6 International Business DENTAL TRIBUNE Austrian Edition · Nr. 3/2012 · 7. März 2012 Exklusivinterview: „Der Implantologiemarkt 2012“ Am 30. Januar 2012 fand im Malersaal des DORINT Hotels Baden-Baden ein Pressegespräch mit Wolfgang Becker, Geschäftsführer Straumann Deutschland GmbH, und Dr. Werner Groll, Geschäftsführer DENTSPLY Friadent* statt. Das Interview führten Jürgen Isbaner, Chefredakteur der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis und Vorstand der OEMUS MEDIA AG, sowie Dr. Torsten Hartmann, Chefredakteur des Implantologie Journals. Die Implantologie gilt seit vielen Jahren als die Lokomotive der Zahn- medizin – zeitweilig sogar mit zwei- stelligen Zuwachsraten. Im letzten Jahr ist etwas Ernüchterung einge - treten. Sie repräsentieren mit Ihren Unternehmen circa 70 bis 75 Prozent des deutschen Implantatmarktes. Wie war 2011 für Ihr Unternehmen und was erwarten Sie für 2012? Wolfgang Becker: Wir sehen, dass Innovationen immer noch sehr gefragt sind, die Produkte sehr guten Anklang finden und dass die Implantologie ein sehr großes Potenzial birgt. Deshalb sind wir sehr optimistisch, was die Zu- kunft angeht. Werner Groll: Natürlich haben wir heute nicht mehr die großen Zuwachs- raten, da gibt es viele externe Einflüsse. Aber im Verhältnis zu dem, wie sich der Markt entwickelt, sind wir zufrieden und optimistisch für die Zukunft. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Markt wieder an Dynamik gewinnt in den nächsten Jahren, wenn sich die Rah- menbedingungen weiterhin und deut- lich verändern. Ich denke, davon kann man ausgehen. Michael Ludwig: Das Jahr 2011 war für uns ein sehr erfolgreiches Jahr. Mit der Markteinführung eines neuen Implantatsystems bei der IDS im März letzten Jahres bieten wir nun auch den überzeugten Anwen- dern der konischen Implan- tat-Abutment-Verbindung eine „CAMLOG-Lösung“ an. Insgesamt konnten wir unsere Marktposition in Deutschland weiter ausbauen und auch für 2012 erwarten wir wieder ein prozentuales Wachstum im oberen einstelligen Bereich. Stichwort Digitalisierung: Was be- trachten Sie aus Sicht des Unterneh- mens als die großen Haupttrends in der Implan tologie und was sind die Herausfor derungen für die Zukunft? Michael Ludwig: Ich denke, in naher Zukunft wird es keine Revolution in der Implantologie, sondern wirkungs- volle Fortschritte für den Alltag geben. Haupttrends sind sicherlich im Material- bereich die Oberflächen, Keramiken und vor allem auch Kunststoffe. Die Di- gitalisierung sowie 3-D-gestützte Pla- nungs-, Navigations- und CAD/CAM- Fabrikationsmethoden sind weiter im Kommen. Werner Groll: Es gibt viele neue Technologien, die Fuß fassen, sich in der Breite aber noch nicht etabliert haben. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass die digitale Technik eine feste Größe werden wird, weil sie viel mehr Individualismus erlaubt. Das heißt, wir können damit noch stärker patienten- orientiert arbeiten. Ich glaube aber auch, dass die biologische Seite stärker ins Blickfeld rückt. So müssen wir die Reaktionen um das Implantat herum – * Michael Ludwig, Geschäftsführer der CAMLOG Vertriebs GmbH, konnte aus Termingründen nicht persönlich an dem Pressegespräch teilnehmen, sodass das Interview mit ihm im Nachgang telefo- nisch geführt wurde. Aus diesem Grund ist er im Video des Interviews nicht zu sehen. das Hart- und Weichgewebe – sehr gut verstehen, um die Produkte letztendlich auch weiterzuentwickeln und genau auf die Anwendung hin zu designen. Und dafür ist ein gewisses Maß an klinischer Forschung erforderlich. Nur dann kann man nachvollziehen, wie die Dinge heute funktionieren, aus den Erfahrun- gen bzw. Forschungsergebnissen lernen und die Produkte schließlich noch bes- ser machen. Wolfgang Becker: Ich glaube, dass wir gerade beim Risikopatienten noch einen Weg vor uns haben. Ich sehe da einen großen Bedarf. Bezüglich der Di- „... ist es nicht vielleicht besser, die Gelder in die Forschung zu investieren?“ Wolfgang Becker gitalisierung denke ich, dass das gesamte Thema der Pro- thetik eine ganz andere Di- mension annehmen wird. Und wenn man über die Herausforderungen redet – die derzeit größte Heraus- forderung ist, die Kunden hier mit auf die Reise zu neh- men, dass man sich dieser Thematik stellt und dass man der digitalen Technik positiv gegenübersteht. Mit Erfolgsquoten von bis zu über 90 Prozent gehört die Implantologie zum absoluten Spitzenfeld im Bereich der Medizin. Ist der Forschungs- und Entwicklungsaufwand im Verhältnis zu den relativ geringen Steigerungs- möglichkeiten der Erfolgsquote nicht sehr hoch und wird dadurch nicht auch die Implantologie immer komplizier- ter für den Anwender und teurer? Werner Groll: Da muss man erst- mal fragen, was Erfolg ist und wie sich Erfolg definiert. Ist Erfolg ein Implan- tat, das im Mund bleibt, oder ist Erfolg ein Patient, den man langfristig ver- sorgt und der langfristig zufrieden ist? Deswegen denke ich, wir müssen noch in Forschung und Entwicklung investieren, um sicherzustellen, dass dieser langfristige Erfolg von Gewebe auch sichergestellt wird. Denn das macht den Patienten letztendlich glück- lich. Jeder weiß, dass die Implantat - behandlung natürlich auch Geld kostet. Deswegen ist es wichtig, dem Patienten die prospektive Sicherheit zu geben. Und zwar Sicherheit, die man in Studien nachvollzogen hat und die man den Pa- tienten in gewissem Umfang verspre- chen kann. Wolfgang Becker: Ich glaube nicht, dass Forschung und Entwick- lung die Therapie per se komplizierter und teurer machen wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Verfahren gerade durch Forschung und Entwick- lung einfacher werden, dass das ge- samte Therapiekonzept nachhaltiger und vor allem letztendlich auch gün s - tiger wird. Langfristig wird hier ein Standard gesetzt, der allen Beteiligten zuträglich ist. Michael Ludwig: Die Hürden für erfolgreiche Produktentwicklungen und -zulassungen steigen, während die Chancen auf den Markterfolg sinken. Um die Implantologie nicht kompli- zierter für den Anwender und teurer zu machen, ist vor allem die Entwicklung preiswerter Routineprotokolle für Stan- dardversorgungen notwendig und – bei entsprechenden Anforderungen – auch von High-End-Versorgungen. „... großen Einfluss auf Erfolg und Produktsicherheit hat auch der Behandler selbst.“ Dr. Werner Groll Ein allgemeingültiges Schlagwort in unserer Zeit scheint die Devise „Geiz ist geil“ geworden zu sein. Wie ist die Einstellung in Bezug auf Zahnimplantate? Wolfgang Becker:Öko- nomisch gesehen ist dieser Ansatz falsch. Das weiß, glaube ich, mittlerweile je- der. Wir schätzen, dass es wesentlich mehr Qualitätskäufe gibt als Preiskäufe. Natürlich ist der Preis im- mer auch ein Thema. Aber am Ende re- den wir über ein Me dizinprodukt, was eine Investition nicht nur für drei Jahre darstellen sollte, sondern eigentlich für das ganze Leben. Dass man also dem Pa- tienten eine funktionelle und natürlich auch eine ästhetische Lösung anbieten sollte. Deshalb ist die „Geiz ist geil“- Devise so nicht haltbar. Der Kunde oder der Patient ist in teressiert, eine qualita- tiv hochwertige Lösung zu bekommen und dafür ist er auch bereit, ein entspre- chendes Geld zu bezahlen. Man muss aber auch erklären, wieso die Therapie oder das gesamte Konzept einen be- stimmten Betrag kostet. Darum sind wir bemüht. Dennoch ist die Kostenfrage eine ständige Dis kussion, das wissen wir. Michael Ludwig: Der Einstellung „Geiz ist geil“ fehlt es in Deutschland immer mehr an Rückhalt. Das kann man in anderen Branchen sehr gut er- kennen. Bei Zahnimplantaten handelt es sich um Medizinprodukte, die in den menschlichen Körper integriert werden und nicht um einen Pullover, den wir, wenn er uns kratzt oder uns seine Farbe nicht mehr gefällt, einfach ausziehen können. Wir sollten uns immer bewusst sein, dass die Medizin im Dienste des Patienten steht und nicht ausschließlich im Dienste des Profits. Profite kommen immer von selbst und sie sind – solange der Implantologe einen guten Job macht – noch nie ausgeblieben. Werner Groll: Ich denke, die Ab- nahme der „Geiz ist geil“-Mentalität bestätigt sich am Markt. So sind die Mehrzahl der heute gekauften Implan- tate wirklich Produkte, die für hohe Qualität, für Forschung und Entwick- lung stehen. Wenn man das weltweit an- schaut, entspricht das deutlich mehr als drei Viertel des Gesamtverbrauchs der Implantate. Unsere direkten Kunden, die Zahnärzte, aber auch die Patienten, legen Wert darauf, gute Produkte in ihren Körper integriert zu bekommen. Aber es ist eben wichtig, Aufklärung zu betreiben und auch den Aspekt der langfristigen Sicherheit zu betonen. Das muss jeder Zahnarzt machen. Doch die meisten tun das, was beweist, dass die „Ein Markenprodukt stellt immer einen Wert dar.“ Michael Ludwig Mehrheit der Zahnärzte qualitätsbe- wusst agiert. Jede Komplikation führt für den Behandler und für den Patienten zu hohem Mehraufwand. Das lässt sich vermeiden, indem man auf klinisch ge- prüfte Produkte zurückgreift. Wir haben gerade im Bereich der Brust - implantate erlebt, welche weitreichen- den Folgen der Einsatz von billigen und offenbar auch minderwertigen Implan- taten haben kann. Wie gewährleisten Sie, dass Ihre Unternehmen nur Ware verlässt, die höchs ten Ansprüchen in Bezug auf die Qualität und das techno- logische Niveau genügt und gleichzei- tig der Behandler in die Lage versetzt wird, diese Produkte auch lege artis einzusetzen? Michael Ludwig:Eine Qualitätsga- rantie kann erst durch eine konsequente Qualitätssicherung über die gesamte Fertigungskette – vom Rohmaterial bis zum Endprodukt – geschaffen werden. Auch die Transparenz über den validier- ten Produktionsprozess spielt hinsicht- lich der Qualität eine Rolle. Nach der Markteinführung eines Produkts über- wachen wir durch ein detailliertes Mo- nitoring über alle Märkte die System- tauglichkeit des Produktes in der Praxis. Damit sind wir jederzeit nah am Kun- den. Übrigens umfasst das Monitoring auch die dem Produkt zugeordneten Schulungs- und Anwenderinformatio- nen. Die Sicherheit der Produkte wird damit kontinuierlich geprüft. Werner Groll: Einen großen Ein- fluss auf den Erfolg und die Produktsi- cherheit hat auch der Behandler selbst. Jeder Zahnarzt hat seine eigene Arbeits- weise, und deswegen müssen wir unsere Produkte eben auch so entwickeln und ausrichten, dass sie eine gewisse Tole- ranzschwelle ertragen. Nicht, dass jeder Hersteller die Implantate für jeden Be- handler individuell entwickeln sollte. Das geht natürlich nicht. Man muss aber berücksichtigen, wie breit das Spektrum in der Anwendung ist und was solche Implantate vertragen. Das beobachten wir in klinischen Feldstudien. Außer- dem setzen wir auf Fortbildung. Wir organisieren Vorträge und Hospitatio- nen, um dem Kunden die Möglichkeit zu geben, sich weiterzuentwickeln und zu lernen. Das ist ein großer Prozess, der die Sicherheit der Anwendung gewähr- leistet. Man kann davon ausgehen, dass für ein gutes Markenimplantat in Deutsch- land ca. 150 bis 250 Euro zu zahlen sind. Wie setzt sich dieser Preis eigent- lich zusammen und was be kommen Patient und Behandler von Ihnen da- für? Warum sind andere auf dem Markt befind liche Unternehmen in der Lage, ihre Implantate teilweise deutlich unter 100 Euro anzubieten? Wolfgang Becker: Es geht hier ei - nerseits um Forschung und Entwicklung, dann natürlich um eine Qualitätskon- trolle und um Training Education. Wir möchten garantieren, dass der Kunde ein absolut sicheres Produkt bekommt. Dafür muss eine Schulung stattfinden, ein Support muss gewährleistet sein. Außerdem wollen wir sicherstellen, dass die heute implantierten Produkte auch in 20 oder 25 Jahren noch versorgbar sind. Sie sehen, es sind also viele Dinge, die den Preis rechtfertigen und die viel- leicht auch mit dem Mythos hoher Mar- ketinginvestitionen aufhören. So haben andere Firmen ein höheres Marketing- volumen als wir, als die Unternehmen, die wirklich solide Arbeit leisten. In die- sem Zusammenhang muss man sich schon fragen: Muss deren Marketing- kommunikation so hoch sein, damit das Produkt überhaupt Vertrauen beim Käufer gewinnen kann? Oder ist es nicht vielleicht besser, die Gelder in die For- schung zu investieren? Da haben wir eine klare Meinung. Michael Ludwig: Alle Unterneh- men, egal ob Implantatfirma, Zahnarzt- praxis oder Dentallabor, müssen einen Gewinn erzielen. Der Preis eines Pro-