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Dental Tribune German Edition

Krebserkrankungen der Mund- höhle und des Rachens stehen mit 3,5 % bei Männern an siebter Stelle derNeuerkrankungen,bei1,5%bei Frauen auf Platz 16. 2006 waren 7.930 Männer und 2.930 Frauen davon betroffen. Im Bereich von Mundhöhle und Rachen gehört das Rauchen und Alkoholabusus insbesondere in Kombination zu den wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten eines Plattenepithel- karzinoms. Dabei ist die Zahl der Neuerkrankungen bei Frauen seit den 1990er-Jahren nahezu kon- stant geblieben, bei den Männern in den westlichen Bundesländern nahm die Zahl um ein Viertel ab, in den östlichen Bundesländern bei Männern zwischen 40–64 Jah- ren zu.1 Einige dieser Krebserkrankun- gen treten auf dem Boden von Mundschleimhauterkrankungen auf. Diese werden teilweise eben- falls durch Rauchen und Alkohol begünstigt. Aber auch das Ge- schlecht scheint beim Auftreten prämaligner Funktionsstörungen der Schleimhaut (premalignant disorder)eineRollezuspielen.2 Da- bei ergeben sich folgende Fragen: Treten prämaligne Läsionen und Konditionen, wie sie gemäß WHO eingeteilt werden, tatsächlich bei Männern und Frauen unterschied- lich häufig auf? Unterscheidet sich der Verlauf der Erkrankung bei den Geschlechtern? Und worin liegen die Ursachen für diese Unter- schiede? Zu den prämalignen Läsionen gehören die Leukoplakie mit unter- schiedlichen klinischen Erschei- nungsformensowiedieErythropla- kie. Der orale Lichen planus und der diskoide Lupus erythematodes, aber auch die Eisenmangelanämie, die in Europa seltene submukö- se Fibrose sowie tertiäre Syphilis, Xeroderma pigmentosum und Epi- dermolysis bullosa dystrophicans gehören zu den prämalignen Kon- ditionen.Dabei spielen in Deutsch- land insbesondere der orale Lichen planus, dessen Prävalenz bei etwa 1 % liegt, und der Lupus erythe- matodes mit einer Prävalenz von 1–130/100.000 Einwohnern eine Rolle.3 Orale Leukoplakie Die Leukoplakie ist nach dem Konsensus-Papier des WHO Colla- borating Centre for Oral Cancer and Precancer ein weißer Fleck der Mundschleimhaut mit einem frag- lichen Risiko (zur malignen Trans- formation), nachdem andere Er- krankungen oder Veränderungen, die kein erhöhtes Krebsrisiko tra- gen, ausgeschlossen worden sind. Man unterscheidet die homogenen von den inhomogenen Formen (Abb. 1 und 2).4 Die Prävalenz von Leukopla- kien in Deutschland lag bei Män- nern zwischen 35–44 Jahren bei 2,3%, bei gleichaltrigen Frauen mit 0,9%.Im Alter zwischen 65–74 Jah- ren lag die Prävalenz bei Männern und Frauen nur noch bei 1%.Dabei war nicht angegeben, wie sich die Anzahl der Raucher auf Männer und Frauen verteilt.5 Die Problematik der Leuko- plakie besteht darin, dass es sich um eine epitheliale Vorläuferlä- sion handelt, die in 1 bis 17 % der Fälle in ein Plattenepithelkarzi- nom transformiert. Risikofaktoren dafür sind neben der Dauer des Bestehens und Lokalisation auch das Vorliegen einer Epitheldyspla- sie oder DNA-Aneuploidie sowie das Geschlecht des Betroffenen. Eine Candidainfektion, vorange- gangene Karzinome im Kopf- Hals-Bereich und das klinische Bild einer inhomogenen Leukoplakie sind ebenfalls prognostisch un- günstiger.6 In den von Reichart et al.unter- suchten Gruppen ist die Verteilung der inhomogenen Leukoplakien auffällig. In der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen fanden sie sich ausschließlich bei Frauen, in der höheren Altersgruppe waren diese inhomogenen Formen bei Män- nern und Frauen mit 0,3 bzw.0,4 % annähernd gleich verteilt.5 Eine der Ursachen der Leuko- plakie ist das Rauchen – bei einer Karenz kann es zur Rückbildung der Läsionen kommen. Betrachtet man die Anzahl der Raucher in Deutschland, so ist der Anteil der Männervon1999bis2009um4,2% von 34,7 % auf 30,5 % zurückge- gangen. Im gleichen Zeitraum sank dieZahlderrauchendenFrauennur um ein Prozent auf 21,2 %. Dabei stiegderAnteilderRaucherinnenin der Altersgruppe von 45–50 Jahren sogar von 29 % auf 31,1 %.7 Diese Zahlen korrelieren zu- mindest teilweise mit dem Anstieg derKrebserkrankungenbeiFrauen. Trotz allem scheint das Risiko der Transformation einer Leukoplakie in ein Karzinom bei nichtrau- chenden Frauen höher als bei rau- chenden Männern zu sein. Wes- halb diese idiopathischen Leuko- plakien häufiger entarten, ist nicht bekannt.8 Proliferierende verruköse Leukoplakie Die proliferierende Leukopla- kie (PVL) ist eine Sonderform der Leukoplakie(Abb.3).Sietrittzuerst als Hyperkeratose auf, später wird das Epithel dysplastisch und es kanneinverrukösesKarzinombzw. Plattenepithelkarzinom entstehen. Bei der PVL sind Frauen zu 80 % betroffen, in bis zu 74 % aller Fälle kann die PVL in ein Plattenepithel- karzinom transformieren.9 Der Grund für das überwie- gendeAuftreten bei Frauen ist nicht bekannt, virale Komponenten wie HPV und EBV werden diskutiert, konntenjedochnichtinallenFällen nachgewiesen werden. Die Lokali- sation unterschied sich bei Män- nern und Frauen signifikant. In einigen dieser Fälle konnten Varia- tionen in Genen, die die Zellrege- neration betreffen, nachgewiesen werden.10 Beim Risiko für eine maligne Transformation spielt die Lokali- sation eine Rolle, allerdings trat die PVL in dieser Untersuchung selten an klassischen Lokalisatio- nen wie Zunge oder Mundboden auf. Bei Frauen handelte es sich vorwiegend um Gingiva, bukkale Mukosa und Gaumen, während sie bei Männern bevorzugt im Vesti- bulum auftrat. Die PVL ist therapieresistent, nach Entfernung mit CO2- oder Nd:YAG-Laser entstanden in über 80 % der Fälle Rezidive. Auch die konventionell-chirurgische Entfer- nungodereineKombinationbeider Methoden scheint nicht erfolgrei- cher.DabeisindkeineUnterschiede hinsichtlich der Rezidivrate bei Männern und Frauen beschrieben worden.9,11 Oraler Lichen planus Der orale Lichen planus ist eine T-Zell-vermittelte Autoimmuner- krankung, bei der wahrscheinlich die Aktivierung von CD8+-Zellen zur Apoptose von Keratinozyten und folgender Entzündungsreak- tion führt. Klinisch imponieren weiße, netzartige Striae oder Pa- peln, auch Erosionen und Ulzera- tionen können auftreten (Abb. 4). Besonders betroffen sind meist das Planum buccale, Vestibulum und die Zunge. Auch die Gingiva ist oft beteiligt, in einigen Fällen sogar isoliert. Frauen und Männer sind imVerhältnis 60:40 betroffen.12 Differenzialdiagnostisch sind orale lichenoide Läsionen (OLL), die zum Beispiel durch Medika- mente oder Kontakt mit Füllungs- materialien vermittelt werden, nur schwerabzugrenzen.DieGraft-ver- sus-Host-Reaktion(GvHD),diebei allogene stammzelltransplantier- ten Patienten als eine Reaktion der immunkompetenten transplantier- ten Zellen auf den Wirt/Patienten auftreten kann, weist ebenfalls ein dem Lichen planus ähnliches Bild auf (Abb. 5). Sie ist jedoch anam- nestisch gut abgrenzbar.13 Der orale Lichen planus ist ein präkanzeröser Zustand mit Trans- formationsraten zwischen 0,4 % und 5,0 %. Dabei scheinen die ery- thematöse und die erosive Form das höchste Risiko für die Entwick- lung eines Karzinoms aufzuweisen. Eine Übersichtsarbeit von Mattson und Holmstrup zeigte jedoch, dass das Transformationsrisiko beim retikulären Lichen ebenso hoch ist.14 Eine modifizierte Klassi- fikation von OLL und OLP wurde von van der Waal vorgeschlagen.15 Van der Meij zeigte, dass bei der OLL, die er nach der revidierten enretec – der Partner des deutschen Fachhandels für Entsorgungslösungen im Dental- und Medizinbereich Kostenfreie Servicehotline: 0800/3673832 www.enretec.de ANZEIGE DieRolledesGeschlechtsbeiprämalignenMundschleimhauterkrankungen Vordergründig erscheinen Krebserkrankungen im Bereich von Mundhöhle und Rachen vorwiegend Männer zu betreffen – doch bei differenzierter Betrachtung ist das Risiko für bestimmte Vorläuferläsionen und prämaligner Konditionen bei Frauen deutlich erhöht. Ein Fachbeitrag von OÄ Dr. Christiane Nobel, Berlin. Abb. 1: Homogene Leukoplakie an der Zunge. – Abb. 2: Inhomogene Leukoplakie im Bereich der Gingiva. – Abb. 3: Proliferierende verruköse Leukoplakie am Mundboden. – Abb. 4: Retikulärer Lichen planus mit zenraler Erosion am Planum buccale.– Abb.5: Graft-versus-Host-Reaktion am Planum buccale.– Abb.6: Lupus erythematodes am Planum buccale. 1 2 3 4 5 6 International Science DENTALTRIBUNE German Edition · Nr. 3/2011 · 11. März 20116