SPECIAL jede Praxis muss selbst implantieren, ja noch nicht einmal die Suprakonstruktion anfertigen, sondern sie muss in der Lage sein, jeden Patienten umfassend über die Möglich- keit implantatprothetischer Versorgungen zu informie- ren. Das wird auch zweifellos von den Patienten erwar- tet, denn in mehreren Befragungen (Befragung in 10 Zahnarztpraxen 1999/2000) zeigte sich, dass ca. 65% al- ler Patienten schon etwas von Implantaten gehört haben. Die Darstellung in verschiedensten Printmedien und im Fernsehen führte in den vergangenen zwei bis drei Jahren dazu, dass die Nachfrage nach Implantaten exorbitant ge- stiegen ist. Die Vorstellungen, was Implantate sind und zu leisten vermögen, sind dabei sehr vielfältig und oftmals weit von der Realität entfernt. Hier setzt das Beratungs- gespräch ein, mit dem Ziel, zu erfahren, welche Prob - leme der Patient hat und welche Erwartungen er an den Zahnersatz stellt. Während bei Befragungen in Zahnarzt- praxen ca. 40 % der Patienten angaben, Informationen über Implantate von ihrem Zahnarzt erhalten zu haben, waren dies bei einer Befragung in einem Altersheim nur noch 14 %. Die überwiegende Zahl der Befragten gaben an, ihre Informationen durch die Medien erhalten zu ha- ben. Hier liegt für jede Praxis ein ungeahntes Potenzial! Das erste Gespräch kann u.U. schon an der sehr früh ge- stellten Frage nach den Kosten scheitern, einmal weil der Zahnarzt selbst keine konkreten und realistischen Vor- stellungen von den Kosten hat oder weil der Patient mit komplizierten und meist auch teuren Lösungen konfron- tiert wird, die er nicht bezahlen kann und vielfach auch nicht möchte – oftmals nicht allein wegen der Kos ten, sondern u.a. wegen der Ängste vor dem operativen Ein- griff. Maximallösungen – wie auf Tagungen und in Publikatio- nen oft dargestellt – mehr zur Befriedigung eigener Eitel- keiten als der Befriedigung wahrer Bedürfnisse unserer Patienten – sind der denkbar schlechteste Einstieg in das Beratungsgespräch. Wer nur wieder vernünftig essen können möchte und wen die Prothese als solche nicht Mit Hilfe von Implantaten kann die volle Funktion des Kauorgans wiederhergestellt werden. Wären Sie bereit, für dann wieder feste dritte Zähne selbst einen finanziellen Beitrag zu leisten? uneingeschränkt ja bis max. (1.000-5.000 DM) nein (oder keine Angabe) 33% 33% 33% Abb. 1 Medizinischer Standard Rö-Zahnfilm Subperiost. Gerüstimpl. Blattimpl. Diskimpl. Cr-Co-Leg. Präproth.Chir. Abb. 2 Rotationssymmetrische Implantate Titan CT-Diagnostik Sinuslift GBR Zirkon? Mikrochirurgie stört, der wird eine einfache und risikoarme Implantat- versorgung bevorzugen und von Begriffen wie Knochen- aufbau, rote Ästhetik u.a. nur verwirrt und abgeschreckt. Aber gerade diese Patienten sind erfahrungsgemäß sehr dankbar und damit ein wichtiger „Informationsträger“ für ihre Praxis. Bei der gleichen Befragung in einem Alters- heim wurde auch die Frage nach den Kosten bzw. der Be- reitschaft zur Zuzahlung gestellt. Ohne genaue Zahlen zu nennen waren aber immerhin ein Drittel der Befragten bereit, auch Kosten von über 5 TDM zu übernehmen, wenn dafür wieder „richtiges Essen und Sprechen“ mög- lich wird (Abb. 1). Schwieriger ist da der Patient zu beur- teilen, der keine gesunde Zahnsubstanz für eine Brücke opfern möchte und meist gut informiert gezielt nach Im- plantaten fragt. Die Einzelzahnversorgung zählt mit Si- cherheit zu den kompliziertesten implantatprothetischen Versorgungen. Hier spielen Fragen zur Ästhetik eine un- gemein größere Rolle. Diese Patienten erwarten kompe- tente Antworten und sind bereit, für eine anspruchsvolle Leistung auch die Praxis zu wechseln. Die Implantologie aus wissenschaftlicher Sicht Die Implantologie hat das Bild der Zahnheilkunde nach- haltig verändert. Auf empirischen Erfahrungen aus der Praxis basierend ist heute auf der Grundlage umfassen- der wissenschaftlicher Studien die Implantologie zu einer eigenständigen Disziplin der Zahnmedizin ge - worden. Erkenntnisse und Erfahrungen aus Chirurgie, Prothetik und Parodontologie fließen ebenso ein wie experimen tell und klinisch gewonnene Ergebnisse zu Fragen der Materialien, Oberflächen, Osseointegration, Knochenwachstum, Belastbarkeit, Langzeitstabilität u.v.a.m. Die wissenschaftliche Durchdringung dieses Themas hinkt auch deshalb der kommerziellen Implan- tologie deutlich hinterher, weil alte Wissenschaftsstruk- turen oftmals unproduktive Wettbewerbssituationen schaffen. Es ist an der Zeit, über die Einrichtung eines ei- genständigen Lehrstuhles für Implantologie nachzuden- ken, denn alte Fachgebietsgrenzen behindern deutlich einen schnelleren Wissenstransfer. Die Wissenschaft ist hier gemeinsam mit den erfahrenen Praktikern gefordert – mit den Fachgesellschaften DGZI und DGI – den wissenschaftlichen Standard eindeutiger als bisher klar zu definieren und implantologischem Wildwuchs die Grenzen zu zeigen. Die Rechtsprechung fordert von der Wissenschaft eine deutliche und eindeu- tige Position zu Möglichkeiten und Grenzen medizini- scher Verfahren, zur Abwägung von Risiko und Nutzen einzelner Methoden. Wenn wir im Sinne der juristischen Definition die Entwicklung einer Disziplin als ein sich nach vorn bewegendes Rechteck betrachten, dann fallen neuen Erkenntnissen entsprechend (Falsifikation) be- stimmte Verfahren, Materialien, Vorgehensweisen aus dem wissenschaftlichen Standard heraus, und andere neue Erkenntnisse werden nach umfassender Prüfung zukünftig den wissenschaftlichen Standard bestimmen (Abb. 2). Wollen wir eine erfolgreiche Praxis führen und dies nicht 10 IMPLANTOLOGIE JOURNAL 2/2001