahnneigung und die Bennett-Winkel einstellen und, wie in unserem Fall an der DPU, die Kondylareinsätze und die Bennett-Einsätze mit unter- schiedlichen Krümmungsradien austauschen.FürdieBerechnung der statischen und dynamischen Okklusion sollten aber die exakt digitalisierten individuellen Be- wegungsbahnen des Unterkie- fers herangezogen werden. Wenn wir also mit einem auf dem Markt befindlichen Ultra- schallsystem berührungslos die Bewegungsbahnen eines Patien- ten messen und beispielsweise ein hochwertiges Computerto- mogramm desselben Patienten zur Verfügung haben, so können wir die Position der Kondylen zeitgleich zu der aktuellen Kon- taktpunktverteilung darstellen. Unsere weiteren Ziele sind es, Kräfteverteilungen, Zahneigen- bewegungen und Belastungen von Suprakonstruktionen mit- hilfe der virtuellen Realität zu berechnen und darzustellen. Das ist auch naheliegend, da der Rek- tor der DPU Kieferorthopäde ist, einzelne Zähne oder funktionell zusammengefasste Zahngrup- pen in Bezug auf ihre räumliche Orientierung zu modifizieren und die sich daraus ergebenden Okklusions- und Bewegungs- muster zu berechnen. Siehaben2003einenvirtuel- len Artikulator mit dem 3-D- Programm Maya, das auch in der Filmbranche verwendet wird,entwickelt.Warumhaben Sie sich für dieses entschieden? Ich habe mich immer für Ani- mationen interessiert, um kom- plexe Sachverhalte in der Zahn- heilkunde möglichst verständ- lich und wenig professoral dar- zustellen. Da ich zudem ein Fan des großen Regisseurs Steven Spielberg bin, der für seine Filme einenganzenStabvonMaya-Spe- zialisten beschäftigt, habe ich mich darin versucht, wenigstens die Grundbegriffe dieses Pro- grammes zu erlernen, und dieses Programm hat sich vorzüglich durch seine innere Struktur für meineZweckegeeignet.Nunwar es an der Zeit, den virtuellen Arti- kulatorausderStrukturvonMaya zu befreien und als .exe-Pro- gramm zu entwickeln, was mit- hilfe der DPU nun gelungen ist. Wie genau sind die Messun- gen,diemitIhremvirtuellenAr- tikulator vorgenommen wer- den können? DieMessungensindsogenau, wie es die berührungslose Ultra- schallmessung am Patienten zu- lässt, zum Beispiel mit dem Axio- quick-Recorder von SAM. Diese Ultraschallmessungen gehen ja alle auf die Firma Zebris zurück, wo Wolfgang Brunner ein eige- nes System WinJaw entwickelt hat, oder auch das Arcus Digma- Gerät von KaVo. Haben wir ein hochwertiges Computertomo- gramm eines Patienten zur Ver- fügung, was natürlich nicht Routine sein kann, haben wir die Genauigkeit eines CT. 2007 stellte Toshiba einen echten 320-Zeiler und Philips einen 128- Zeiler mit Flying-Focus auf 256 interpolierten Zeilen vor. Mit solchen Geräten in Verbindung mit einem Magnetresonanzto- mografen zur Discusdarstellung hätten wir ungeahnte Möglich- keiten. Ein digitales Volumento- mogramm ist für unsere Zwecke bisher ungeeignet. Scannen wir Modelle, so haben diese die Ge- nauigkeitdesverwendetenScan- ners, das war in meinem Fall bisjetzteinScannerausderAuto- industrie, wo die Genauigkeit im Hundertstelbereich und besser gelegen hat. WokommtIhrvirtuellerAr- tikulator schon zur Anwen- dung? DervirtuelleDPU-Artikulator kommt bisher im Unterricht zur Anwendung, wo er zum Ver- ständnis des mechanischen Artikulators herangezogen wird. Für wissenschaftliche Zwecke untersuchen wir momentan die Tauglichkeit der mechanischen Artikulatoren, wie weit diese die Unterkieferbewegungen, die wir mit berührungslosen Ultra- schallsystemen aufzeichnen, nachahmen können. Ein Anliegen wäre es, den virtuellen Artikulator in die be- reits sich am Markt befindlichen CAD/CAM-Softwaresysteme zu integrieren, was aber von den entsprechenden Herstellern ver- ständlicherweise abgelehnt wird, weil sie eben den virtuellen Arti- kulator selbst programmieren lassen wollen. Wenn wir in Kürze in Krems die Zahnklinik zur Verfügung haben, werden wir unsere Anstrengungen da- hingehend verstärken, dem in der Ordination tätigen Kollegen ein Werkzeug in die Hand zu ge- ben, mit dem er möglichst rasch in der Praxis imstande ist, noch bessere Arbeit zu leisten und Nacharbeiten von Werkstücken auf ein Minimum reduziert werden. Das Interview führte Mag. Anja Worm. DT „Die Möglichkeiten sind bei Weitem vielseitiger.“ Interview mit Dr. Friedrich Henk über virtuelle Artikulatoren. Dr. med. Friedrich Henk 1973 – Promotion zum Doktor der Medizin 1973–1975 – Ausbildung zum FacharztfürZahn-,Mund-und Kieferheilkunde 1975–EröffnungeinerOrdina- tion für Zahn-, Mund- und Kie- ferheilkunde 1977–1978 – Vertragsassistent an der Universitätszahnklinik Wien 1982 – Ernennung zum Leiter des Zahnärztlichen Fortbil- dungsinstitutes in Wien 1988 – Leiter des Ambulatori- umsRenngassederWienerGe- bietskrankenkasse, Eröffnung einer Privatordination 1995 – Ernennung zum Leiter der Vorklinik der Universitäts- zahnklinik Wien seit 2009 Lektor an der DPU Krems,wissenschaftlicherLei- ter E-Learning und CAD/CAM ANZEIGE Gescanntes Oberkiefermodell und Zähne aus einem Com- putertomogramm im Unterkiefer im virtuellen Artikulator. OK-Modell und der gesamte Unterkiefer aus dem Compu- tertomogramm im virtuellen Artikulator. Bilder:Dr.Henk