Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Dental Tribune German Edition 1+2/11

harmonischer Zahnfleischverlauf könnenreinkieferorthopädischnur bedingt behandelt werden. In sol- chen Fällen zwingt sich ein interdis- ziplinäresBehandlungskonzeptauf, denn rein prothetische Korrekturen sindimGegensatzdazuoftmiteiner hohen Invasivität verbunden. In einer interdisziplinären Zu- sammenarbeit kann hingegen ein optimales Behandlungsergebnis für den betreffenden Patienten erzielt werden. Bei speziellen Fäl- len mit ausgeprägten skelettalen Dysgnathien kann sich diese Zu- sammenarbeit zusätzlich auf die Kieferchirurgie ausdehnen. Bei ungenügenderVerankerungwardie Kieferorthopädie aber bereits bei moderaten dentoalveolärenAbwei- chungen auf eine Zusammenarbeit mitderKieferchirurgieangewiesen, da die Patientenmitarbeit und die damit verbundene Verankerung nicht immer garantiert werden konnten (Nanda & Kierl 1992). Verankerung in der Kieferorthopädie: Ein zentrales Problem Bedingt durch ungenügende Mitarbeit, ein parodontal geschä- digtes Gebiss oder gewisse größere skelettaleAbweichungen konnte das gewünschte Behandlungsziel nicht erreichtresp.musstenfürdenPatien- ten gewisse Kompromisse bezüglich Ästhetik eingegangen werden oder ein orthognather chirurgischer Ein- griff war unausweichlich. Aus diesem Grunde wurde Anfang der 90er-Jahre nach einer alternativen skelettalen, patienten- unabhängigen Verankerungsmög- lichkeitgesucht,wobeidasGaumen- implantat nebst Minischrauben oder Miniplates eine Variante dar- stellt. Gewöhnlich orientiert sich die kieferorthopädische Veranke- rung an der biologischen Veran- kerungderZähne.DasWiderstands- potenzial der Ankerzähne wird dabei durch mehrere Faktoren be- einflusst: die Größe der Zahnwur- zeloberfläche mit parodontalem Attachment, die Dichte und Struk- tur des Alveolarknochens und die Umbaurate des parodontalen Ge- webes, Muskelaktivität/okklusale Kräfte,diekraniofazialeMorpholo- gie und die Art der Zahnbewegung (Kippung/körperliche Bewegung) (Dietrich 1993). Um eine zahngestützte Veran- kerung zu optimieren, können ent- weder differenzielle Drehmomente (Burstone 1982) angewandt, die Wurzeln in die knöcherne Kortika- lis bewegt (Ricketts 1976) oder die Molaren distal inkliniert werden (Tweed 1941, Begg & Keslin 1977). Bei ungenügender dentaler Veran- kerung im Verhältnis zum ange- strebten Behandlungsziel werden zudem extaorale und intermaxil- läre Apparaturen zur Veranke- rungsverstärkung eingesetzt. Temporäre skelettale Veranke- rungen (TAD) (Daskalogiannakis 2000) wurden entwickelt, um die nicht vermeidbaren Nebeneffekte der konventionellen kieferorthopä- dischen Verankerungsapparaturen zu überwinden. Die Verankerung mittels TADs gewährt eine Unab- hängigkeit von der Mitarbeit des Patienten (Creekmore & Eklund 1983) (Ausnahme: Mundhygiene) durch Stabilisierung der Zähne der reaktiven Einheit oder durch das gänzlicheVermeideneinerdentalen reaktiven Einheit. Normalerweise weisen kie- ferorthopädische Patienten eine komplette Dentition auf oder nur Extraktionslücken, die geschlossen werden sollten. Es steht deshalb keinzahnloserAlveolarknochenfür die Insertion von TADs zur Verfü- gung. Diese müssen folglich in an- deren topografischen Regionen platziert werden, in genügendem Abstand zum eigentlichen kiefer- orthopädischen Geschehen. Erst durch die Einführung vonlängenreduziertenGaumenim- plantaten (Triaca et al.1992),resor- bierbaren Implantatankern (Glatz- maier et al. 1996), orthodontischen Implantaten mit Schulterdesign (Wehrbein et al. 1996) (Orthosys- tem® ,InstitutStraumannAG,Basel, Schweiz)undderGrazerimplantat- gestützten Pendulum-Apparatur (Byloff et al. 2000) wurden Inser- tionsorte außerhalb des zahn- tragenden Alveolarknochens für die Kieferorthopädie zugänglich gemacht. Minischrauben mit re- duziertem Durchmesser (< 2 mm) unterschiedlichster Länge (Kanomi 1997, Costa et al. 1998) und Titan- Pins (Bousquet et al. 1996) werden in den zahntragenden Alveolar- knochen zwischen die Zahnwur- zeln gesetzt. L-förmige Miniplatten mit einem Arm, der durch die Um- schlagsfalte in die orale Kavität reicht (Umemori et al. 1999), und „bollard“ Anker (De Clerck et al. 2002) werden mit Schrauben im supra- oder subapikalen Bereich fi- xiert.LediglichdasOnplant® (Block & Hofmann 1995) (Nobel Biocare, Zürich, Schweiz) wird nicht in den Knochen inseriert, sondern subpe- riostal platziert,um sich so mit dem Knochen zu verbinden. Der entscheidende Unterschied liegtdarin,dassGaumenimplantate und Miniplatten rotationsstabil sind und daher mit relativ hohen Drehmomenten direkt belastet werden können. Minischrauben können lediglich mit moderaten Kipp-Drehmomenten belastet wer- den. Größere Drehmomente, spe- ziell um die Längsachse der Minischraube, können zum Verlust führen. Aufgrund der Tatsache, dass Minischrauben nicht rotationssta- bil sind, können diese oft nur indi- rekt belastet werden, resp. müssen mehrere Schrauben miteinander verbunden werden, um direkt Drehmomente applizieren zu kön- nen.Minischrauben werden zudem meistens im Bereich des Alveolar- fortsatzes gesetzt und müssen öfter neu inseriert werden, da sie gewisse Zahnbewegungen behindern. Im Gegensatz zu Gaumenimplantaten braucht es zudem meistens auf beiden Seiten einer Fixtur, um die gleicheVerankerung zu erzielen. Mit dem Wandel der ästheti- schen Ansprüche in unserer Ge- sellschaft verändert sich auch das Tätigkeitsgebiet des Kieferortho- päden. Die erwachsenen Patienten sind oft nicht mehr gewillt, sicht- bare Brackets zu tragen, geschweige denn extraorale kieferorthopä- dische Verankerungsapparaturen. Aus diesem Grunde bietet die Kombination von lingual geklebten Brackets mit einem Gaumenim- plantat ideale Voraussetzungen für Patienten mit ästhetisch hohen Ansprüchen. Chirurgisches Vorgehen und Zeitaufwand für die Gaumenimplantat-Insertion Streng genommen gibt es keine Alterseinschränkungen. Bei ju- gendlichen Patienten, die jünger als zwölf Jahre alt sind, kommen Gaumenimplantate aber nur aus- nahmsweise zum Einsatz. Bei Er- wachsenen gibt es außer allgemein medizinischen Kontraindikationen keine Altersbegrenzung. Die Plat- zierung der Gaumenimplantate erfolgt im Gaumen hinter dem Canalis incisivus auf Höhe der ersten und zweiten Prämolaren. WenndasGaumenimplantatweiter dorsal gesetzt wird, reduziert sich das vertikale Knochenangebot, was für die Stabilität und damit für die Erfolgsrate der Implantate hin- derlich sein kann (Abb. 9). Die chirurgischen Schritte der Gaumenimplantat-Insertion sind vergleichbar mit denen eines pro- thetischen Implantates.Unter Lokal- anästhesiewirdzuerstdieGaumen- schleimhautgestanzt,anschließend das Implantatbett schrittweise aufbereitet und das Implantat ent- weder von Hand oder maschinell eingedreht.Der ganze Eingriff dau- ert ca. 15 Minuten. Die Patienten sind meist sehr positiv überrascht, wie schnell und problemlos sowohl die Insertion als auch die Explan- tation abläuft. Die abgegebenen Schmerzmittel werden meistens nicht gebraucht. Entscheidend ist aber ein atraumatisches chirurgi- schesVorgehen. Bei der Explantation wird das GaumenimplantatmiteinerTrephi- ne (Hohlfräse) umbohrt, anschlie- ßend mit einer Extraktionszange luxiert und entfernt. Die chirurgi- sche Entfernung eines Gaumen- implantates ist mit einer gewissen Invasivität verbunden, da es mit einer Trephine „herausgebohrt“ werden muss. Für die nach Defini- tionabsoluteskelettaleVerankerung beim Gaumenimplantat spricht die Tatsache,dass die Entfernung einen gewissen Aufwand erfordert. Nach Wehrbein (Wehrbein 2008) genügt ein 3 mm hohes Knochenbett, um diesem Anspruch der absoluten Verankerung gerecht zu werden. Andere Verankerungssysteme wer- den ohneAnästhesie und von Hand entfernt, was ein Vorteil ist, aber nicht die gleiche Qualität an Veran- kerung bieten kann. Der Eingriff wird aber von den Patienten gut toleriert (Kuroda et al. 2007, Cornelis et al. 2008) und die Schmerzintensität nach Entfer- nung eines Gaumenimplantates ist geringeralsnacheinerPrämolaren- extraktion (Feldmann et al. 2007). Das ehemalige Implantatbett blu- tet voll und nach ein bis zwei Wochen ist die primäre Heilung abgeschlossen. Die Biomechanik Die Kraftübertragung erfolgt entweder direkt oder indirekt über eine individuell im Labor herge- stellte Suprastruktur (Abb. 10). Der Hauptvorteil liegt darin, dass wäh- rend der Belastung jederzeit die Richtung der applizierten Kraft verändert werden kann. Die Kraft- übertragung erfolgt über Teilbögen. Der Hersteller bietet seit Neuestem auch eine vorgefertigte Lösung an, die direkt am Patienten nur noch adjustiert werden muss und direkt an einen gewünschten Zahn mittels Adhäsivtechnik befestigt wird. Bei dieser Lösung ist aber nur eine indirekte Belastung möglich, was den Einsatz etwas einschränkt. Bei der indirekten Belastung werden Ankerzähne gegen das Implantat stabilisiert und können somit als Verankerungseinheit mit sehr ho- her Resistenz dienen. Bei der direk- ten Gaumenimplantat-Belastung wirkt direkt eine Kraft zwischen einem Zahn und dem Implantat. Die aktiven Bewegungen kön- nen einerseits mit sagittal vorakti- vierten Delta-Loops oder mit ei- nem Straight Wire und Push/Pull Coils durchgeführt werden. Bei der Straight-Wire-Technik empfiehlt es sich, einen Stopp beim distalen Ende einzubiegen resp. anzubrin- State of the Art ESTHETICTRIBUNE German Edition · Nr. 1+2/2011 · 2. Februar 201118 Á Fortsetzung von Seite 17 www.kraniofaziale-orthopaedie.de Ein interdisziplinäres Konzept zur Diagnos k und Therapie von Pa enten mit Muskel- und Gelenkschmerzen innerhalb und außerhalb des Kausystems ANZEIGE Abb.6a,b: Indikation: Nichtanlage 12 und 22.Das Implantat alsVerankerung für die beiden Provisorien,die Nachbarzähne können unbe- einflusst orthodontisch bewegt werden. Lückenschluss durch Protraktion der Seitenzähne. – Abb. 7a–c: Indikation: Retraktion des ganzen Zahnbogens und Intrusion der Molaren, dadurch Autorotation des Unterkiefers und Schluss des offenen Bisses (Das Fernröntgenseitenbild istnichtvomgleichenPatienten).–Abb.8:Indikation:ProtraktiondestransversalundsagittalkollabiertenZahnbogensnachExtraktion14 und 24 in Jugend. Die Transversale wird durch die Protraktion des ganzen Zahnbogens mit korrigiert. – Abb. 9: Schematische Illustration der Gaumenimplantat-Insertionsstelle im Fernröntgenbild (Männchen & Schätzle 2008).– Abb.10: Klinischer Fall mit direkter Belastung des Gaumenimplantates.Distalisierung der Molaren rechts entlang desTeilbogens mit Druckfeder,links mit einem Loop. Abb. 11a: Kompensationsbiegungen bei einer Distalisierung in der First-Order-Dimension.– Abb. 11b: Kompensationsbiegungen bei einer Distalisierung in der Second-Order-Dimension. 6a 6b 7a 7b 7c 8 9 10 11a 11b