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Dental Tribune German Edition 1+2/11

Die beiden häufigsten oralen Er- krankungen Karies und Gingivitis – Vorläufer der Parodontitis – werden primär durch Plaques – also mikrobielle Biofilme, die mittels komplizierten Mechanismen Zahn- (Restaurations-)Oberflächen an- haften und nicht einfach abzulösen sind – verursacht. Orale Biofilme bestehen aus komplexen Bakterien- populationen, die sich auf Zähnen und der Schleimhaut festsetzen. Es wird geschätzt, dass ungefähr 400–1.000 Bakterienspezies, anta- gonistisch oder synergistisch, zu be- stimmtenZeiteninoralenBiofilmen kolonisieren. Plaquebildung wird durch den Genuss von kohlenhydrathaltigen Speisen gefördert, wobei spezifi- sche Plaquebakterien aus Glukose und Fruktose hochpolymere Stoffe (Dextrane)bilden,welchedieGrund- lage der Plaquematrix ausmachen und der Plaque klebrige und übel riechende Eigenschaften vermitteln. Die Plaquebildung wird aber auch durch Speichelfluss und selbstreini- gende Mechanismen beeinflusst. Diese natürlichen Reinigungsme- chanismen sind beim Menschen unbedeutend (Löe 2000). Soll die orale Gesundheit erhal- tenbleiben,mussdiePlaquedeshalb inregelmäßigenIntervallenentfernt werden. Als zuverlässige Hilfsmittel zur Plaqueentfernung haben sich Zahnbürsten erwiesen. Evident ist, dass deren systematischer und re- gelmäßiger Gebrauch bei der indi- viduellen Zahnreinigung (IZR) essenziell zur Erhaltung der oralen Gesundheit beiträgt (van der Weij- den et al. 2008). Neuerdings werden auch Spülmittel zur Reduktion der Plaquebildung angeboten. Einige davon sind in Kombination mit mechanischen Hilfsmitteln eine Be- reicherung. HäuftsichPlaquean,hatdiesdie Entzündung der Gingiva zur Folge. Sie breitet sich unter bestimmten Bedingungen in tiefer liegende pa- rodontale Gewebe aus und kann zusammen mit spezifischen, ins Gewebe eindringenden Bakterien mittels komplexen Mechanismen Parodontitis erzeugen (Kinane et al. 2008). Parodontitis ihrerseits gilt erwiesenermaßen als Risikofaktor für Diabetes, Herzinfarkt und Schwangerschaftskomplikationen (Williams und Paquette 2008). Grund genug also, um insbesondere bei Risikopatienten Vorsorgemaß- nahmen zu treffen. IntraossärenImplantatenkommt in der modernen Zahnmedizin große Bedeutung zu. Die das Im- plantat fest umschließende Mukosa ist bei aufkommender Plaqueak- kumulation am Implantat ebenso Entzündungsprozessen unterwor- fen wie die marginale Gingiva. Sie breiten sich jedoch schneller und vorhersagbar in tiefer liegende Gewebsabschnitte aus. Die Peri- mukositis wird zur Periimplantitis. Die dabei auftretenden Gewebe schädigenden Prozesse sind weit- gehend mit jenen der Parodontitis vergleichbar. Plaquebeherrschung ist das Schlüsselwort Die Befunde retrospektiver Stu- dien in den 70er- und 80er-Jahren desvergangenenJahrhundertshaben unsHinweisegegeben,wieparodon- tale Gewebe nach einer Parodonti- tistherapie während vielen Jahren stabil gehalten werden können. Ei- nige vergleichende Studien haben sich mit Sondiertiefen und Attach- mentschwund auseinandergesetzt. Weit wichtiger sind aber jene Stu- dien, die Zahnverlust als relevantes Kriteriumherangezogenhatten.Aus solchen Langzeitstudien geht her- vor, dass bei Patienten, die sich keiner Behandlung der Parodontitis unterzogen hatten,durchschnittlich 0,6 Zähne jährlich verloren gingen, mit Behandlung, aber ohne Nach- sorge, waren es 0,2 Zähne. Wurden die Patienten nach der Behandlung in ein professionelles Betreuungs- programm aufgenommen, konnte der Verlust auf 0,1 Zähne jährlich reduziert werden. Vor 45 Jahren hatten Löe und seine Mitarbeiter mit einem hervor- ragenden Humanexperiment nach- gewiesen, dass ein kausaler Zusam- menhang zwischen Plaqueakkumu- lation und Gingivitisaufkommen besteht (Löe et al. 1965) (Abb. 1). Studenten mit gesunder Gingiva wurde untersagt, während des Ex- perimentes die Zähne zu reinigen. MitIndizeswurdendasAufkommen von Plaque (PIaque Index) und von gingivaler Entzündung (Gingivitis Index) dokumentiert. Bei fort- schreitender Plaqueakkumulation entwickelte sich eine Gingivitis, die im Laufe des Experimentes an Intensität zunahm. Nach 21 Tagen wurden die Zähne professionell gereinigt und es durften wieder die gewohnten Mundhygienemaß- nahmen vorgenommen werden.Die Entzündung des Zahnfleisches ging zurück und wurde bei sorgfältiger Mundhygiene wieder gesund. Mit diesem Experiment war der Grund- stein für die parodontale Prophyla- xe gelegt: Plaquebeherrschung ist das Schlüsselwort. Minimieren des Plaqueniveaus bedeutet beim syste- misch Gesunden Entzündungsfrei- heit und letztlich Verminderung des Risikos zur Parodontitis. Es werden aktuell drei Gruppen von parodon- tal-präventiven Maßnahmen unter- schieden: primäre, sekundäre und tertiäre Prävention (Temmerman et al.2009). Parodontal-präventive Maßnahmen Mit der primären Prävention wird das Zustandekommen von parodontalen Entzündungsprozes- sen verhindert. Sie ist meistens auf Kinder und Heranwachsende aus- gerichtet. Dabei geht es darum, nach dem Durchbruch der Zähne im Milch- und bleibenden Gebiss die parodontalen Gewebe gesund zu halten. Drei Wege stehen da- für offen: reduzieren vorhandener Plaque, verhindern neuer Plaque- akkumulationen und schließlich selektives Ausschalten von paro- donto-pathogenen Keimen. Sind bereits Gingivitis-/Paro- dontitissymptome feststellbar, än- dertsichdieZielsetzung.Jetztgehtes darum, die Progression der Erkran- kung aufzuhalten. Die sekundäre Prävention beginnt sehr früh in der Pathogenese von Gingivitis/Paro- dontitis. Sie findet ihre Basis in der frühzeitigen und exakten Diagnose als auch in zielgerichteten thera- peutischen Maßnahmen, mit denen die Entzündung gestoppt wird und/ oder Rezidive nach erfolgreicher Behandlung verhindert werden. Bei fortgeschrittener Parodontitis müs- senparodontaleDefektechirurgisch korrigiert werden, um Kaufunktion und orale Gesundheit erhalten zu können oder wieder herzustellen. Dieses Vorgehen wird tertiäre Prä- vention oder Korrektionstherapie genannt. Ihr Ziel ist zweifach: ei- nerseits Begrenzung des Schadens und andererseits die Rehabilitation hiervon. Das beste Kosten-Nutzen-Ver- hältnis zeigt unter normalen Um- ständen natürlich die primäre Prävention. Neben Aufklärung des Patienten sind nur geringe und einfache Manipulationen nötig, die sicher keinen hohen Ausbildungs- grad erfordern. Die primäre Prä- vention wird deshalb in vielen euro- päischen Ländern speziell dafür ausgebildeten und diplomierten Mitarbeiterinnen anvertraut, die als Prophylaxeassistenten oder Präven- tionsassistenten im Auftrag und unterAufsicht von Zahnärzten diese wichtige Aufgabe ausführen. Primäre Prävention Das Experiment von Löe und seinen Mitarbeitern lehrt uns, dass das Aufkommen von Gingivitis durch sorgfältige Plaqueentfernung verhindert oder, falls bereits Gingi- vitis vorliegt, diese dadurch elimi- niert und die Gingiva wieder ge- sundwird.Patienteninderprimären Prävention müssen gründlich über diese Zusammenhänge aufgeklärt werden. Meistens sind es Kinder und Jugendliche, der Sprachgebrauch ist ihrem Alter anzupassen. Mittel der WahlzurPlaqueentfernungistinder primären Prävention die Zahnbürs- te. Deren Gebrauch muss Kindern exakt erklärt und überprüft werden, um andere Schäden, die langfristig entstehenkönnen,zuverhindern.Es ist nachgewiesen, dass schrubbende Bewegungen mit Handzahnbürsten bereitsbeiKindernzugingivalenRe- zessionen führen können (Wenn- strömetal.2008).ModerneElektro- bürsten mit kleinen und weichen Bürstköpfen, deren Gebrauch sorg- fältig instruiert werden muss, sind bei älteren Kindern vorzuziehen.Sie wecken den Spieltrieb und fördern deshalb die Motivation zur oralen Hygiene. Bei geschlossenen Inter- dentalräumen sollte keine Zahn- seide gebraucht werden. Es fehlen wissenschaftlich unterbaute Stu- dien, die deren Gebrauch neben der ZahnbürstebeiKindernundHeran- wachsenden rechtfertigen würden (Berchier et al.2008). Eine seit Jahren etablierte Gin- givitis ist in hohem Maße Risiko- faktor für das spätere Aufkommen von Parodontitis. Gute Plaquebe- herrschungundsomitMinimierung des Risikofaktors Gingivitis ist deshalb die beste Parodontitispro- phylaxe. Sekundäre Prävention Als erfolgreiches Konzept, um die Progression entzündlicher parodontaler Erkrankungen aufzu- halten, hat sich die Kombination vonindividuellerPlaqueentfernung (IPE) und professioneller Zahnrei- nigung (PZR) erwiesen.Aufklärung International Science DENTALTRIBUNE German Edition · Nr. 1+2/2011 · 2. Februar 20114 Aktuelle Konzepte zur Prävention von Gingivitis und Parodontitis Orale Gesundheit – (k)eine Selbstverständlichkeit im täglichen Leben. Von vielen Patienten unterschätzt gelten insbesondere Zahnschmelz und Zahnfleisch als Gebiete, deren erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Vorbeugung von Erkrankungen gezollt werden sollte. Ein Fachbericht von Prof. emer. Heinz H. Renggli aus Nijmegen, Niederlande. 1 Abb. 1: Studienergebnisse der Forschergruppe von Löe zum Zusammenhang zwischen Plaqueakkumulation und Gingivitisaufkommen. – Abb. 2: Studienergebnisse zur Effizienz sekundärer Prävention nachAxelsson (2004).– Abb.3: Interdentalbürsten in situ. ➟ 2 3 www.bio-aesthetischer-zahnersatz.de Valplast® ab 222 ANZEIGE