• Titel

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  • Editorial: Prävention – Eigenverantwortung als Schlüssel zum Langzeiterfolg

    Dr. med. dent. Lisa Hierse

    Auch dieses Jahr enthält das Jahrbuch Prävention & Mundhygiene ein breites Spektrum an Beiträgen rund um die Themenkomplexe Grundlagen, Prophylaxe und Parodontitis/Periimplantitis. Weiterhin darf in dieser Jahrbuchreihe natürlich die umfassende Marktübersicht als integraler Bestandteil nicht fehlen...

  • EMS Electro Medical Systems GmbH

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  • Inhalt

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  • Autorenverzeichnis

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  • Grundlagen

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  • Vermeidung unerwünschter Arzneimittelwirkungen

    Brigitta Voellmy-Ineichen

    Die Vielfalt und Komplexität möglicher Medikamenteneinwirkungen ist enorm. Sie können durch arzneimittel- oder patientenspezifische Faktoren ausgelöst werden. Im vorliegenden Artikel wird am Beispiel Ibuprofen illustriert, was unerwünschte Arzneimittelwirkungen sein können und welche negativen Folgen diese nach sich ziehen. Um das Ausmaß zu reduzieren, werden für das zahnärztliche Praxisteam Tipps und Ratschläge zum Umgang gegeben.

  • Annkathrin Dohle

    Annkathrin Dohle

    Mit ihren unzähligen Ursachen und daraus resultierenden Symptomen führt die Mundtrockenheit zu einer erheblichen Minderung der Lebensqualität des jeweils betroffenen Patienten. Die genauen Kenntnisse und die Aktualisierung des Wissensstands über die Ätiologie, klinische Symptome sowie die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung der Mundtrockenheit erweisen sich für den Zahnarzt und das zahnmedizinische Praxisteam als unerlässlich.

  • Hygienemanagement – Aufbereitung von Prophylaxe-Instrumenten

    Marija Krauß

    Die korrekte Aufbereitung von Medizinprodukten stellt die gesamte zahnärztliche Praxis vor große Herausforderungen. Um diese regelkonform durchzuführen, müssen alle Mitarbeiter einer Praxis über ausreichende Sachkenntnis verfügen. Denn die Aufbereitung fängt nicht erst im Aufbereitungsraum an.

  • Rechtsrahmen Prophylaxe und Mundhygiene – ein Update

    RA, FA MedR Norman Langhoff, LL.M.

    Eine Annäherung an Aspekte der Prophylaxe und Mundhygiene im Praxisalltag deckt vielfältige rechtliche Fragestellungen ab und ist unter vielen Blickwinkeln möglich. So kann eine haftungsrechtliche Betrachtung von Prophylaxemaßnahmen je nach Behandlungsstadium differieren oder sich je nach Kategorisierung als Behandlungsfehler oder Aufklärungsversäumnis unterscheiden. Rechtlich relevantes (Fehl-)Verhalten kann sich zudem aus verschiedensten Rechtsvorschriften ergeben (z. B. Zivil-, Wettbewerbs- oder Berufsrecht). Der Beitrag will helfen, diese Vielfalt im Sinne eines ersten Überblicks zu systematisieren.

  • Prophylaxe

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  • Die perfekte Prophylaxesitzung in 60 bis 70 Minuten

    Sabrina Dogan

    In meinem folgenden Patientenbericht möchte ich den Ablauf, die Durchführung sowie das dazugehörige Zeitmanagement einer perfekt strukturierten Prophylaxesitzung darstellen. Zusätzlich werden hilfreiche Tipps und Tricks zur Umsetzung im Praxisalltag aufgezeigt.

  • Zahnzwischenraumreinigung – eine Übersicht

    Dr. med. dent. Julia Blank, Dr. med. dent. Silke Hornstein, Prof. Dr. med. dent. Georg Gaßmann

    Dentale Plaque ist ein wichtiger ätiologischer Faktor für die Entstehung der häufigsten Erkrankungen in der Mundhöhle. Sie spielt in der Pathogenese von Karies, Gingivitis und konsekutiv auch Parodontitis eine entscheidende Rolle (Axelsson und Lindhe 1978). Die Entfernung der dentalen Plaque ist daher der wichtigste Faktor in der Prophylaxe der genannten Erkrankungen und trägt so maßgeblich zum Erhalt der Mundgesundheit bei. Eine entscheidende Rolle spielen hier auch die Interdentalraumreinigungsmethoden. Folgender Artikel gibt eine Übersicht über gängige Hilfsmittel zur Interdentalraumhygiene.

  • Prophylaxe bei Kindern – Wann und Wie?

    Univ.-Prof. Dr. Katrin Bekes, MME

    Die Mundgesundheit als Teil der allgemeinen Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für die normale Entwicklung des Kindes. Diese hat sich im Kindes- und Jugendalter in den letzten Jahren mithilfe zahlreicher strukturierter Prophylaxeprogramme wesentlich verbessert. Allerdings ist die Kariesreduktion im Milchgebiss deutlich geringer1 und die Karies selbst stärker polarisiert2. Insbesondere die frühkindliche Karies (Early Childhood Caries) hat sich wegen ihrer großen Verbreitung und ihres raschen Verlaufs, der zur völligen Zerstörung des Milchgebisses führen kann, zu einem „Public Health-Problem“ entwickelt. Die Wichtigkeit der Zahngesundheitsfrühförderung und die Prävention oraler Erkrankungen müssen somit im Mittelpunkt der zahnärztlichen Therapie stehen.

  • PZR, Reevaluation der klin.Befunde sechs Monate nach Tx

    ZA Gerhard Schmalz, Priv.-Doz. Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc.

    Patienten vor und nach Organtransplantation stellen ein besonderes Patientenklientel dar, welches den Zahnarzt und sein Team vor vielseitige Herausforderungen stellt. Insbesondere bereits Organtransplantierte sind dabei als Risikopatienten in der zahnärztlichen Praxis einzustufen. Obwohl gerade für Transplantatempfänger eine frühzeitige Schaffung mundgesunder Verhältnisse und langfristige Nachsorge/Gesunderhaltung essenziell ist, ist die zahnärztliche Versorgung häufig unzureichend. Dieser Zustand ist womöglich in den fehlenden Behandlungsrichtlinien/-empfehlungen begründet. In diesem Beitrag werden Besonderheiten und Probleme verschiedener Transplantatgruppen (Niere, Leber, Herz und Lunge) vor und nach Organtransplantation dargestellt sowie praxisrelevante Inhalte für die Betreuung betroffener Patienten herausgearbeitet.

  • Parodontologie/ Periimplantitis

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  • Parodontale Diagnostik

    Dr. med. dent. Lisa Hierse, Priv.-Doz. Dr. med. dent. Moritz Kebschull

    Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) zeigt eine deutliche Abnahme der Prävalenz schwerer Parodontitis. Trotz der positiven Entwicklung bei der parodontalen Gesundheit bleibt, nach Bewertung der DG PARO, eine hohe Behandlungslast in Deutschland von über elf Millionen parodontal schwer Erkrankten. Diese Zahl verdeutlicht, dass parodontale Erkrankungen durch regelmäßige Screenings als solche möglichst frühzeitig identifiziert und behandelt werden müssen. Der folgende Artikel erläutert angeratene diagnostische Maßnahmen und zu dokumentierende Befunde, um daraus die entsprechenden therapeutischen Schritte einzuleiten.

  • Aggressive und chronische Parodontitis

    Priv.-Doz. Dr. Christian Graetz, Anna Plaumann, Konstantin Gomer, Dr. Maren Kahl, Dr. Claudia Springer, Dr. Sonja Sälzer, Prof. Dr. Christof E. Dörfer

    Die Behandlung von Patienten mit aggressiver (AgP) oder schwerer chronischer Parodontitis (CP) stellt für das Praxisteam eine therapeutische Herausforderung dar. Häufig wird Zähnen mit fortgeschrittenem Attachmentverlust bei AgP erst gar keine Chance gegeben und sie werden frühzeitig extrahiert. Oder es wird wiederholt versucht, rekurrierende akute parodontale Entzündungen mit lokalen Maßnahmen „in den Griff zu bekommen“. Der Erfolg ist meist nur vorübergehend und die Behandlung endet später ebenfalls mit der Extraktion. Ohne ein geeignetes Behandlungskonzept bleibt, unabhängig von der Diagnose, ein langfristiger Therapieerfolg bei AgP und CP aus.

  • Assoziation zwischen Parodontitis und Diabetes

    Prof. Dr. Peter Hahner, Prof. Dr. Georg Gaßmann

    Seit Langem wird der Zusammenhang zwischen einer Diabeteserkrankung und dem Fortschreiten der Parodontitis diskutiert. Bei Diabetikern wird eine verstärkte parodontale Gewebedestruktion beobachtet, der durchschnittliche klinische Attachmentverlust ist signifikant erhöht. Ebenso erscheint die Regenerationsfähigkeit des Gewebes reduziert, sodass häufiger eine unvollständige Ausheilung der parodontalen Entzündung oder gar komplette Misserfolge der Therapie auftreten (Grossi und Genco, 1998). Insgesamt sind einige Korrelationen zwischen Diabetes und Parodontitis sowie Auswirkungen der Parodontitistherapie auf den Diabetes zu beachten. Daraus resultieren verschiedene Besonderheiten bei der Betreuung dieser Patienten in der Praxis.

Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 Vorbeugen ist besser als heilen – das ist allgegenwärtig und unwidersprochen, und auch die aktuellen Studien belegen den Paradigmenwechsel von der Restauration zur Prävention. Mit dem Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 legt die OEMUS MEDIA AG nach dem Erfolg des letzten Jahres die 3., überarbeitete und erweiterte Aufl age des aktuellen Kompendiums zu den Themen Prävention und Mundhygiene vor und wird damit der Bedeutung der Themen für die tägliche Praxis gerecht. Renommierte Autoren aus Wissenschaft, Praxis und Industrie widmen sich im Jahrbuch Präven- tion & Mundhygiene den Grundlagen und weiterführenden Aspekten dieses Fachgebietes und geben Tipps für den Praxisalltag. Zahlreiche wissenschaftliche Beiträge, Anwenderberichte und Fallbeispiele dokumentieren das breite Anwendungsspektrum. Relevante Anbieter stellen ihre Produkt- und Servicekonzepte vor. Thematische Marktübersichten ermöglichen einen schnellen und aktuellen Überblick über Geräte, Materialien, Instrumente und Mundpfl egeprodukte. Das Kompendium wendet sich sowohl an Einsteiger und erfahrene Anwender als auch an alle, die in den Themen Prävention und Mundhygiene eine vielversprechende Chance sehen, das eigene Leistungsspektrum zu erweitern. Preis zzgl. MwSt.: 49,– E
Prävention – Eigenverantwortung als Schlüssel zum Langzeiterfolg Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch dieses Jahr enthält das Jahrbuch Prävention & Mundhygiene ein breites Spektrum an Beiträgen rund um die The- menkomplexe Grundlagen, Prophylaxe und Parodontitis/Periimplantitis. Wei- terhin darf in dieser Jahrbuchreihe na- türlich die umfassende Marktübersicht als integraler Bestandteil nicht fehlen. Die Fünfte Deutsche Mundgesund- heitsstudie zeigt insgesamt zwar einen Rückgang von Karies und Parodon- titis, allerdings gehört die Behandlung dieser Erkrankungen noch immer zum zahnärztlichen Alltag. Ebenso führt die zunehmende Zahl an periimplan- tären Erkrankungen zu der vermehr- ten Forderung nach Prävention. Durch eine gezielte Vorsorge können Zähne heutzutage bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Um den wichtigsten und häu- figsten Erkrankungen der Mundhöhle, Karies und Parodontitis, entgegenzu- wirken, sind individuelle Präventions- maßnahmen nötig. In der Zahn medizin kommt ein großes Spektrum an Prä- vention zum Einsatz, von primärer bis zu tertiärer Prävention je nach dem Zeitpunkt des Einsetzens. Orale Prä- ventionsmaßnahmen sind grundsätz- lich von essenzieller Bedeutung bei der Vermeidung der Krankheitsentstehung, aber auch bei der Früherkennung und letztendlich Behandlung bzw. Arretie- rung, um eine weitere Progression oder Rekurrenz von Erkrankungen wie der Karies oder Parodontitis zu vermeiden. So können abgestufte Prophylaxekon- zepte kariöse, parodontale und peri- implantäre Erkrankungen auf verschie- denen Präventionsebenen verhindern. Hervorzuheben ist, dass ein wesentli- cher Anteil der Prävention beim Patien- ten liegt. Das zahnärztliche Team legt den Grundstock, indem individuelle An- weisungen zur optimalen Mundhygiene gegeben und regelmäßige Kontrollen sowie ständige Remotivationen des Patienten durchgeführt werden. Die tägliche Berücksichtigung und Durch- führung hingegen liegt ausschließlich beim Patienten. Nur so ist dauerhaft ein stabiler gesunder Zustand zu erzielen. Diese Eigenverantwortung für die orale Gesundheit sollte dem Patienten bei jedem zahnärztlichen Termin verdeut- licht werden. In den vorgestellten Artikeln des dies- jährigen Jahrbuchs werden Prinzipien und Strategien der Prävention von Ka- ries, parodontalen Erkrankungen sowie (in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigenden) periimplantären Erkrankungen erläutert. Im ersten Themenkomplex wird zu- nächst unter anderem auf die recht- lichen und Hygieneaspekte eingegan- EDITORIAL gen. Anschließend können Sie Publi- kationen zum Thema Prophylaxe bei Risikopatienten und Kindern, aber auch eine interessante Übersichtsarbeit zur Interdentalpflege lesen. Die abschlie- ßenden Artikel befassen sich mit den Themen Parodontitis und Periimplan- titis sowie der erforderlichen lebens- langen Nachsorge. Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit der vorliegenden Lektüre! [Infos zur Autorin] Ihre Dr. med. dent. Lisa Hierse DG PARO Spezialistin und Vorstands- mitglied der DG PARO, Magdeburg Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 3
INSERENTEN | IMPRESSUM Inserenten BLUE SAFETY GmbH Siemensstraße 57 48153 Münster www.bluesafety.com dental bauer GmbH & Co. KG Ernst-Simon-Straße 12 72072 Tübingen www.dentalbauer.de Dent-o-care Dentalvertriebs GmbH Rosenheimer Straße 4a 85635 Höhenkirchen www.dentocare.de Dexcel® Pharma GmbH Carl-Zeiss-Straße 2 63755 Alzenau www.dexcel-pharma.de DIOP GmbH & Co. KG Dieselstraße 5–6 61191 Rosbach v. d. Höhe www.diopgmbh.com EMS Electro Medical Systems GmbH Schatzbogen 86 81829 München www.ems-dental.com Harf Medical Services GmbH Würzburger Straße 5 97084 Würzburg www.saniswiss.de TePe D-A-CH GmbH Flughafenstraße 52 22335 Hamburg www.tepe.com JAHRBUCH PRÄVENTION & MUNDHYGIENE 2017 3., überarbeitete Auflage Impressum Verleger: Torsten R. Oemus Verlag: OEMUS MEDIA AG Holbeinstraße 29, 04229 Leipzig Tel.: 0341 48474-0 Fax: 0341 48474-290 kontakt@oemus-media.de Redaktion: Georg Isbaner · Tel.: 0341 48474-123 g.isbaner@oemus-media.de Lisa Schmalz · Tel.: 0341 48474-159 l.schmalz@oemus-media.de Produktmanager: Simon Guse · Tel.: 0341 48474-225 s.guse@oemus-media.de Deutsche Bank AG Leipzig IBAN DE20 8607 0000 0150 1501 00 BIC DEUTDE8LXXX Verlagsleitung: Ingolf Döbbecke Dipl.-Päd. Jürgen Isbaner (V.i.S.d.P.) Dipl.-Betriebsw. Lutz V. Hiller Produktionsleitung: Gernot Meyer · Tel.: 0341 48474-520 meyer@oemus-media.de Korrektorat: Frank Sperling/Sophia Pohle Tel.: 0341 48474-125 Marion Herner Tel.: 0341 48474-126 Herstellung: Sandra Ehnert/Stephan Krause Tel.: 0341 48474-119 Erscheinungsweise: einmal jährlich, es gelten die AGB Veröffentlichung vorausgesetzt, Verlags- und Urheberrecht: Das Jahrbuch und die enthaltenen Bei trä ge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zu stimmung des Verla- ges unzulässig und strafbar. Dies gilt be sonders für Ver vielfältigungen, Über setzun gen, Mikro- verfilmungen und die Einspeicherung und Bear- beitung in elektronischen Sys temen. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages. Bei Ein sen dungen an die Redaktion wird das Einverständnis zur vollen oder auszugs- weisen sofern nichts anderes vermerkt ist. Für unverlangt einge- sandte Bücher und Manu skripte kann keine Ge- währ übernommen werden. Mit anderen als den redaktions eigenen Signa oder mit Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben die Auffassung der Verfasser wieder, die der Mei nung der Redak- tion nicht zu entsprechen braucht. Der Verfasser dieses Beitrages trägt die Verant wortung. Gekenn- zeichnete Sonderteile und Anzeigen befinden sich außerhalb der Ver antwortung der Redaktion. Für Verbands-, Unternehmens- und Marktinformatio- nen, insbesondere Markt übersichten, kann keine Gewähr über nommen werden. Eine Haf tung für Folgen aus unrichtigen oder fehlerhaften Darstel- lungen wird in jedem Falle ausgeschlossen. Gerichts- stand ist Leipzig. 4 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
INHALT Editorial 3 Prävention – Eigenverantwortung als Schlüssel zum Langzeiterfolg Dr. Lisa Hierse Grundlagen 8 Vermeidung unerwünschter Arzneimittelwirkungen Brigitta Voellmy-Ineichen 12 Mundtrockenheit Annkathrin Dohle 18 21 Hygienemanagement – Aufbereitung von Prophylaxe-Instrumenten Marija Krauß Rechtsrahmen Prophylaxe und Mundhygiene – ein Update RA, FA MedR Norman Langhoff, LL.M. Prophylaxe 26 29 34 38 Die perfekte Prophylaxesitzung in 60 bis 70 Minuten Sabrina Dogan Zahnzwischenraumreinigung – eine Übersicht Dr. Julia Blank, Dr. Silke Hornstein, Prof. Dr. Georg Gaßmann Prophylaxe bei Kindern – Wann und Wie? Univ.-Prof. Dr. Katrin Bekes, MME Patienten vor und nach Organtransplantation ZA Gerhard Schmalz, Priv.-Doz. Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc. Parodontologie/Periimplantitis 46 Parodontale Diagnostik Dr. Lisa Hierse, Priv.-Doz. Dr. Moritz Kebschull 51 Aggressive und chronische Parodontitis Priv.-Doz. Dr. Christian Graetz, Anna Plaumann, Konstantin Gomer, Dr. Maren Kahl, Dr. Claudia Springer, Dr. Sonja Sälzer, Prof. Dr. Christof E. Dörfer 56 Assoziation zwischen Parodontitis und Diabetes Prof. Dr. Peter Hahner, Prof. Dr. Georg Gaßmann 60 Parodontalbehandlung nicht ohne Nachsorge Prof. Dr. Astrid Brauner 64 Mukositis und Periimplantitis Dr. Jeannette Raue, Priv.-Doz. Dr. Nicole Pischon 68 Langfristige Implantatgesundheit durch Prävention ZA Gerhard Schmalz, Priv.-Doz. Dr. Sven Rinke, M.Sc., M.Sc., Priv.-Doz. Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc. Marktübersichten 74 Übersicht Prophylaxemarkt 76 77 80 81 85 86 „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ – Der neue Standard in der Kariesdiagnostik Anbieter und Produkte Kariesdiagnostik-Geräte Möglichkeiten und Grenzen von Parodontitis- und Periimplantitistests Marcus van Dijk Anbieter und Produkte Parodontitis- und Periimplantitistest Elektrische Zahnbürsten – die neuen smarten Helfer im Mund Dr. Marianne Gräfin von Schmettow Anbieter und Produkte Elektrische Zahnbürsten 89 Vom Wasserstrahlgerät zur Munddusche Rolf-Dieter Haspel 90 Anbieter und Produkte Mundduschen 92 2-in-1-Kombinationsgeräte: Die PZR-Profis! 93 Anbieter und Produkte Kombinationsgeräte Pulver-Wasserstrahl/Ultraschall Anbieter von A bis Z 97 Produktinformationen von Herstellern/Vertreibern Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 5
AUTORENVERZEICHNIS Autoren Bekes, Univ.-Prof. Dr. Katrin, MME Medizinische Universität Wien Universitätszahnklinik, Fachbereich Kinderzahnheilkunde Sensengasse 2a 1090 Wien, Österreich Blank, Dr. Julia praxisHochschule Neusser Straße 99 50670 Köln Brauner, Prof. Dr. Astrid Hugo-Preuß-Straße 37 41236 Mönchengladbach Dogan, Sabrina Dentalhygienikerin und Praxismanagerin Praxis für Zahnheilkunde Dr. W. Hoffmann und Dr. K. Glinz Sinsheimer Straße 1 69256 Mauer Dohle, Annkathrin Abteilung für Parodontologie UKGM, Philipps-Universität München Georg-Voigt-Straße 3 35039 Marburg Gaßmann, Prof. Dr. Georg praxisHochschule Neusser Straße 99 50670 Köln Graetz, Priv.-Doz. Dr. Christian Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 3 (Haus 26) 24105 Kiel Hahner, Prof. Dr. Peter praxisHochschule Neusser Straße 99 50670 Köln Kebschull, Priv.-Doz. Dr. Moritz Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Universitätsklinikum Bonn Welschnonnenstraße 17 53111 Bonn Krauß, Marija Nördliches Feld 17 29358 Eicklingen Langhoff, Norman, LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Roever Broenner Susat Mazars Alt-Moabit 2 10557 Berlin Pischon, Priv.-Doz. Dr. Nicole DGP-Spezialistin für Parodontologie® Zahn- und ProphylaxeCenter Karl-Marx-Straße 24 12529 Schönefeld OT Großziethen Rinke, Priv.-Doz. Dr. Sven, M.Sc., M.Sc. Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik Zentrum ZMK Universitätsmedizin Göttingen Robert-Koch-Straße 40 37075 Göttingen Schmalz, ZA Gerhard Universitätsklinikum Leipzig AöR Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Liebigstraße 10–14 04103 Leipzig Voellmy-Ineichen, Brigitta Dipl. pharm. ETH Zürich Apothekerin und Dozentin Hochstr. 97 8044 Zürich, Schweiz Hierse, Dr. Lisa DG PARO-Spezialistin für Parodontologie® Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis Dres. Hierse Ernst-Reuter-Allee 28 39104 Magdeburg Ziebolz, Priv.-Doz. Dr. Dirk, M.Sc. Universitätsklinikum Leipzig AöR Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Liebigstraße 10–14 04103 Leipzig 6 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
Grundlagen Prophylaxe Parodontologie/Periimplantitis Marktübersichten Prophylaxemarkt Kariesdiagnostik-Geräte Parodontitis- und Periimplantitistest Elektrische Zahnbürsten Mundduschen Kombinationsgeräte Pulver-Wasserstrahl/Ultraschall Anbieter von A bis Z
GRUNDLAGEN Die Vielfalt und Komplexität möglicher Medikamenteneinwirkun- gen ist enorm. Sie können durch arzneimittel- oder patientenspe- Brigitta Voellmy-Ineichen [Infos zur Autorin] Literatur zifische Faktoren ausgelöst werden. Im vorliegenden Artikel wird am Beispiel Ibuprofen illustriert, was unerwünschte Arzneimittel- wirkungen sein können und welche negativen Folgen diese nach sich ziehen. Um das Ausmaß zu reduzieren, werden für das zahn- ärztliche Praxisteam Tipps und Ratschläge zum Umgang gegeben. Vermeidung unerwünschter Arzneimittelwirkungen Was das zahnärztliche Praxisteam wissen muss Brigitta Voellmy-Ineichen Medikamenteneinwirkungen oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) können durch arzneimittel- oder patientenspezifische Faktoren ausgelöst werden. Arzneimittelspezi- fisch sind beispielsweise unerwünschte Wirkungen, die bei hoher Dosierung oder bei langfristiger Einnahme entste- hen. Rund 400 Arzneistoffe senken den Speichelfluss, was u. a. die Reminera- lisation des Zahnschmelzes reduziert. Patientenspezifische Medikamenten- einwirkungen können z. B. durch das Alter, die Genetik oder allfällige Begleit- erkrankungen des Patienten bedingt sein. Neben einer größeren Anzahl von voraussehbaren Medikamenteneinwir- kungen gibt es auch eine Anzahl von unvorhersehbaren unerwünschten Me- dikamentenwirkungen, z. B. Allergien. Das Vorgehen wird im ersten Ab- schnitt am Beispiel Ibuprofen, einem häufig verwendeten Medikament in der zahnärzt lichen Praxis, illus- triert. Im beschriebenen Beispiel wird auf das erhöhte Potenzial gewisser Arzneimittelgruppen für UAW ein- gegangen. ACE-Hemmer, Diuretika, Antikoagulanzien und Thrombozyten- aggregationshemmer werden erwähnt, aber auch Analgetika und Antibiotika erzeugen häufig UAW. Von besonderer Bedeutung in der zahnärztlichen Pra- xis ist der Kalziumstoffwechsel. Darum wird im zweiten Abschnitt auf diejeni- gen Medikamenteneinwirkungen ein- gegangen, die den Kalziumstoffwech- sel beeinflussen. Im dritten Abschnitt werden einige für das zahnärztliche Praxisteam wichtige Medikamenten- einwirkungen und die entsprechenden Maßnahmen beschrieben. Was zu beachten ist – am Beispiel Ibuprofen In unserem Beispiel nehmen wir an, dass nach einem größeren zahnärzt- lichen Eingriff Ibuprofen, ein nicht- steroidales Antirheumatikum (NSAR) gegen Schmerzen, Entzündung und Schwellung verordnet wird. Hier stellen sich einige Fragen, die im Folgenden aufgeführt werden. a) Was braucht es, damit das Arznei- mittel seine volle Wirkung möglichst schnell entfalten kann und uner- wünschte Medikamenteneinwirkun- gen ausbleiben? Damit Ibuprofen seine volle Wirkung rasch entfalten kann, sollte es auf nüch- ternen Magen eingenommen werden – also mindestens eine halbe Stunde bis eine Stunde vor oder mindestens zwei Stunden nach einer Mahlzeit. NSAR werden am besten mit einem Glas Leitungswasser und in aufrechter Hal- tung eingenommen, um Reizungen der Speise röhre zu vermeiden. b) Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit das Medikament an den Wirkungsort gelangt und nicht auf dem Weg dorthin durch Erkran- kungen (z. B. Durchfall) oder andere Medikamente gestört wird? Die Erhebung einer sorgfältigen Anam- nese gibt ein Bild des Gesundheits- zustandes des Patienten und seiner Medikation. NSAR verursachen oft Interaktionen mit anderen Medikamen- ten, die gleichzeitig eingenommen wer- den. Einige davon sollen hier genannt werden: Gewisse blutdrucksenkende Medikamente wie Betablocker und ACE-Hemmer werden in ihrer Wirkung reduziert. Diu retika werden in ihrem Effekt ebenfalls reduziert. Wenn eine gleichzeitige Therapie mit NSAR und Antihypertensiva erforderlich ist, sollte die niedrigste Dosis der NSAR gewählt, die Therapiedauer mit dem NSAR mög- 8 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
GRUNDLAGEN lichst auf maximal drei Tage beschränkt und allenfalls der Blutdruck kontrolliert werden. In einer Studie steigerte Ibupro- fen (dreimal täglich 400 mg während drei Wochen) bei Personen, die mit ver- schiedenen Antihypertensiva behandelt wurden, den diastolischen Blutdruck um durchschnittlich sechs mmHg.2 Lithium, indiziert bei bipolaren Störungen, wird bei gleichzeitiger Anwendung von NSAR vermindert über die Nieren ausgeschie- den. Da Lithiumpräparate eine kleine therapeutische Breite besitzen, es also schnell zu Über- oder Unterdosierungen kommt, kann eine kleine Veränderung in der Ausscheidung zu einer Lithium- intoxikation führen. Die Wirkung von Antikoagulanzien kann verstärkt werden, woraus eine erhöhte Blutungsgefahr entsteht. Während Acetylsalicylsäure die Thrombozytenaggregation (Ver- längerung der Blutungszeit) über Tage hemmt, wird bei Ibuprofen die Ver- längerung der Blutungszeit nur bis zur Elimination des Wirkstoffes beobachtet (ca. drei bis vier Stunden). Damit Acetyl- salicylsäure (ASS) seine thrombozyten- aggregationshemmende Wirkung ent- falten kann, muss es zwei Stunden vor Ibuprofen verabreicht werden, da ASS und Ibuprofen an dieselben Rezeptoren binden. ASS bindet irreversibel an diese Rezeptoren, Ibuprofen reversibel. Ace- tylsalicylsäure beeinflusst die Blutung also über Tage, während der Einfluss von Ibuprofen nach wenigen Stunden wieder aufgehoben ist. Wird Ibuprofen vor Acetylsalicylsäure ein genommen, ist die thrombozytenaggregationshem- mende Wirkung nach ca. vier Stunden wieder aufgehoben, es kann vermehrt zu Thromben und Embolien kommen. c) Was muss beachtet werden, damit es nicht verzögert zu unangenehmen Medikamenteneinwirkungen kommt? NSAR können nach längerer Einnahme zu Schädigungen der Magen- Darm- Schleimhaut führen. Je nach Dosierung, Alter, anderen Medikamenten (z. B. Glukokortikoiden) und Erkrankungen kann es bereits nach wenigen Tagen zu Magenschmerzen und intestinalen Blutungen kommen. Die zusätzliche Verabreichung eines Protonenpumpen- hemmers muss immer in Erwägung ge- zogen werden. d) Welches Alter hat der Patient/die Patientin? Gewisse Arzneistoffe sind im Alter schädlich. Die PRISCUS-Liste5 umfasst 83 Wirkstoffe, die als potenziell un- geeignet für Senioren gelten, sowie thera peutische Alternativen. Das NSAR Indometacin (= Indomet®) ist beispiels- weise gemäß der PRISCUS-Liste po- tenziell inadäquat für ältere Patienten, weil es gastrointestinale Blutungen und Nierenversagen verursachen kann. Als Therapiealternativen werden Paraceta- mol, schwach wirksame Opioide und schwächere NSAR mit kürzerer Wir- kungsdauer (z. B. Ibuprofen) empfohlen.6 e) Ist die Patientin schwanger? Da NSAR über eine Hemmung der Pros- taglandinsynthese wirken und die Pros- taglandine während der Geburt eine wichtige Rolle spielen, ist Ibuprofen in der späten Schwangerschaft kontra- indiziert. Ebenso, wie die meisten Me- dikamente, im ersten Trimenon. f) Welche zusätzlichen Erkrankungen hat der Patient/die Patientin? Besteht ein Magen- oder Darmgeschwür, liegen Nieren- oder Lebererkrankungen vor? Bei Gesunden haben NSAR einen ge- ringen Einfluss auf die Nierenfunktion. Bei Patienten mit einem hohen Risiko für ein akutes Nierenversagen (z. B. Patienten mit Herzinsuffizienz, chroni- m o c . k c o t s r e t t u h S / o n i p a d o l r a c © Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 9
Mögliche Mechanismen Maßnahmen Schleimhautschädigungen kann zu Blutungen und damit Eisenverlust führen Auf Anzeichen einer Anämie und eisenreiche Ernährung achten Aluminium bindet Phosphate  Phosphatspiegel , Calcium wird aus den Knochen mobilisiert Vitamin D-Metabolismus (Abbau)   Vitamin D  Ca  Ausscheidung Ca , Resorption Ca  Ca , Vitamin D-Bedarf Langzeitanwendung hoher Dosen vermeiden Bei Langzeittherapie Blutspiegel von Ca und Vit. D überprüfen. Bei Bedarf Calcium und Vit. D verabreichen Steroidinduzierte Osteoporose: Bei täglich >7,5 mg Prednison- Äquivalente: täglich 1.500 mg Ca und 800 IE Vit. D einnehmen Daueranwendung von PPI (> 2 Jahre) beeinträchtigte Mikronährstoffe, allenfalls supplementieren GRUNDLAGEN Arzneimittel Acetylsalicylsäure (Aspirin®, ASS®, Togal®ASS) NSAR (Voltaren®, Aktren®, Proxen®) Aluminiumsalze (Aludrox®, Gaviscon®, Gelusil Lac®, Maaloxan®) Leberenzyminduzierende Antiepileptika (z. B. Phenydan®, Liskantin®) Beeinträchtigte Mikronährstoffe Eisen Calcium, Phosphate Calcium, Vitamin D Glukokortikoide Calcium, Vitamin D Protonenpumpenhemmer (PPI) Pantozol®, Pariet® etc., H2-Blocker Zantic® Magnesium, Vitamin B12, Calcium Resorption von Magnesium, Vitamin B12 , Ca  Tab. 1: Arzneimittelgruppen mit einem relevanten Einfluss auf Mikronährstoffe, die für Knochen und Zähne wichtig sind. (pharManuel 2014, pharmaSuisse) scher Nieren insuffizienz) dürfen NSAR nur unter ärztlicher Aufsicht verabreicht werden, da eine Überprüfung der Nie- renfunktion schon nach wenigen Ibu- profen-Dosen erforderlich ist.2 Je nach Schweregrad der Erkrankungen muss die Dosis von Ibuprofen reduziert oder es muss eine alternative Therapieoption in Erwägung gezogen werden. Auch hier empfiehlt sich ein Blick in die PRISCUS-Liste.5 g) Sind spezielle Lifestyle-Faktoren wie Gewicht, Alkohol und Rauchen vorhanden? Lifestyle-Faktoren können die Medi- kamenteneinwirkung ebenfalls beein- flussen. Alkohol und Rauchen kann bei Ibuprofen – wie bei anderen Entzün- dungshemmern – das Risiko einer Ma- genschleimhautschädigung erhöhen. Patienten, die Mengen Alkohol konsumieren. regelmäßig größere Medikamente beeinflussen die Aufnahme wichtiger Nährstoffe Von der großen Anzahl von Arzneistof- fen, die einen Einfluss auf sogenannte „Mikronährstoffe“ (Vitamine, Spuren- elemente und Elektrolyte) haben, be- wirken glücklicherweise nur wenige klinisch relevante Nährstoffmängel. In der zahnärztlichen Praxis ist es hilfreich, diese zu kennen. Tabelle 1 zeigt Arz- neimittelgruppen mit einem relevanten Einfluss auf Mikronährstoffe, die für Knochen und Zähne wichtig sind.1 Unerwünschte Arzneimittel- wirkungen im Mundbereich Trotz dieser Antworten fällt die „Ne- benwirkungsbilanz“ von Ibuprofen ins- gesamt günstig aus. Beachtet werden muss die erhöhte Gefährdung von äl- teren Patienten mit Magenproblemen, latenten Nierenfunktionsstörungen und Interaktionen (Antihypertensiva, Diu- retika, Lithium, Thrombozytenaggrega- tionshemmer) sowie die Gefahr intes- tinaler Blutungen bei geriatrischen Im Folgenden werden einige für das zahnärztliche Praxisteam wichtige Medikamenteneinwirkungen beschrie- ben.1,8 Durch ein persönliches Ge- spräch kann die Praxismitarbeiterin die Bedürfnisse und Gepflogenheiten des Patienten ermitteln, um individuell angepasste Empfehlungen abgeben zu können (shared decision-making). Bei allen Medikamenten, die unerwünschte Wirkungen im Mundbereich aufweisen, muss der Kariesprophylaxe vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Mundtrockenheit Verursacher: Insbesondere Anticho- linergika und Medikamente mit anti- cholinergen UAWs wie z. B. Psycho- pharmaka (trizyklische Antidepressiva, Johanniskrautpräparate, Neuroleptika), Antihypertensiva, Glukokortikoide, Präparate mit Mönchspfeffer, Salbei- tee. Insgesamt rund 400 Substanzen. Maßnahmen: Für die meisten Arznei- stoffe mit anticholinergem Potenzial gibt es Alternativen. Falls möglich, Medikamente vor dem Schlafen einnehmen, da die Mund- trockenheit im Schlaf weniger störend wirkt. Zuckerlose Kaugummis, Bon- bons, Eiswürfel lutschen, mit Bitterstof- fen, z. B. Tausendgüldenkraut, Mund spülen.9 Kariesprophylaxemaßnahmen erhöhen. Gingivitis, Gingivahyperplasie7 Verursacher: Zum Beispiel gewisse Anti- epileptika (Phenytoin). Die Manifesta- tion einer Gingivahyperplasie ist dosis- unabhängig. Jüngere Patienten sind häufiger (50–60 %) und stärker betrof- fen. Die Hyperplasie tritt erst mehrere 10 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
Wochen bis Monate nach Therapiebe- ginn auf. Ciclosporin A (1–10%), dosis- abhängig. Teilweise Calciumantagonis- ten, selten (0,01–0,1%), z. B. Amlodi- pin, Nifedipin. Situationen mit großen hormonellen Schwankungen (Pubertät, Schwangerschaft, Menopause). Maßnahmen: Innerhalb weniger Mo- nate nach Absetzen der Medikamente bilden sich die Hyperplasien zurück. Vorüber gehend antiseptische Behand- lung z. B. 2–3 Mal täglich mit Chlor- hexidin spülen, elektrische Zahnbürste verwenden. Aphthen 20 bis 60 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, vor allem junge Er- wachsene und Frauen. Verursacher: Eine große Anzahl von Medikamenten wird mit Aphthen- bildung in Verbindung gebracht, z.B. Diu retika (Lasix®, Hygroton®), gewisse Antiinfektiva (Tetracyclin, Penicillin). Mundtrockenheit kann ebenfalls zu Aphthen führen. Eisen-, Folsäure- und Vitamin B12-Mangel (siehe Medika- mente in Tabelle) können eine Aph- thenbildung begünstigen. Maßnahmen: Lokale Desinfektion und Anästhesie. Mit Myrrhe-, Ratanhia- oder Propolistinktur (verdünnt) lokal bepinseln, mit Kamillenblüten- oder Salbeiblättertee den Mund spülen. Weiche Zahnbürsten. Aphthen heilen im Normalfall spontan innerhalb von sieben bis 14 Tagen ab. Mund- und Zungenbrennen Verursacher: Zum Beispiel Trizyklische Antidepressiva, Knoblauchpräparate, Medikamente, die Vitamin B12- oder Eisenmangel verursachen. Maßnahmen: Siehe Maßnahmen bei Mundtrockenheit. Osteonekrosen des Kiefers Medikamente: Bisphosphonate (z. B. Fosamax®, Actonel®): Bei langfristiger Anwendung und hohen Dosen – vor al- lem bei Tumorpatienten, da diese eine acht- bis zwölffache Dosis von Bisphos- phonaten erhalten.3,4 Maßnahmen: Sehr gute Mundhygiene, Mund- und Zahnsanierung vor Bis- phosphonattherapiebeginn. Unmittel- bar vor kieferchirurgischen Eingriffen keine intravenöse Gabe von Bisphos- phonaten bei hohem Risiko, z. B. bei onkologischen Patienten. Eventuell eine Bisphosphonatpause einlegen vor kieferchirur gischen Eingriffen und zu- sätzlich vor Eingriff abschirmen. Fazit für die Praxis Eine sorgfältige Anamnese ist der Schlüssel für eine bestmögliche Ein- schränkung von unerwünschten Arznei- mitteleinwirkungen. Dabei sollen nicht nur alle Medikamente, die der Patient aktuell und in der Vergangenheit ein- genommen hat, erfasst werden. Es sollen diejenigen Medikamentenein- wirkungen, die einen Einfluss auf die Zahn- und Mundgesundheit haben, an- gesprochen werden. Mundtrockenheit, z. B. durch Psychopharmaka, sollte be- sprochen werden, damit der Patient die Therapie deswegen nicht abbricht und Empfehlungen für eine Linderung der Beschwerden gegeben werden können. Je größer das Wissen des Praxisteams über Medikamenteneinwirkungen ist, umso besser fühlt sich der oft mit sei- nem Therapieplan überforderte Patient aufgehoben. Das geschulte, aufmerk- same Praxisteam sieht Medikamen- teneinwirkungen, die dem Arzt oder Apotheker entgehen können. Gewisse Patienten haben ein erhöhtes Risiko für UAW, z. B. ältere Patienten, der Pa- tient mit einer (beginnenden) Demenz, Patienten mit mehreren Erkrankungen und mehreren Medikamenten (Poly- pharmazie), Patienten mit einer Leber- oder Nierenerkrankung. Das zahnärztli- che Praxisteam kann ein wichtiges Glied in der medikamentösen Versorgung die- ser Patienten sein und mithelfen, falsche Medikamentenanwendungen mit erns- ten Auswirkungen zu vermeiden. t k a t n o K Brigitta Voellmy-Ineichen Dipl. pharm. ETH Zürich Apothekerin und Dozentin Hochstr. 97 8044 Zürich, Schweiz voellmy@gmx.ch I E G E Z N A Die ganze Welt der Prophylaxe NEU! Das Geheimnis gesunder Zähne Hilfe bei Sensitivitäten – Schutz gegen Säureangriffe! enthält bioaktives Glas mit einzigartiger Formulierung aus Fluorid, Calcium und Phosphat Fluoridabgabe nach der Anwendung bis zu 12 Stunden Calcium und Phosphat unterstützen die natürliche Remineralisierung, was den Zahnschmelz schützen und Sensitivitäten verringern kann Fluoridgehalt von max. 530 ppm, daher auch für Kinder geeignet Jetzt den aktuellen Katalog anfordern 08102-7772888 oder info@dentocare.de Dent-o-care Dentalvertriebs GmbH Rosenheimer Straße 4a 85635 Höhenkirchen Online-Shop: www.dentocare.de
GRUNDLAGEN Mit ihren unzähligen Ursachen und daraus resultierenden Symp- tomen führt die Mundtrockenheit zu einer erheblichen Minderung der Lebensqualität des jeweils betroffenen Patienten. Die genauen Kenntnisse und die Aktualisierung des Wissensstands über die Ätiologie, klinische Symptome sowie die therapeutischen Möglich- keiten zur Behandlung der Mundtrockenheit erweisen sich für den Zahnarzt und das zahnmedizinische Praxisteam als unerlässlich. Annkathrin Dohle Literatur [Infos zur Autorin] Mundtrockenheit Annkathrin Dohle Mundtrockenheit ist leider kein selte- nes Phänomen, sondern ein multifakto- riell ausgelöstes physiologisches Gesche- hen, welches jeder schon einmal erlebt hat. Man bedenke hier den trockenen Mund in einer stressbelasteten Situation, wie zum Beispiel vor einer Klausur. Da- von abzugrenzen, kann Mundtrockenheit jedoch in patho logischer Form entweder als Begleit erscheinung systemischer Er- krankungen, aber auch als Nebenwir- kung zahlreicher Medikamente auftreten. Dieses Symptom stellt für viele Pa- tien ten nicht nur eine Minderung der Lebens qualität dar, sondern erhöht zu- dem das Risiko für zahlreiche orale Er- krankungen. Betrachtet man zusätzlich den demogra fischen Wandel, so wird deutlich, dass mit der alternden Be- völkerung die Erkrankungszahlen und somit auch die Zahlen der Medikatio- nen drastisch ansteigen und in Zukunft noch ansteigen werden. Definition und Prävalenz Mundtrockenheit als allseits erlebtes Symptom wird in der nomenklatori- schen Terminologie den Fachbegriffen „Xerostomie“ und „Hyposalivation“ gegenübergestellt. Hier gilt es, die Xerostomie als subjektiv empfundene Trockenheit der Mundhöhle und die Hyposalivation als objektivierbare Tro- ckenheit zu unterscheiden. Die drei großen paarig angelegten Speicheldrüsen (Glandula palatinae, Ruhespeichel Stimulierter Speichel Hypersalivation Normalsalivation Hyposalivation > 1 ml/min 0,1–1 ml/min < 0,1 ml/min > 3,5 ml/min 0,5–3,5 ml/min < 0,5 ml/min Tab. 1: Referenzbereich von Ruhespeichel und Reizspeichel. Glandula labiales und Glandula sub- lingualis) sowie zahlreiche kleine Speicheldrüsen, die in der gesamten Mundhöhle verteilt sind, sezernieren am Tag physiologischerweise 0,5–1,0 Liter Speichel. Der Speichelfluss wird unter anderem durch die Kautätigkeit und die Geschmackssinne sowie durch die Geruchstätigkeit, emotionale, psy- chische, aber auch Umweltfaktoren stimuliert (Hellwig et al. 2013). Zu den Aufgaben des Speichels gehört nicht nur die Aufrechterhaltung physiolo- gischer Bedingungen der Mund höhle durch die Befeuchtung aller Schleim- häute mit einem Schutzfilm aus Glyko- proteinen, sondern zudem hat der Spei- chel je nach Fließrate und Viskosität eine reinigende und über verschiedene immunologische Komponenten auch abwehrende Wirkung gegen Mikro- organismen. Hinzu kommen die Puffe- rung von Säuren, die durch die Nahrung aufgenommen werden, die (Re-)Mine- ralisation der Zahnhartsubstanz nach Säureangriffen und die Andauung der Nahrung (Hellwig et al. 2013). Die Speichelsekretion wird sowohl durch das sympathische wie auch durch das parasympathische Nervensystem ge- steuert (Sreebny und Schwartz 1997). Bei einem gesunden Patienten liegen die mittleren Werte der Speichelpro- duktion im unstimulierten Bereich bei 0,3 ml/min, die Werte des stimulierten Speichels bei 1,5 ml/min (Tab. 1). Hier gilt es jedoch, auf die verschiedenen Altersgruppen sowie das Geschlecht zu achten. Generell kann von einer Mundtrockenheit erst gesprochen wer- den, wenn der Wert des unstimulierten Speichels auf ca. 50 % des norma- len Ruhespeichels oder darunter fällt ( Dawes 2004). Der Speichelfilm, der die Schleimhäute und Zähne umman- telt, ist bei Patienten mit einer Speichel- drüsendysfunktion in seiner Dicke ge- mindert. Hier liegt der Referenzbereich eines gesunden Patienten bei 100 µm. Bei Patienten mit reduzierter Speichel- fließrate kann dieser Wert erheblich reduziert sein (Hugger et al. 2006). Der gesamte menschliche Speichel besteht zu 99,5 % aus Wasser und zu 0,5 % aus zahlreichen organischen und anorganischen Substanzen, deren Zusammensetzung im Einzelnen stark variiert. Die organischen Bestandteile 12 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
GRUNDLAGEN umfassen in erster Linie Proteine, Glyko proteine (Muzine) und Enzyme. Die anorganischen Substanzen setzen sich aus Natrium, Kalium, Kalzium, Chlorid, Bikarbonat und Fluorid zusam- men (Chiappin et al. 2007). Die Prävalenz, auch Krankheitshäu- figkeit genannt, gibt in definierbarer Größe an, wie viele Menschen an einem bestimmten Krankheitsbild erkrankt sind, und stellt somit eine Kennzahl für die Anzahl an Erkrankungen dar. Zu- sammenfassend ergibt sich aus inter - nationalen Studien, dass etwa bei je- dem vierten Erwachsenen Anzeichen für eine Mundtrockenheit vorhanden sind. Die Prävalenz der Mundtrockenheit nimmt mit der Anzahl der am Tag ein- genommenen Medikamente stets zu. Frauen leiden zudem deutlich häufiger an einer mit Medikamenten in Zusammen- hang stehenden Mund trockenheit. Die Krankheitshäufung der über 65-Jährigen liegt heute bei 50 % ( Delli et al. 2014). Bei Patienten, die am Sjögren- Syndrom erkrankt sind oder eine Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich erhalten haben, liegt die Prävalenz der Mundtrockenheit bei bis zu 100 % ( Klimek 2012). Ursachen der Mundtrockenheit Systemische Erkrankungen als Ursache Die bekannteste Autoimmunerkrankung, das Sjögren-Syndrom (SjS), welches als eine systematische entzündlich-rheuma- tische Erkrankung klassifiziert wird, ba- siert auf der sukzessiven Zerstörung der Speichel- und Tränendrüsen, die auch als exokrine Drüsen bezeichnet werden. Die Erkrankung wird bei einem Großteil der betroffenen Patienten erst recht spät, bei Frauen sogar meist erst nach der Menopause diagnostiziert, und in die primäre und sekundäre Erkrankungs- form unterteilt. Der Befall der exokrinen Drüsen beschränkt sich jedoch auf die primäre Form des Sjögren-Syndroms (Hansen und Dörner 2010). Schon seit langer Zeit ist bekannt, dass ein Zusammenhang zwischen Virus- erkrankungen und Erkrankungen der Speicheldrüsen besteht. Im Allgemei- nen können die Viruserkrankungen der Speicheldrüsen zu einer verringerten Speichelproduktion und/oder zu einer Schwellung der Speicheldrüsen führen (Maeve et al. 2011). Infektiöse oder entzündlich bedingte Speicheldrüsen- erkrankungen sind die zweithäufigste Ursache, welche mit der HIV-Infektion einhergehen. Zudem haben Patienten, die mit dem HI-Virus infiziert sind, ein bis zu 10 % höheres Risiko, an malig- nen Tu moren der Speicheldrüsen zu erkranken (Leao et al. 2009). In der Therapie von Patienten, die an Tumorerkrankungen im Kopf-Hals-Be- reich leiden, spielt die Strahlentherapie eine fundamentale Rolle. In der Regel sind diese Patienten zudem zu einem sehr großen Teil von einer Mundtrocken - heit betroffen. Diese geht hier als Nebenwirkung der verschiedenen Be- handlungsformen, zu denen operative Eingriffe, die Chemotherapie oder die Strahlentherapie gehören, einher. Als grund sätzliches Problem der Strahlen- therapie stellt sich die Gewebsschädi- gung dar (Porter et al. 2004). Hieraus resultiert im Kopf-Hals-Bereich die Min - derung der Speichelfließrate. Um eine schwere Schädigung des Gewebes hervorzurufen, muss während der Bestrahlung der Schwellengrad von 52 Gray überschritten werden. In der Regel werden Patienten mit Tumor- erkrankungen im Kopf-Hals-Bereich mit einer Strahlendosis zwischen 50 und 70 Gray behandelt (Franzén et al. 1992). Das Zeitfenster der hauptsäch- lichen Reduktion des Speichelflusses beginnt mit der ersten Therapiesitzung und endet meist drei Monate nach der letzten Therapiesitzung. Auch das spezifische Krankheitsbild der Speicheldrüsen, die Sialolithiasis, beeinflusst die Sekretion des Speichels. Dieses Krankheitsbild beschreibt das Auftreten von Speichelsteinen in den Kanälen der Speicheldrüsen und un- terbindet den Abfluss des Speichels. Begünstigend wirken hier metaboli- sche Störungen, die zu einem Anstieg der Kalziumkonzentration im Speichel führen. Hieraus können sekundäre Ent- zündungen resultieren. Zwischen 60 und 80 % der Speichelsteine befinden sich in den Hauptausführungsgängen. Als Ursache dieser Erkrankung kann man von der Austrocknung der Spei- cheldrüsenkanäle, aber auch von einer Minderung der Speichelfließrate durch die Reduktion der Nahrungsaufnahme ausgehen; bislang ist die genaue Ätiologie jedoch noch nicht geklärt. Bei über 50 % aller Erkrankungen der Speicheldrüsen handelt es sich um das Erscheinungsbild der Sialolithiasis. Zu- dem ist diese die primäre Ursache für akute und chronische Infektionen der Speichel drüsen (Zenk et al. 1994). Medikamente als Ursache Die Mundtrockenheit tritt besonders häufig im Zusammenhang mit der Einnahme bestimmter Medikamenten- gruppen auf. Hierzu zählen unter ande- rem Appetitzügler, Antihistaminika und blutdrucksenkende Mittel. Eine Untersu- chung aus den USA zeigte, dass bei den 200 am häufigsten verordneten Medika- menten, die im Zusammenhang mit ora- len Nebenwirkungen wie der Xerostomie stehen, bei über 80 % der Probanden eine Mundtrockenheit diagnostiziert wurde (Smith und Burtner 1994). Zu den aktuell immer häufiger verordne- ten Medikamenten, die in den meisten Fällen mit einer starken Mund trockenheit assoziiert sind, zählen die Antidepres- siva. Frühere Gruppen der Antidepres- siva, zu denen hauptsächlich die tri- zyklischen Antidepressiva (TCA) zählen, hemmen durch eine Inaktivierung der Acetylcholin-Rezeptoren die Speichel- sekretion. Das xerogene Symptom resul- tiert hier aus der Nicht-Wiederaufnahme von Noradre nalin und Serotonin (Scully 2003). Auch die neuere Generation der Antidepressiva, zu der die Seroto- nin-Wiederaufnahmehemmer zählen, führen zu einer Mundtrockenheit. Diese ist allerdings im Vergleich zu älteren Stoffgruppen nicht mehr im gleichen wie zuvor beklagtem Maße ausgeprägt. Zu den mit der Mundtrockenheit im Zusammenhang stehenden Medika- menten zählen unter anderem auch Migräne mittel. Der Wirkstoff Riza- triptan wird meist in der Behandlung von Jugendlichen mit Migräne einge- setzt. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Mundtrockenheit zu leiden, steigt hier um bis zu 5 % (Winner et al. 2002). Weitere häufig verordnete Präparate die einen deutlichen Zusammenhang aufweisen, sind Antihistaminika, Anal- Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 13
GRUNDLAGEN getika, Antihypertensiva, aber auch bestimmte Rauschmittel. Hier wird die Mundtrockenheit immer wieder bei übermäßigem Gebrauch von Ge- nussmitteln wie Alkohol und dem Missbrauch von illegalen Drogen wie Cannabis oder Amphetaminen beob- achtet. Bei der Einnahme wird in über 95 % von einer subjektiv empfundenen Mundtrockenheit berichtet (McGrath und Chan 2005). Symptome Betrachtet man nun die zahlreichen Funktionen, die dem Speichel zukom- men, wird deutlich, dass eine Minde- rung oder gar das Ausbleiben zu einer Reihe an unerwünschten Symptomen und Erkrankungen führen kann. Bei Patienten, die von dieser Phänome- nologie betroffen sind, entwickelt sich aufgrund der starken Plaqueakkumula- tion und der sehr stark eingeschränk- ten Pufferkapazität des residualen Speichels deutlich schneller Karies als bei Patienten mit einer physiologischen Speichelfließrate (Meyer-Lueckel und Kielbassa 2002). Demzufolge verstärkt sich durch den fehlenden Speichelfluss die Demineralisation der Zahnhartsub- stanz. Eine physiologische Reminera- lisation ist somit kompromittiert. Da eine verminderte Speichelfließrate den Patienten das Kauen und Schlucken von fester Nahrung erschwert, greifen diese häufig zu weicher, klebriger und kohlenhydratreicher Kost, um sich so- mit den Kau- und Schluckvorgang zu erleichtern. Die Progredienz des Karies- befalls steigt durch die Verweildauer dieser Nahrung auf der Zahnober- fläche. Häufig präsentieren sich die hieraus resultierenden kariösen Läsio- nen an zervikalen Bereichen (Abb. 1), an untypisch gelegenen Lokalisatio- nen wie Kronenhöckern oder an den Schneidekanten der Frontzähne. Durch die Hyposalivation tritt meist am Tage, aber auch über die Nacht hin- weg das Gefühl von Flüssigkeitsman- gel in Form eines trockenen Mundes auf. Es können Begleiterscheinungen wie Schmerzen oder das Brennen der Mundhöhle und der Zunge auftreten. Durch die mangelnde Befeuchtung der Schleimhaut mit Glykoproteinen fehlt die lubifizierende Schutzschicht. Den Be- troffenen fällt das Schlucken und Kauen von Speisen sowie das Sprechen schwer. Weitere Symptome, die durch den per- manent fehlenden Speichelfluss klinisch in Erscheinung treten können, sind trockene rissige Lippen, Rhagaden, die sich an den Mundwinkeln präsentieren, und eine meist stark fissurierte, in ei- nem erythematösen Rotton auftretende Zunge. Die Schleimhaut der Mundhöhle zeigt sich oft glanzlos, pergamentartig und gerötet (Ang et al. 1991). Die Be- troffenen klagen über Schmerzen beim Tragen von Prothesen (Abb. 2). Des Weiteren führt die Hyposalivation zu einer verminderten Immunreak- tion. Dies ist dem verringerten Anteil an Immunglobulinen (IgA, IgG, IgM), Lysozymen und Peroxidasen geschul- det. Damit einhergehend entsteht ein pH-Wert-Abfall der dazu führt, dass kariogene Mikro organismen wie z. B. Streptokokkus mutans und Lakto- bazillen prosperieren. Auch das Risiko, an oralen Candidosen zu erkranken, nimmt somit zu (Chambers et al. 2005). Diagnostik Die Anamnese als systematische Da- tenerfassung besitzt einen sehr hohen Stellenwert in der Diagnostik. Sie dient dem Behandelnden dazu, einen Über- blick über die Grunderkrankungen und die Einnahme von Medikamenten des Patienten zu erhalten. Eine bestehende Mundtrockenheit kann durch die spezi- fische Form der Anamnese erfasst und erkannt werden. Typische Fragen, um eine Hyposalivation erkennen zu kön- nen, lauten zum Beispiel: – „Haben Sie beim Essen einen trocke- nen Mund?“ – „Müssen Sie, um trockene Speisen zu essen, Flüssigkeit zu sich nehmen?“ – „Empfinden Sie das Schlucken von Speisen als Schwierigkeit?“ – „Haben Sie das Gefühl, zu wenig Speichel im Mund zu haben?“ (Thomson et al. 2011). Die Auswertung der im Anamnesebo- gen integrierten Fragen kann mittels der „Likert-Skala“ durchgeführt wer- den, welche in drei Stufen unterteilt ist. So gilt für die Beantwortung der Fra- gen mit einem „nie“ der Wert 1, für die Beantwortung „ab und an“ der Wert 2 und für die Beantwortung „oft/häufig“ der Wert 3. Für die Auswertung der Fragestellungen wird der Wert in der Summe gerechnet, um den Grad der subjektiven Xerostomie ermitteln zu können (Thomson et al. 2011). Fällt die Auswertung des Fragebogens positiv aus, sollte die Fragestellung zudem nochmals spezifisch auf die mit der Mundtrockenheit assoziierten Erkrankungen gerichtet werden. Über Abb. 1 Abb. 2 Abb. 1: Intraorale Situation einer Patientin mit kariösen Läsionen der zervikalen Bereiche. – Abb. 2: Intraorale Situation einer Patientin mit Antidepressiva assoziierter Mundtrockenheit. 14 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
GRUNDLAGEN diesen Weg besteht die Möglichkeit, den auslösenden Faktor der Sympto- matik, welcher in Form systemischer Erkrankungen oder bestimmter Medi- kationen auftritt, zu ermitteln und zu dokumentieren (Thomson et al. 2011). Neben der Trockenheit der Mundhöhle besteht durch die verschiedenen Grund- erkrankungen zudem die Prävalenz ei- ner Trockenheit der Schleimhäute an- derer Körperbereiche, wie den Augen, der Nase, des Rachens oder der Intim- schleimhaut, die zusätzlich zu einer Dia- gnose verhelfen können (Hahnel 2012). Ein weiterer Schwerpunkt der Diagnos- tik liegt in der klinischen Untersuchung. Im Rahmen der stomatologischen und zahnärztlichen Untersuchung der Mundhöhle können typische klinische Symptome auf das Vorliegen einer Mundtrockenheit hinweisen. Der Speichel von Patienten, die unter einer Hyposalivation leiden, erscheint klinisch meist sehr zäh und ist in sei- ner Farbe weißlich bis gelblich-braun verändert. Zudem fällt auf, dass dieser häufig trüber erscheint als bei Patien- ten, die einen physiologischen Speichel - fluss aufweisen (Meyer-Lueckel und Kielbassa 2002). Nach der Trockenlegung des Mund- bodens fehlt das Auftreten einer Speichel ansammlung im Mundboden, die auch als „Saliva pooling“ bezeich- net wird (Abb. 3; Villa et al. 2015). Die Schleimhäute der an der Mund- trockenheit leidenden Patienten zeigen sich im klinischen Bild häufig wie dün- nes Pergamentpapier und wirken durch das Fehlen des Speichels oft matt und glanzlos. Ferner sind diese dem Risiko einer Verletzung bei der Nahrungs- aufnahme deutlich höher ausgesetzt als die phy siologisch befeuchteten Schleimhäute. Häufig sind mehrere Ein- risse in der Schleimhaut, aufgesprun- gene Lippen und Cheilitis angularis, die allgemein auch als Mundwinkel- rhagaden (Abb. 4) bezeichnet werden, zu erkennen (Hahnel 2012). Betroffene berichten oftmals von einem immer wieder auftretenden Durstgefühl, das auch in der Nacht dauerhaft präsent ist und sogar zu Schlafstörungen führt, über Schwierigkeiten beim Essen, dem Schlucken der Nahrung sowie bei der Abb. 3: Patient mit fehlendem „Saliva pooling“ aufgrund von Mundtrockenheit. treten häufig Aussprache. Ebenso Symp tomatiken wie verstärkter Mund- geruch oder ein Brennen im Mund auf, die ihre Konsequenzen in einer man- gelnden Befeuchtung der Mundhöhle finden (Turner and Ship 2007, Villa et al. 2015, Salerno et al. 2016). Als eine sehr typische Symptoma- tik stellt sich zudem die Infektion der Schleimhäute mit dem Befall einer Candidiasis dar (Villa et al. 2015). Die Zunge zeigt sich meist stark fissuriert und tritt in einem erythematösen Rot- ton auf (Hahnel 2012). Durch die massiv eingeschränkte Fähig keit der Mundhöhle, sich selbst zu rei nigen, kommen in klinischer Hinsicht deut liche Plaqueakkumula- tionen zum Vorschein, die in vielen Fällen von entsprechend betroffenen Patien ten nur sehr mangelhaft entfernt werden. Grund hierfür ist ein oftmalig sehr unangenehmes Empfinden bei der Verwendung der meist mit Menthol versetzten Reinigungsmittel und Mund- spüllösungen (Hahnel 2012). Aufgrund der starken Plaqueakku- mulation und der sehr stark einge- schränkten Pufferkapazität des residu- alen Speichels entwickelt sich deutlich schneller Karies als bei Patienten mit einer physiologischen Speichelfließrate (Meyer-Lueckel und Kielbassa 2002). Dementsprechend verstärkt sich durch den fehlenden Speichelfluss die De- mineralisation der Zahnhartsubstanz. Eine physiologische Remineralisation ist deshalb kompromittiert. Häufig prä- sentieren sich die kariösen Läsionen an zervikalen Bereichen und an untypisch gelegenen Lokalisationen wie Kronen- höckern oder an den Schneidekanten der Frontzähne. Des Weiteren fällt auf, dass eine Sekundärkaries an Kronen- rändern schon nach wenigen Jahren entstehen kann (Meyer-Lueckel und Kielbassa 2002, Hahnel 2012). Zusätzlich zu den intraoralen Befunden lassen auch extraorale Befunde die Symp tomatik der Xerostomie und der Hypo salivation vermuten. Bei genaue- rem Hinsehen fällt eine Vergrößerung oder eine laterale Schwellung, die immer/ meist einseitig auftritt, im Bereich der Ohrspeicheldrüsen auf. Eine nach extraoral sichtbare Schwel- lung der Glandula submandibularis, welche meist auch mit Schmerzen verbunden ist, lässt auf einen Speichel- stein und somit auf eine Sialolithiasis deuten. Wirkt die Glandula parotis geschwollen, fühlt diese sich bei der Palpation verhärtet an und der Patient beschreibt nur gelegentlich auftretende Symptome, so lässt dieser Befund auf eine Hypertonie oder Gefäßerkrankung schließen (Hahnel 2012). Ein solcher Befund sollte Anlass zu einer allge- meinmedizinischen Untersuchung ge- ben und zeigt einmal mehr die große Bedeutung, die in der interdisziplinären Zusammenarbeit zu sehen ist. Therapeutische Maßnahmen Die Therapie der Mundtrockenheit er- weist sich durch die breit gefächerte Ätiologie dieser Symptomatik als sehr individuell. Patienten, die unter der Erkrankung leiden, klagen zudem in Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 15
GRUNDLAGEN einem Großteil der Fälle erst bei einer über 50-prozentigen Verminderung der Speichelflussrate über den Mangel des Speichels (Dawes 2004). Im Hinblick darauf sollten die Erkennung, die Do- kumentation und die Recherche nach den individuellen Zusammenhängen sowie eine bessere Aufklärung über die Thematik dieses Phänomens zu den Zielen des behandelnden Praxisteams gehören. Viele Patienten empfinden das Gefühl des trockenen Mundes als lästig, sind sich dabei jedoch über die verschiedenen Möglichkeiten, den Symp tomen der Mundtrockenheit ent- gegenzuwirken, nicht bewusst und sprechen die Thematik oft erst an, wenn die Diagnose durch den Zahnarzt oder die Dental hygienikerin gestellt wird. Das Ziel sollte die Aufklärung über die Ätiologie der Erkrankung und die da- durch potenziell entstehenden Risiken, wie die Infektion der Mundschleimhaut oder das erhöhte Risiko, an einer Karies zu erkranken, sein. Hierzu zählt auch die richtige Ernährungslenkung. Die Betroffenen neigen dazu, weiche, kleb- rige und breiartige Kost zu bevorzugen, da sie diese leichter zu schlucken ver- mögen. Sie sind sich der anhaftenden Eigenschaft an die Zahnhartsubstanz und der hieraus resultierenden Er- höhung des Kariesrisikos jedoch nicht bewusst. Ein weiterer Aspekt ist die Erstellung einer Fluoridanamnese um eine Reminerali sation der Zahnhartsub- stanz gewährleisten zu können. Prophylaxemaßnahmen Insbesondere zählen bezahnte Patien- ten mit Mundtrockenheit zur Hochri- sikogruppe und sollten sich regelmä- Abb. 4: Mundwinkelrhagade bei einer 83-jährigen Patientin mit Mundtrockenheit. 16 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 ßig drei- bis viermal jährlich bei ihrem behandelnden Zahnarzt vorstellen. In diesem engmaschigen Recall-Pro- gramm bietet sich die Absolvierung einer Prophylaxe sitzung an, um somit die häusliche Mundhygiene zu unter- stützen und Früherkennung betreiben zu können. Der Patient sollte dadurch in der Lage sein, die häusliche Mund - hygiene optimal durchführen zu können. Hierzu besteht die Notwendigkeit eines individuellen Informationsgesprächs über die Ätiologie der Mund trockenheit und dem erhöhten Risiko des Auftre- tens einer Candidiasis oder Karies. In den Sitzungen sollte das Aufweisen der Beläge durch das Anfärben der Zähne sowie eine anschließende Motivation und Instruktion der richtigen Zahnputz- technik keinesfalls fehlen (Abb. 5). Auch die gemeinsame Auswahl der häuslich zu gebrauchenden Mundhygieneartikel sollte ein wichtiger Bestandteil sein. Hier gilt es im Besonderen, darauf zu achten, dass bei älteren Patienten Rück- sicht auf die manuellen Fähigkeiten genommen werden muss und diesen beispielsweise Zahnbürsten mit ergono- mischem Griff oder gar die Nutzung ei- ner elektrischen Zahnbürste empfohlen wird. Zudem hat sich bis dato in meh- reren Metaanalysen he rauskristallisiert, dass das Zähneputzen mittels einer elektrischen Zahnbürste der Reinigung mit der Handzahnbürste überlegen ist (Robinson et al. 2005, Yaacob et al. 2015). Darüber hinaus sollte das Augenmerk der Prophylaxe assistentin auf der richti- gen Wahl der Interdentalraumbürstchen liegen. Häufig nutzen Patienten diese von Haus aus, jedoch meist in der fal- schen Größe, wodurch ein optimaler Ab- trag der Plaque nicht mehr gewährleistet werden kann. Auch auf die Zungenrei- nigung und die hierzu nötigen Reini- gungsutensilien sollte insbesondere bei Patienten mit Foetor ex ore Bezug ge- nommen werden (Quandt et al. 2011). Weiterführend ist die Prophylaxe von Demineralisationen und die Förderung einer Remineralisation bei Patienten mit Mundtrockenheit essenziell. Hier nimmt die lokale Fluoridierung den größten Stellenwert ein (Epstein et al. 1996). Die Dosis der Fluoridapplikation sollte sich immer am Grad der Mundtrockenheit orientieren und kann in Form von Zahn- pasten oder Mundspüllösungen sowie höher konzentrierten Gelees dargereicht werden. Ferner besteht die Option der Anfertigung einer Fluori dierungsschiene. Diese individuell angefertigte Schiene bietet bei der wöchentlichen Anwen- dung eines Fluoridgel-Konzentrats den Vorteil, passgenau an den Zähnen zu liegen, wodurch das Fluoridgel dicht an den Zahn adaptiert wird und bei gleicher Wirkung eine geringere Menge des Gels verwendet werden kann. Auch resultiert durch die Schiene für den Patienten ein deutlicher Komfort während der Einwirk- zeit. Es gilt darauf zu achten, Produkte mit einem möglichst neutralen pH-Wert zu verwenden, um somit Irritationen und Schmerzen an den Schleimhäuten zu ver- meiden (Ship et al. 2010). Medikamentöse Einstellung Es gibt eine Reihe therapeutischer Mög- lichkeiten, welche darauf abzielen, die Symptome der unter Mundtrockenheit leidenden Patienten zu lindern (Vissink et al. 1988, Meyer-Lueckel und Kielbassa 2002). Jedoch ist es in der Therapie der Hyposalivation als Grund erkrankung, beispielsweise nach einer Strahlen- oder Chemotherapie bzw. bei Autoimmun - erkrankungen wie dem Sjögren-Syn- drom, sehr schwer und oft fast unmög- lich, die Symptomatik des trockenen Mundes zu lindern (Cartee et al. 2015). Sind Patienten von der Mundtrockenheit betroffen, etwa weil sie unter einem schlecht oder gar nicht eingestellten Diabetes mellitus leiden, kann die inter- disziplinäre Zusammenarbeit mit einem Internisten/Diabetologen und somit das Einstellen der systemischen Erkrankung zu einer deutlichen Linderung führen. Die Literatur beschreibt, dass dies zum Ausbleiben des trockenen Mundes und zudem für den einzelnen Patienten zu ei- ner deutlichen Verbesserung der Lebens- qualität führen kann (Hahnel 2012). Tritt die Mundtrockenheit im Zusam- menhang mit xerogenen Medikamen- ten auf, so kann eine Umstellung oder Dosisreduktion der Medikamente zu einer deutlichen Verbesserung der Symptomatik führen. So beschreibt etwa Scully (2003), dass im Vergleich zu den trizyklischen Antidepressiva
GRUNDLAGEN die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer eine weniger xerogene Wirkung haben sollen (Scully 2003). Schwierig wird es in den Fällen von Polypharmazie, wenn der Patient eine Vielzahl verschiedener Medikamente zu sich nimmt (Smith und Burtner 1994). In diesen Fällen sollten im interdisziplinären Gespräch mit den behandelnden Ärzten Überlegungen angestellt werden, wie durch die Um- stellung der Medikation die Anzahl der Medikamente reduziert und somit das Nebenwirkungsspektrum zum Wohl des Patienten gesenkt werden kann. Hilfe durch Hausmittel Es gibt eine Reihe an „einfachen“ Haus- mitteln, die den Betroffenen im Kampf gegen die Mundtrockenheit als the- rapeutische Maßnahmen an die Hand gegeben werden können. Im Falle des Gefühls einer trockenen Mundhöhle neigen wir dazu, Wasser zu trinken, um somit die Schleimhäute immer wieder zu befeuchten. Leider ist diese befeuchtende Wirkung meist nur von kurzer Dauer (Vis- sink et al. 1988). Der wesentliche Vorteil, den das Wasser bietet, ist der, dass es so gut wie überall zur Verfügung steht und wenigstens für einen kurzen Moment für Abhilfe sorgen kann. Ähnlich verhält es sich mit Milch, die neben der befeucht- enden Wirkung sogar noch eine eigene Pufferkapazität und eine remineralisie- rende Wirkung aufweisen kann. Auch Öle sind bei den Patienten immer wie- der im Gespräch und dienen diesen mit ihrer lindernden Wirkung (Herod 1994). Wenngleich bisher nicht evidenzbasiert, so handelt es sich doch dabei um Hilfs- mittel, die den Patienten in der Beratung nicht vorenthalten werden sollten. Auch das Umspülen der Mundhöhle mit grünem oder schwarzem Tee sollte den Patienten empfohlen werden. Die befeuchtende Wirkung ist auch hier meist leider nur von kurzer Dauer. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass grüner Tee zu einer Minderung der kario genen Mikroorganismen beiträgt. Dem schwarzen Tee kann ebenfalls durch seinen Fluoridgehalt eine positive Aus wirkung auf die Zahnhartsubstanz zugeschrieben werden (Gardner et al. 2007). Hieraus resultiert eine deutliche Kariesreduktion (Vissink et al. 1988). Abb. 5: Patientenorientiere Motivation und Instruktion. Hinsichtlich der Verwendung von Tee als Speichelersatzmittel besteht jedoch keine wissenschaftliche Evidenz. Zu den weiteren sogenannten Haus- mitteln zählt das Lutschen von sauren Bonbons, sauren gefrorenen Früchten wie Ananas-, Zitronen-, oder Orangen - scheiben und das Kauen von Kaugummi, um den Speichelfluss anzuregen und die Mundhöhle feucht zu halten. Hier- bei sollte der Patient unbedingt darauf aufmerksam gemacht werden, dass säurehaltige Lebensmittel die Gefahr der Demineralisation und damit das Risiko sowohl von Erosionen als auch von Ka- ries erhöhen und diese weiterhin Verlet- zungen der Mundschleimhaut bedingen können (Van der Reijden et al. 1999). Speichelersatzmittel Zur symptomatischen Behandlung bei einer ausgeprägten Form der Hypo- salivation können neben den einfachen Hausmitteln auch eine große Reihe an Speichelersatzmitteln zum Einsatz gebracht werden (Meyer-Lueckel und Kielbassa 2002). Auch hier zielt die Behandlung auf die symptomatische Er- leichterung für Betroffene ab (Sreebny 1989). Die Aufgabe der Speichelersatz- mittel liegt darin, möglichst alle Funk - tionen des natürlichen Speichels adäquat zu erfüllen (Epstein und Beier 2015). So sollen die Produkte zu einer suffizienten Benetzung und Befeuchtung von Zäh- nen, Zahnersatz und Schleimhäuten der Mundhöhle beitragen. Ziele der thera- peutischen Anwendung von Speiche- lersatzmitteln sind die Erleichterung der Nahrungsaufnahme und Verbesserung der Sprache sowie die Vulnerabilität der meist sehr empfind lichen Schleimhäute. Das erste Speichelersatzmittel wurde 1972 aufgrund der mangelnden visko- elastischen Eigenschaft der bis dato verwendeten Mundspüllösungen ent- wickelt (Matzker und Schreiber 1972). Den Basisstoff der erstmals entwickelten Speichelersatzmittel stellte die Carboxy- methylcellulose (CMC) dar. Zusätzlich enthielten die Präparate Kalzium und Phosphat. Bis heute kamen weitere Speichelersatzstoffe hinzu, die unter anderem aus Natrium-Carboxymethyl- cellulose (Na-CMC), Carboxyethylcellu- lose (CEC), Hydroxyethylcellu lose (HEC), tierischem Muzin, Leinsamenöl, Sorbitol oder Polyethylenoxid (PEO) bestehen. Überdies unterscheiden sich die Speichel - ersatzmittel in den Inhaltsstoffen diver- ser anorganischer Zusätze, Enzymen, pH-Wert und der Viskosität (Meyer- Lueckel und Kielbassa 2002). Es gilt darauf zu achten, bezahnten Patienten aus Gründen der Prophylaxe von Demineralisationen der Zahnhart- substanzen möglichst pH-neutrale Speichelersatzmittel, die Fluoride ent- halten und mit Kalzium und Phosphat übersättigt sind, zu empfehlen. Da sich die Therapie mit Speichelersatzmitteln sehr individuell gestaltet, sollte dem Patienten nahe gelegt werden, ver- schiedene Produkte mit niedriger bis hoher Viskosität aus zuprobieren, um das für den Einzelnen am besten geeig- nete Produkt zu finden (Hahnel 2012). t k a t n o K Annkathrin Dohle, DH Abteilung für Parodontologie UKGM, Philipps-Universität Marburg Georg-Voigt-Straße 3, 35039 Marburg ann_do@gmx.de Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 17
GRUNDLAGEN © milanzeremski/Shutterstock.com Die korrekte Aufbereitung von Medizinprodukten stellt die gesamte zahnärztliche Praxis vor große Herausforderungen. Um diese regelkonform durchzuführen, müssen alle Mitarbeiter einer Praxis über ausreichende Sachkenntnis verfügen. Denn die Auf- bereitung fängt nicht erst im Aufbereitungsraum an. Marija Krauß [Infos zur Autorin] Hygienemanagement – Aufbereitung von Prophylaxe-Instrumenten Marija Krauß Jeder Prophylaxemitarbeiter dient allein schon durch seine Tätigkeit der Gesundheit, nämlich der Gesundheit im Mund. Die Prophylaxemaßnahmen sollen helfen, Krankheiten an den Zäh- nen und am gesamten Parodontium rechtzeitig zu erkennen und zu ver- hindern. Letztendlich verfolgen diese Maßnahmen den gleichen Zweck wie das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Hier heißt es im §1: „(1) Zweck des Gesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiter- verbreitung zu verhindern.“ Bei den Prophylaxemaßnahmen muss nun sichergestellt werden, dass alle dafür verwendeten Instrumente, sprich Medizinprodukte, regelkonform und ohne Gefahr einer Infektion sowohl für den Patienten als auch für die Praxis- mitarbeiter ihre Anwendung finden. Welche Medizinprodukte kommen nun in der Prophylaxesitzung beispiel- haft zur Anwendung und wie müssen diese aufbereitet werden? In der Regel werden folgende Medizinprodukte ver- wendet: – zahnärztliches Grundbesteck (Spiegel, Sonde, Pinzette) – PA-Sonde – Scaler – Universalküretten – Spezialküretten – Handstück für Ultraschallgerät oder Schallgerät – supra- und subgingivale Schall-/ Ultraschallspitzen – Aufsätze für Pulver-Wasser-Strahlgerät 18 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
GRUNDLAGEN – Polierbürsten – Polierkelche – Dappenbecher – grünes Winkelstück oder spezielles Polierwinkelstück – Hubwinkelstück – Polier-/Finierspitzen für das EVA-System – Einmalartikel (Microbrush, Watte- rollen, Schaumstoffpellet etc.) Risikobewertung Risikobewertung Nun ist es erforderlich, für alle ver- wendeten Medizinprodukte die ent- sprechende und Einteilung durchzuführen. Dazu heißt es in der KRINKO/BfArM 2016 un- ter Artikel 1.1: „Für die sachgerechte und angemessene Durchführung der Aufbereitung ist eine entsprechende Risikobewertung und Einstufung der aufzubereitenden Medizinprodukte durchzuführen und zu dokumentieren (QM; s. 1.2.1) [26].“ Weiter heißt es in der KRINKO/BfArM 2016 unter Artikel 1.2.1: „Für die korrekte Einstufung der Medizinprodukte, die Festlegung der Art und die Durchführung der Aufbe- reitung ist der Betreiber verantwort- lich. Die Angaben des Herstellers sind zu berücksichtigen (MPG, MPBetreibV; s. auch DIN EN ISO 17664). Es ist zweckmäßig, bei der Einstufung und Festlegung der Art der Aufbereitung im Hinblick auf die erforderliche Sach- kenntnis den für die Hygiene sowie den für die Aufbereitung un mittelbar Zuständigen einzubeziehen (QM).“ Es ist also nicht nur erforderlich, für die verwendeten Medizinprodukte eine Einstufung durchzuführen. Für alle ver- wendeten Medizinprodukte müssen auch die Herstellerangaben berück- sichtigt werden. Definition der Risikogruppen Grundsätzlich lassen sich drei Risiko- gruppen für Medizinprodukte unter- scheiden. Zu den unkritischen Medizin- produkten zählen alle Produkte, welche lediglich mit intakter Haut in Berührung kommen. Als semikritisch werden Medi- zinprodukte bezeichnet, welche mit der Schleimhaut oder krankhaft veränder- ter Haut in Berührung kommen. Kritisch eingestuft werden Medizinprodukte zur Anwendung von Blut, Blutprodukten oder anderen sterilen Arzneimitteln bzw. Medizinprodukten sowie Medi- zinprodukte, die bestimmungsgemäß die Haut oder Schleimhaut durchdrin- gen und dabei in Kontakt mit Blut bzw. an inneren Geweben oder Organen zur Anwendung kommen, einschließlich Wunden. Unterschieden wird in der Einteilung bei semikritisch und kritisch noch in Gruppe A (ohne besondere An- forderung an die Aufbereitung) und Gruppe B (mit erhöhter Anforderung an die Aufbereitung). Dies kann be- gründet sein durch technische und konstruktive Eigenschaften des Me- dizinproduktes wie Hohlräume, Ge- lenke, Riffen etc. Ist man sich bei der Bewertung und Einteilung des Medizinproduktes in die entsprechende Gruppe unsicher, empfiehlt die KRINKO/BfArM 2016 die nächsthöhere Gruppe zu wählen (Arti- kel 1.2.1). Ist nun die Einteilung erfolgt, ergibt sich daraus die Art der Aufbe- reitung der Medizinprodukte (Tab. 1). Diese muss immer unter Berücksichti- gung der Herstellerangaben erfolgen. Bei der Einteilung in semikritisch und kritisch muss genau überprüft werden, wie dieses Medizinprodukt angewandt wird. Hierzu folgendes Beispiel: zur Er- hebung des PSI Indizes wird die WHO- Sonde verwendet. Muss diese nun semi- Medizinprodukt Einteilung zahnärztliches Grundbesteck (Spiegel, Sonde, Pinzette) semikritisch A. ggf. kritisch A PA-Sonde Scaler Universalküretten Spezialküretten Handstück für Ultraschall- oder Schallgerät supragingivale Schall-/Ultraschallspitzen subgingivale Schall-/Ultraschallspitzen Aufsätze für Pulver-Wasser-Strahlgerät Polierbürsten Polierkelche Dappenbecher semikritisch A, ggf. kritisch A semikritisch A, ggf. kritisch A kritisch A kritisch A semikritisch B, ggf. kritisch B semikritisch B, ggf. kritisch B kritisch B semikritisch B, ggf. kritisch B nicht aufbereitbar, da Einmalartikel Einmalartikel je nach Produkt, ggf. aufbereitbar s. Herstellerangaben bei Glasdappenbecher grünes Winkelstück o. spez. Polierwinkelstück Hubwinkelstück semikritisch B semikritisch B Polier-/Finierspitzen für das EVA-System semikritisch A, ggf. B Einmalartikel (Microbrush, Watterollen, Schaumstoffpellet etc.) nicht aufbereitbar, da Einmalartikel Tab. 1: Einteilung der Medizinprodukte der Prophylaxebehandlung. Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 19
GRUNDLAGEN Medizinprodukt Unkritische MP Semikritische MP Gruppe A: Keine Hohlräume oder schwer zugängliche Teile vorhanden; ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung Gruppe B: Hohlräume oder schwer zugängliche Teile sind vorhanden; mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung Kritische MP Gruppe A: Keine Hohlräume oder schwer zugängliche Teile vorhanden; ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung Gruppe B: Hohlräume oder schwer zugängliche Teile sind vorhanden; mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung Gruppe C: Nicht relevant für die Zahnmedizin Tab. 2: Aufbereitungsprozesse. Aufbereitung – Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) oder manuelles Verfahren – RDG Reinigungs- und Desinfektionsprozess validiert – Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) Reinigungsprozess validiert und thermische Desinfektion im Autoklav validiertes Verfahren unverpackt – manuelles Verfahren und thermische Desinfektion im Autoklav validiertes Verfahren unverpackt – RDG Reinigungs- und Desinfektionsprozess auf entsprechenden Adaptern validiert – RDG Reinigungsprozess validiert auf entsprechenden Adaptern und thermische Desinfektion im Autoklav validiertes Verfahren unverpackt – manuelles Verfahren und thermische Desinfektion im Autoklav validiertes Verfahren unverpackt – Kombinationsgerät validiertes Verfahren – RDG Reinigungs- und Desinfektionsprozess validiert und Sterilisation im Autoklav verpackt validiertes Verfahren – RDG Reinigungs- und Desinfektionsprozess auf entsprechenden Adaptern validiert und Sterilisation im Autoklav verpackt validiertes Verfahren – Kombinationsgerät zur Reinigung und Desinfektion validiertes Verfahren und Sterilisation im Autoklav verpackt validiertes Verfahren kritisch oder kritisch eingestuft werden? Laut Definition des PSI wird die Sonde mit leichtem Druck in den Sulkus einge- führt, ohne das Gewebe zu durchste- chen. In der Definition für semikritisch einzustufende Medizinprodukte heißt es: Medizinprodukte, die mit Schleim- haut oder krankhaft veränderter Haut in Berührung kommen. Also ist die WHO- Sonde semikritisch einzustufen. Wird diese aber mit dem Ziel verwendet, Gewebe zu durchstechen, dann muss diese als kritisches Medizinprodukt eingestuft werden. Denn dort heißt es: Medizinprodukte zur Anwendung von Blut, Blutprodukten oder anderen sterilen Arzneimitteln/sterilen Medi- zinprodukten, und Medizinprodukte, die bestimmungsgemäß die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut, bzw. an inneren Geweben oder Organen zur Anwen- dung kommen, einschließlich Wunden. Hierbei ist vor allem zu beachten, ob das Medizinprodukt bestimmungsge- mäß Haut oder Schleimhaut durchdringt UND dabei mit Blut in Kontakt kommt. Aufbereitung der Medizinprodukte Vor der eigentlichen Reinigung, Desin- fektion und ggf. Sterilisation sollte bei starker Verschmutzung eine Vorrei- nigung erfolgen. Diese kann manuell oder unter Zuhilfenahme eines Ultra- schallgerätes erfolgen. Dabei ist darauf zu achten, dass es nicht zu einer Protein- fixierung kommt. Mit der Vorreinigung wird verhindert, dass es zur Verhärtung der Verschmutzung kommt. In Tabelle 2 werden die entsprechenden Aufberei- tungsprozesse veranschaulicht. Für alle Aufbereitungsprozesse (Tab. 2) sind immer die Herstellerangaben zu beachten. Alle Prozesse müssen in praxis individuellen Standardarbeitsan- weisungen festgehalten werden. Wer- den manuelle Verfahren angewandt, kann es erforderlich sein, zusätzlich in regelmäßigen Intervallen Restprotein- bestimmungen durchführen zu lassen. Daher ist maschinellen validierten Ver- fahren der Vorzug zu geben. Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Praxismitarbeiterin über umfassende Hygienesachkenntnisse verfügen sollte, um einen optimalen Beitrag zur Gesundheit des Patienten und für sich leisten zu können. t k a t n o K Marija Krauß Nördliches Feld 17 29358 Eicklingen Tel.: 05144 9723965 krauss@praedentis.de www.praedentis.de 20 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
GRUNDLAGEN N. Langhoff, LL.M. [Infos zum Autor] Literatur Eine Annäherung an Aspekte der Prophylaxe und Mundhygiene im Praxisalltag deckt vielfältige rechtliche Fragestellungen ab und ist unter vielen Blickwinkeln möglich. So kann eine haftungs- rechtliche Betrachtung von Prophylaxemaßnahmen je nach Be- handlungsstadium differieren oder sich je nach Kategorisierung als Behandlungsfehler oder Aufklärungsversäumnis unterschei- den. Rechtlich relevantes (Fehl-)Verhalten kann sich zudem aus verschiedensten Rechtsvorschriften ergeben (z. B. Zivil-, Wett- bewerbs- oder Berufsrecht). Der Beitrag will helfen, diese Vielfalt im Sinne eines ersten Überblicks zu systematisieren. Rechtsrahmen Prophylaxe und Mundhygiene – ein Update RA, FA MedR Norman Langhoff, LL.M. Der Patient ist grundsätzlich insbe- sondere sowohl über die spezifischen behandlungstypischen Risiken (Risi- koaufklärung vor der Behandlung) als auch die einzuhaltenden Verhal- tensmaßregeln zur Sicherung des Behandlungsziels bzw. -erfolgs (therapeutische Aufklärung meist nach der Behandlung) aufzuklä- ren. Die Differenzierung ist prozessual bedeut- sam, da die Risikoauf- klärung vom Arzt, die therapeutische Aufklä- rung jedoch vom Patienten zu beweisen ist. Dokumentiert werden sollten diese Maßnahmen in jedem Fall, denn nicht Dokumentiertes gilt, sofern es sich nicht um medizinisch Selbstverständliches handelt, rechtlich bis zum Beweis des Gegenteils als nicht erfolgt. Haftungsrechtliche Aspekte Prophylaxemotivation und - aufklärung als zahnärztlicher Behandlungsstandard Die Rechtsprechung ordnet die dem Patienten zu erteilenden Hinweise zur richtigen Zahnpflege der therapeuti- © valzan/Shutterstock.com schen Auf- klärung zu.1 Das OLG Stuttgart hat z.B. festgestellt, dass das erhöhte Karies- risiko bei der Behandlung mit einer festen Spange kein der Behandlung anhaftendes aufklärungspflichtiges Behandlungsrisiko darstelle, sondern die Aufklärung über die Notwendigkeit einer besonders sorgfältigen Zahnhy- giene dem Bereich der thera peutischen Sicherheitsaufklärung zuzuordnen sei.2 Ebenfalls im Kontext einer kieferortho- pädischen Behandlung hat das OLG Koblenz klargestellt, dass ein Zahnarzt in der Re- gel nicht verpflichtet sei, auf das Erfordernis regelmäßiger Mundhygiene hinzuweisen. Den insoweit in Betracht kommenden Sorgfaltspflichten sei je- denfalls durch Aushän digung entspre- chender Merkblätter genügt.3 Ähn- lich hat das OLG Düsseldorf für den Bereich der allgemeinzahnärztlichen Behandlung entschieden.4 Es könne „unterstellt werden, dass es im Einzel- fall Aufgabe des Zahnarztes sein kann, seinen Patienten über eine geeignete Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 21
GRUNDLAGEN Zahnpflege aufzuklären und dabei auch eine Änderung der Reinigungsgewohn- heiten anzusprechen“; dabei handele es sich begrifflich um thera peutische Aufklärung. Das Gericht bezog sich im Rahmen seines klage abweisenden Urteils dabei vor allem auf die in der Dokumentation mehrfach vermerkten Hinweise auf die mangelhafte Mund- hygiene. Ratschläge zur richtigen Zahnpflege sind vor allem im Zusammenhang mit prothetischen Behandlungen zu ertei- len. Wird im Rahmen der Planung die Extraktion eines Zahnes erwogen, so ist zu beachten, dass eine solche nur als letzte Behandlungsmöglichkeit in diziert ist, wenn konservative Behandlungs- alternativen zu keiner Besserung ge- führt haben5 bzw. aussichtslos erschei- nen oder gescheitert sind.6 Das OLG Hamm hat explizit zur prothe- tischen Versorgung eines Jugendlichen entschieden, dass eine Zahnextraktion nur indiziert ist, wenn der Zahn nicht erhaltungswürdig ist. Davon sei die Erhaltungswürdigkeit eines Zahnes zu unterscheiden. Werde die Erhal- tungswürdigkeit von erhaltungsfähi- gen Zähnen schon bei der ersten Be- handlung eines 16-jährigen Patienten ausgeschlossen, so entspreche dies nicht gutem zahnärzt lichen Standard. Es müsse vielmehr zuvor versucht wer- den, bei dem jugendlichen Patienten ein Verständnis für die Mund- und Zahn hygiene zu entwickeln.7 Wegen der insoweit nicht indizierten (weil verfrühten) Extraktion von acht Zäh- nen hat das OLG Hamm bereits im Jahr 2001 ein Schmerzensgeld von DM 30.000 zuge sprochen. Dentalhygienische Behandlung und Aufklärung Im Bereich dentalhygienischer Maßnah- men ist nach Bleaching-Behandlungen (gerade von bereits devitalen Zähnen) als Teil der therapiesichernden Auf- klärung auch der Hinweis erforderlich, dass behandelte Zähne in den Tagen nach dem „Bleaching“ operationsbe- dingt erheblich geschwächt und da- mit besonders anfällig für Brüche und sonstige Verletzungen sind. Allerdings kann ein etwaiger Schadensersatzan- spruch für einen aufgrund eines Be- lastungsbruches frakturierten Zahnes deshalb zu redu zieren sein oder sogar ganz ausscheiden – so für den Fall eines bereits nervtoten gebleachten Zahnes entschieden –, weil der Zahn ohnehin verloren gegangen wäre.8 Prophylaxe als Patientenpflicht Schließlich wird die Zahnhygiene oft- mals im prozessualen Kontext von Behandlerseite als Einrede eingesetzt. Dabei wird in der Regel gegen einen von Patientenseite erhobenen Schadens- ersatzanspruch geltend gemacht, den Patienten treffe aufgrund mangelhaf- ter Compliance, sprich unzureichender Zahnpflege, ein Mitverschulden. Dies erfolgt mit dem Ziel, einen etwaigen Anspruch des Patienten wenn schon nicht vollständig, so doch dem Umfang nach zu reduzieren. Da der Einwand des Mitverschuldens einen der Beklagtenseite vorteil- haften Umstand darstellt, sind die zugrunde liegenden Tatsachen vom Zahnarzt zu beweisen.9 Zulässige Beweismittel sind in diesem Zusam- menhang vor allem der Zeugen- und der Urkundenbeweis. Praktisch be- deutet dies, dass Prophylaxe- bzw. Pflege hinweise von ZE-Behandlungen jedenfalls sorgfältig dokumentiert werden sollten. Darüber hinaus kann die Frage der prinzipiellen Hygienisierbarkeit auch zum Gegen- stand sachverständiger Begutachtung gemacht werden. Wird diese als unzu- reichend beurteilt, kann sich eine Haf- tung unter dem Gesichtspunkt eines Planungsfehlers ergeben. im Rahmen Wer darf dentalhygienische sowie Prophylaxemaßnahmen erbringen? Dentalhygienische und Prophylaxe- maßnahmen, wie z. B. PZR mittels Air- flow und vor allem Bleaching, haben unstreitig auch eine kosmetische Kom- ponente. Es kann sich dann die Frage stellen, ob es sich bei diesen Maßnah- men um eine „Ausübung der Zahnheil- kunde“ nach §1 Zahnheil kundegesetz handelt – mit der Folge, dass diese nur von approbierten Zahnärzten oder un- Rechtsprechung ter deren Aufsicht (Delegation) vorge- nommen werden dürfen. Die Frage wurde in der erstinstanz- lichen zunächst verneint, sodass diese Maßnahmen auch in Kosmetikstudios angeboten werden konnten.10 Das OLG Frank- furt am Main hat im Jahr 2012 jedoch eine anderslautende erstinstanzliche Entscheidung des LG Frankfurt auf- gehoben und festgestellt, dass das Einfärben von Zähnen (Zahnblea- ching) sowie die Zahnreinigung mit einem Pulver-Wasser-Strahlgerät als Ausübung der Zahnheilkunde grund- sätzlich approbierten Zahnärzten vor- behalten ist und nicht selbstständig erbracht werden darf, wenn dies ohne Zusammenwirken mit einem Zahnarzt geschieht, der vor der Behandlung deren Risiken bei dem Patienten be- urteilt hat.11 Damit ist es jedoch, wor- auf das OLG Frankfurt hinweist, nicht ausgeschlossen, dass z.B. ein Patient zeitnah vor der Behandlung in einem Zahnkosmetikstudio eine zahnärztli- che Unbedenklichkeitsbescheinigung einholt und die Behandlung sodann dort durchgeführt wird. Hinzuweisen ist in diesem Zusammen- hang jedoch auf eine strafrechtliche Entscheidung des AG Nürtingen aus dem Jahr 2011, wonach eine gelernte Zahnmedizinische Fachassistentin mit zehnjäh riger Berufserfahrung, die neben ihrer Teilzeitbeschäftigung in einer Zahnarztpraxis im Umfang von 2,5 Wochentagen in einem von ihr betriebenen Zahnkosmetikstudio PZR im Airflow- Verfahren durchführte, wegen unerlaubter Ausübung der Zahnheilkunde zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.12 Insofern bleibt die Frage, ob die Strafbarkeit entfällt, wenn die Behandlungen unter Einbin- dung eines Zahnarztes vorgenommen werden. Nur am Rande sei schließlich erwähnt, dass es sich bei der Faltenuntersprit- zung mit Hyaluronsäure und/oder Botulinumtoxin („Botox“) um eine Ausübung der Heilkunde und nicht der Zahnheilkunde handelt13, mit der Folge, dass diese Maßnahmen weder von Zahnärzten noch von Kosmetikerinnen erbracht werden dürfen. 22 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
GRUNDLAGEN Delegation bei professioneller Zahnreinigung Die professionelle Zahnreinigung (PZR) als Prophylaxemaßnahme stellt grund- sätzlich eine Ausübung der Zahnheil- kunde dar; sie unterfällt daher dem Arztvorbehalt. Insbesondere folgende Prophylaxemaßnahmen können aber gemäß § 1 Abs. 5 ZHG als grundsätz- lich zahnärztliche Maßnahme an qua- lifiziertes nichtärztliches Personal dele- giert werden: – „Entfernung von weichen und har- ten sowie klinisch erreichbaren sub- gingivalen Belägen“ – „lokale Fluoridierung z. B. mit Lack oder Gel“ – „Versiegelung von kariesfreien Fis- suren“ Der Katalog nach § 1 Abs. 5 KHG ist nicht abschließend; wertungsmäßig gleichartige Tätigkeiten können gleich- falls delegiert werden.14 Hinsichtlich Delegationsadressat und Delegations- durchführung sind bestimmte rechtli- che Vorgaben zu beachten, anderen- falls drohen sowohl dem delegierenden Zahnarzt als dem Delegationsadressa- ten rechtliche Sanktionen. Delegationsadressat Die vorgenannten Tätigkeiten dürfen nur „an dafür qualifiziertes Prophy- laxe personal mit abgeschlossener Aus- bildung wie zahnmedizinische Fachhel- ferin, weitergebildete Zahnarzthelferin, Prophylaxehelferin oder Dentalhygieni- kerin“ delegiert werden. Der Zahnarzt hat die formelle Qualifikation zu prüfen. Freiberuflich tätiges nichtärztliches Pro- phylaxepersonal übt unzulässigerweise Zahnheilkunde aus, strafbar nach § 18 Nr. 1 ZHG mit Freiheitsstrafe bis zu ei- nem Jahr oder Geldstrafe. jeweils Delegationsdurchführung Der Zahnarzt hat die betreffende Maß- nahme individuell aufgrund fachlicher Weisung anzuordnen. Die Maßnahme muss unter seiner Auf- sicht erfolgen, d.h. der Zahnarzt muss während der Maßnahme in der Praxis anwesend sein und mindestens eine Endkontrolle vornehmen. Die Delega- tion erfordert demnach Weisungsrecht und Aufsicht. Die Durchführung dele- gierter Leistungen ist daher nur im An- stellungsverhältnis und nicht in freier Mitarbeit (etwa durch freiberufliche Dentalhygienikerinnen) möglich.15 An- derenfalls liegt insbesondere auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur persönli- chen Leistungserbringung vor. Die Folgen von Verstößen gegen die genannten Anforderungen können für den Zahnarzt empfindlich sein: Verlust des privatrechtlichen Vergütungsan- spruches (Privatpatienten), vertrags- zahnärztlicher Regress (Kassenpatien- ten), Gefährdung des Versicherungs- schutzes, sozialversicherungsrechtliche Nachforderungen aus scheinselbst- ständiger Tätigkeit des „Freiberuflers“, ggf. Strafbarkeit (Verletzung des Pri- vatgeheimnisses, Abrechnungsbetrug). Wettbewerbsrechtliche Aspekte Im Zuge zunehmenden Wettbewerbs- druckes sind gerade PZR und Bleaching-Behand lungen in der Ver- gangenheit verstärkt im Praxismarke- ting eingesetzt worden. Zwar ist das ärztliche Werberecht durch zuneh- mende Liberalisierungstendenzen ge- kennzeichnet.16 Insbesondere wenn mit Werbemaßnahmen Zahlungsflüsse an Dritte verbunden sind, ist wegen des Zuweisungsverbotes jedoch Vorsicht geboten. Verstöße können nicht nur berufs- und künftig auch strafrechtlich geahndet werden, sondern begrün- den zudem auch wettbewerbsrecht- liche Unter lassungs- und ggf. Scha- densersatzan sprüche. Rechtlich höchst bedenklich sind darüber hinaus mit der Ankün digung von Preisnachlässen einher gehende Werbemaßnahmen. Sachlichkeitsgebot Ein gänzliches Werbeverbot, wie es früher einmal bestand, ist verfassungs- widrig.17 Ärzte dürfen ihre Leistungen bewerben, sind dabei aber zur sach- lichen Darstellung verpflichtet. Das © Halfpoint/Shutterstock.com Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 23
GRUNDLAGEN nicht schließt emotional gefärbte Sympathiewerbung aus; es besteht keine Beschränkung auf nüch- terne Fakten wiedergabe. Eine konkrete gesetzliche Vorgabe, die das Krite- rium der Sachlichkeit defi- niert, besteht jedoch nicht. Umfangreiche Einzelfall- rechtsprechung ist die Folge. Berufswidrig weil unsachlich ist ins besondere anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung. Als berufs- widrig eingestuft worden sind z.B. Aussagen wie „Strahlend weiße Zähne – Bleachen! Hässliche Zähne? – Ve- neers! Schiefe Zähne? – Unsichtbare Klammer!“.18 Auch die Bewerbung als zeitlich beschränktes Angebot ist mit der beruflichen Integrität von Zahnärz- ten nicht vereinbar („Wir bieten des- halb in einer Sommeraktion bis Ende September kostenfreien bzw. preiswer- ten Zahnersatz an.“).19 Werbung und Preisgestaltung Die Vergütung zahnärztlicher Lei s- tungen ist für den Bereich privater Behand lungen abschließend in der GOZ (bzw. soweit anwendbar der GOÄ) geregelt. Vermeintlich werbewirksame Rabattierungen begründen daher ana- log den vorstehenden Ausführungen in aller Regel sowohl wettbewerbs- als auch berufsrechtlich relevante Rechts- verstöße. Die GOZ enthält zwingende Vorgaben für die Honorar ermittlung. Pauschal- honorare, u. a. für Zahnreinigungen20, sind unzulässig und können gleichzei- tig auch eine unsachliche Werbung darstellen.21 Dies hat jüngst das OLG Frankfurt/M. in Bezug auf den Erwerb von Gutscheinen auf einschlägigen Internetplattformen über kosmeti- sche Zahnreinigungen (pauschal EUR 29,90) und kosmetische Bleachings (Einzelpreis pauschal EUR 149,90) erneut festgestellt.22 Unzulässig sind ferner auf den Eigenanteil erteilte Gutscheine23 und über Treuekarten gewährte Preisnachlässe.24 Gleiches gilt für die Gewährung von „Mengen- rabatten“ durch Abgabe und Einlösung 24 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 nichtig und die hierauf be- ruhenden Zahlungen nach derzeitigem Stand keine unzulässigen Zuweisungs- entgelte (Achtung: Die dem Konzept innewoh- nenden Verstöße gegen die GOZ – s. o. – bleiben aber bestehen!). Mit Wirkung vom 4. Juni 2016 ist das „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“ in Kraft getreten. Gemäß § 299a Nr. 3 StGB wird das bereits wettbewerbs-, berufs- und vertragsarztrechtlich sank- tionierte Zuweisungsverbot nun auch strafrechtlich pönalisiert. Danach gilt: Wer z.B. als Zahnarzt „im Zusammen- hang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er […] 3. bei der Zuführung von Patien- ten […] einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Erste gericht- liche Entscheidungen zur praktischen Umsetzung der Vorschrift fehlen zwar noch. Bei den Staatsanwaltschaften steht das neu ergänzte Medizinwirt- schaftsstrafrecht durchaus bereits im Fokus30, sodass ein bloßes Abwarten keine gute Handlungsop- tion darstellen dürfte. Bei geplanten Werbemaßnahmen sollten daher nun insbesondere auch etwaige zusätzliche strafrechtliche Risiken vorab geprüft werden. jedoch t k a t n o K Norman Langhoff, LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Roever Broenner Susat Mazars Alt-Moabit 2 10557 Berlin norman.langhoff@mazars.de www.mazars.de n tin T/S h utterstock.com a l e © V von „Partnergutscheinen“ bei Vorlage durch zwei Personen für PZR (dann je- weils EUR 69,90) und Zahnbleaching (jeweils EUR 250,00 EUR statt EUR 350,00).25 Grundsätzlich unzulässig ist zudem die kostenlose oder nahezu kostenlose Leistungser bringung (z. B. komplette PZR für EUR 0,99).26 An- deres kann gelten, wenn Preisnach- lässe in öffentlich-rechtlichem Kontext erfolgen. So hat das Kammergericht eine Ausnahme für das Angebot einer kostenlosen Fissuren versiegelung für Kinder im Zusammenhang mit einer von einer Krankenkasse getragenen und auf vier Monate befristeten Aktion („Monate der Zahngesundheit“) zuge- lassen.27 Werbung und Patientenzuweisung Vor allem die Bewerbung bzw. Verstei- gerung von Zahnreinigungen und Ble- aching-Leistungen auf entsprechenden Internetplattformen war in jüngerer Zeit Gegenstand prominenter Entschei- dungen. Dem liegt u. a. ein Geschäfts- konzept zugrunde, wonach der Zahn- arzt einen großen Teil seiner Vergütung an den Portalbetreiber ab zuführen hat. Die Auffassungen des Kammergerichts Berlin und des LG Köln, die hierin ei- nen Verstoß gegen das berufsrechtliche Verbot, für die Zuweisung und Vermitt- lung von Patienten ein Entgelt zu for- dern oder selbst zu versprechen oder zu gewähren, sahen28, hat der BGH zwischenzeitlich – kritisch kommentiert – nicht bestätigt.29 Die betreffenden Kooperationsverträge sind daher nicht
Grundlagen Prophylaxe Parodontologie/Periimplantitis Marktübersichten Prophylaxemarkt Kariesdiagnostik-Geräte Parodontitis- und Periimplantitistest Elektrische Zahnbürsten Mundduschen Kombinationsgeräte Pulver-Wasserstrahl/Ultraschall Anbieter von A bis Z
PROPHYLAXE In meinem folgenden Patientenbericht möchte ich den Ablauf, die Durchführung sowie das dazugehörige Zeitmanagement einer perfekt strukturierten Prophylaxesitzung darstellen. Zu- sätzlich werden hilfreiche Tipps und Tricks zur Umsetzung im Praxisalltag aufgezeigt. Sabrina Dogan [Infos zur Autorin] Die perfekte Prophylaxesitzung in 60 bis 70 Minuten Sabrina Dogan Die 50-jährige Patientin stellte sich mit generalisierten Rezessionen von 3–5 mm und damit einhergehenden überempfindlichen Zahnflächen zur Prophylaxesitzung vor. In der Prophy- laxebehandlung finden unter an- derem Produkte der DMG Flairesse Prophylaxe serie Anwendung. Überblick der Zeitphasen 1. Arbeitsplatzvorbereitung (5 Minuten) Eine gute Vorbereitung des Arbeits platzes spart während der Durchführung der Pro- phylaxebehandlung Zeit, minimiert die nötig werdenden Greifwege und sichert eine hygienisch einwandfreie Umset- zung. Daher ist es ratsam, verschiedene Grundinstrumente oder Basisprodukte vorab gezielt auf die folgende Behand- lungsmaßnahme abzustimmen. 2. Patient „abholen“ (5 Minuten) Nach einem kurzen Einführungsgespräch, in welchem das Prophylaxe personal gezielt auf die Wünsche sowie Rückfra- gen der Patientin eingehen kann, folgt der Check-up des Anamnesebogens. Danach kann mit der Durchführung der Individualprophylaxe begonnen werden. 3. Inspektion der Mundhöhle, Kontrolle der Weichgewebe und Kontrolle des Mundhygienestatus (10–15 Minuten) Vor der intraoralen Kontrolle, sollte die Patientin für ca. 60 Sekunden mit ei- ner 0,2%igen Chlorhexidinlösung um - spülen, dies minimiert die Gesamtkeim- zahl im Mund und dient somit dem Ei- genschutz, sowie dem Selbstschutz des Prophylaxepersonals. Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 1: Die Ausgangssituation. – Abb. 2 und 3: Anfärben der Zähne. – Abb. 4: Der Plaque-Index. 26 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
PROPHYLAXE Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 5: Die Vorpolitur. – Abb. 6: Die Vorpolitur mit Minibrush. – Abb. 7 und 8: Feinpolitur und Abschlusssituation mit dem Reinigungsergebnis. – Abb. 9 und 10: Die Intensivfluoridierung. Inspektion der Nach einer kurzen Mundhöhle folgt die Kontrolle der Weich gewebe. Hierbei sollten unter anderem die Zungenoberfläche/-unter- seite, der Mundboden, der Gaumen, die Umschlagfalte, die Wangeninnen- flächen und die Lippen genauer be- urteilt werden (Abb. 1). Dann kann mit der Erhebung des Mundhygienestatus begonnen wer- den, dieser besteht aus Blutungs- und Plaque-Index. Es ist sinnvoll, den Blutungs-Index vor dem Plaque-Index durchzuführen und zu erheben, da die positiven Blutungspunkte vor dem Anfärben der Zähne leichter zu er- kennen sind als danach. Das Anfärben der Zähne kann mittels Mira-2-Ton und einem Q-Tip umgesetzt werden (Abb. 2 und 3). Es ist ratsam, sich im Prophylaxeteam auf die Durchführung und Dokumen- tation eines bestimmten Index zu beschränken, um eine bessere Repro- duzierbarkeit gewährleisten zu kön- nen. Nach dem Auswerten der Indizes (Abb. 4) sollten die Befunde kurz mit der Patientin besprochen werden. Eine intraorale Kamera oder ein Handspiegel mit Vergößerungseffekt können hierbei unterstützen und behilflich sein. 4. Durchführung der professionellen Zahnreinigung und Politurmaß- nahmen (Vor- und Feinpolitur) (30 Minuten) Mittels maschineller sowie manueller Instrumente werden alle supragingiva- len, harten und weichen Zahnbeläge entfernt. In diesem Patientenfall folgt bezüglich der freiliegenden Zahnflä- chen eine Vorpolitur mit einer weichen Prophylaxebürste und der feinkörnigen DMG Flairesse Prophylaxepaste mit Minzaroma, um leichte extrinsische Zahnverfärbungen schonend entfernen zu können (Abb. 5). Schachtelstellun- gen und schwer erreichbare Areale werden mit einer Soft-Minibrush und selbiger Paste nachbearbeitet (Abb. 6). Danach führe ich eine Feinpolitur durch. Hierzu verwende ich einen feinen Prophylaxekelch und die fein- körnige Prophylaxepaste mit Melonen- geschmack (Abb. 7). Das fruchtig- frische Aroma punktet bei allen Alters klassen. Die Paste lässt sich sehr gut verarbeiten, sie spritzt und klebt nicht an den Weich geweben. Die Pro- phylaxepaste fördert trotz des vorhan- Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 27
PROPHYLAXE QM-Checkliste Vorbereitung des Arbeitsplatzes, Basis-Set  Bestücken der Behandlungseinheit: zwei Luft- und Wasserdüsen, grünes Winkelstück, maschinelle Instrumente, z. B. Schall-/Ultra schallgerät, Airflow/Pulver in diversen Geschmacksrichtungen oder für supra- und subgingival  Absaugkanülen (groß/klein)  Mundspülbecher, Papiertaschentuch, Patientenumhang  Arbeitstray (zwei Mundspiegel klein, eine zahnärztliche Tastsonde, ein Paro- dontometer oder eine PSI-Sonde, eine zahnärztliche Pinzette, eine anatomische Pinzette, manuelle Instrumente/Scaler/Küretten [nach Vorlieben])  Wattepellets, Watterollen, Q-Tip, Plaque färbelösung im Dappenglas, Watterolle mit Vaseline  Handspiegel mit Vergrößerungseffekt m o c . k c o t s r e t t u h S / d i r p o C © Elektrische Zahnbürste: Hersteller/ Modell erfragen, Soft-Aufsteckbürste, Demo am Modell und in der Mundhöhle (wenn elektrische Zahnbürste anbei) II. Zahnpasta Sensitivzahnpasta III. Interdentalraumpflege Zahnzwischenraumbürsten anpassen (maximal zwei Größen), Demo mittels Handspiegel und unter Anleitung, Pa- tientin „üben lassen“, Motivation nicht vergessen. Nach der Motivation und Instruktion kann ein PSI oder ein Sondier status erhoben werden. Zum Abschluss der Behandlung folgt eine Intensivfluo ri- dierung der freiliegenden Zahnhalsbe- reiche mittels DMG Flairesse Fluorid- lack (Abb. 9 und 10). 6. Nachrüsten des Arbeitsplatzes (5 Minuten) Der Arbeitsplatz wird gesäubert, gerei- nigt und nachgerüstet.  Mundhygienehilfsmittel (Demomodell, Handzahnbürste, elektrische Zahnbürsten, Zahnpasta/Mundspüllösungen, Zahnseide/Flosser, Interdentalbürsten …) Fazit  Politurmaterialien (Politurkelch, Prophy laxe bürstchen, je nach Einsatzgebiet grob und fein)  Politurpaste (grob, mittel, fein – in diversen Geschmacksrichtungen wählbar)  Anmischblock/Glasplatte  Becher im Haltersystem, zum Entsorgen der benutzten Materialien  Fluorid/CHX-Präparate  Merkblätter, Aufklärungsmaterialien, Dokumentationsunterlagen, Give-aways … denen Frucht aromas nicht zusätzlich den Speichelfluss. Es ist eine leichte, angenehme Durchführung der Politur- maßnahme möglich. Zervi kalbereiche werden optimal gereinigt und erreicht, ohne dass die Patientin empfind liche Areale im Mund als unangenehm wahrnehmen kann (Abb. 8). Basics beschränken sollte. Optimal ist es, wenn die häuslich bereits vorhan- denen Putzutensilien zu jeder Prophy- laxesitzung mit in die Zahnarztpraxis gebracht werden. Dies ermöglicht dem Fachpersonal eine einfache und zweck- gemäße Beratung oder auch Umstruk- turierung. Das Durchführen einer perfekten Pro- phylaxesitzung ist unter Berücksich- tigung bestimmter Arbeitsabläufe, gekonnter Umsetzung theoretischer Fachkenntnisse in den praktischen Behandlungsphasen sowie Erkennen des derzeit vorliegenden Mundgesund- heitszustandes inklusive der dazuge- hörigen Dokumentation der intra oralen Befunde einfach umsetzbar. Unter Berücksichtigung des Haupt- anliegens unserer Patientin führen wir individuelle Behandlungsmaß nahmen durch, welche durchaus positiv in Erin- nerung bleiben. Dies schafft Vertrauen und fördert zusätzlich auch die Patien- tenbindung. 5. Mundhygieneinstruktion und Zum Beispiel: Motivation, PSI/Messstatus, Lokal- fluoridierung/CHX-Anwendung (10–15 Minuten) Es folgt die Mundhygieneinstruktion, bei welcher man sich, um die Patientin nicht zu überfordern, auf maximal drei I. Zahnbürste Handzahnbürste: manuell, weich/soft, mit rezessionsorientierter Putztechnik und Demo am Modell sowie in der Mundhöhle t k a t n o K Sabrina Dogan Dentalhygienikerin und Praxismanagerin Praxis für Zahnheilkunde Dr. W. Hoffmann und Dr. K. Glinz Sinsheimer Straße 1 69256 Mauer Tel.: 06226 1200 28 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
PROPHYLAXE Dr. Julia Blank [Infos zur Autorin] Literatur Dentale Plaque ist ein wichtiger ätiologischer Faktor für die Ent- stehung der häufigsten Erkrankungen in der Mundhöhle. Sie spielt in der Pathogenese von Karies, Gingivitis und konsekutiv auch Parodontitis eine entscheidende Rolle (Axelsson und Lindhe 1978). Die Entfernung der dentalen Plaque ist daher der wich- tigste Faktor in der Prophylaxe der genannten Erkrankungen und trägt so maßgeblich zum Erhalt der Mund gesundheit bei. Eine entscheidende Rolle spielen hier auch die Interdentalraumreini- gungsmethoden. Folgender Artikel gibt eine Übersicht über gän- gige Hilfsmittel zur Interdentalraumhygiene. Zahnzwischenraumreinigung – eine Übersicht Dr. med. dent. Julia Blank, Dr. med. dent. Silke Hornstein, Prof. Dr. med. dent. Georg Gaßmann Trotz stetiger Fortschritte durch den Einsatz oraler Chemotherapeutika bleibt die mechanische Zahnreinigung die Methode der Wahl in der supra- gingivalen Plaquekontrolle (Berchier et al. 2008). Dabei kommen in erster Linie Zahnbürsten zum Einsatz: Über 90 Prozent der deutschen Erwachsenen putzen ihre Zähne mindestens einmal täglich mit manuellen oder elektrischen Zahnbürsten (Staehle 2004). Jedoch konnten Studien zeigen, dass durch das alleinige Zähneputzen die Plaqueent- fernung nur unzureichend gelingt (De la Rosa et al. 1979). Während die ves- tibulären und oralen Glattflächen der Zähne mit der Zahnbürste meist gut zu reinigen sind, bleibt die interdentale Region weitgehend unberührt. Da ge- rade diese Bereiche der Mundhöhle ver- stärkt von Karies und gingivalen bzw. parodontalen Entzündungen betroffen sind (Claydon 2008), ist die Anwen- dung von Interdentalraumreinigungs- methoden als Ergänzung zum Zähne- putzen erforderlich. Ein geeignetes Abb. 1: Verschiedene Zahnseiden, von links: ungewachste Zahnseide (elmex®), gewachstes Zahn - seide- Tape (Zantomed®), bauschige Zahnseide (Oral-B®), Superfloss (meridol®). Verfahren sollte dabei im Wesentlichen die folgenden Anforderungen erfüllen: – Effektivität in der Plaqueentfernung – Benutzerfreundlichkeit – keine Schädigung von Hart- und Weichgewebe Es existieren derzeit zahlreiche Hilfs- mittel zur Reinigung der Zahnzwi- schenräume, die o. g. Anforderungen in unterschiedlichem Maße erfüllen. Nachfolgend soll eine Übersicht über die Effektivität sowie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Interden- alraumreinigungsmethoden gegeben werden, um dem Behandlungsteam die Auswahl des individuell geeigneten Hilfsmittels zu erleichtern. Zahnseide Das geläufigste Mittel zur Reinigung der Zahnzwischenräume ist die Zahnseide. Sie wird häufig von zahnmedizinischem Personal empfohlen und nach eigenen Angaben von immerhin 14 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutsch- land angewendet (Handrick 2001). Heute werden Zahnseiden meist aus Nylonfäden hergestellt, sie können zu- Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 29
PROPHYLAXE gleichmäßig über die Mittelfinger bei- der Hände gewickelt, Daumen und Zei- gefinger halten einen ca. 2 cm langen Abschnitt gespannt. Der gespannte An- teil wird vorsichtig über den Kontakt- punkt gezogen und entlang der mesia- len bzw. distalen Approximalflächen bis in den Sulkus geführt. Nach koronalem oder interdentalem Herausziehen wird das gebrauchte Stück Zahnseide auf einen Mittelfinger aufgerollt und vom anderen Mittelfinger ein neues Stück freigegeben (Abb. 2). Für Personen, denen das Fädeln zu aufwendig ist, gibt es Zahnseidehalte- rungen (sogenannte Zahnseide-Sticks). Die Halter erleichtern zwar die Anwen- dung, jedoch legt sich die Zahnseide so nicht optimal an der Kontur des Zahnes an. Eine Sonderform der Zahnseide ist das sogenannte Superfloss (Abb. 1). Es besitzt versteifte Enden, die ein Ein- fädeln unterhalb des Kontaktpunktes er möglichen. Ein bauschiges Mittel- stück bewirkt eine gute Plaqueentfer- nung. Superfloss findet Anwendung bei der Reinigung von erweiterten Inter- dentalräumen sowie insbesondere von fest sitzendem Zahnersatz ( Brücken, verblockte Kronen). Die Wahl der Zahnseide sollte von der Beschaffenheit des zu reinigenden In- terdentalraums sowie von der Geschick- lichkeit und den individuellen Vorlieben des Benutzers abhängen. Die generelle Überlegenheit einer bestimmten Zahn- Abb. 2: Wickeltechnik zur Verwendung von Zahnseide. sätzlich mit Fluoriden oder Geschmacks- zusätzen benetzt sein. Zahnseiden sind in unterschiedlichen Breiten verfügbar, neben den konventionellen fadenför- migen Produkten gibt es auch breitere, bandförmige Zahnseiden (sogenannte Zahntapes), welche sich flächig an den Zahn anlegen lassen (Abb. 1). Man unterscheidet gewachste und ungewachste Zahnseiden, darüber hi- naus gibt es Produkte mit speziellen Beschichtungen aus Kunststoff oder Teflon. Ungewachste Zahnseide be- steht aus feinen Einzelfasern, die mitei- nander verflochten sind. Während der Anwendung im Approximalraum kann die Plaque zwischen den einzelnen Fasern festgehalten und so entfernt werden. Ungewachste Zahnseide hat einen geringen Durchmesser und kann daher auch bei engen Kontaktpunkten eingesetzt werden. Jedoch ist sie we- nig reißfest und fädelt sich schnell an Rauig keiten auf. Die gewachste Zahnseide lässt sich durch die zusätzliche Beschichtung leichter einführen und fädelt sich nicht so schnell auf. Dafür ist ihr Querschnitt etwas dicker als bei der ungewachsten Zahnseide, was ihren Einsatz in sehr engen Approximalräumen limitiert. Zu- dem ist eine gewisse Verletzungs gefahr des gingivalen Sulkus durch gewachste Zahnseide gegeben. In Bezug auf ihre klinische Effektivität unterscheiden sich gewachste und un- gewachste Zahnseiden nicht (Finkel- stein und Grossmann 1979), wichtiger ist daher die korrekte Anwendung. Diese fordert vom Benutzer ein ge- wisses Geschick: Zur Reinigung aller Interdentalräume eines vollbezahnten Gebisses ist ein ca. 50 cm langes Stück Zahnseide erforderlich. Es wird un- Abb. 3 Abb. 4 Abb. 3: Interdentalbürsten mit konischer, zylindrischer (Sunstar®) und dreieckiger (elmex®) Konfiguration (v. l.). – Abb. 4: Metallfreie Interdentalbürste (Fuchs®). 30 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
PROPHYLAXE ßige professionelle Anwendung von Zahnseide zumindest bei Kindern mit geringer Fluorid exposition nachgewie- sen werden (Hujoel et al. 2006). Berchier et al. folgern in ihrer Literatur- übersicht, dass es für eine routinemäßige Empfehlung von Zahnseide aufgrund der derzeitigen Studienlage keine Evi- denz gibt (Berchier et al. 2008). Interdentalraumbürsten Besonders in breiten Approximalräu- men oder im Bereich von Wurzelein- ziehungen und Furkationen ist die Plaque entfernung mit Zahnseide nicht mehr zielführend, sodass hier andere Rei nigungsmethoden eingesetzt wer- den müssen. Gut geeignet sind Inter- dentalraumbürsten. Sie bestehen meist aus einem (kunststoffummantelten) Metalldraht, von dem konisch, zylin- drisch oder neuerdings auch dreieckig angeordnete Reinigungsborsten abge- hen (Abb. 3). Die Bürsten sind in unter- schiedlichen Durchmessern verfügbar ANZEIGE © hightowernrw/Shutterstock.com seide-Variante konnte nicht festgestellt werden (Berchier et al. 2008). Insgesamt ist die Evidenz zur Effekti- vität der Zahnzwischenraumreinigung mit Zahnseide relativ gering. Während einzelne Studien eine geringfügige Re- duktion des Plaqueniveaus durch die ergänzende Anwendung von Zahnseide fanden (Kiger et al. 1991, Jared et al. 2005, Hague et al. 2007), konnte eine Verringerung der gingivalen Entzün- dung in keiner Untersuchung festge- stellt werden (Vogel et al. 1975, Schiff et al. 2006, Zimmer et al. 2006). In Bezug auf die Kariesprophylaxe konnte ein positiver Effekt durch die regelmä- ABOSERVICE Journalreihe BESTELLUNG AUCH ONLINE MÖGLICH 16. Jahrgang | € 10,00 zzgl. MwSt. | ISSN 1611-0870 | PVSt. F 50117 Zeitschrift für moderne Endodontie 21. Jahrgang | € 10,00 zzgl. MwSt. | ISSN 1435-6139 | PVSt. F 42816 Zeitschrift für Implantologie, Parodontologie und Prothetik 17. Jahrgang | € 10,00 zzgl. MwSt. | ISSN 1617-7843 | PVSt. F 54707 Zeitschrift des Berufsverbandes Deutscher Oralchirurgen 3. Jahrgang | € 10,00 zzgl. MwSt. | ISSN 2364-1401 | PVSt. F 47867 Zeitschrift für Parodontologie und präventive Zahnheilkunde ENDODONTIE Journal IMPLANTOLOGIE Journal 4 2017 ORALCHIRURGIE Journal 1 2017 PROPHYLAXE Journal 2 2017 1 2017 Fachbeitrag Tief zerstörte Zähne erhalten Seite 14 Anwenderbericht Rekonstruktionsoption für frakturierte endodontisch behandelte Zähne Seite 22 Endodontiemarkt Ruhiger, tiefer, kleiner – Endodontie auf der 37. Internationalen Dental-Schau Seite 30 Events 6. Jahrestagung der DGET in Frankfurt am Main Seite 44 Fachbeitrag | Chirurgie Externer Sinuslift mittels allogenem Kortikalisgranulat Seite 6 CME | DGZI Peer-reviewed Chirurgischer Mehrwert von Guided Surgery Seite 28 DGZI intern Jahrestreffen der Academy of Osseointegration in Orlando Seite 32 Markt | Interview Was bringt Guided Surgery? Seite 54 Fachbeitrag Kombinierte kieferorthopädisch- kieferchirurgische Therapie Seite 6 Anwenderbericht Vollvernetzter digitaler Workflow in der Implantattherapie Seite 22 Interview Die große Freiheit Seite 30 BDO | Events 33. Jahrestagung des Berufs verbandes Deutscher Oralchirurgen Seite 38 Fachbeitrag Die Weiterentwicklung der minimal invasiven plastischen parodontalen Chirurgie Seite 6 CME | Hypomineralisation Diagnostik und therapeutische Konsequenzen der Molaren-Inzisiven- Hypomineralisation – Teil 2 Seite 18 Events Prävention und Mundgesundheit im Mai in Berlin Seite 44 i n k l . C M E - W e b i n a r C M E - A r t i k e l i n k l u s i v e C M E - A r t i k e l www.oemus.com/abo Interdisziplinär und nah am Markt Fax an 0341 48474-290 Ja, ich möchte die Informationsvorteile nutzen und sichere mir die folgenden Journale bequem im günstigen Abonnement:  Endodontie Journal  Implantologie Journal  Prophylaxe Journal  Oralchirurgie Journal 4 x jährlich 44,– Euro* 10 x jährlich 99,– Euro* 6 x jährlich 66,– Euro* 4 x jährlich 44,– Euro* Widerrufsbelehrung: Den Auftrag kann ich ohne Begründung innerhalb von 14 Tagen ab Bestellung bei der OEMUS MEDIA AG, Holbeinstraße 29, 04229 Leipzig schriftlich widerrufen. Rechtzeitige Absendung genügt. Das Abonnement verlängert sich automatisch um 1 Jahr, wenn es nicht fristgemäß spätestens 6 Wochen vor Ablauf des Bezugszeitraumes schriftlich gekündigt wird. * Alle Preise verstehen sich inkl. MwSt. und Versandkosten (Preise für Ausland auf Anfrage). Name / Vorname Telefon / E-Mail Unterschrift Praxisstempel 7 1 0 2 H M P B J O EM U S M E D I A AG Holbeinstraße 29 · 04229 Leipzig · Tel.: 0341 48474-201 · grasse@oemus-media.de
PROPHYLAXE (Jared et al. 2005, Jackson et al. 2006, Rösing et al. 2006). Zur Reduktion des Kariesrisikos durch die Anwendung von Interdentalraumbürsten liegen keine Studien ergebnisse vor. Hier kann ledig - lich von der verminderten Plaqueakku- mulation auf eine Risikosenkung ge- schlossen werden. Zahnhölzer Auch wenn die Überlegenheit von Interdentalraumbürsten bei der Reini- gung der Zahnzwischenräume nachge- wiesen wurde, haben andere Verfahren ihre indikationsabhängige Daseinsbe- rechtigung. Bei geringfügig erweiterten Approximalräumen und suboptimalen Anwendungsbedingungen (z. B. einge- schränkte manuelle Geschicklichkeit, fehlender Spiegel) sowie insbesondere zur Zahnpflege unterwegs eignen sich Zahnhölzer. Sie bestehen aus Weichholz (oder – entgegen der Namensgebung – inzwischen auch aus Kunststoff), ha- ben einen dreieckigen Querschnitt und laufen nach vorne spitz zu. Häufig sind sie zur Kariesprophylaxe mit Fluorid be- schichtet (Abb. 6). Ihre Anwendung ist vergleichsweise un- kompliziert: Die Hölzer werden mit der Basis zur Papille in den Approximalraum geschoben und dort mehrmals hin und her bewegt. Nach der Reinigung von zwei bis drei Zwischenräumen sollte ein neues Zahnholz verwendet werden. Bezüglich der Effektivität von Zahnhöl- zern konnte in Studien keine Verbes- serung des Plaqueniveaus festgestellt werden. Zahnhölzer bewirken als ad- juvante Maßnahme zum Zähneputzen keine zusätzliche Plaquereduktion (Bassiouny und Grant 1981, Finkelstein und Grossman 1984) und sind anderen Verfahren zur Interdentalraumhygiene in dieser Hinsicht unterlegen (Bergen- holz und Brithon 1980, Gjermo und Flötra 1970). Jedoch konnten zahlrei- che Autoren eine Reduktion der gingi- valen Blutungsneigung durch die An- wendung von Zahnhölzern feststellen (Wolffe 1976, Bouswsma et al. 1988, Caton et al. 1993). In ihrem Über- sichtsartikel führten Hoenderdos et al. (2008) dieses paradox erscheinende Ergebnis einer reduzierten gingivalen Abb. 5: Wingbrush mit verschiedenen Aufsätzen (LUORO®). erleichtert. Ein kegelförmig gestalteter Fühler am Kopfende ermöglicht ein op- timales Gleiten in den Interdentalraum. Erst nach korrekter Platzierung wird durch Aktivierung des pinzettenartigen Handgriffs das Borstenfeld zwischen die Zähne geschoben. Die Gefahr einer Verletzung der Gingiva durch den Me- talldraht beim Aufsuchen des Approxi- malraums kann so minimiert werden (Abb. 5). Unabhängig von der Art der gewähl- ten Zahnzwischenraumbürste konnte in Studien die Effektivität dieses Reinigungsverfahrens nachgewiesen werden (Slot et al. 2008). Interden- talbürsten entfernen signifikant mehr Plaque als Zähneputzen alleine und sind in ihrer Reinigungsfähigkeit und der Reduktion gingivaler und parodon- taler Entzündungszeichen anderen In- terdentalhygienemethoden überlegen Abb. 6: Zahnhölzer mit Minzgeschmack (elmex®). und können so dem Interdentalraum optimal angepasst werden. Dabei sollte die Größe so gewählt werden, dass die Bürste mit leichtem Widerstand in den Approximalraum eingebracht wer- den kann und diesen mit den Borsten ausfüllt. Neben der Wahl der richtigen Größe für jeden Zahnzwischenraum ist es wichtig, den Patienten zu instruie- ren, die Bürste alle zwei Wochen aus- zutauschen. Als Ergänzung zu den beschriebenen konventionellen Bürstendesigns sind seit einiger Zeit auch metallfreie In- terdentalraumbürsten erhältlich, bei denen die weichen gummiartigen Borsten um einen flexiblen Kunststoff- kern angeordnet sind (Abb. 4). Dieses Bürstendesign zeigte sich im Hinblick auf Handhab barkeit und Patientenak- zeptanz den konventionellen Interden- talraumbürsten überlegen (Abouassi et al. 2014). Die Reinigung der Zahnzwischenräume gelingt mit Interdentalbürsten meist ein- facher als mit Zahnseiden. Die Bürsten können auf Haltern befestigt und von vestibulär oder oral in den Approximal- raum geschoben werden. Die Plaque- entfernung erfolgt durch mehrmaliges Vor- und Zurückschieben. Vor der An- wendung im nächsten Zahnzwischen- raum sollte das Bürstchen mit Wasser abgespült werden. Gerade im posteri- oren Bereich sind die Inter dentalräume jedoch nicht immer leicht erreichbar (Galgut 1991), weshalb jüngst eine Reinigungsbürste entwickelt wurde, die das Auffinden der Zahnzwischenräume 32 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
Blutungsneigung bei gleichbleiben- dem Plaqueniveau auf eine mögliche klinisch unbemerkte subgingivale Rei- nigungswirkung der Zahnhölzer durch Verdrängen des Zahnfleisches zurück (Hoenderdos et al. 2008). Mundduschen Zunehmende Beachtung bei der Inter- dentalraumhygiene finden in letzter Zeit auch Mundduschen. Die Geräte wurden zunächst nur zur Entfernung lose anhaftender Speisereste insbe- sondere bei kieferorthopädisch be- handelten oder intermaxillär fixierten Patienten empfohlen. Darüber hinaus kann die Munddusche jedoch auch für Personen, die oben beschriebene Hilfs- mittel nicht anwenden können oder wollen, als Alternative zur Zahnzwi- schenraumhygiene geeignet sein. Die Reinigung erfolgt bei Mund duschen mit einem Flüssigkeitsstrahl, der unter (stufenweise einstellbarem) Druck auf die Zahnoberfläche appliziert wird. Bei den meisten Geräten schwingt der Flüs- sigkeitsstrahl zusätzlich mit einer varia- blen Frequenz. Es existieren Munddu- schen, die direkt an die Wasserzufuhr angeschlossen werden, sowie solche mit einem separaten Flüssigkeitsbe- hälter, in den neben Wasser auch an- tibakterielle Spüllösungen eingebracht werden können. Der Flüssigkeitsstrahl kann über verschiedene Aufsätze in seiner Stärke und Funktionsweise mo- difiziert werden. Beim Einsatz einer Munddusche ist darauf zu achten, dass der Flüssigkeits- strahl horizontal in den Interdental- raum geführt wird, wobei ein direktes Auftreffen auf den Zahnfleischrand vermieden werden sollte. Wie bei den Zahnhölzern kamen Studien auch bei der Beurteilung von Munddu- schen im Hinblick auf ihre interdentale Reinigungsleistung zu heterogenen Ergebnissen. Während die Mehrzahl der Autoren keine Reduktion des sicht- baren Plaquebefalls durch die zusätz- liche Anwendung einer Mund dusche fanden, konnte jedoch die gingivale und parodontale Entzündungs reaktion verringert werden (Newman et al. 1994, Jahn 2010, Rosema et al. 2011). Auf Grundlage dieser Befunde wird in der Übersichtsarbeit von Husseini et al. (2008) eine Beeinflussung der Zusammensetzung des bakteriellen Biofilms sowie eine Veränderung der Entzündungsreaktion im Sulkus durch den Wasserstrahl einer Munddusche vermutet. Da mithilfe von Indizes eine maximal zweidimensionale Beurtei- lung der Plaqueausdehnung möglich ist, können keine Aussagen über die Belagsdicke sowie die Zusammenset- zung und die Virulenz der enthaltenen Mikro organismen gemacht werden. Durch regelmäßiges Abspülen ober- flächlich anhaftender Plaquebestand- teile mit der Munddusche könnte die Etablierung eines reifen Biofilms ver- hindert werden. Darüber hinaus wird eine Reduktion der gingivalen Entzün- dungsreaktion durch die Pulsation des Wasserstrahls ver mutet (Husseini et al. 2008). Immunsupprimierten Patienten oder sol- chen mit einem erhöhten Endokarditisri- siko wird die Munddusche in der Regel nicht empfohlen, weil durch den Was- serstrahl eine Verschleppung der Mund- höhlenbakterien verursacht werden kann (Felix et al. 1971). Hier sollte jedoch beachtet werden, dass eine solche Bakteriämie bei nahezu allen Mundhygienemaßnahmen und insbe- sondere bei der Anwendung von Zahn- seide beobachtet werden konnte (Carrol und Sebor 1980, Olsen 2008). Da das Ausmaß der Bakteriämie also weniger durch die Art der Mundhygienemaß- nahme als durch die Keimbelastung der Mundhöhle bestimmt wird, kommt der Optimierung der häuslichen Mundhygi- ene einschließlich Zahnzwischenraum- reinigung gerade bei Risikopatienten eine besondere Bedeutung zu. ins Blut Fazit Trotz zahlreicher Neuerungen im Zahn- bürstendesign reicht das alleinige Zäh- neputzen nicht aus, um die interdentale Plaque ausreichend zu entfernen, sodass hier zusätzliche Hilfsmittel eingesetzt werden müssen. Unter den zur Verfü- gung stehenden Methoden stellt die In- terdentalbürste den Goldstandard dar. Jedoch sind die Bürsten weder für jeden PROPHYLAXE Abb. 7: Munddusche Water Flosser (waterpik®). Zahnzwischenraum noch für jeden Pa- tienten gleichermaßen geeignet. Neben speziell modifizierten Interdentalbürs- ten, die dem Patienten die Anwendung erleichtern, stehen mit Zahnseide, Zahn- hölzern und Mund dusche weitere Ver- fahren zur Zahn zwischenraumhygiene zur Verfügung. Wichtig bei der Auswahl des individuell geeigneten Hilfsmittels sind neben der in wissenschaftlichen Studien ermittel- ten Reinigungseffizienz insbesondere die Vorlieben und individuellen Voraus- setzungen des Patienten. Nur das Ver- fahren ist effektiv, welches von Patien- ten regelmäßig und korrekt angewen- det wird. Hierzu ist die Demonstration und Instruktion in der Zahnarztpraxis unerlässlich. Um eine adäquate Beratung der Patien- ten gewährleisten zu können, kommt allen in der Prophylaxe tätigen Mitar- beitern die Aufgabe zu, sich über Neu- erungen regelmäßig zu informieren und die Verfahren auf wissenschaftlicher Ebene beurteilen und sinnvoll in die Praxis integrieren zu können. t k a t n o K Dr. Julia Blank praxisHochschule Neusser Straße 99 50670 Köln j.blank@praxishochschule.de Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 33
Univ.-Prof. Dr. Katrin Bekes [Infos zur Autorin] Literatur PROPHYLAXE Die Mundgesundheit als Teil der allgemeinen Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für die normale Entwicklung des Kin- des. Diese hat sich im Kindes- und Jugendalter in den letzten Jahren mithilfe zahlreicher strukturierter Prophylaxeprogramme wesentlich verbessert. Allerdings ist die Kariesreduktion im Milch- gebiss deutlich geringer1 und die Karies selbst stärker polarisiert2. Insbesondere die frühkindliche Karies (Early Childhood Caries) hat sich wegen ihrer großen Verbreitung und ihres raschen Ver- laufs, der zur völligen Zerstörung des Milchgebisses führen kann, zu einem „Public Health-Problem“ entwickelt. Die Wichtigkeit der Zahngesundheitsfrühförderung und die Prävention oraler Erkrankungen müssen somit im Mittelpunkt der zahnärztlichen Therapie stehen. Prophylaxe bei Kindern – Wann und Wie? Univ.-Prof. Dr. Katrin Bekes, MME Die frühkindliche Karies (Synonym: „Early Childhood Caries“ [ECC]) gilt auch heute noch als eine der häufigsten Erkrankungsformen bei Kleinkindern,3 welche in derselben Art und Weise weltweit anzutreffen ist (Davies, 1998) und mit zum Teil massiver Gebisszer- störung das Gesamtkariesaufkommen dominiert. Sie stellt somit ein ernsthaf- tes und ungelöstes Versorgungspro- blem dar. Für das Auftreten spielen der sozioökonomische Status, ein Migra- tionshintergrund und/oder eine einge- schränkte Kooperationsfähigkeit eine Abb. 1: Ausgeprägte frühkindliche Karies aufgrund des exzes- siven Genusses von Säften in der Flasche. 34 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 bedeutende Rolle.3–6 In sozialen Brenn- punktgebieten liegt die Prävalenz der frühkindlichen Karies besonders hoch.7 Multifaktoriell bestimmt: „Frühkindliche Karies“ Wie jede andere Kariesform, ist auch diese Form der Karies multifaktoriell bedingt und das Re sultat aus einem zeitlich bestimmten Zusam menspiel von kariogenen Mikroorganismen mit vergärbaren Kohlenhydraten auf der karies anfälligen Zahnoberfläche.2 Hinzu kommt, dass die Milchzähne mikrostrukturelle Besonderheiten auf- weisen. Milchzahnschmelz und -dentin sind dünner und geringer mineralisiert als die Zahnhartsubstanzen der blei- benden Dentition. Dementsprechend kann eine Zerstörung hier viel schneller voranschreiten. Hinzu kommen bei der ECC die frühzeitige Keimbesiedelung (Primärinfektion durch Mutans-Strep- tokokken) und die unkontrollierte Sub- stratzufuhr (Nuckel flasche mit süßen Getränken). Als potenziell zahnschä- digende Produkte werden hierbei vor allem zuckerhaltige Granulattees, (ver- dünnte) zucker- und säurehaltige Obst- und Gemüsesäfte, Schorlen, gesüßte Kindertees oder Softdrinks gegeben.8 Weiterhin erfolgt die Flaschengabe oft nicht aufgrund von Durst oder Hunger, sondern aus Langeweile und Unlust in den Ermüdungsphasen, als Einschlaf- hilfe, in nächtlichen Wachphasen oder zur Zwischenmahlzeit. Dies hat eine Langzeitbenetzung der Milchzähne mit zucker- und/oder säurehaltigen Getränken zur Folge. Eine exzessive Aufnahme dieser Getränke begüns- tigt zudem den Anstieg oraler, säure- produzierender Mikroorganismen, den Mutans- Streptokokken, auf ein patho- logisches Niveau und ermöglicht durch die permanente Säureproduktion an der Zahnoberfläche eine Demineralisa- tion mit anschließender Kavitation.9, 10 Stadien des Kariesbefalls Das klinische Bild der frühkindlichen Karies kann in unterschiedliche Schwe-
PROPHYLAXE Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 2: KAI-Zahnputztechnik: Reinigung der Kaufl ächen (K). – Abb. 3: KAI-Zahnputztechnik: Reinigung der Außenfl ächen (A). – Abb. 4: KAI-Zahnputztechnik: Reinigung der Innenfl ächen (I). regrade eingeteilt werden, welche sich vorwiegend am Kariesbefallmuster ori- entieren. Im ersten Stadium weisen die Zähne nur leichte Demineralisationen und somit kreidig-weiße Areale auf. Im weiteren Verlauf kommt es zur allmäh- lichen Zerstörung der Zahnsubstanz.11 Zu Beginn erkranken die Glattfl ächen der oberen Schneidezähne, die bei je- der anderen Kariesform erst relativ spät in den kariösen Prozess einbezogen werden. Erste Veränderungen sind oft schon am Ende des ersten Lebensjah- res zu beobachten, und entsprechend ihrer Durchbruchsfolge werden im 2. und 3. Lebensjahr auch die Molaren und Eckzähne involviert (Abb. 1). Inso- fern ist die frühkindliche Karies als eine äußerst aggressive Form zu werten. Die oberen Inzisiven sind bevorzugt betrof- fen, da diese zum einen durch die Lage des Saugers direkt mit den karioge- nen Getränken umspült werden. Zum anderen fehlt an den oberen Inzisiven anderen fehlt an den oberen Inzisiven die schützende Wirkung des Spei- die schützende Wirkung des Spei- chels, da sich keine Speicheldrüsen in chels, da sich keine Speicheldrüsen in diesem Bereich befi nden. Zusammen- diesem Bereich befi nden. Zusammen- fassend ist festzustellen, dass es sich bei der frühkindlichen Karies um eine schwerwiegende Gesundheitsstörung handelt, die mit Schmerzen, Abszess- bildung und Fieberzuständen aufgrund stark zerstörter Zähne einhergehen und in der Folge den Allgemein zustand des Kindes stark herabsetzen kann. Als Folge der Nichtbehandlung kariöser Zähne werden unter Umständen Mi- neralisationsstörungen an bleibenden Zähnen beobachtet.12 Präventionsstrategien und Prophylaxe der Karies Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, Karies zu verhindern. Die klassischen Säulen der Kariesprophylaxe sind dabei im Wesentlichen ein effi zientes Biofi lm- management, die Vermeidung kario- gener Noxen und die Anwendung von Fluoriden zur Erhöhung der Säureresis- tenz der Zähne. Aktuelle evidenzbasierte Leitlinien zur Kariesvorbeugung empfehlen den ers- ten Zahnarzt besuch des Kindes bereits im ersten Lebensjahr.12, 13 Hier sollten die Eltern bereits genau über diese Eck- pfeiler aufgeklärt werden. Neben der zahnfreundlichen Ernährung und der Vermeidung einer Transmission kario- gener Bakterien von der Bezugsperson auf das Kind sollte eine Motivation und Instruktion zu einer altersgerechten Mundhygiene beim Kind sowie eine um- fangreiche Aufklärung zu weiteren vor- beugenden Maßnahmen (Anwendung von kariesprotektiv wirksamem Fluorid) erfolgen. Ziel ist es, die Eltern zur Mit- arbeit zu gewinnen, zu motivieren und die Eigenverantwortung zu stärken. Die Eltern müssen wissen, dass man ohne Prophy laxe wieder krank wird und ak- zeptieren, dass Prophylaxe lebenslang sein muss. Das Kind sollte dann in der Regel zwei- mal jährlich dem Zahnarzt vorgestellt mal jährlich dem Zahnarzt vorgestellt werden. Zahnschäden können so be- werden. Zahnschäden können so be- reits im Frühstadium erkannt und be- reits im Frühstadium erkannt und be- handelt werden.14 Zahngesunde Ernährung Zahngesunde Ernährung Der Sicherstellung einer zahnfreundli- Der Sicherstellung einer zahnfreundli- chen Ernährung muss höchste Priorität chen Ernährung muss höchste Priorität zugesprochen werden. Die Erhebung zugesprochen werden. Die Erhebung m o k.c c o t s r e t t u h S / k a n o i n a i l u K a y i l i L © Abb. 5: Modifi zerter Quigley-Hein-Index. Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 35
PROPHYLAXE einer sorgfältigen Ernährungsanam- nese mit Erfragung von Häufigkeit und Menge der Getränke- bzw. Er- nährungsimpulse stellt die Grundlage für eine Aufklärung und evtl. not- wendige Verhaltensmodifikation dar. Zu den häufigsten Ernährungsfehlern bei Kleinkindern zählen ein exzessiv langes Stillen (z. T. bis Einschulung), das Trinken aus Saugerflaschen jen- seits des 18. Lebensmonats, die Gabe von Industriekost, Soft- und Fertig- getränken, der selbstständige Zugriff auf Süßigkeiten und das Nichtwis- sen, dass alternative Nahrungsmittel (Trockenobst, Honig etc.) auch kario- gen sind. Empfohlen werden zucker- und säurefreie Getränke, wie z. B. Was- ser, ungesüßter Tee oder Milch. Die Be- schränkung auf wenige Mahlzeiten mit zweckmäßiger Zusammenstellung und das Vermeiden kariogener Zwischen- mahlzeiten sollte das Ziel sein. Darüber hinaus wird auf zuckerfreie Alternati- ven verwiesen.15 Da die Änderung von Ernährungsgewohnheiten ein entspre- chendes Problembewusstsein bei den Eltern voraussetzt, ist hierbei das ge- samte zahnärztliche Praxisteam gefor- dert, dies positiv zu beeinflussen. Dies erfordert die wiederholende Anamnese und regelmäßige Remotivation.16 Mundhygiene Mit Durchbruch der ersten Milchzähne kann eine Besiedelung der Zahnflächen mit ka riogenen Keimen – hauptsäch- lich Streptococcus mutans – erfolgen. Ab diesem Zeitpunkt sollten die Zähne täglich geputzt werden. Die Eltern brauchen folglich eine fachliche Be- ratung bei der Wahl der Zahnbürste, der Zahnpasta, einer altersgerechten Zahnputztechnik und evtl. zusätzlich nötigen Hilfsmitteln. Beim Kleinkind erfolgt die Gebisspflege bis zum dritten Lebensjahr hauptsäch- lich durch die Eltern.17 Erst ab dem 3. Lebensjahr setzt das eigenständige Zähneputzen des Kindes ein. Auch in diesem Alter haben die Eltern weiter- hin die Aufgabe, die Zahnpflege ihres Kindes zu überwachen und die Zähne nachzuputzen. Dies geschieht so lange, bis das Kind ausreichende manuelle Fertigkeiten erlangt hat. Dies ist in der Regel im Schulalter der Fall. Kinderzahnbürsten sollten weiche Borsten, einen kleinen Bürstenkopf und einen rutschfesten, der kindlichen Hand angepassten Griff haben. Als Zahnputztechnik hat sich für Kinder die KAI-Systematik etabliert (Abb. 2–4). Sie passt sich den entwick- lungsabhängigen Fähigkeiten des Kin- des an und ermöglicht es den Kindern, sich die eine systema tische Zahnputz- technik zu erarbeiten, die nahtlos zur Erwachsenen- Bass-Technik überleitet. Bis zum Grundschulalter können Kinder mit KAI die notwendigen Reinigungs- schritte beim Zähneputzen nach und nach lernen und die tägliche Routine verfestigen. Zur Überprüfung der Mundhygiene kommt in der Prophylaxesitzung bei den Kindern der modifizierte Plaque- Index nach Quigley-Hein zum Ein- satz (Abb. 5–7). Bei diesem wird der Plaque befall der koronalen Zahnober- flächen bestimmt. Vor der Erhebung Abb. 6: Angefärbte Milchzähne im Rahmen der Prophylaxesitzung. 36 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 werden die vestibulären und lingualen Oberflächen der Zähne mit Plaque- relevatoren eingefärbt. Folgende sechs Schweregrade werden unterschieden: Grad 0: Grad 1: Grad 2: keine Plaque vereinzelte Plaqueinseln deutliche, zusammenhän- gende, bis zu 1 mm breite Plaquelinie am Gingivarand Plaqueausdehnung im zervi- kalen Zahn drittel Plaqueausdehnung bis mittlere Zahn drittel Plaqueausdehnung bis koronale Zahndrittel Grad 3: Grad 4: Grad 5: Fluorid ins ins Einer der wichtigsten Eckpfeiler im Rahmen der Kariesprophylaxe ist die Anwendung unterschiedlicher fluo- ridhaltiger Kariostatika.18 Die karies- protektive Wirkung unterschiedlicher Fluoridierungsmaßnahmen wurde in zahlreichen Studien dokumentiert. Die tägliche Anwendung fluoridhaltiger Zahnpasta stellt dabei eine effektive Methode der Kariesprophylaxe bei Kin- dern und Heranwachsenden dar.19–22 Der kariespräventive Effekt ist auch im Milchgebiss bei Kindern im Vorschul- alter vorhanden. Die Effektivität ist dosis- und frequenzabhängig.18 Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde empfiehlt in Übereinstimmung mit zahlreichen anderen internationalen zahnmedizi- nischen Fachgesellschaften vor dem 6. Le bensmonat keine Fluoridierungs- maßnahmen. Ab dem Durchbruch der ersten Milchzähne sollte einmal am Tag eine geringe Menge („dünner Film“) fluoridhaltiger Kinderzahnpasta (500 ppm F–) zur Zahnpflege verwen- det werden. Ab dem Alter von zwei Jahren sollte dann zweimal täglich mit einer geringen Menge (ungefähr 5 mm langer Zahnpastastrang = erbsengroße Menge) fluoridhaltiger Kinderzahnpasta geputzt werden. Nach dem Durchbruch der ersten bleibenden Zähne sollten die Kinder von der Kinderzahnpasta auf eine Erwachsenenzahnpasta (1.000– 1.500 ppm) umstellen. Zusammen mit der täglichen Anwen- dung von fluoridierter Zahnpasta wird
PROPHYLAXE Universitäten konnte aktuell begonnen werden, die Präventionslücke in der vertragszahnärztlichen Leistung vor dem 30. Lebensmonat zu schließen. Im Rahmen der Überarbeitung der Kinder- richtlinie, die die Verfahren beim Kin- deruntersuchungsheft (U-Heft) enthält, konnten erstmalig sechs rechtsverbind- liche Verweise vom Kinderarzt zum Zahnarzt für Kinder vom 6. bis zum 64. Lebensmonat etabliert werden. Dies ist seit dem 1. Juli 2016 gültig. Fazit Für Kinder jeden Lebensalters können indivi duell abgestimmte Präventions- konzepte an geboten werden. Eine er- folgreiche Prävention beim Kleinkind beginnt schon in der Mundhöhle der werdenden Mutter und wird durch Hinweise zur Ernährung des Kindes ergänzt. Die weiteren zentralen Ele- mente sind für alle Altersgruppen eine adäquate Mundhygiene und Fluoridie- rungsmaßnahmen, die im häuslichen Umfeld sowie in der Praxis umgesetzt werden können. Das nach wie vor ge- häufte Auftreten der frühkindlichen Karies, die bereits im Kleinkindalter dominiert, macht es notwendig, dass existierende erfolgreiche Maßnahmen zur Prävention flächendeckend um- gesetzt werden, um vorzugsweise die Risikogruppen zu erreichen. t k a t n o K Univ.-Prof. Dr. Katrin Bekes, MME Medizinische Universität Wien Universitätszahnklinik Fachbereich Kinderzahnheilkunde Sensengasse 2a 1090 Wien, Österreich katrin.bekes@meduniwien.ac.at Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 37 Abb. 7: Gemeinsames Begutachten der angefärbten Zähne von der Prophylaxehelferin und der Patientin. die Verwendung fluoridhaltigen Spei- sesalzes zur Zubereitung von Nah- rungsmitteln altersunabhängig und ohne spezielle Dosierungsvorschriften empfohlen. Wird die Zahnpflege nicht mit fluorid- haltiger Zahnpasta durchgeführt und auch kein fluoridhaltiges Speisesalz verwendet, kann eine Fluoridsupple- mentierung mit Fluoridtabletten erfol- gen. Gesetzliche Bestimmungen: Zahnärztliche Früherkennungs- untersuchung (FU) Die gesetzlichen Krankenkassen bieten in ih rem Leistungsangebot für Kinder zwischen dem 30. und 72. Lebens- monat die zahnärztliche Früherken- nungsuntersuchung (FU) an. Diese zielt da rauf ab, Erkrankungen und Entwick- lungsstörungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich frühzeitig zu erkennen und darüber hinaus das Bewusstsein für Zahnpflege und zahngesunde Er- nährung bei Eltern und Kind zu ent- wickeln. Die Richtlinien schreiben vor, dass die 1. Früherkennungsuntersu- chung grundsätzlich im 3. Lebensjahr zu erfolgen hat. Damit ist diese Leis- tung nur ab dem 30. bis einschließ- lich dem 36. Lebensmonat abrechen- bar. Erfolgt die 1. FU später, dann hat das Kind nur noch Anspruch auf zwei FUs. Der Begriff „grundsätzlich“ be- deutet hier im juristischen Sinne, dass begründete Ausnahmen von dieser Einschränkung möglich sind. Ausnah- men könnten hier beispielsweise ein verspäteter Zahndurchbruch oder eine lang dauernde Erkrankung des Kindes, die einen Zahnarztbesuch nicht zuließ, sein. Der Mindestabstand zwischen zwei Früh erkennungsuntersuchungen beträgt zwölf Monate. Neuerungen Durch verstärkte Bemühungen von KZBV, BZÄK, DGZMK, DGKiZ, BuKiz und wissenschaftlicher Expertise der
PROPHYLAXE Patienten vor und nach Organtransplantation stellen ein besonde- res Patientenklientel dar, welches den Zahnarzt und sein Team vor vielseitige Herausforderungen stellt. Insbesondere bereits Organ- transplantierte sind dabei als Risikopatienten in der zahnärztlichen Praxis einzustufen. Obwohl gerade für Transplantatempfänger eine frühzeitige Schaffung mundgesunder Verhältnisse und langfristige ZA Gerhard Schmalz [Infos zum Autor] Dr. Dirk Ziebolz [Infos zum Autor] Nachsorge/Gesunderhaltung essenziell ist, ist die zahnärztliche Literatur Versorgung häufig unzureichend. Dieser Zustand ist womöglich in den fehlenden Behandlungsrichtlinien/-empfehlungen begründet. In diesem Beitrag werden Besonderheiten und Probleme verschie- dener Transplantatgruppen (Niere, Leber, Herz und Lunge) vor und nach Organtransplantation dargestellt sowie praxisrelevante Inhalte für die Betreuung betroffener Patienten herausgearbeitet. Patienten vor und nach Organtransplantation Eine Herausforderung für das Praxisteam ZA Gerhard Schmalz, Priv.-Doz. Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc. In den letzten Jahrzehnten entwi- ckelte sich die Organtransplantation durch eine verbesserte und zielgerich- tete Immunsuppression sowie besseres peri- und postoperatives Management zu einem Standardverfahren in der The- rapie irreversiblen Organversagens.1, 2 So wurden in Deutschland nach Angaben der Deutschen Stiftung für Organtrans- plantation (DSO) seit 1963 mehr als 120.000 Organe transplantiert (Stand 2014: 78.100 Nieren, 21.956 Lebern, Warteliste Transplantiert 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 Gesamt Niere Leber Herz Lunge Abb. 1: Anzahl Patienten, die allein im Jahr 2014 auf der Warteliste für ein Transplantat in Deutschland standen, und Patienten, die ein Organtransplantat erhalten haben (DSO 2014). 38 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 11.932 Herzen und 4.947 Lungen).3 Nach aktuellem Stand vom 01.01.2016 warten zudem allein in Deutschland 10.238 Menschen auf ein passendes Organ (Eurotransplant), angeführt von Niere über Leber zu Herz und Lunge (Abb. 1; Stand 2014). Da die Zahl von Organspendern aktuell stagniert oder sogar rückläufig ist, ergibt sich eine ste- tig zunehmende Zahl von Patienten, die auf eine Organtransplantation warten. Hierbei bleibt zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl dieser Patienten mehr als drei bis vier Jahre auf ein entspre- chendes Spenderorgan wartet. Hinzu kommt, dass durch die inzwischen guten Langzeitüberlebensraten nach erfolgter „Organverpflanzung“ die Zahl der Patienten mit einem Organtrans- plantat ebenfalls ansteigt.4, 5 Dadurch ergibt sich eine vielschichtige Patientengruppe, die wegen der vorlie-
PROPHYLAXE Checkliste vor Transplantation  Welches Organ ist aufgrund welcher Erkrankung betroffen?  Liegt ein Diabetes mellitus vor? Wie ist der HbA1c?  Liegen Infektionserkrankungen (Hepatitis C) vor?  Liegt eine Hypertonie vor? Wie ist diese eingestellt?  Einnahme von Kalziumkanalblockern (Amlodipin, Nifedipin)?  Wie ist die Blutgerinnung?  In welchem Umfang lässt der Allgemeinzustand zahnärztliche Maßnahmen zu?  Wann findet die geplante Transplantation statt und wer ist der Ansprechpartner? Dies sind wesentliche Schwerpunkte, die in der Anamnese besondere Berücksichtigung finden sollten; eine vollständige Anamneseerhebung bleibt Grundvoraussetzung. genden Grund- und Begleiterkrankun- gen sowie zusätzlicher Medikamenten- einnahme (sowohl vor als auch nach Transplantation) besondere Anforde- rungen an die zahnmedizinische Ver- sorgung stellt. Dabei sind insbesondere Organtransplantierte infolge ihrer dau- erhaften Immunsuppression als Risiko- patienten in der zahnärztlichen Praxis einzustufen und zu behandeln. Zu be- rücksichtigen ist, dass, bedingt durch die unterschiedlichen Funktionen der zu transplantierenden Organe (Niere, Leber, Herz, Lunge usw.), eine große Heterogenität innerhalb der Gruppe von Organtransplantierten besteht. Diese spiegelt sich zudem sowohl in der Immun suppression als auch der weite- ren Medikation der Patienten wider. Daher ist eine frühzeitige Infektions- prophylaxe mit Schaffung und dauer- hafter Sicherstellung gesunder oraler Verhältnisse (dental und parodontal) außerordentlich wichtig.6–8 So sollte, wenn möglich, bereits vor Transplanta- tion eine zahnärztliche Sanierung ange- strebt werden, um nach der Transplan- tation über präventive Maßnahmen die Situation stabil zu (er-)halten.6–8 Somit stehen Zahnarzt und Prophylaxeteam sowohl vor als auch nach Organtrans- plantation in der Verantwortung, mit der Herstellung und dem Erhalt der Mundgesundheit einen entscheiden- den Beitrag an der Vermeidung syste- mischer Komplikationen dieser Patien- ten zu leisten. Patienten vor Organtransplantation Der überwiegende Teil der Patienten, die auf eine Organspende warten, ist in seinem allgemeinen Gesundheits- zustand maßgeblich eingeschränkt. In den meisten Fällen handelt es sich um multimorbide Patienten, die durch die Grunderkrankung, welche zur Insuffi- zienz bzw. Versagen des zu transplan- tierenden Organes führte, und ebenso die multiple Einnahme von Medikamen- ten in ihrem Allgemeinzustand kom- promittiert sind.9 Daneben sind ver- schiedene individuelle Besonderheiten entsprechend dem bzw. abhängig vom zu transplantierenden Organ vor Organ transplantation zu berücksichti- gen (Tab. 1 und Checkliste vor Trans- plantation). Aus diesem Grund sollen nachfolgend einzelne Organgruppen näher dargestellt werden. Besonderheit: Niere Patienten vor Nierentransplantation sind in der Regel dialysepflichtig und weisen häufig eine Einschränkung des Immun- systems auf, was ein erhöhtes Risiko für systemische Infektionen darstellt.10, 11 Aufgrund der bedeutenden Stellung der Nieren im Stoffwechsel ergibt sich zudem eine Vielzahl an Besonderhei- ten, u. a. Blutgerinnungshemmung, Blut- druckmedikation sowie Mundtrocken- heit. Hierzu lieferten die Autoren im Prophylaxe Journal 1/2016 bereits einen detaillierten Beitrag zu Dialysepatienten in der zahnärztlichen Praxis.12 Besonderheit: Leber Diese Patientengruppe weist häufig ei- nen besonders reduzierten Allgemein- zustand auf. Eine Leberersatztherapie analog zur Niereninsuffizienz ist für diese Patienten nicht verfügbar. Eine Besonderheit liegt im Ursachenfeld der Leberinsuffizienz bzw. -versagen, wo- bei Grunderkrankungen wie ethyltoxi- sche Zirrhose, Hepatitis C, aber auch Leberkarzinome anzuführen sind. Diese können zudem mit einem risikoasso- Niere Leber Herz Lunge Blutgerinnungshemmung v. a. am Tag der Dialyse permanent bei antikoagulativer Medikation bei antikoagulativer Medikation Allgemeinzustand reduziert deutlich reduziert deutlich reduziert deutlich reduziert Arzneimittelmetabolismus beeinflusst renal metabolisierte Medikamente hepatisch metabolisierte Medikamente nein nein Belastbarkeit eingeschränkt deutlich eingeschränkt deutlich eingeschränkt deutlich eingeschränkt Infektionsrisiko (Hepatitis C) erhöht erhöht normal Grunderkrankung/ relevante Komorbiditäten Diabetes mellitus Hypertonie Reizfaktoren (Alkohol, Medikamente, Infektionen) koronare Herzkrankheiten normal COPD Häufige Immunsuppressiva nach Tx Calcineurininhibitor (Ciclosporin A, Tacrolimus), Zellzyklusinhibitor (Azathioprin, MMF), Prednisolon Tab. 1: Allgemeinmedizinische Besonderheiten von Transplantationskandidaten und Transplantierten. Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 39
PROPHYLAXE Erkrankungen ziierten Lebensstil im Zusammenhang stehen, z. B. Drogen- und Alkohol- abusus. Das kann wiederum zu einer niedrigen Compliance mit Vernachläs- sigung der Mundgesundheit führen und das Entstehen und Fortschreiten oraler bedingen.9,13 Durch die zentrale Stellung der Leber im Stoffwechsel ergeben sich durch deren Schädigung häufig weitere Kom- plikationen, wie z. B. Störungen der Blutgerinnung14 und eine negative Be- einflussung des Medikamenten meta- bolismus.15 Viele Arzneimittel aus der zahnärztlichen Praxis haben hier eine klinische Relevanz und sind möglichst zu vermeiden, wie Lokalanästhetika (Lidocain, Prilocain und Bupivacain), Analgetika (Paracetamol) und auch Antibiotika (Ampicillin, Metronidazol). Die zahnmedizinische Versorgung von Patienten mit einer Leberinsuffizienz ist oftmals unzureichend, sodass häufig ein hoher zahnärztlicher Behandlungsbe- darf vorliegt.16,17 In diesem Zusammen- hang ist auffällig, dass die Behandlung und Reduktion oraler Erkrankungen zu einer Verringerung der Mortalität dieses vulnerablen Patientenklientels führt.17 Daneben haben verschiedene Komor- biditäten häufig einen Einfluss auf die Mundgesundheit, hierzu zählen u. a. ein erhöhtes Lebensalter, motorische Einschränkungen, reduziertes Gesund- heitsverhalten, Depressionen und eine häufig durch die hohe Belastung resul- tierende fehlende Motivation.9 Besonderheit: Herz und Lunge Eine der Hauptursachen für ein Herzver- sagen besteht in koronaren Herzerkran- kungen.18 Dabei bleiben die Grund- erkrankung bzw. ursächliche Faktoren wie Übergewicht, Diabetes mellitus, aber auch Rauchen und Medikamen- tennebenwirkungen als potenziell zahnmedizinisch relevante Faktoren zu berücksichtigen. Durch den Einsatz und die Weiterentwicklung von Assist-Sys- temen kann jedoch eine Transplanta- tion zunehmend umgangen werden.19 Allerdings sind Allgemeinzustand und Belastbarkeit der Patienten, die für eine Transplantation vorgesehen sind, häufig sehr stark beeinträchtigt. Damit sind oftmals schwierige Bedingungen für eine zahnmedizinische Versorgung gegeben. Meist sind die Patienten vor Herztransplantation medikamentös an- tikoaguliert und zur Entlastung des Her- zens ist häufig eine blutdrucksenkende Medikation notwendig. In diesem Zu- sammenhang sollte hier der Einsatz von Adrenalinzusatz zur Lokalanästhesie kritisch geprüft werden. Aufgrund des beeinträchtigten Allgemeinzustandes ist auch vorstellbar, dass die Mundge- sundheit für diese Patientengruppe nur einen nachrangigen Stellenwert besitzt. Ein besonderer Aspekt aus zahnärztli- cher Sicht stellt der mögliche Zusam- menhang zwischen parodontalen und kardiovaskulären Erkrankungen dar; so könnte eine hohe Prävalenz von mo- derater bis schwerer Parodontitis auch für potenzielle Transplantatempfänger relevant sein.20 Insgesamt scheint die zahnärztliche Versorgung in dieser Pa- tientengruppe unzureichend zu sein.9, 21 Ähnlich verhält es sich bei Kandida- ten für eine Lungentransplantation, die ebenfalls in ihrem Allgemeinzu- stand stark reduziert und häufig auf die externe Zuführung von Sauer- stoff angewiesen sind. Hier stehen an Grund erkrankungen neben idiopathi- scher Lungenfibrose und zystischer Fi- brose vor allem chronisch obstruktive Lungen erkrankungen (COPD) im Vor- dergrund.22 Demnach sind potenziell mundgesundheitsbeeinflussende Fak- toren wie Rauchen und Übergewicht auch hier bei einigen Patienten (COPD!) denkbar. Vor allem im Endstadium einer pulmonalen Erkrankung, in der den Pa- tienten das Atmen deutliche Schwie- rigkeiten bereitet, ist von Problemen bei der Ausführung der Mundhygiene auszugehen. Zudem ist die Belastbar- keit der Patienten zum Teil ebenso stark eingeschränkt. Entsprechend zeigt sich bei Kandidaten für eine Lungentrans- plantation eine hohe Prävalenz für parodontale Erkrankungen, was sich in Abhängigkeit zur Grunderkrankung am stärksten bei COPD-Patienten zeigt.23 Patienten nach Organtransplantation Maßgeblich verantwortlich für den Langzeiterfolg von Transplantaten ist die immunsuppressive Therapie, deren Ziel darin besteht, einen Angriff des Immunsystems des Empfängers auf das körperfremde Organ zu unterdrü- cken. Da die Immunsuppression jedoch nicht ausschließlich am transplantier- ten Organ, sondern auch im Gesamt- organismus wirkt, sind unerwünschte Nebenwirkungen möglich und häufig beschrieben (Tab. 2). Die Bandbreite reicht hierbei von Verdauungsbe- Cyclosporin Tacrolimus Sirolimus MMF Glucocorticoide Azathioprin Stärke der Immunsuppression Nierenschädigung Leberschädigung Nervschädigung Diabetogenität Magen-Darm-Probleme Gingivawucherungen Knochenmarkschädigung +++ ++ ± + + + +++ – +++± ++± ++ ++ ± ++ ++ + + – – + – – + + + – – – – ++ – + + – – – ++ – – – + – + – – – – + Tab. 2: Ausgewählte Nebenwirkungen häufig verwendeter Immunsuppressiva (mod. n. Taylor et al. 2005).42 MMF: Mycophenolat-Mofetil; –: keine, ±: leicht, +: mild, ++++: sehr stark 40 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
PROPHYLAXE schwerden bis hin zur Bildung bösar- tiger Tumoren.24 Dabei finden verschie- dene immunsuppressive Medikamente (unterschiedlicher Wirkstoffgruppen) in der frühen und späten Phase nach Transplantation in Einzelgabe oder Kombination eine Anwendung:25 Gluco- (Prednisolon, Decortin®, corticoide Decortin® H), Tacrolimus (Prograf®, Advagraf®), Cyclosporine (Sandim- mun®, Sandimmun® Optoral), Aza- thioprine (Imurek®), Sirolimus (Rapa- mune®), Everolimus (Certican®), My- cophenolat-Mofetil/MMF (CellCept®) oder auch Daclizumab (Zenapax®). Patienten nach Organtransplantation zählen aufgrund der dauerhaften/ lebenslangen Immunsuppression zur Gruppe von Risikopatienten in der zahnärztlichen Praxis.6 Dabei sind in- dividuelle Unterschiede zwischen den transplantierten Organen sowie die Diversität in der Art und variablen Dosierung der Immunsuppressiva zu berücksichtigen bzw. von besonderer Bedeutung. Neben einer Vielzahl sys- temischer (Tab. 2) sind orale Nebenwir- kungen dieser Medikamente häufig zu beobachten, dabei sind Veränderungen der oralen Mukosa26, virale oder Pilz- infektionen27 und auch Gingivawuche- rungen28 am häufigsten beschrieben. Gingivawucherungen werden vor allem mit dem Wirkstoff Cyclosporin A (Sand- immun®) in Verbindung gebracht, je- doch sind andere bekannte Immunsup- pressiva wie Tacrolimus und Sirolimus in diesem Zusammenhang ebenfalls zu erwähnen. Dabei kommt es nicht Erstvorstellung Patient vor Tx: – ausführliche Anamnese: · Grunderkrankungen · Medikamente · Komorbiditäten – Kontakt zu Tx-Zentrum – Beratung, Information über Zustand als Risikopatient Ausführliche Untersuchung: – Mundschleimhautbefund (Gingivawucherungen, Xerostomie) – Karies- und Füllungsstatus – PSI, ggf. PA-Status – Röntgendiagnostik – Abklärung der Therapieoptionen mit Tx-Zentrum – Therapieplanung unter Berücksichtigung des Gesundheits zustandes und der indi- viduellen Belastbarkeit des Patienten Therapie entsprechend Therapieplanung: – PZR – chirurgische Therapie – konservierend-endodontische Therapie – PA-Therapie – ggf. prothetische Interimsversorgung CAVE: – Beachtung der Grunderkrankung (Nieren-, Leber-, Herzinsuffizienz etc.) – ggf. Antibiotikaprophylaxe – Blutungsrisiko abklären und ggf. vorbeugende Maßnahmen ergreifen – bedachter Medikamenteneinsatz – im Zweifelsfall Rücksprache mit Tx-Zentrum Vor- und Nachsorge – alle drei Monate – Aktualisierung Anamnese, bei Veränderungen ggf. Kontakt zu Tx-Zentrum – PZR, Remotivation – Befund (Karies- und Füllungs- status, PSI, Mundschleim- haut-Screening) – beim Auftreten neuer Erkran- kung entsprechende Therapie – CAVE: Immunsuppression – ggf. Screening auf Therapie entsprechend Therapieplanung: – PZR – chirurgische Therapie (beschränkt auf aktuell entzündliche Befunde mit klinischer Symptomatik) – konservierend-endodontische Therapie – PA-Therapie – ggf. prothetische Versorgung CAVE: – Immunsuppression  Antibiotika- prophylaxe – Komorbiditäten berücksichtigen – im Zweifelsfall Rücksprache mit Pilzinfektionen Tx-Zentrum Therapie neuer Erkrankungen: – ggf. definitive proth. Versorgung CAVE: – Immunsuppression  Antibiotika- prophylaxe Therapie- bedarf kein Therapie- bedarf PZR, Reevaluation der klin. Befunde sechs Monate nach Tx Organtransplantation nach Abschluss der Sanierung Ausführliche Untersuchung: – Mundschleimhautbefund (Gingivawucherungen, Xerostomie) – Karies- und Füllungsstatus – PSI, ggf. PA-Status – Röntgendiagnostik – Abklärung der Therapieoptionen mit Tx-Zentrum – Therapieplanung unter Berücksichtigung des Gesundheits zustandes und der indi- viduellen Belastbarkeit des Patienten Erstvorstellung Patient nach Tx: – ausführliche Anamnese: · Grunderkrankungen · Medikamente (Immunsuppression) · Komorbiditäten – Kontakt zu Tx-Zentrum – Beratung, Information über Zustand als Risikopatient Abb. 2: Mögliches Therapieschema zur zahnärztlichen Versorgung von Patienten vor und nach Transplantation (Tx). Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 41
PROPHYLAXE Checkliste nach Transplantation  Welches Organ wurde aufgrund welcher Erkrankung transplantiert?  Wann war die Transplantation (< sechs Monate oder > sechs Monate)?  Gab es bereits Komplikationen (Abstoßungsreaktion)?  Liegt ein Diabetes mellitus vor? Wie ist der HbA1c?  Welche Immunsuppressiva werden eingenommen?  Zusätzliche Einnahme von Kalziumkanalblockern (Amlodipin, Nifedipin)?  Wer ist der Ansprechpartner (Transplantationszentrum)? Dies sind wesentliche Schwerpunkte, die in der Anamnese besondere Berücksichtigung finden sollten; eine vollständige Anamneseerhebung bleibt Grundvoraussetzung. ausschließlich durch die Medikamente zu den auftretenden Gingivawuche- rungen, vielmehr ist das Erkrankungs- zeichen einer gingivalen Wucherung ein multifaktorielles Geschehen durch Interaktionen von Medikamenten, Meta boliten und gingivalen Fibro- blasten.29 Zudem wird vor allem dem Mundhygiene- und Mundgesundheits- zustand eine entscheidende Rolle ein- geräumt.30 Daneben besitzen vor allem medika- mentenbedingte Infektionserkrankun- gen im Bereich der Mundhöhle eine auffällige Häufigkeit. In erster Linie sind hier Pilzinfektionen anzuführen, bei denen Candida albicans mit Abstand den größten Anteil einnimmt.31 Gerade darin besteht ein erhebliches Risiko für eine systemische Ausbreitung fungaler Infektionen mit begleitenden Kompli- kationen.32 Es muss zudem auf den kritischen Einsatz von Medikamenten geachtet werden, da eine Wechselwir- kung verschiedener Arzneimittel, die in der zahnärztlichen Praxis angewendet werden (z. B. Metronidazol), die Wir- kung von Immunsuppressiva beeinflus- sen können. Weiterhin zeigt die verfügbare Literatur sowohl Defizite in der Mundgesundheit von transplantierten Patienten aller Or- gangruppen, aber auch in der Aufklä- rung und Patientenführung nach Trans- plantation auf.8, 9, 21, 33, 34 Weder vor noch nach Transplantation konnte bis- her ein gesteigertes Mundgesundheits- festgestellt werden,8, 21, 35 verhalten was auf eine unzureichende Aufklä- rung, Information und Sensibilisierung der Patienten hinweist. Des Weiteren ergeben sich in den organbezogenen Transplantationsgruppen verschiedene Besonderheiten. Besonderheit: Niere Besonders die Verwendung von Cyclo- sporin kann zu einem gehäuften Auf- treten von Gingivawucherungen führen, wobei aufgrund der renalen Hypertonie bzw. zur Entlastung der Niere der ge- häufte Einsatz von Antihypertensiva ins- besondere von Nifedipin(-derivaten) zu verstärkten Wucherungen führen kann.28 Besonderheit: Leber Der stark reduzierte Allgemeinzustand von Lebertransplantationskandidaten wird in der Regel durch die Transplan- tation verbessert. Die verringerte Blut- gerinnung und die zentrale Rolle der Leber im Medikamentenstoffwechsel sind jedoch weiterhin von zahnmedizi- nischer Relevanz (s. o.). Im Anschluss an die Transplantation stellt die im- munsuppressive Medikation den we- sentlichsten allgemeinmedizinischen Faktor dar. Besonderheit: Herz und Lunge Lungentransplantierte weisen hinsicht- lich der Immunsuppression gegenüber den anderen Gruppen eine Besonder- heit auf. Verglichen mit Herz-, Nieren- und Lebertransplantierten ist hier in der Regel von einer stärkeren (kom- plexeren) Immunsuppression – Kombi- nation verschiedener Immunsuppres - siva – auszugehen.36 Neben der Immun- suppression ist bei Lunge und Herz vor allem die antihypertensive sowie antikoagulierende Therapie bei der zahnärzt lichen Behandlung zu berück- sichtigen. Konsequenzen für Zahnarzt und Prophylaxeteam Patienten vor und nach Organtrans- plantation sind Risikopatienten in der zahnärztlichen Praxis.6 Verbindliche Richtlinien für den sicheren Umgang vor, während und nach zahnärztlichen Behandlungen, ggf. unter antibioti- scher Infektionsprophylaxe, sind bis heute nicht vorhanden. Eine Empfeh- lung für ein entsprechendes Therapie- regime von Patienten vor und nach Transplantation liefert Abbildung 2. Wie auch bei anderen (Risiko-)Pa- tienten ist eine gründliche Anam- neseerhebung obligat. So können zielgerichtet neben transplantatspe- zifischen Besonderheiten auch Infor- mationen über Komorbiditäten und Medikationen eingeholt werden. Eine Rücksprache und Abklärung mit dem zuständigen Transplantationszentrum und betreuendem Arzt ist zwingend zu empfehlen. Dementsprechend ist es sinnvoll, frühzeitig (wenn möglich bereits vor Transplantation) eine inter- disziplinäre Zusammenarbeit mit den behandelnden Allgemeinmedizinern/ Internisten aufzubauen und diese bis zum Zeitpunkt nach dem Eingriff aufrechtzuerhalten (Checkliste nach Transplantation). Organtransplantierte Patienten sind als infektionsgefährdete Patienten in der zahnärztlichen Praxis anzusehen.37 Bei Patienten mit einem herabgesetz- ten Immunsystem, wie es bei Organ- transplantierten der Fall ist, können ein zahnärztlicher Eingriff und die da- durch bedingte Bakteriämie zu ernst- haften systemischen Komplikationen führen. Um diese zu verhindern, ist bei allen Transplantationskandidaten eine frühzeitige zahnärztliche Sanierung und eine nachhaltige, präventionsori- entierte Therapie essenziell.7 Hier fällt dem Zahnarzt und den Prophylaxe- mitarbeitern eine Schlüsselrolle in der langfristigen Betreuung von Patienten vor und nach Organtransplantation zu. Bisher sind keine internationalen Richtlinien zur Behandlung dieser Klientel verfügbar, jedoch sind in der wissenschaftlichen Stellungnahme der DGZMK (1998) Behandlungsempfeh- 42 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
PROPHYLAXE lungen formuliert.38 Dort wird zum einen darauf hingewiesen, dass inner- halb der ersten drei Monate nach Organtransplantation zahnärztliche Behandlungen mit einem hohen Bak- te riämierisiko (Tab. 3) ausschließlich bei vitaler Bedrohung und in enger Absprache mit dem Transplantations- zentrum erfolgen sollten.38 Ferner sollten elektive Behandlungen erst sechs Monate nach erfolgreicher Transplantation angesetzt werden. Dies unterstreicht die Bedeutung ei- ner frühzeitigen (umfassenden) Sa- nierung, d. h. bereits vor Transplan- tation.7 In Ausnahmefällen, so bei multimorbiden Patienten mit einem massiv reduzierten Allgemeinzustand, scheint die zahnärztliche Behandlung erst nach Organtransplantation und Stabilisierung des allgemeingesund- heitlichen Zustandes empfehlens wert zu sein, da ansonsten eine zahnärztli- che Sanierung mit einem erheblichen Gesundheits- bis hin zum erhöhten Mortalitätsrisiko einhergehen kann.39 Niedriges Bakteriämierisko Hohes Bakteriämierisiko – Restaurative Zahnmedizin – Lokalanästhesie – Endodontie bis zum Apex – Legen von Kofferdam – Legen von Matrizen/Keilen – Fäden ziehen – Einsetzen herausnehmbarer – Zahnextraktion – Parodontalbehandlung (Sondieren, SRP, Chirurgie) – Implantation – Reimplantation avulsierter Zähne – Endodontie über den Apex hinaus – Einsetzen festsitzender kieferorthopädischer Apparaturen kieferorthopädischer Apparaturen – Röntgenaufnahmen – Fluoridierungsmaßnahmen – intraligamentäre Anästhesie – PZR Tab. 3: Risikoabschätzung verschiedener zahnärztlicher Interventionen (n. Treister und Glick 1999).43 Diese Entscheidung sollte zwingend vorab mit dem zuständigen Arzt/ Transplantationszentrum unter Berück- sichtigung einer Nutzen-Risiko-Analyse getroffen werden. Sollten nach der Organtransplantation zahnärztliche Therapiemaßnahmen not- wendig sein, ist in den meisten Fällen eine Antibiotikaprophylaxe indiziert.40 Diese hat nach Meinung von Trans- plantationszentren in Anlehnung an die American Heart Association-Richt- linie für Endokarditisprophylaxe zu er- folgen:41 2 g Amoxicillin präoperativ oder alternativ 600 mg Clindamycin.40 Demnach sollte der Patient bei allen zahnärztlichen Eingriffen mit Mani- pulationen der gingivalen Gewebe, periapikalen Region und der Mund- schleimhaut und entsprechendem Blu- tungs- bzw. Bakteriämierisiko (Tab. 3) antibiotisch abgeschirmt werden,37,40 u. a. auch bei Entfernung der supra- gingivalen und erreichbaren sub- ZAHNÄRZTE LIEBEN ONLINE Und jetzt noch mehr! www.zwp-online.info ANZEIGE ZWP ONLINE Das führende Newsportal der Dentalbranche in neuem Look.  neues funktionales Design  klare intuitive Navigation  responsive Darstellung  CME-Videos  CME-Livestreams  Newsticker O EM U S M E D I A AG Holbeinstraße 29 · 04229 Leipzig · Tel.: +49 341 48474-0 · info@oemus-media.de
PROPHYLAXE Auffälligkeit Gegenmaßnahmen Risiko für systemische Komplikationen – frühzeitige zahnärztliche Sanierung – drei- bis viermonatiges Recallintervall – Antibiotikaprophylaxe bei hohem Bakteriämierisiko (2 g Amoxicillin bzw. 600 mg Clindamycin) Gingivawucherungen – Medikamentenanamnese (Erfassung immunsuppressiver und begleitender Medikation, z. B. Nifedipin) – suffiziente professionelle und persönliche Biofilmkontrolle – ggf. Umstellung der Medikation durch zuständigen Facharzt und Abwägung einer Risiko-Nutzen-Analyse – ggf. chirurgische Intervention (Gingivektomie) orale Infektionen – Identifikation und Ausschaltung möglicher Infektionsquellen – Screening auf Pilzinfektionen (mikrobiologischer Nachweis) Mundtrockenheit – Bestimmung der Speichelfließrate – Speichelstimulation – ggf. Speichelersatzmittel reduziertes Mundhygieneverhalten – Sensibilisierung des Patienten für Bedeutung der Mundgesundheit für die Allgemeingesundheit und Status als Risikopatient – ausführliche Instruktion und Motivation des Patienten zur persönlichen Mundhygiene und Notwendigkeit der professionellen zahnärztlichen Betreuung Tab. 4: Auffälligkeiten von Patienten vor und nach Organtransplantation und entsprechende zu ergreifende Gegenmaßnahmen. gingivalen Beläge während der pro- fessionellen Zahnreinigung (PZR). Neben der Notwendigkeit der prä- therapeutischen Antibiotikaprophy- laxe ist jedoch auch den möglichen oralen Nebenwirkungen und Kom- plikationen (Auffälligkeiten) eine be- sondere Aufmerksamkeit zu widmen. Folglich sind hier ebenfalls eine ziel- orientierte Therapie oder notwendige Gegenmaßnahme einzuleiten (Tab. 4). Da jedoch das Risiko jedes Patienten individuell ist, erscheint eine Verallge- meinerung schwierig, zumal verschie- dene Komorbiditäten und Medikatio- nen zusätzlich Einfluss auf Komplika- tionen haben können. Der sicherste und langfristig Erfolg versprechendste Weg besteht in der frühzeitigen Sanie- rung und Schaffung mundgesunder Verhältnisse mit langfristiger Gesund- erhaltung durch eine zielgerichtete Nachsorge. Hierbei ist von Bedeutung, dass ein individuell risikoorientiertes Präventions konzept erarbeitet wird, welches folgende Punkte beinhalten sollte: – Aufklärung des Patienten und Infor- mation über den Status als Risiko- patient – Sensibilisierung für die Mundge- sundheit und deren Bedeutung für die Allgemeingesundheit, ins- besondere im Zusammenhang mit der Transplan tation (vorher und nachher) – umfassende Diagnostik aller relevan- ten oralen Parameter – Anamnese, Mundschleimhaut (Gingivawuche- rungen, Infektionen), Zähne, Paro- dont, Speichelfluss (Mundtrocken- heit/Xerostomie) – Erhebung von Mundhygienestatus und Entzündungsindizes sowie PZR – Prophylaxe-/Präventionsmaßnahmen mit dem Ziel von Herstellung und Erhalt mundgesunder Verhältnisse – Motivation, Instruktion sowie Aufklä- rung zur Notwendigkeit einer guten persönlichen Mundhygiene Eine optimale Mundhygiene sowie Mundgesundheit nimmt demnach bei organtransplantierten Patienten einen hohen Stellenwert ein. Unklar ist je- doch, wem die Aufgabe der Patien- teninformation und -führung obliegt – dem verantwortlichen Facharzt oder dem Hauszahnarzt. Der Zahnarzt und das gesamte Prophylaxeteam können sich jedoch dieser Verantwortung nicht entziehen. Schlussfolgerung Zusammenfassend sind Transplanta- tionskandidaten und Organtransplan- tierte eine besondere Patientengruppe in der zahnärztlichen Praxis, bei der aufgrund der Grund erkrankung und begleitenden Medikamenten- einnahme besondere Maßnahmen erforderlich werden können. Zudem benötigen diese Patienten eine deut- liche Verbesserung der Mundhygiene- situation bereits vor sowie langfristig nach Transplantation. Dies erscheint nur durch gesteigerte Information, Motivation und Sensibilisierung in Zusammenhang mit einer frühzeitigen zahnärztlichen Sanierung sowie einer suffizienten Nachsorge möglich. Zukünftig sollten klare Handlungs- empfehlungen erarbeitet werden. Eine Etablierung von speziellen Ver- sorgungskonzepten kann bei der lang- fristigen Verbesserung der Mundge- sundheit von Patienten vor und nach Organtransplantation helfen. t k a t n o K ZA Gerhard Schmalz Priv.-Doz. Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc. Universitätsklinikum Leipzig AöR Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Liebigstraße 10–14, 04103 Leipzig gerhard.schmalz@medizin.uni-leipzig.de dirk.ziebolz@medizin.uni-leipzig.de 44 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
Grundlagen Prophylaxe Parodontologie/Periimplantitis Marktübersichten Prophylaxemarkt Kariesdiagnostik-Geräte Parodontitis- und Periimplantitistest Elektrische Zahnbürsten Mundduschen Kombinationsgeräte Pulver-Wasserstrahl/Ultraschall Anbieter von A bis Z
Dr. Lisa Hierse [Infos zur Autorin] Dr. Moritz Kebschull [Infos zum Autor] PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) zeigt eine deutliche Abnahme der Prävalenz schwerer Parodontitis. Trotz der positiven Entwicklung bei der parodontalen Gesundheit bleibt, nach Bewertung der DG PARO, eine hohe Behandlungs- last in Deutschland von über elf Millionen parodontal schwer Erkrankten. Diese Zahl verdeutlicht, dass parodontale Erkrankun- gen durch regelmäßige Screenings als solche möglichst frühzeitig identifiziert und behandelt werden müssen. Der folgende Artikel erläutert angeratene diagnostische Maßnahmen und zu doku- mentierende Befunde, um da raus die entsprechenden therapeu- tischen Schritte einzuleiten. Parodontale Diagnostik Sind Sonde und Röntgenbild obsolet? Dr. med. dent. Lisa Hierse, Priv.-Doz. Dr. med. dent. Moritz Kebschull Die parodontale Diagnostik beginnt bereits mit der allgemeinen Anam- nese. Hier sollte ein besonderes Au- genmerk auf Allgemeinerkrankungen gelegt werden, die einen Einfluss auf parodontale Erkrankungen nehmen. So können systemische Erkrankungen, wie der Diabetes mellitus, bei dem auch eine bidirek tionale Wirkung bestätigt wurde (Engebretson und Kocher 2013), kardiovaskuläre Erkrankungen, Blut - erkrankungen, genetische Erkrankun- gen, Infektions erkrankungen sowie hormonelle Einflüsse die parodontale Gesundheit be einträchtigen. Weiterhin spielt das Raucherverhalten eines Pati- enten eine Rolle. Bei Rauchern ist im Ver- gleich zu Nichtrauchern in Abhängigkeit vom Ausmaß des Rauchens das Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken, um das Sechsfache erhöht (Tomar und Asma 2000). Zudem sprechen Rau cher schlechter auf die Parodontitis therapie an (Tonetti 1998). Daher sollte jedem Patienten die Teilnahme an einem Raucherentwöhnungsprogramm emp- fohlen werden. Auch andere Fak toren wie Stress oder Alkoholabusus kön- nen sich negativ auf die parodon tale Gesundheit auswirken. In der spe- ziellen Anamnese wird auf die sub - jektiven Beschwerden des Patienten wie Mundgeruch, Zahnfleischbluten, Code 0 Code 1 schwarzes Band bleibt vollständig sichtbar keine Blutung auf Sondierung kein Zahnstein, keine Plaque Blutung auf Sondierung kein Zahnstein, keine Plaque keine defekten oder überstehenden Restaurationsränder keine defekten oder überstehenden Restaurationsränder defekte oder überstehende Restaurationsränder defekte oder überstehende Restaurationsränder möglich defekte oder überstehende Restaurationsränder möglich Klinische Abnormitäten (z.B. Furkationsbeteiligung, mukogingivale Probleme, Zahnbeweglichkeit etc.) werden mit einem Stern (*) gekennzeichnet. Tab. 1: Codes des Parodontalen Screening Index (PSI). 46 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017
Attachmentstatus 18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS l r ä u b i t s e v OK l a n i t a a p l l a u g n i l UK l r ä u b i t s e v Datum Patientenname Geburtsdatum Sondierung in mm (schwarz) Sondierungsblutung (schwarzer Punkt) Pus (schwarzer Kreis) Furkationsgrade (schwarz) Verblockung (schwarz) Gingivaverlauf (rote Linie) Attachmentverlauf (schwarze Linie) 5 3 3 6 9 6 V I I II II III III Abb. 1a (oben) und b (rechts): Beispiel für ein konventionelles Formblatt und einen digitalen Attachmentstatus (ParoStatus.de, Berlin). Zahnlockerung, Zahnwanderung oder Schmerzen eingegangen. Weiterhin wird der Patient über vorherige Paro- dontitistherapien und parodon tale Nachsorgebehandlungen befragt. Diese Informationen fließen später in die Prognoseeinschätzung mit ein. Parodontaler Screening Index Im Rahmen der regulären zahnärzt- lichen Kontrolle ist der Parodontale Screening Index (PSI) eine schnelle, ein- fache und effektive Methode, um eine parodontale Behandlungsbedürftigkeit zu identifizieren (Tab. 1). Bei dem ge- setzlich versicherten Patienten kann der PSI nur alle zwei Jahre abgerech net werden. Dennoch ist es empfehlens- wert, bei Patientengruppen mit einem erhöhten Risiko für parodontale Er- krankungen diesen Schnelltest häu figer durchzuführen und bei Auffällig keiten die entsprechenden weiterführenden diagnostischen und therapeu tischen Schritte einzuleiten. Als dia gnostisches Mittel zur Überprüfung des parodonta- 48 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 47
PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS Abb. 2a Abb. 2b Abb. 3 Abb. 2a und b: Parodontalsonden mit unterschiedlichen Skalierungen. – Abb. 3: Geschwungene Furkationssonde. len Behandlunsgerfolgs oder während der unterstützenden Parodontitisthera- pie ist der PSI ungeeignet und ersetzt nicht die Erhebung eines vollständigen Attachmentstatus. Attachmentstatus Sollten beim PSI die Codes 3 oder 4 gemessen werden, erfolgt die Auf- nahme eines kompletten Attachment- status. Hier werden die wichtigsten parodontalen Befunde dokumentiert. Dies sollte sorgsam durchgeführt wer- den, da sich nur so der Verlauf einer Parodontitis hinsichtlich des Therapie- erfolgs sowie rekurrierender Bereiche bei der unterstützenden Parodontitis- therapie identifizieren lässt. Die erho- benen Daten werden in ein Formblatt oder in digitale Befundbögen, die eine spezielle Software voraussetzen, ein- getragen (Abb. 1a und b). Dies ermög- licht, das Attachmentlevel vor und nach der Therapie sowie im Laufe der unter- stützenden Parodontitistherapie mitein- ander zu vergleichen und rekurrierende Problemstellen leichter ausfindig zu machen. Wesentliche klinische Parameter beim Attachmentstatus sind die Sondie- rungstiefen als Distanz zwischen der marginalen Gingiva und dem Taschen- boden sowie Rezessionen als Abstand zwischen der Schmelz-Zement-Grenze bzw. bei überkronten Zähnen dem Restaurationsrand und der marginalen Gingiva. Optimalerweise werden beide Para- meter an sechs Messstellen pro Zahn erhoben und ergeben zusammen den klinischen Attachmentverlust parodon- tal erkrankter Zähne. Der Behandlungs- bedarf lässt sich durch die erhöhten Sondierungswerte und die Prognose der Zähne durch das verbleibende Restattachment abschätzen. Daher ist es nach wie vor unerlässlich, die Son- dierungstiefen und Rezessionen exakt zu bestimmen. Die Sondierung sollte mit einer starren Metallsonde erfolgen (Abb. 2a und b). Das Sondierungsergebnis ist abhängig von der Breite der Sonde (empfohlen wird ein Durchmesser von 0,6 mm), der Sondierungskraft (0,5 N/cm2) (Gar- nick und Silverstein 2000) und der korrekten Einschubrichtung der Sonde entlang der Zahnachse unter ständi- gem Zahnkontakt. Vor dem Son dieren ist es sinnvoll, sich einen Überblick über die Zahnanatomie und eventuelle sub- gingivale Konkremente zu machen, um Fehlsondierungswerte zu vermeiden. Die Dokumentation der Blutungs- punkte auf Sondierung (BOP, Bleeding Grad 0 keine Furkation messbar Grad I die Furkation ist mit der Sonde in horizontaler Richtung bis 3 mm sondierbar Grad II die Furkation ist über 3 mm tief sondierbar, allerdings noch nicht komplett durchgängig Grad III die Furkation ist durchgängig sondierbar Tab. 2: Klassifikation der Furkationsgrade nach Hamp. 48 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 on Probing) (Lang, Adler et al. 1990) ist ein wichtiger Bestandteil des vollstän- digen Attachmentstatus. Die Blutung sollte 30 Sekunden nach dem Sondie- ren festgehalten werden. Blutung auf Sondierung ist ein wichtiger klinischer Parameter, da er als ein Maß für die Entzündungsaktivität einer parodonta- len Tasche am Taschenboden dient und ein wichtiger prognostischer Faktor ist. Der BOP besitzt eine hohe Spezifität (im gesunden parodontalen Zustand ist keine Blutung nachweisbar) und eine relativ geringe Sensitivität. Die- ser Aspekt ist besonders im Rahmen der unterstützenden Parodontitisthe- rapie zu beachten, da das Ausbleiben einer Sondierungsblutung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine stabile Situation hindeutet. Ein positiver BOP scheint allerdings ein unzuverlässiger Prädiktor für weiteren Attachmentver- lust zu sein (Lang, Adler et al. 1990; Renvert und Persson 2002). Bei Rau- chern muss bezüglich des Ausbleibens der Sondierungsblutung besonders acht gegeben werden. Durch die bei Rauchern verschlechterte periphere Mikrozirkulation kann trotz entzündli- cher Prozesse am Taschenboden eine Sondierungsblutung ausbleiben. Bei einer fortgeschrittenen Parodontitis ist meist der interradikuläre Knochen mehrwurzeliger Zähne abgebaut. Daher ist die Messung der Furkationsbeteili- gung ebenfalls ein Bestandteil des Attachmentstatus. Je nach Wurzelkon- figuration und Zahnstellung kann der Furka tionsbereich für die Sondierung schwer zugänglich sein. Um dem ge- krümmten Verlauf der Furkation fol- gen zu können, wird eine gebogene Sonde verwendet (Abb. 3). Die Ein- teilung der Furkationsbeteiligung glie-
Grad 0 keine Lockerung spür- oder messbar I E G E Z N A DVDs MOVIE HELFEN, UP TO DATE ZU BLEIBEN! JETZT BESTELLEN! BESTELLUNG AUCH ONLINE MÖGLICH 99,– % pro DVD zzgl. MwSt. und Versandkosten Grad I die Zahnkrone ist bis 1 mm auslenkbar Entsiegelte Ware ist vom Umtausch ausgeschlossen! Grad II die Zahnkrone ist mehr als 1 mm auslenkbar Bitte DVDs auswählen!  www.oemus-shop.de Grad III Zahn ist auf Lippen- und Zungendruck und/oder in axialer Richtung beweglich Tab. 3: Einteilung der Zahnmobilität. dert sich in vier Grade (Hamp, Nyman et al. 1975) (Tab. 2). Weiterhin ist die Mobilität der Zähne zu testen und in vier Grade einzuteilen (Tab. 3). Eine Zahnlockerung kann Ausdruck eines stark vorangeschrit- tenen Attachmentverlustes sein, aber auch durch funktionelle Überbelastung ver ursacht werden. Dies sollte mithilfe des funktionellen Befundes überprüft werden. Die funktionelle Untersuchung ist von Bedeutung, da bekannt ist, dass Zähne mit okklusalen Diskrepanzen ini- tial höhere Sondierungstiefen aufwei- sen (Nunn und Harrel 2001) und unbe- handelt die Progression einer Parodon- titis gefördert wird (Harrel und Nunn 2001). Entgegen anderslautenden his- torischen Annahmen ist eine Malokklu- sion allein aber kein auslösender Faktor für parodontale Läsionen (Glickman 1963). Zusätzlich werden im Attach- mentstatus die Zahnlockerungen und eventueller Pusaustritt eingetragen. Röntgenbefunde Ein wichtiges diagnostisches Mittel stellt nach wie vor neben den klinischen Befunden der Röntgenbefund dar. Um das knöcherne Attachment beurteilen zu können, sind aktuelle Röntgenbil - der nötig. Hierbei ist ein Orthopanto- mogramm nur bedingt aussagekräftig. Durch technisch bedingte Unschärfe und Überlagerungen vor allem im Frontzahnbereich ist das Knochen- niveau nicht immer eindeutig erkenn- bar. Daher kann das Orthopanto- mogramm mit zusätzlichen Zahnfilmen ergänzt oder grundsätzlich ein Rönt- genstatus mit Zahnfilmen in Parallel- technik angefertigt werden. Beurteilt wird der prozentuale Knochenabbau, gemessen als Distanz zwischen der Schmelz-Zement-Grenze bzw. den Res- taurationsrändern und dem Limbus alveolaris. Eine korrespondierende pa- rodontale Tasche ist bei einem gleich- mäßigen horizontalen Knochenabbau als supraalveolär zu bezeichnen. Weiterhin können vertikale Knochen- einbrüche gut analysiert werden. Hier erfolgt die Messung von der Schmelz- Zement-Grenze bis zum Boden des intraossären Defektes, also dem Bereich, an dem der Defekt in den Parodontalspalt übergeht. Eine paro- dontale Tasche bezeichnet man hier als intra alveolär. Oftmals lässt sich bereits röntgenologisch anhand der Radiotrans luzenz feststellen, ob ein einwandiger oder mehrwandiger Kno- chendefekt vorliegt. An mehrwurzeli- gen Zähnen kann der interradikuläre Knochenabbau beurteilt werden, was klinisch häufig schwierig ist. Hier kann gegebenenfalls zusätzlich eine exzen- trische Aufnahme angefertigt werden. Von diagnostischem Wert ist hierbei das Vorhandensein des sogenannten Furcation Arrow, einer dreieckigen radiologischen Struktur inter- radikulären Bereich, als ein Indikator für das Vorhandensein einer Furka - tions beteiligung des Grades II oder III (Abb. 4). Zum zusätzlichen Informationsgewinn bezüglich der Defektkonfiguration kann die Anfertigung eines digitalen Volu- mentomogramms in Betracht gezogen werden. Besonders bei furkationsbefal- lenen Zähnen kann die dreidimensionale Darstellung des interradikulären Kno- chens ziemlich exakt dargestellt werden (Walter, Weiger et al. 2010). Allerdings sollte dabei die zusätzliche Strahlen- belastung der Patienten berücksichtigt werden. Daher kann die Anfertigung eines digitalen Volumentomogramms im Implantologische Chirurgie von A – Z Anzahl: Endodontie praxisnah Basics Advanced Sinuslift und Sinuslift- techniken von A – Z Anzahl: Unterspritzungs- techniken Anzahl: Anzahl: Chirurgische Aspekte der rot-weißen Ästhetik Anzahl: Minimalinvasive Augmentations- techniken – Sinuslift, Sinus- lifttechniken Anzahl: Biologische Zahnheilkunde Anzahl: Veneers A–Z Anzahl: Faxantwort an 0341 48474-290 Name / Vorname Straße / Hausnummer PLZ / Ort Telefon / E-Mail Unterschrift Praxisstempel / Rechnungsadresse 7 1 0 2 H M P B J Holbeinstraße 29 · 04229 Leipzig · Tel.: 0341 48474-201 · grasse@oemus-media.de O EM U S M E D I A A G
PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS zur ausschließlichen parodontalen Dia- gnostik nicht uneingeschränkt empfoh- len werden. Wenn durch die spezielle Anamnese bekannt wurde, dass der Patient bereits zuvor in parodontaler Behandlung war, ist es sinnvoll, alte Befunde und Rönt- genbilder zur Einschätzung der Krank- heitsprogression anzufordern. Weiterführende diagnostische Mittel Zusätzlich gibt es eine Vielzahl wei ter- führender diagnostischer Tests, welche die klinische Diagnostik ergänzen. Diese Tests analysieren die Ausschüttung von Entzündungsmolekülen, geneti- sche Besonderheiten des Patienten oder bestimmen das vorherrschende bakterielle Spektrum. Allerdings ist die Durchführung dieser Tests nicht zwangsläufig von zusätzlichem Nut- zen oder be wirkt eine therapeutische Kon sequenz. Nach wie vor ist die paro- dontale Sonde und die Anfertigung von Röntgenbildern der Standard in der parodontalen Dia gnostik. Auf dieser Basis kann eine sorgfältige Interpre- tation der Befunde und die dement- sprechende Therapieplanung erfolgen. Mitte der 1990er-Jahre wurden gene- tische Tests populär, allen voran der Interleukin-1-(IL-1-)Test, um das Pa- rodontitisrisiko vorherzusagen. Als Hintergrund wurde vermutet, dass es aufgrund des Polymorphismus infolge Abb. 4: Furcation Arrow als diagnostisches Mittel, dreieckige Struktur im interradikulären Bereich. 50 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 der Infektion mit parodontalen Bak- terien zu einer überschießenden Pro- duktion dieses Entzündungsmoleküls kommt und im Folgenden der parodon- tale Knochen vermehrt abgebaut wird. Aller dings konnte in aktuelleren Studien eine Assoziation eines Polymorphismus im IL-1-Gen (oder anderer postulierter Kandidatengene) mit der aggressiven Parodontitis nicht bestätigt werden (Fiebig, Jepsen et al. 2008; Schaefer, Bochenek et al. 2013). Das Vorliegen spezieller genetischer Risikofaktoren beeinflusst zwar nicht das therapeu- tische Vorgehen, kann allerdings eine Auswirkung auf das Nachsorgeintervall ausüben. Mit weiteren diagnostischen Testver- fahren kann chairside der aktuelle Entzündungsstatus einer Zahnfleisch- tasche bestimmt werden. Dies kann beispielsweise über die Sulkusflüs- sigkeitsfließrate erfolgen, bei der die Menge an Sulkusflüssigkeit mit ei nem Filterpapierstreifen innerhalb einer Zeit- einheit bestimmt und mithilfe eines spe- ziellen Messgeräts (Periotron, Oraflow, New York, USA) ausgewertet wird. Die Menge an produzierter Sulkus- flüssigkeit nimmt mit dem Schweregrad der parodontalen Entzündung zu. Weiterhin können Kollagenasen, wie die Matrix-Metalloproteinase-8 (MMP-8), die beim entzündlichen Abbau paro- dontaler Strukturen freigesetzt wer- den, nachgewiesen werden. Ein ELISA- basierter Schnelltest ist kommerziell erhältlich, allerdings nur unzureichend wissenschaftlich belegt. Der Mehrwert der erlangten Informationen ist kritisch zu betrachten. Schließlich ist ein akti - ver Entzündungsstatus klinisch simpel durch Blutung und Taschenbildung er- kennbar (Meisel und Eickholz 2015). Die sicherlich am häufigsten durch- geführte weiterführende Diagnostik stellt die mikrobiologische Analyse der subgingivalen Bakterienbesiedlung dar. Hierbei werden Proben der subgingi- valen Plaque entnommen und diese durch molekularbiologische Methoden, wie die Polymerase-Kettenreaktion oder DNA-Sonden, analysiert. Selte- ner erfolgt die Bakterienidentifikation durch Kultivierungsverfahren. Der the- rapeutische Mehrwert einer solchen Keimbestimmung ist jedoch zu hinter- fragen (Fernandez y Mostajo, Zaura et al. 2011). So wird beispielsweise eine adjuvante systemische Antibiose bei schwerer chronischer oder aggressiver Parodontitis empfohlen, unabhän- gig vom nachgewiesenen Bakterien- spektrum. Der Wirkstoffcocktail aus Metronidazol und Amoxicillin hat sich hierbei am besten zur Reduktion der Taschentiefen bewährt (Sgolastra, Petrucci et al. 2012; Keestra, Grosjean et al. 2015; Keestra, Grosjean et al. 2015; Zandbergen, Slot et al. 2016). Interessanterweise ist die Wirkstoff- kombination unabhängig vom subgin- givalen Keimspektrum effektiv (Cionca, Giannopoulou et al. 2010; Mombelli, Cionca et al. 2013). Jedoch kann die mikrobiologische Testung im Einzelfall zur Bestätigung des klinischen Befun- des oder zur Verlaufskontrolle durchge- führt werden. Literatur t k a t n o K Dr. med. dent. Lisa Hierse DG PARO-Spezialistin für Parodontologie® Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis Dres. Hierse Ernst-Reuter-Allee 28 39104 Magdeburg mail@dr-hierse.de Priv.-Doz. Dr. med. dent. Moritz Kebschull Fachzahnarzt für Parodontologie, DG PARO-Spezialist für Parodontologie® Poliklinik für Parodontologie, Zahn- erhaltung und Präventive Zahnheilkunde Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Universitätsklinikum Bonn Welschnonnenstraße 17 53111 Bonn Moritz.Kebschull@ukb.uni-bonn.de
PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS Dr. Christian Graetz Literatur [Infos zum Autor] Die Behandlung von Patienten mit aggressiver (AgP) oder schwe- rer chronischer Parodontitis (CP) stellt für das Praxisteam eine therapeutische He rausforderung dar. Häufig wird Zähnen mit fortgeschrittenem Attachmentverlust bei AgP erst gar keine Chance gegeben und sie werden frühzeitig extra hiert. Oder es wird wiederholt versucht, rekurrierende akute parodontale Entzündungen mit lokalen Maßnahmen „in den Griff zu bekom- men“. Der Erfolg ist meist nur vorübergehend und die Behandlung endet später ebenfalls mit der Extraktion. Ohne ein geeignetes Behandlungskonzept bleibt, unabhängig von der Diagnose, ein langfristiger Therapieerfolg bei AgP und CP aus. Aggressive und chronische Parodontitis Priv.-Doz. Dr. Christian Graetz, Anna Plaumann, Konstantin Gomer, Dr. Maren Kahl, Dr. Claudia Springer, Dr. Sonja Sälzer, Prof. Dr. Christof E. Dörfer Parodontitisprävalenz und zahnärztliche Prävention Die chronische Parodontitis ist eine der weltweit häufigsten chronischen Ent- zündungserkrankungen (Kassebaum et al. 2014), wobei das Erkrankungs- risiko mit dem Alter zunimmt und für Deutschland im Seniorenalter eine Prävalenz von über 70 % angegeben wird (Holtfreter et al. 2009). Die AgP hin gegen betrifft häufiger jüngere Pa- tienten und die Prävalenz liegt in Eu- ropa bei 0,1 bis 0,3 % (Sa xen 1980, Saxby 1987). Bei Patienten mit afrikani- scher Abstammung berichten Autoren aber von deutlich höheren Prävalenzra- ten von bis zu 2,5 % (Susin et al. 2014). Setzt man als allgemeinen Konsens vo- raus, dass das Ziel der zahnärztlichen Prävention ein Langzeiterhalt der natür- lichen Bezahnung in einem gesunden, funktionellen, schmerzfreien und äs- thetischen Zustand ist (Schweizerische Zahnärzte -Gesellschaft 2000), ergibt sich die Frage, warum eine frühzei tige adäquate Behandlung der Parodontitis häufig ausbleibt. Lässt sich dies pauschal mit unter- schiedlichen Erwartungen an die paro- dontale Erhaltungsfähigkeit von Zähnen erklären? Zweifellos kann nach dem Verlust strategisch wichtiger Zähne in Folge einer Parodontitis die Kaufähig- keit nur durch prothe tische und/oder teils aufwendige implantatchirurgische Maßnah men wiederhergestellt werden. Häufig führen diese dann aber infolge biologischer oder tech nischer Kompli- kationen zu weiteren Zahnverlusten und pro thetischen Reparaturen und verursachen demzufolge hohe Folge- kosten (Laurell et al. 1991, Pjet ursson et al. 2004, Schmidlin et al. 2010, Bragger et al. 2011, Schwendicke et al. 2014, Schwendicke et al. 2016). Früherkennung und präventive Behandlung der Parodontitis Primäres Ziel muss deshalb ein früh- zeitiger Therapiebeginn sein, denn beginnende parodontale Er krankungen erfordern einen geringeren Therapie- aufwand als fortgeschrittene und verursachen damit niedrigere Kosten. Auch wenn die während der letzten Jahrzehnte sinkende Anzahl von feh- lenden Zähnen im Erwachsenenalter ermutigend ist (Micheelis und Bauch 1999, Micheelis und Schiffner 2006), scheint es dennoch nach wie vor ein er hebliches Verbesserungspotenzial zu geben. Studienergebnisse aus Skandi- navien dokumentieren, dass mithilfe ei- ner frühzei tigen präventiven Betreuung der Patienten erfolgreiche Zahnerhalte über 65 Jahre möglich sind (Schätzle et al. 2004). So fehlen den Senioren im direkten Vergleich mit der gleichen Altersgruppe in Deutschland nur halb so viele Zähne (König et al. 2010). Zusammengefasst hat in Skandina- vien die Prävalenz der Parodontitis bei gleichzeitig besserer Mundhygiene und steigender Anzahl an erhaltenen Zäh- nen abgenommen (Skudutyte-Rysstad et al. 2007, Hugoson et al. 2008). Eine wesentliche Rolle bei der Frage des Zahnerhaltes spielt die Prognose des weiteren Erkrankungsverlaufs. Da- bei spielt das Ausmaß der Destruktion zu Beginn der Behandlung über weite Strecken nur eine unter geordnete Rolle. Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 51
PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS Sie bedingt den Aufwand der Therapie, aber nicht notwendigerweise ihren Ausgang. Erst während des Verlaufs der unterstützenden Parodontitisthera- pie (UPT) nach erfolgreichem Abschluss der ak tiven Therapiephase kann eine zuverlässige prognostische Einschät- zung der Erhaltungsmöglichkeiten im Rahmen einer Reevaluation erfolgen. Dadurch können auch im parodontal kompromittierten Gebiss hohe Überle- bensraten nachfolgender prothetischer Versorgungen erreicht werden (Graetz et al. 2013b). Allerdings ist nicht nur die Mundhygiene relevant. Interaktionen der Parodontitis mit anderen Erkrankun- gen, wie beispielsweise Diabetes melli- tus, beeinflussen die Prävalenz und den Schweregrad der parodontalen Entzün- dung (Taylor et al. 1996 Khader et al. 2006, Pre shaw et al. 2012) ebenso wie das Rauchen (Chambrone et al. 2010) und können somit weitere Zahnverluste bedingen (Faggion et al. 2007). Um auch in Deutschland zu einem (mehr) präventiven Behandlungskon- zept zu finden, sollten erste Anzeichen parodontaler Veränderungen durch ein parodontales Screening frühzei- tig erkannt werden. Insbesondere die klinische Dia gnostik mit der parodon- talen Sonde stellt hier eine wirksame Methode dar. Eine aktuelle Übersichts- arbeit beschreibt eindeu tig, dass Paro- dontitis keine „leise“ Erkrankung ist, d. h. nicht ohne klinische Anzeichen verläuft (Buset et al. 2016). Ein zeit- sparendes und effektives Mittel zur Früherkennung ist der Parodontale Screening Index (PSI), dessen Ergeb- nis auf einen bestimmten Grad der Behandlungsbedürftigkeit hinweist. Auch wenn nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) der PSI nur alle zwei Jahre abge rechnet werden darf, sollte dieser Schnelltest insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Risiko für parodontale Erkrankungen häufiger durchgeführt werden. Allerdings ist zu beachten, dass es sich beim PSI tatsächlich um ein Screening handelt. Schlägt er an, ist eine umfassende paro dontale Diagnostik erforderlich. Erst durch sie kann die Diagnose einer Paro dontitis gestellt werden. Daraus er- gibt sich auch, dass der PSI ungeeignet zur Feststellung des Erkrankungszu- standes bzw. zur Verlaufs beobachtung und Erkennung von Rezidiven bei Pa- tienten ist (Eickholz 2010a), bei denen bereits eine parodontale Erkrankung festgestellt wurde oder die sich in der UPT befinden. In diesem Falle muss eine vollständige parodontale Diagnos- tik erfolgen (Eickholz 2007a). Zusätzliches diagnostisches Hilfs mittel können Röntgenbilder sein. Selbst Biss- flügelaufnahmen, die im Zuge einer Karies diagnostik bei jungen Patienten von Zeit zu Zeit angefertigt werden, können eine beginnende AgP bereits frühzeitig aufdecken (Cogen et al. 1992, Sjodin et al. 1993). Gerade für eine solch lokalisierte Erkrankungs- form, bei welcher häufig die Inzisiven und ersten Molaren zuerst betroffen sind (Lang et al. 1999), sollte grund- sätzlich eine Beurteilung des Verlaufs des Limbus alveolaris erfolgen. Neben einer familiären Häufung der Paro- dontalerkrankung und ein außer der Parodontitis klinisch gesunder Patient gilt insbesondere das rasche Voran- schreiten der parodontalen Destruktion als primäres Kennzeichen der AgP (Armitage 1999, Lang et al. 1999). Diese drei Hauptmerk male wirken ins- gesamt leicht beurteilbar, jedoch kann beispielsweise bereits die Definition „schnelle Progression“ Fragen aufwer- fen. Fort geschrittene Destruktionen bei Jugend lichen und jungen Erwach- 52 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 m o c . k c o t s r e t t u h S / c e v o k i l z ©
PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS senen bis 20 Jahre lassen auf eine rasche Progression schließen, wenn man annimmt, dass die Erkrankung in der Pubertät begann. Aber wie be- wertet man die Situation bei einem 40-Jährigen? Hat die Destruktion im Alter von 20 Jahren begonnen, so kann man eine langsame Progression annehmen und es handelt sich eher um eine schwere CP. Dagegen könnte die Erkrankung auch erst einige Jahre zuvor begonnen haben und damit sehr rasch verlaufen sein. gen mehrerer ungüns tiger Faktoren ist der zusätz liche Nutzen einer unterstüt- zenden syste mischen Antibiose neben der reinen mechanischen The rapie fraglich (Harks et al. 2015). Kurzfristig kann aber gerade der adjuvante syste- mische Einsatz von Antibiotika bessere klinische Erfolge in Kombina tion mit geschlos senem Vorgehen ergeben und das Ausmaß parodontalchirurgischer Maßnahmen dadurch ggf. verringern (Mestnik et al. 2010, Mombelli et al. 2011). Aktive Parodontitis therapie im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium Reevaluation der aktiven Parodontitistherapiephase Grundsätzlich gibt es in Abhän gigkeit der beiden Diag nosen „aggressive“ oder „chronische Parodontitis“ keine Unterschiede im Therapieansatz, was anhand eines stufenartigen Therapie- schemas der Klinik für Zahn erhaltung und Parodon tologie in Kiel erläutert werden soll. Hierbei erfolgen in der Hygiene phase eine indi vi duelle Instruk- tion und Moti va tion des Pa tienten zur Mund hy giene mit einem Schwerpunkt auf der In terdentalraum pflege sowie pro fessionelle Zahnreinigungen (PZR). Die antiinfek tiöse Parodontitis therapie umfasst ein nichtchirur gisches Debri- dement der Wur zelober flächen aller erkrankten, erhaltungsfähigen Zähne mit Sondierungstiefen (ST) ≥ 4 mm. Bei sehr schweren Verlaufsformen der AgP und CP kann die mechanische anti- infektiöse Therapie mit einer unterstüt- zenden sys temischen Anti biose kom- biniert werden. In der Regel kann aber auch bei AgP und schwerer CP zuerst rein mechanisch anti infektiös, entspre- chend des Kon zeptes der Universität Göteborg, behandelt werden (Schaller 2016). Bei mangelndem The rapieerfolg der mechanischen Behandlung bzw. ei- nem Fortschreiten der Parodontitis trotz adäquater Therapie wird grundsätzlich eine erneute gründ liche Ana lyse der Risikofak toren, wie z. B. Rauchen, hohe Plaque-Scores oder Blutzuckerspie- gel, vor genommen und in einem Pa- tientengespräch dis kutiert, um ggf. auf das Patientenverhalten noch intensiver einzuwirken. Insbesondere bei Vorlie- Optional können zwischen antiin- fektiöser Therapie und Re evaluation Kontrolltermine zur Überwachung der häuslichen Mundhygiene und PZR ver- einbart werden. Drei Monate nach ge- schlossener Therapie schließt sich eine erste Reevaluation an. Zähne mit ver- bleibenden, gut zugänglichen Taschen von ≥ 5 mm Sondierungstiefe (ST) z. B. an einwurzeligen Zähnen können ggf. erneut subgingival gereinigt werden. An Lokalisationen, die bei der ersten Reevalua tion Grenz werte von 6 mm mit fehlenden Entzündungszeichen aufweisen, initial aber sehr hohe ST zeigten, kann der Therapieentscheid zum offenen parodontalchirurgischem Vorgehen auch länger herausgezögert werden (Schlagenhauf 2013). Hinge- gen un verändert tiefe Taschen bzw. Taschen mit Entzündungszeichen an schwer zugänglichen Stellen wie Furka tionen oder unterminierenden infraalveo lären Defekten werden ei- ner offenen Pa rodontalbehandlung zugeführt. In der korrektiven Phase können dann bei Bedarf zusätzlich zu einer offenen Therapie regenerative oder resek tive Verfahren zur Therapie von geeig neten Knochentaschen und / oder mehrwurzeligen Zähnen Anwen- dung finden. Je nach Ausmaß der parodontalen De - struktionen, der Höhe der initialen ST und Art der gewählten Behandlungs- maßnahmen kann die parodontale Heilung unterschiedlich lange Zeit in Anspruch nehmen. Bei mäßig tiefen Taschen und gleichförmigem Knochen- abbau können die parodontalen Ge- webe bereits nach wenigen Monaten ausgeheilt sein. Bei ausgedehnten infra- alveolären Defekten dagegen kann die knöcherne Ausheilung auch über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus andauern. Deshalb sollte eine prothe- tische Rehabilitation nach abschlie- ßender Reevalua tion frühestens circa drei bis zwölf Monate nach aktiver Pa- rodontitistherapie geplant und umge- setzt werden. Unabhängig davon muss während des Hei lungs verlaufs eine regelmä ßige Überwachung der Mund- hygiene in dreimonatigen Abständen gewährleistet werden. Gerade bei Fällen mit generalisiertem, weit fortgeschritte- nem Attachmentverlust wird möglichst das Konzept der geschlossenen Zahn - reihe angestrebt, um prothetischen Behandlungsbedarf zu vermeiden. Molaren mit fort geschrittenem Furka- tionsbefall und verbleibenden hohen ST, die der Mund hygiene unzugänglich sind, kön nen bei ana tomisch günstigen Vorausset zungen durch Radektomie häufig in einen paro dontal stabi leren Zustand überführt wer den (Eickholz 2010b). Ziel ist es, entwe der bereits vor han denen Zahn ersatz damit zu sta- bilisieren (Abb. 1c), oder eine verkürzte Zahn reihe bzw. Folge extrak tionen aufgrund ungenügender Pfeiler qualität der Nachbarzähne zu verhindern. Inhalte und Struktur der unterstützenden Parodontitis- therapiephase (UPT) Nur die regelmäßige Teilnahme an einer systematischen UPT kann den Langzeit- erfolg jeg licher parodontalen Therapie sichern (Axelsson und Lindhe 1981, König et al. 2001). Das in dividuelle Recallintervall sollte erstmalig nach ab- schließender Reevaluation der aktiven Behandlungsphase festgelegt werden und kann zwischen drei und zwölf Monaten variieren. Zu den Inhalten der Nachsorgesitzungen gehören neben der Erfassung des gingivalen Entzündungs- zustandes (z. B. Bluten auf Sondieren – BOP), der Effektivität der häus lichen Mundhygiene (z. B. Plaque -Controll- Record – PCR) mit anschließender Mund hygieneinstruktion (Schwerpunkt Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 53
PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c Abb. 1a: 06/1991: Männlicher 43-jähriger Patient, Raucher, schwere generalisierte chronische Paro- dontitis. – Abb. 1b: 06/2007: 16 Jahre nach aktiver Parodontitistherapie, regelmäßiger halbjährlicher UPT mit zwei Zahnverlusten (17 [1996] und 47 [2000]) sowie der Notwendigkeit zur lokalen Rezidiv- behandlung mit Extraktion 14, 24 und 25 und folgendem prothetischem Ersatz dieser Zähne durch festsitzende Brücken. – Abb. 1c: 10/2015: 24 Jahre nach APT; eine Behandlung von lokalen Rezidiven in Regio 36 (Wurzelamputation) und 16 (Extraktion nach erfolgloser Behandlung einer Endo-Paro- Läsion mit apikaler Aufhellung) führte zur verkürzten Zahnreihe im Oberkiefer rechts. Zahn 38 wurde ebenso aufgrund einer fortgeschrittenen Karies ein Jahr zuvor entfernt. subgingivaler Interdentalraumpflege) auch eine scho- nende, auf die Entfernung des Biofilms zielende professionelle Zahnreinigung mit Instrumentierung der Wurzel oberflächen bei ST ≥ 4 mm mit BOP und/oder ≥ 5 mm ohne BOP. Abschließend erfolgt die Politur aller Glattflächen (z. B. Napf/Paste) und in- terdental (z. B. mit EVA-System/Spirex). Alternativ kann heute das reine Biofilm- management auch mit niedrig abrasiven Pulvern und einem entsprechenden Pulver- Wasser-Strahl gerät erfolgen, was zeitsparend, zahnhartsubstanz- schonender und compliance fördernd zu sein scheint (Sculean et al. 2013, Bas- tendorf 2015). Abschließend werden alle freiliegenden Wurzeloberflächen fluo ridiert. Mindestens einmal im Jahr erfolgt die Erhebung des Zahn status ein schließlich der ST, besser noch des Attachment- levels und der Furkationsbetei ligung. Zahnflächen mit erhöhtem Risiko zu fortschreitenden Destruk tionen sollten aber häufiger kontrolliert werden! Nur 54 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 so kann gewähr leistet werden, dass Re- zidive frühzeitig erkannt und adäquate therapeu tische Maß nahmen eingelei- tet werden. Wiederkehrende Entzün- dungen können mit therapeutischen Maßnahmen wie der alleini gen In - strumentierung oder in Kombination mit lokaler bzw. sys temischer Applika- tion von Antibiotika und/oder parodon- talchirurgischen Ein griffen behandelt werden. Eine regelmäßige Risikobeur- teilung zur Vermeidung einer Progres- sion und folgender Zahnverluste hilft bei der Strukturierung der UPT. Ein va- lides Mittel sowohl für die AgP als auch die CP stellt die Risikoprofilanalyse nach Lang und Tonetti (2003) dar. Diese Sys- teme können aber nie zu 100 Prozent sicher sein (Eickholz 2007b), da es im- mer noch unbekannte oder nicht voll- ständig verstandene Variablen wie z. B. psychosoziale Einflüsse (Graetz et al. 2013a) in der Ätio logie und Patho- genese der Parodontitis gibt. Trotzdem helfen diese Analysen, Pa tienten mit hohem Behandlungsbedarf von denen mit niedrigem Be hand lungsbedarf zu unterscheiden und damit Behandlungs- zeiten in der Praxis sinnvoll zu planen. Chancen und Grenzen der Parodontitistherapie Unabhängig von der Diagnose „chroni- sche“ oder „aggressive Parodontitis“ – gute Erfolg s aussichten bestehen bei konse quenter Therapie und Nach- sorge für beide Erkrankungsformen. Durch eine lebenslange und individuell angepasste Kontrolle des dentalen Bio- films ist es möglich, den parodontalen Zustand zu stabilisieren bzw. zumin- dest die Progression der Erkrankung deutlich zu verzögern (Abb. 1 und 2). Somit ist in den meisten Fällen ein Zahnverlust nach Parodontitistherapie unter der Voraussetzung einer regel- mäßigen UPT ein eher seltenes Ereig- nis mit rund 0,1 Zahn/Jahr über einen Unter suchungszeitraum von zehn Jah- ren (Chambrone et al. 2010, Nibali et al. 2013). Selbst bei Patienten mit fortgeschrittener AgP oder CP wer- den Überlebensraten der Zähne von 60 bis 97 Prozent innerhalb von einem Jahrzehnt beschrieben (Kamma und
PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS Abb. 2a: 10/1992: Männlicher 28-jähriger Patient, Nichtraucher, generalisierte aggressive Parodontitis mit lokalisiert fortgeschrittenem Attachmentverlust. Im Rahmen der aktiven Parodontitistherapiephase mit einem offenen parodontalchirurgischen Vorgehen an den Molaren im OK 1993 wurde der retinierte Zahn 18 entfernt. Baehni 2003, Pretzl et al. 2008, Mros und Berglundh 2010, Bäumer et al. 2011, Graetz et al. 2016). Für jegliche parodontale Behandlungsstrategie gilt jedoch: Je jünger die Patienten und je lokalisierter die Destruktion initial ist, insbesondere bei AgP, umso höher sind die Erfolgsaussichten (Merchant et al. 2014). Es zeigen sich also bei beiden Paro- dontitisformen ähnlich gute Erfolgs- aussichten hinsichtlich eines Zahnerhal- tes, welche keinesfalls schlechter sind als die heutigen Überlebenswahrschein- lichkeiten von Implantaten (Karous- sis et al. 2003, Roos-Jansaker et al. 2006a, Roos-Jansaker et al. 2006b, Roos-Jansaker et al. 2006c, Ong et al. 2008, Matarasso et al. 2010). Damit ist es strategisch sinnvoll, zunächst eine Pa ro dontitisbehandlung durchzuführen, Zähne zu erhalten und eine Implantation so weit wie möglich hinauszuzögern bzw. ganz zu vermeiden (Nyman und Lindhe 1976, Yi et al. 1995, Tan et al. 2004). Eine frühzeitige Extraktion parodontal geschädigter Zähne mit anschließen- der Implantation und entsprechendem Nachsorge programm ist nach aktuellen Kosten-Nutzen- Analysen langfristig die teu rere und weniger nachhaltige Alter- native gegenüber dem beschriebenen Zahnerhaltungsversuch (Schwen dicke et al. 2014, Schwendicke et al. 2016). Konklusion Der Früherkennung parodontaler Er- krankungen kommt eine besondere Bedeutung zu, da so wohl die chro- Abb. 2b: 01/2016: 24 Jahre nach aktiver Parodontitistherapie und halbjährlicher UPT ohne weitere Zahnverluste. insbesondere wenn nische als auch die aggressive Paro- dontitis erfolgreich therapiert werden können, früh- zeitig geeignete Behandlungsschritte eingeleitet werden. Dagegen ist in fortgeschrittenen Fällen bei Patien- ten mit Risi kofaktoren die Therapie bei general isierten aggressiven und chronischen Verlaufsformen der Par- odontitis deutlich aufwen diger. Eine zeitnahe adäquate systematische Pa- ro dontitistherapie mit anschließender regelmäßiger professioneller Betreu- ung in einer UPT ermöglicht dennoch gute Langzeitergebnisse, unabhängig ob eine AgP oder CP vorliegt. Danksagung Die Autoren danken allen ehemaligen Mitarbeitern der Abteilung, insbeson- dere den ehe ma ligen Leitern Herrn Prof. H. C. Plagmann und Herrn Dr. A. Rühling für die Behandlung der langzeitdokumentierten Patienten und Etablierung der wissenschaftlichen Datenbank Parodat. t k a t n o K Priv.-Doz. Dr. Christian Graetz Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 3 (Haus 26) 24105 Kiel graetz@konspar.uni-kiel.de Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017 55
PARODONTOLOGIE/PERIIMPLANTITIS Seit Langem wird der Zusammenhang zwischen einer Dia- beteserkrankung und dem Fortschreiten der Parodontitis diskutiert. Bei Diabetikern wird eine verstärkte parodontale Gewebedestruk- tion beobachtet, der durchschnittliche klinische Attachmentverlust ist signifikant erhöht. Ebenso erscheint die Regenerationsfähigkeit des Gewebes reduziert, sodass häufiger eine unvollständige Aus- heilung der parodontalen Entzündung oder gar komplette Miss- erfolge der Therapie auftreten (Grossi und Genco, 1998). Insge- samt sind einige Korrelationen zwischen Diabetes und Parodontitis sowie Auswirkungen der Parodontitistherapie auf den Diabetes zu beachten. Daraus resultieren verschiedene Besonderheiten bei der Betreuung dieser Patienten in der Praxis. Prof. Dr. Hahner [Infos zum Autor] Prof. Dr. Gaßmann [Infos zum Autor] Literatur Assoziation zwischen Parodontitis und Diabetes Auswirkungen in der Patientenberatung Prof. Dr. Peter Hahner, Prof. Dr. Georg Gaßmann Aus zahlreichen Studien ist be- kannt, dass durch einen bestehenden Diabetes mellitus (DM) das Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken, um den Faktor 3–4 erhöht ist (Taylor et al. 1998). Die Auswertung einer Reihe von epidemiologischen Untersuchun- gen in einer Metaanalyse konnte zei- gen, dass bei Diabetikern (Typ 2) mit einem um etwa einen Millimeter höhe- ren Verlust von klinischem Attachment gegenüber vergleichbaren Nichtdiabe- tikern zu rechnen ist (Chávarry et al. 2009). In dieser Metaanalyse ließ sich keine statistisch signifikante Korrela- tion zwischen der parodontalen Ge- webedestruktion und einem Typ-1- Diabetes nachweisen. Dies wird von den Autoren damit begründet, dass die Daten in den einbezogenen Studien an Probanden mit einem niedrigen Durch- schnittsalter (Jugendlichen) erhoben wurden, bei denen grundsätzlich eine geringere Ausprägung der parodon- talen Erkrankung zu sehen ist. Dage- gen fanden Lalla und Mitarbeiter bei Patienten mit DM Typ 1 eine deutlich früher, teilweise schon im Kindesalter, einsetzende Progression der Parodon- titis (Lalla et al. 2006, 2007). Korrelation zwischen Diabetes und Parodontitis Wichtig ist, hierbei hervorzuheben, dass nicht die Diabetesdiagnose an sich, sondern eine länger andauernde Hyperglykämie als Kennzeichen des schlecht kontrollierten Diabetes mit zusätzlichen parodontalen Problemen assoziiert ist. Es besteht eine direkte Korrelation zwischen dem Ausmaß der Hyperglykämie und den parodontalen Sondierungstiefen (Chen et al. 2010). Der parodontale Knochenverlust kor- reliert ebenfalls mit der glykämischen Einstellung (Taylor et al. 1998). Dies gilt auch für den Therapieerfolg nach nichtchirurgischer und chirurgischer Parodontitistherapie. Bei guter metabolischer Einstellung kann hingegen mit einem ähnlichen Krankheitsverlauf und ähnlichen The- rapieresultaten wie bei Nichtdiabetikern gerechnet werden. Die Paro dontitis muss also neben den schon lange be- kannten Dia betesfolgen Re tino pathien, Nephropathien, Neuropathien, Mikro- und Makroangiopathien als typische Komplikation einer länger bestehen- den Hyperglykämie angesehen werden (Löe 1993). Schon eine prädiabetische Stoffwechsel - lage scheint Einfluss auf die parodon- tale Situation zu haben: In einer Unter- suchung an 1.097 Probanden, die in Abhängigkeit vom gemessenen HbA1c- Wert in drei Gruppen (gesund: HbA1c < 5,7 %, prädiabetischer Zustand: HbA1c 5,7–6,4 %, Diabetes: HbA1c > 6,4 %) eingeteilt wurden, ergaben sich signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich der Sondierungs- blutung (BOP) und der gemessenen Sondierungstiefen (Lamster et al. 2014). 56 Jahrbuch Prävention & Mundhygiene 2017