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Dental Tribune Austrian Edition

Nicht nur Trauma und Tumorer- krankungenkönnenzueinemDefizit an Knochensubstanz führen, son- dern auch der Verlust von Zähnen führt zu einer beschleunigten Re- sorption des Alveolarkammes. Dies bedeutet ein geringeres Angebot an vertikalem und horizontalem Kno- chen für eine Implantation. Tumor- erkrankungen und Zahnlosigkeit sind Probleme, die sich in naher Zukunft mit der zunehmenden„Ver- alterung“ der Gesellschaft verstär- ken werden. Um Knochendefekte zu rekonstruieren gilt noch heute als Material der Wahl der auto- loge Knochen vom Becken- kamm.1-5 VielenVorteilen,be- sonders fehlende Immunre- aktionen, stehen eine ganze Anzahl an Nachteilen gegen- über:begrenzteMengedesfür dieAugmentationbenötigten Materials, der unverzichtbare zusätzliche chirurgische Ein- griff mit der damit verbunde- nen Narkose und Morbidität der Spenderregion.6-8 Als re- generative Medizin bezeich- netmanVerfahren,mitdenen mandieNachteilederautolo- gen Transplantatentnahme minimieren oder umgehen möchte. Die regenerative Medizin hat in den vergangenen zehn Jahren große Fortschritte ge- macht. In der Zeit zwischen 1995 und 2002 wurde fast ausschließlich Grundlagenforschung betrieben. Dieser Zeitraum wird von Chris Mason,einem britischen Stammzell- forscher, als das Zeitalter der regene- rativenMedizin1.0beschrieben.9 Die Bezeichnung1.0istderNomenklatur von Computerprogrammen entlie- hen, die sich in ständigem Wandel befinden. In den Jahren 2002 bis 2006 erfolgte der Übergang von der Grundlagenforschung in die Praxis. Erste Konzepte wurden einer klini- schen Prüfung unterzogen.10 In die- ser Euphorie wurden etliche Unter- nehmen gegründet und an der Börse notiert.Die Ergebnisse waren durch- wachsen: Neben Schwierigkeiten bei derIntegrationundErnährunggroß- volumiger, gezüchteter Transplan- tate stellte der hohe logistische und finanzielle Aufwand ein erhebliches Problem für die junge Branche der Biotechnologieunternehmen dar. StrengegesetzlicheAuflagen,engma- schige Qualitätskontrollen, hohe Fixkosten durch Personal und Mate- rial waren Gründe für Insolvenzen. Chris Mason nennt die Zeit ab dem Jahr 2006 das Zeitalter der regenera- tiven Medizin 2.0, weil sich seitdem klare wirtschaftliche Perspektiven abzeichneten.11 Die Industrie fasst wieder Fuß und investiert erneut in die klinische Anwendung von Tech- nologien, die in der Grundlagenfor- schung entstanden sind. Neue Bio- materialien und Zelltypen wurden getestet und die Verfahren kosten- günstiger und praktikabler gestaltet. Studienübersicht In der vorliegenden Übersicht wer- den In-vivo-Arbeiten vorgestellt, in denen überprüft wurde, ob eine Kombination von bovinem Bioma- terial (Abkürzung: BBM, BioOss, Geistlich,Wolhusen,CH)mitmesen- chymalen Stammzellen aus dem Knochenmark (MSCs) ein im wie schon genannten Sinne praktikables Ersatzverfahren ist. Mesenchymale Stammzellen sind im Rahmen der desmalen Osteogenese an der Kno- chenneubildung beteiligt. Dabei er- folgt die Knochenneubildung ohne knorpelige Vorstufe direkt aus Stammzellen des embryonalen Bin- degewebes(Mesenchym).ImGegen- satz zu Osteoblasten sind mesenchy- male Stammzellen (MSCs) weniger anfällig gegenüber niedrigen Sauer- stoffpartialdrücken.12 Wie bei der Frakturheilung wandern Stammzel- len oder Progenitorzellen aus dem umgebendenvitalenKnochenzuden nicht vitalen Knochentransplanta- ten.Dort lassen sie sich nieder,proli- ferieren,differenzieren in Osteoblas- ten und bilden neues Knochenge- webe. Die zellulären Elemente ent- halten Wachstumsfaktoren, die eine starke osteogenetische Potenz besit- zen.13 Osteogenetische Potenz bedeutet, dass die Faktoren Osteoblasten zur Bildung von neuem Knochen stimulieren können. Wachstumsfaktoren sind auch in der Knochenma- trix enthalten und werden durchOsteoklastenimRahmen der Ab- und Umbauvorgänge freigelegt.DieKombinationaus einem osteokonduktiven Bio- material mit Progenitorzellen aus dem Knochenmark kann die lokale Konzentration an Osteoprogenitorzellen verbes- sern, die in der Lage sind, in Osteoblastenzudifferenzieren.14 Wissenschaftliche Vergleiche In der präklinischen Phase des Projektes wurde bei Schafen der Oberkiefer mit der Sinuslifttech- nik augmentiert. Dabei wurde die Kombination vom BBM und MSCs in „Cross-Over“-Studien einmal mit autologer Beckenspongiosa (AB) und einmal mit BBM alleine ver- glichen. Die BBM-MSC-Kombina- tion war der AB mit einer besseren Volumenstabilität bei vergleichbarer Knochenneubildung überlegen.15 Eine dem autologen Knochentrans- plantat vergleichbare Knochenneu- bildung ist bei der Verwendung von Biomaterial alleine nicht zu erwar- ten.16 Übereinstimmendmitdenhier vorgelegten Ergebnissen fanden Ja- quiéry et al. Hinweise auf osteoin- duktive Eigenschaften von BBM und MSCs,alsdieKonstruktesubkutanin Mäuse implementiert wurden.17 Im Vergleich zu BBM alleine konnte bei der BBM-MSCs-Kombination 49% mehr Knochenneubildung in der gleichen Zeitspanne beobachtet wer- den (Abb. 1).18 Auch bei einer Studie mitMinischweinenfandenPierietal. bei den Fluorohydroxyapatit-Gerüs- ten mit MSCs nach 3 Monaten 24% mehr neu gebildeten Knochen und 17 % mehr Knochen-Implantat- Kontakt als bei jenen Gerüsten, die ohne MSCs getestet wurden.19 Im Tierversuch und bei der humanen Pilotstudie wurde das sogenannte FICOLL-Verfahren, ein chemischer Dichtegradient, zur Anreicherung der Zellen verwendet. Der Nachteil dieser Methode ist die Abhängigkeit des Verfahrens von einem Zelllabor. Dieser Umstand bedeutet für eine breite klinische Anwendung hohe logistische und rechtliche Hürden. Daher wurde nach einer„chair-side“ Methode gesucht, die direkt im Operationssaal angewendet werden kann. Die Konzentrierung von Kno- chenmarkaspirat mit dem BMAC- Verfahren (Bone Marrow Aspirate Concentrate, Harvest Technologies Corporation, Plymouth, MA, USA) hat sich dabei als praktikabel erwie- sen (Abb. 2).20 Die BMAC-BBM- Kombination war der FICOLL-Me- thode gleichwertig bei der Knochen- neubildung im augmentierten hu- manen Sinus.21 Im konzentrierten IMPLANT TRIBUNE Knochenregenerationerreichen Ein Problem der Implantologie ist, wenn ein Knochenverlust zu beklagen ist. Zur Regeneration können konzentriertes Knochenmark oder bovines Knochenersatzmaterial verwendet werden. Ein klinischer Erfahrungsbericht von DDr. Sebastian Sauerbier, Freiburg im Breisgau. D ie Im- planto- logie ist aus der Zahn-, Mund- und Kiefer- heilkunde nicht mehr wegzuden- ken.Kein anderes Gebiet hat sich in den vergangenen Jahren diagnos- tisch, therapeutisch und wissen- schaftlich so stark weiterentwickelt. Dabei spielt die Tatsache, dass es sich trotz der Auswirkungen der Wirtschaftskrisenochumeinender größten Wachstumsmärkte han- delt, eine wesentliche Rolle. Drei- dimensionale Bildgebung, CAD/ CAM-Technologie,intraorale Scan- ner, virtuelle Planung und navi- gierte Implantation erzeugen bei den Studenten/-innen und jünge- ren Kollegen/-innen leider oft den Eindruck, dass die Implantologie ein großes Computerspiel ist, bei dem der Patient nur noch die Rolle eines Komparsen einnimmt. GeradeinderZeit,inderdieVerun- sicherung aufgrund der angestiege- nen Zahl von Arzthaftpflichtpro- zessen groß ist, sollten klare und insbesondere umsetzbare Konzepte in Form von Leit- oder Richtlinien erstellt werden. Diese müssen an die individuellen und gesundheit- lichen Situationen der Patienten/ -innen adaptiert sein, was häufig in den Hintergrund tritt. Es sollte die Aufgabe der implantologischen Fachgesellschaften sein, dies zeit- nah umzusetzen. Hilfreiche Kon- zepte scheitern doch meist an fach- lichen Unstimmigkeiten und poli- tischen Kontroversen. So bleibt die Implantologie ein weites Feld der Möglichkeiten und Unmöglich- keiten. Auch die studentische Ausbildung an den Universitäten muss sich in verstärktem Maße der Implantolo- gie widmen, um das Verständnis und die Chancen moderner Be- handlungsmöglichkeiten zu eröff- nen. Dabei dürfen altbewährte Me- thoden und Techniken nicht ver- gessenundeinAbgleiteninvirtuelle Spielereien vermieden werden. Abgesehen von den Diskussionen um neue Materialien, kürzere und durchmesserreduzierte Implanta- te, offenbart die Anzahl von ver- schiedenenImplantatsystemenund Knochenersatzmaterialien eine große Vielfalt und zeigt wiederum das starke Interesse der Industrie. Das Anspruchsdenken und Wis- sensniveau der Patienten/-innen steigt weiter stetig an. Sollte man unter all diesen Voraus- setzungen einem Kollegen noch empfehlen, sich mit der Implanto- logie auseinanderzusetzen? Ganz klar:Ja.Wer sich einmal mit der Im- plantologiebeschäftigthat,willsein geistiges und manuelles Spektrum erweitern. Man darf nicht gleich seine Grenzen suchen, sondern muss sich einem fundierten Lern- prozess unterwerfen. Dabei dürfen die Wünsche der Patienten/-innen nicht vergessen werden. Handeln wir weiterhin ärztlich und ethisch vertretbar. NachwievorwünschtdieMehrzahl der Patienten/-innen – trotz der all- gemeinen Tendenz zur Spezialisie- rung – eine Implantationsversor- gung bei ihrem Hauszahnarzt. Da- rumsollteesheuteimmermehrzur Selbstverständlichkeit gehören, in derOrdinationvorOrtImplantolo- gie erfolgreich anbieten zu können. Prof. DDr. Ralf Gutwald ist leitender Oberarzt der Klinik für Mund-, Kie- fer- und Gesichtschirurgie an der Universität Freiburg im Breisgau. Implantologie–Wohinwillstdu entschwinden? vonProf.DDr.RalfGutwald ➟ Abb.1:KnochenneubildungproZeitimAugmentat.Dieverti- kale Achse ist logarithmisch skaliert. Sechs Datenpunkte wur- den von jedem Sinus „gejittert“, d.h. etwas versetzt, dargestellt, damit überlappende Werte besser erkannt werden. Die Linie zeigt die in der Mixed-Model-Analyse gefundene Steigung, die aufderTestseite49%(95%-Konfidenzintervall:6%bis84%) schneller als auf der Kontrollseite war (p = 0,027). (Alle Abbil- dung: DDr.Sauerbier) Abb.2.1: Knochenmarkaspirat in der großen Kammer.– Abb.2.2: Das Aufbereitungsgerät.– Abb.2.3: Zentrifugationsgefäß undThrombinzylinder im blauen Gegengewicht.– Abb.2.4: In der weißen Zwischenschicht,die sich nach der Zentrifugation in der kleinen Kammer desAufbereitungsbehälters zeigt,befinden sich die MSCs undThrombozyten.