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Dental Tribune German Edition

DENTALTRIBUNE German Edition · Nr. 3/2011 · 11. März 2011 International Science 5 Von den dabei involvierten Sub- stanzen und Rezeptoren sind heute schon viele bekannt und entspre- chend zielt die Schmerzforschung auf eine Modulation dieser chemischen Prozesseab.Stellvertretendseihierder Einsatz von Antidepressiva in niedri- gerDosierungerwähnenswert. Deren schmerzstillende Wirkung entsteht vermutlich durch eine Ver- änderung bei der Übertragung der Schmerzimpulse auf der Ebene des Rückenmarks.Erst höhere Dosierun- gen aber haben einen antidepressiven Effekt. Wichtig zu wissen im Zu- sammenhang mit Schmerzmodula- tion ist auch die Tatsache, dass man mit psychologischen Methoden diese biologischen Prozesse ebenfalls mo- dulieren kann, was therapeutisch erfolgreichgenutztwird. Im menschlichen Gehirn werden gleichzeitig unterschiedliche Areale durch Schmerzimpulse erregt, die miteinander in enger funktioneller Verbindung stehen. Im Hirn werden Schmerzen demnach nicht nur be- wusst, sondern sie provozieren auch emotionale Reaktionen wie Wut oder depressive Verstimmung. Die vom autonomen Nervensystem gesteuer- ten Funktionen selbstständiger Or- gane wie Herz, Darm und Schweiß- drüsen, aber auch der Schlaf und die Konzentrationsfähigkeit stehen auch unter dem Einfluss der Schmerzemp- findungen. Darüber hinaus werden die Schmerzinformationen von der leidendenPersonbewertet,ihneneine Bedeutung gegeben und Entschei- dungen getroffen, wie mit dem Schmerz umgegangen werden soll. Die Schmerzbewertung steht also in engem Zusammenhang mit der Schmerzverarbeitung, wobei nebst der Schmerzdauer auch kulturelle Aspekte, Ausdrucksmöglichkeiten und frühere persönliche Erfahrungen einewichtigeRollespielen.Wieschon erwähnt,nutztdiemoderneSchmerz- therapie eine Kombination medika- mentöser, psychologischer, physio- therapeutischer und anderer Mög- lichkeitenzurModulation. Die Trigeminusneuralgie Wenn eine die Zähne innervie- rende Zelle an Stellen außerhalb des Zahnes funktionell oder strukturell gestörtist,führtdieszuSchmerzemp- findungen in den Zähnen. Die Trige- minusneuralgie ist aufgrund ihres kurzzeitigen, einschießenden Cha- rakters,den typischen Schmerzauslö- sern in spezifischen Triggerzonen (leichteBerührung,Sprechen,Zähne- putzen), der strikten Lokalisation auf einen oder mehrere Trigeminusäste (V3 > V2 > V1) und des Fehlens neurologischer Zeichen relativ leicht diagnostizierbar.WeraberdasKrank- heitsbild der Trigeminusneuralgie nicht kennt, wird am ehesten eine Zahnpathologie vermuten. Im oralen klinisch-radiologischen Befund las- sen sich aber keine Auffälligkeiten nachweisen! Zur Abgrenzung gegen- über einer vertikalen Zahnfraktur ist zu beachten, dass letztere von einem Druck- und Loslassschmerz begleitet wird, der bei der klinischen Untersu- chungprovoziertwerdenkann. Zahnschmerzen assoziiert mit primärem Kopfschmerz In Ausnahmefällen können den Schmerzsymptomen im Zahn- oder Kieferbereich eine primäre Kopf- schmerzerkrankung (Migräne, Span- nungstypkopfschmerz, chronisch- paroxysmale Hemikranie,trigemino- autonomeKopfschmerzen)zugrunde liegen.FürdieseFormenistdasepiso- discheAuftreten charakteristisch,d.h., dass es zwischen den Schmerzepiso- denimmerwiedervölligschmerzfreie Intervalle gibt. Die Schmerzen treten ohnezeitlichesMusterundohneiden- tifizierbaren Auslöser innerhalb von Minuten bis knapp einer Stunde auf, bleiben für Stunden bis wenige Tage erhalten und verschwinden spontan. WegenderInterferenzmitdemSchlaf führen sie häufig zu körperlicher und geistiger Erschöpfung. Diagnostisch aufschlussreich für die trigeminoau- tonomen Kopfschmerzen ist beson- ders das Vorhandensein autonomer Begleitsymptome wie Tränen- und Nasenfluss oder Augenrötung, die expliziterfragtwerdensollten. Chronifizierung am Beispiel des Deafferenzierungsschmerzes Der Deafferenzierungsschmerz – auch als Phantomschmerz bezeichnet – entsteht meist nach lokalen Trau- mata, Extraktionen, chirurgischen oder endodontischen Eingriffen. Die Mechanismen dieser neuropathi- schenSchmerzensindtrotzintensiver Forschung im Tiermodell noch nicht eindeutig geklärt. Die Schädigung vonNervenfasern(Deafferenzierung) führt vermutlich zu einer Störung der Informationsverarbeitung im zen- tralen Nervensystem. Im Gegensatz zum intervallartigen Schmerz der Trigeminusneuralgie und primärer Kopfschmerzerkrankungen imponiert dieser Schmerz mit schwankender, aberkonstanterPräsenz.DerSchlafist allerdings nur selten schmerzbedingt eingeschränkt; vielmehr berichten Patienten über eine Linderung beim morgendlichen Erwachen und über eineVerstärkungimTagesverlauf. Aufgrund der bemerkenswerten Symptomschwankungen im Zeitver- lauf isteshilfreich,dieBeschwerdenin einem Tagebuch festhalten zu lassen, um verstärkende und lindernde Fak- toren zu identifizieren. Klinisch be- steht in der Regel zunächst eine Un- empfindlichkeit im traumatisierten Bereich. Im Verlauf der Zeit kann sich dann eine schmerzhafte oder bren- nende Schmerzempfindung entwi- ckeln, die durch lokale Reize oder Wetterwechselverstärktwerdenkann. Der Schmerz kann auch ziehend, dumpf, drückend und gelegentlich von einer spitzen und schneidenden Komponente überlagert sein. Manch- mal ist er nur vage lokalisierbar, an- fangs einseitig, kann aber im weiteren Verlauf auch beidseitig oder wech- selseitig existieren. Begleitend wird oft ein subjektives Schwellungs- oder Taubheitsgefühl beschrieben, welches aber nicht objektiviert werden kann, ansonstenwäreeineanderePathologie zu verfolgen. Es treten gelegentlich auch Fremdkörper- oder Phantom- empfindungen auf,meist als Reaktion auf Berührungen. Solche Empfin- dungsstörungen sind Ausdruck einer Übererregbarkeit des zentralen Ner- vensystems, die im Einzelfall zu hart- näckigenundsehrquälendenSchmer- zen führen kann. Hat der Schmerz den Zeitraum überdauert,in dem sich normalerweiseeineHeilungeinstellen sollte, so ist er zum chronischen Schmerz geworden. Im chronischen Stadium hat er seinen Schutz- und Warncharakterverloren.Eristeinfach da,auchwenndieanfänglicheUrsache für den Schmerz längst behoben scheint. Ausblick Obwohl dank der Forschung schon einige Faktoren bekannt sind, welche die Wahrscheinlichkeit der Schmerzchronifizierung erhöhen, bleibt noch vieles unklar. Man geht davon aus, dass in unterschiedlichen Hirnzentren ebenfalls komplexe Pro- zesse ablaufen, die pharmakologisch undpsychologischbeeinflusstwerden können und die von der inneren und äußeren Umgebung mitgeprägt wer- den. Die Entwicklung chronischer Schmerzen wird also, kurz gefasst, durchgenetische,biologische,psychi- sche, soziale und kulturelle Faktoren mitbestimmt. Diese Vielschichtigkeit mussbeieinerBehandlungunbedingt berücksichtigt werden. Eine rein kör- perliche Behandlung reicht nicht aus. Diese Erkenntnis ist sowohl für den Arzt als auch für den Patienten ent- scheidend. Sind chronische Schmer- zen erst zu einer eigenständigen Schmerzkrankheit geworden, so er- geben sich weitreichende Folgen für den Patienten. Die Krankheit ist ge- wissermaßen eine den ganzen Men- schen betreffende Angelegenheit, d. h. sie bestimmt das gesamte Leben des Patienten. Weil sie den gesamten Tagesablauf in allen Lebensbereichen beeinträchtigt,rückt sie das Schmerz- verhalten unweigerlich in den Mittel- punkt. Daraus leitet sich deutlich die Wichtigkeit ab, die Herausbildung eines chronischen Verlaufs frühzeitig zuerkennenundinterdisziplinär,d.h. im Team mit vielfältigen Fachkom- petenzen, zu behandeln, wobei das therapeutische Augenmerk weiterhin auch auf die behandelbaren körper- lichenStörungengerichtetbleibt. Erstveröffentlichung:Endodontie Journal3/10 EineLiteraturlistefindenSieunter: www.zwp-online.info/fachgebiete/ oralchirurgie/literaturlisten DT Dr.med.etmed.dent. DominikEttlin Klinischer Dozent Dr.med.etmed.dent. NenadLukic Oberarzt Zentrum für Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde,UniversitätZürich 8032 Zürich,Schweiz Tel.: +41 44 6343231 Kontakt ANZEIGE