2 News DENTAL TRIBUNE Austrian Edition · Nr. 12/2010 · 10. Dezember 2010 Paro in aller Munde Editorial: Jürgen Pischel spricht Klartext Zahnärztliche Fortbildungs- anbieter überschlagen sich in der letzten Zeit geradezu mit Seminaren und Angeboten zur Paro-Fortbildung, mit der Vermitt- lung der Möglichkeiten moderner Präventions- und Therapiemetho- den. Aufgezeigt wird in Patienten- informationen, welch dramatische Folgen eine nicht behandelte Paro- dontitis etwa für Herz-Kreislauf- Erkrankungen haben kann oder welche Korrelationen mit Diabetes bestehen, wie Schwangerschaften negativ belastet werden können. Das heißt, im Mediengetümmel ist Paro gleichsam in al- ler Munde. Jürgen Pischel Ganz anders sieht es in der Wertschät- zung der Parodontal- Erkrankungen als bedeutendes Arbeits- gebiet für den „Spe- zialisten“ im Fachge- biet aus. Hier glauben sich als Experten/ -innen ausweisende Wissenschafter/-in- nen und Kammer- funktionäre bei der Kollegenschaft darü- ber profilieren zu können, dass sie die Notwendigkeit zur „Spezialisie- rung“ herabzureden suchen. Ge- rade einmal für mindestens 85.000 Menschen bräuchte es einen „Spe- zialisten“, was deutsche Fachzahn- ärzte/-innen und PA-Hochschul- lehrer/-innen zu sehr zynischen Kommentaren verleitet. „Was für eine Auffassung von moderner Zahnheilkunde“, heißt es ange- sichts der Verbreitung parodonta- ler Erkrankungen in den Industrie- staaten, so z.B. Deutschland, wo unter den 35- bis 45-Jährigen über 70 Prozent einen CPI-Grad von 3 und 4 (Taschentiefe 4–5 und über 6 Millimeter), und die über 65-Jähri- gen zu bald 80 Prozent aufweisen. Der Bedarf von Fachexperten wird viel größer eingeschätzt. „Spezia- list“ zu sein fordert aber auch den Nachweis der Erfüllung eines ernsthaften Fach-Curriculums mit Prüfung und nicht Selbsternen- nung im Umlaufverfahren von so- genannten Fachgesellschaften. Viel bedeutender ist der Einsatz von Fachpersonal in der PA-Prä- IMPRESSUM Erscheint im Verlag DPU - Danube Private University Dr.-Karl-Dorrek-Straße 23 Campus West A–3500 Krems Tel.: +43 2732 70478 Fax: +43 2732 70478 7060 www.dp-uni.ac.at Herausgeber Jürgen Pischel (jp) (V.i.S.d.P.) Juergen.Pischel@DP-Uni.ac.at Redaktion Mag. Anja Worm (aw) Tel.: +49 341 48474-110 a.worm@dental-tribune.com Wissenschaftlicher Beirat Mag. Robert Wagner (rw) Robert.Wagner@DP-Uni.ac.at HR Prof. Dr. Robert Fischer (rf) Robert.Fischer@DP-Uni.ac.at Dental Tribune Austrian Edition erscheint in Lizenz und mit Genehmigung der Dental Tribune International GmbH. vention und -therapie, wobei die- sen im Rahmen der Delegation von Verantwortung und unter Aufsicht des Zahnarztes ein breites Leis- tungsfeld übertragen werden kann und muss, will die Zahnärzteschaft den Erkrankungsraten Herr wer- den. Natürlich nur unter Erfüllung der Voraussetzungen einer breiten Aus- und Weiterbildung als Pro- phylaxe-Assistentin, besser noch als Dentalhygienikerin nach dem Schweizer Standard oder mit Fach- hochschul-Abschluss. Aufbauen kann das aber nur auf dem Ausbil- dungsberuf der Zahnarztassistenz, der ja von den oben genannten österrei- chischen Experten noch abgelehnt wird. Sicher, ändern muss sich auch die „Zahlungsbereit- schaft“ der Solidar- kassen für Prophy- laxe und Therapie von PAR-Erkrankun- gen. Hier liegt vieles im Argen, die Kas- senleistungen sind geradezu kläglich. PAR-Therapie ver- langt vor allem Mitarbeit und Selbstverantwortung des Patien- ten, so kann auch nur ein Kosten- erstattungs-Zuschussverfahren wirksam werden. Geradezu eine Schande für Ös- terreich, angesichts der vollmun- digen Botschaften zur Bedeutung der Parodontologie in der Zahnme- dizin, ist darin zu sehen, dass in den „WHO-Oral Health Country Profi- les“ vom Oktober 2009 für die letz- ten 20 Jahre keinerlei Daten über den CPI-Grad in der österreichi- schen Bevölkerung in den unter- schiedlichen Altersgruppen vor- handen sind. Ernsthaft diskutieren kann man über künftige Planun- gen über PA-Therapie- und Pro- phylaxe-Modelle nur, wenn eine CPI-Status-Erhebung vorliegt. Hier besteht Handlungsbedarf, der erfüllt sein will, soll Österreich als führende Gesundheitsnation ernst genommen werden, toi, toi, toi. Ihr Jürgen Pischel Dental Tribune ist eine Marke der Dental Tribune International GmbH. 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DT fl Seite 1 EFSA-Erklärung zur Unbedenk- lichkeit von Bisphenol A hieß es allerdings: „Diese Studien weisen zahlreiche Schwächen auf, so- dass die Bedeutung für die menschliche Gesundheit gegen- wärtig nicht beurteilt werden kann.“ Doch bereits zwei Monate nach der EFSA-Empfehlung ent- schied sich der Ständige Aus- schuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit für ein Pro- duktionsverbot von Babyfla- schen, die mit Bisphenol A herge- stellt werden. Dem war ein ent- sprechender Vorschlag der EU- Kommission vorausgegangen. In den Ständigen Ausschüssen sit- zen Experten/-innen der europä- ischen Fraktionen, die Beschluss- vorlagen zu ihrem Themenbe- reich erarbeiten. Die EU-Kom- mission kann nach einem Mehrheitsbeschluss der im Aus- schuss vertretenen Mitgliedsstaa- ten Maßnahmen beschließen. Der Empfehlung der EFSA wurde im Fall Bisphenol A also nicht gefolgt. „Die EU-Kommis- sion lehnt ihre Entscheidungen in der Regel an die Gutachten der EFSA an, ist aber nicht an deren Vorgaben gebunden“, erklärte eine Mitarbeiterin der Kommis- sion im Gespräch mit der Dental Tribune. In diesem Fall hätten die Experten/-innen der Kom- mission bewusst eine andere Po- sition eingenommen. Nun wollen die EU-Staaten die Produktion der Trinkflaschen ab März 2011 verbieten. Ab Juni folgt ein kom- plettes Import- und Vertriebsver- bot. EU-Gesundheitskommissar John Dalli begründete die Ent- scheidung mit aktuellen wissen- schaftlichen Erkenntnissen. „Neue Studien haben gezeigt, dass BPA auf das Immunsystem und Krebswachstum Einfluss nehmen könnte“, zitierte das On- line-Portal der Ärzte-Zeitung aus Deutschland Dalli. Die Entschei- dung sei eine gute Nachricht für europäische Eltern. Verbot ausweiten In Österreich war schon seit Längerem absehbar, dass die Pro- duktion von Kleinkinderartikeln mit der umstrittenen Chemikalie Bisphenol A ein Ende haben würde. Im September hatte Ge- sundheitsminister Stöger ange- kündigt, ein nationales Verbot auszusprechen, wenn sich die EU trotz Zuständigkeit nicht bewege. Ganz zufrieden ist er mit dem EU- weiten Beschluss folglich auch nicht. In einer Presseerklärung des BMG kündigte der Sozialde- mokrat jetzt an, die Chemikalie in der nationalstaatlichen Umset- zung auch noch in Babyschnul- lern zu verbieten. Die Verunsi- cherung der Mütter von Kleinst- kindern müsse ein Ende haben, so der SPÖ-Politiker. Auch für die österreichische Umweltschutzorganisation GLO- BAL 2000 ist der Beschluss der EU lediglich ein erster Schritt in die richtige Richtung. „Das Verbot der Babyflaschen geht nicht weit genug. Neben dem in Österreich angekündigten Verbot sämtlicher mit Bisphenol A hergestellten Produkte für Kleinkinder fordern wir ein komplettes Verbot aller BPA-Produkte, die in den Kontakt G M B : o t o F Bundesgesundheitsminister Alois Stöger . mit Lebensmitteln kommen“, sagte Pressesprecher Jens Karg im Gespräch mit der Dental Tri- bune. Es gebe inzwischen genü- gend Studien, die zeigten, dass die Verseuchung der Menschen mit der Chemikalie überhandge- nommen hat. Dass das EU-weite Verbot von BPA-Babyflaschen auf Drängen Stögers beschlossen wurde, hält Karg für eher unwahrscheinlich. „Es hat viel Druck aus Österreich gegeben, aber auch von anderer Seite“, so der GLOBAL 2000-Pres- sesprecher. Letztendlich sei das Verbot sehr überraschend ge- kommen, denn es sei in der Tat ungewöhnlich, dass einer Emp- fehlung der ESFA nicht nachge- kommen wird. Vorerst steht in Österreich die Gesundheit der Kinder im Vordergrund. Ob es irgendwann ein weitreichendes Verbot von BPA-Produkten geben wird, wird sich zeigen. DT Demenz durch Quecksilber? FRANKFURT (ODER) – Ein deutsch-amerikanisches For- scherteam ist zu dem Schluss gekommen, dass Menschen mit Amalgamfüllungen ein höheres Risiko in sich tragen, an Alzhei- mer-Demenz zu erkranken als andere. Forscher der Europa-Univer- sität Viadrina in Frankfurt (Oder), der Universitätsklinik Freiburg sowie dem Samueli Institut (Virgi- nia, USA) und der Northeastern University (Boston, USA) fertigten eine systematische Literatur- übersicht an und sind zu dem Schluss gekommen, dass man auf Amalgam-Füllungen verzichten sollte. „Die Gefahr ist zu groß. Es wäre nicht sehr klug, das Material weiter einzusetzen“, sagt Prof. DDr. Harald Walach, Professor für Forschungsmethodik, kom- plementäre Medizin und Heil- kunde an der Viadrina-Univer- sität Frankfurt, im Gespräch mit der Dental Tribune. Walach sich- tete mit anderen Forschern/-in- nen über Jahre Literatur zum Thema Quecksilber und dem möglichen Zusammenhang mit einer Alzheimer-Erkrankung. Die Ergebnisse wurden in der November-Ausgabe des Journal of Alzheimer’s Disease publiziert. Amalgamfüllungen enthalten 50 Prozent Quecksilber. Men- schen mit solchen Füllungen neh- men zwischen 1 und 22 Mikro- gramm Quecksilber pro Tag auf. Das ist mehr als zehnmal so viel als durch regelmäßiges Essen von Fisch aufgenommen wird. Das meiste davon wird in den Körper und in das Gehirn aufgenommen und verbleibt dort, heißt es in ei- ner Presseerklärung der Univer- sität Viadrina. Darin heißt es zu- dem, Richard Deth, einer der Ko- autoren der Literaturübersicht, Laut Forschern könnte der Prozess des Zellenabsterbens durch Quecksil- ber im Körper beschleunigt werden. habe ein Modell vorgestellt, in dem die Wirkungsweisen von Quecksilber mit den wichtigsten Zeichen der Alzheimer-Erkran- kung kausal verknüpft werden. „Quecksilber bindet sich fest an Selen. Selenhaltige Proteine ge- hören zu einer Klasse von Mole- külen, die der Körper verwendet, um Schaden, der durch Stoff- wechselprozesse im Gehirn ent- steht, den sogenannten oxidati- ven Stress, abzufangen. Dieser führt zu Alterung und schließlich zum Tod der Zelle. Wenn Queck- silber sich an Selen bindet, wer- den diese Prozesse beschleunigt“, lautet es in der Erklärung weiter. Die experimentelle For- schung an Tieren und Zellmodel- len kann alle Zeichen der Alzhei- mer-Demenz reproduzieren. Stu- dien über niedrig dosierte Exposi- tion – etwa bei Zahnärzten – zeigen, dass Quecksilber zu kog- nitiven Einbußen führt. Aller- dings fehlen qualitativ gute Lang- zeitstudien. „Auch wenn es in der Übersicht keine wasserdichten Belege gibt, so verfügen wir doch über genügend Wissen, um von einer weiteren Verwendung von Amalgam und somit anorgani- schem Quecksilber als Füllungs- material abzuraten“, sagt Walach. „Sollte Quecksilber tatsäch- lich zu kognitiven Einbußen füh- ren, könnte Amalgam auch die Ur- sache für weitere neurologische Störungen wie beispielsweise Parkinson sein“, erklärt Walach zudem. Die Forscher der vier Uni- versitäten sind sich einig und for- dern nicht nur den Verzicht auf Amalgamfüllungen, sondern das komplette Entfernen von anorga- nischem, metallischem Quecksil- ber aus den ökologischen Kreis- läufen des Menschen. DT Yvonne Bachmann, DTI