12 Paro Special DENTAL TRIBUNE Swiss Edition · Nr. 10/2012 · 12. Oktober 2012 Parodontaltherapie aus der Sicht des Patienten Fühlt sich der Patient respektiert, gut informiert, verstanden und als Individuum ernst genommen, vertraut er seinem Zahnarzt. Damit kann die Dyade Therapeut–Patient zur heilsamen Beziehung und die Parodontaltherapie aus Patientensicht zum Erfolg werden. Von Dr. Christoph A. Ramseier, zmk Bern. Eine Parodontaltherapie beinhaltet neben der professionellen Zahnrei - nigung eine Instruktion und Anpas- sung der optimalen häuslichen Mundhygiene sowie bei Rauchern eine professionelle Rauchstoppbe- gleitung. In der täglichen Praxis wer- den zur Optimierung der Mundhy- giene die richtigen Zahnputztechni- ken instruiert, während aufhörwil- lige Raucher an eine professionelle Rauchstoppberatung überwiesen werden. Zahnärzten und Dentalhy- gienikerinnen ist dieses Therapie- konzept längst bekannt und als Rou- tine im Praxisalltag weitgehend um- gesetzt. Wie sieht diese professionelle Betreuung dagegen aus der Perspek- tive der Patienten aus? Patientenperspektiven In der allgemeinen Medizin ist der Patient definitionsgemäss ein Mensch, der leidet. Er leidet an einer Vielzahl von verschiedenen Ausprä- gungen organischer Erkrankungen, psychischen Erkrankungen, altersbe- dingter Pflegebedürftigkeit oder gar zum Tod führenden Krankheiten. In der Parodontologie können die Pa- tientenperspektiven solche sein wie „Ich habe Zahnfleischbluten …“, „Ich kann nicht kauen …“, „Ich hatte im- mer schlechte Zähne …“, „Ich sehe fürchterlich aus …“, „Ich muss zum Zahnarzt …“, „Ich muss zur Dental- hygienikerin …“, „Es wird sicher teuer werden …“, „Ich habe Angst …“, „Es ist immer dasselbe …“. ÁFortsetzung von Seite 11 2a 2b Abb. 2: Zahn 43: Chirurgische Aufklap- pung, mechanische Behandlung mit Küretten, CO2-Laser Dekontamination, Biostimulation mit Diodenlaser. Baseline (2a) und 1 Jahr nach Behandlung (2b). Von diesen Perspektiven werden oftmals die Ängste vor dem Zahn- arztbesuch deutlich unterschätzt. In Australien wurde die Angst vor dem Zahnarztbesuch bei rund 19 Prozent der Befragten festgestellt, wobei die weiblichen Teilnehmerinnen bei die- ser Befragung die Mehrheit aus- machten. Die schwerwiegendere Zahnarztphobie selbst, wodurch ein Patient nie den Zahnarzt aufsuchen kann, wurde mit bis zu fünf Prozent ermittelt. Die Gründe dafür sind verschie- den. Einerseits werden die Angst vor Nadeln und Injektionen genannt, an- dererseits werden die hohen Kosten der zahnärztlichen Therapie angege- ben sowie die Schmerzen und Unbe- hagen bei der Behandlung. Anderer- seits können die Folgen der Zahnarzt- phobie selbst schwerwiegend sein: eine schlechtere Compliance für die professionelle zahnärztliche Betreu- ung, eine schlechtere häusliche Mundhygiene sowie zwei- bis drei- fach häufiger eine niedrigere Mund- hygiene-Lebensqualität. Infolge des oft progressiven Krankheitsverlaufes müssen Patienten mit chronischer Pa- rodontitis auch unter diesen Perspek- tiven lernen, was ihre Krankheit bein- haltet, wie sie voranschreitet und wie sie eingedämmt werden kann. Verlauf und Behandlung der Krankheit be- stimmen einen grossen Teil ihres Le- bens und die Patienten müssen versu- chen, über lange Zeit richtig damit umzugehen. Dies schliesst auch Sinn- Weiche und harte Konkremente entfernen, Dekontamination, Bio- kompatibilität, minimale iatrogene Schädigung, klinische Relevanz. Dies sind dieselben Forderungen, welche wir auch an die mechanische Depu- ration stellen. Die Lasersysteme, welche in der Parodontologie eine Bedeutung ha- ben, sind Erbium-Laser, CO2-Laser, Diodenlaser und die antimikro- bielle Photodynamische Therapie (aPDT). Zur Erfüllung der Bedin- gungen stellen die Einstellungspa- rameter eine zentrale Rolle dar. Alle diese Systeme wurden in der Lite - ratur bereits mehr oder weniger untersucht und auf ihren klinischen Einsatz geprüft. Erbium-Laser (Er:YAG) Durch seine einzigartige Affinität zu Hydroxylapatit ist eine Entfer- nung von harten und weichen Kon- krementen auf der Wurzeloberfläche möglich (Abb.1). Studien zeigen des- sen klinische Relevanz (besonders bei Aufklappung), die biokompatible, minimal geschädigte Wurzeloberflä- che und seine Dekontaminations- wirkung. Der Erbium-Laser erweist sich als Alternative zur mechanischen Depuration (Tab. 1). CO2-Laser Mit seiner Wellenlänge ist die Entfernung von Zahnstein nicht möglich. Die Dekontamination bei Aufklappung ist jedoch unbestritten. Die behandelte Wurzeloberfläche ist Tyler Olson/Shutterstock.com fragen ein. Chronisch Kranke informieren sich vielerorts über alles und wählen, was optimal zu ihnen passt, vorausgesetzt sie haben die Mittel dazu. Wie beschaffen sich Patienten die Informationen über ihre Krankheit? Nach Angaben aus der humanmedizinischen Literatur wünschen 95 Prozent aller Patienten in der Arztpraxis und vom Arzt selbst informiert zu werden. Interessanter- weise suchen heutzutage weit weniger Patienten zur Informationsbeschaf- fung das Internet auf. Was die Ent- scheidungsfindung angeht, treffen 26 Prozent die Ärzte, 23 Prozent die Pa- tienten selbst und in 51 Prozent der Fälle die Ärzte zusammen mit den Pa- tienten die Entscheidung der durch- zuführenden Therapievariante. Messgrössen der Patientenperspektive Neben dem allgemein üblichen biologischen und klinischen Status, wie beispielsweise der Speichelmenge oder der mikrobiologischen Befunde, sind ebenfalls die psychosozialen Komponenten wie die Patientenzu - friedenheit, die Selbstwahrnehmung oder die sogenannte mundgesund- heitsbezogene Lebensqualität für die Parodontologie in klinischen Studien ermittelt und beschrieben worden. Die Messgrössen dort waren insbe- sondere die Schmerzen bei der Unter- suchung, der Behandlung oder beim Heilungsverlauf nach einer Therapie. Auf die Patientenperspektive ausge- richtete Messgrössen waren insbeson- dere die Entstehung der Zahnfleisch - rezessionen beim Heilungsverlauf, die Veränderung der Zahnbeweglichkeit oder der Kaukomfort nach Parodon- taltherapie sowie das Aufkommen von Zahnhalsüberempfindlichkeiten. Zur Emanzipation der Patientenrolle Die Rolle des Patienten in der Me- dizingeschichte selbst und damit auch die Patientenperspektive hatten sich seit Mitte des letzten Jahrhunderts stetig weiterentwickelt. In den 50er- Jahren war es der verpflichtete Pa- tient, der die Anweisungen des Arztes befolgen musste. In den 60er-Jahren wurde der bevormundete Patient be- schrieben, welchem die Diagnose vor- enthalten wurde, wenn diese ernst oder tödlich war. In den 70er-Jahren wurde aus dem bevormundeten Pa- tienten der informierte Patient, der aus rechtlichen Gründen über die Di- agnose und Therapie informiert wer- den musste. Weiter entstanden in den 80er-Jahren der mündige Patient, der ein Mitspracherecht erhielt, und in den 90er-Jahren der autonome Pa- tient, ein Koproduzent seiner Ge- sundheit selbst. Seit dem Jahrhun- dertwechsel entwickelte sich der kompetente Patient. Ein kompetenter Patient zu sein heisst fähig zu sein, mit einer Erkrankung ein normales Leben zu führen. Patientenkompetenz „Patientenkompetenz äussert sich darin, wie sich ein Patient zu sei- Entfernung Zahnstein, Debris Dekontamination Biokompatibilität Schädigung SRP + (+) + (+) Klinische Relevanz + Alternativ effektiv in Kombination Er:YAG CO2 Dioden aPDT + + + + + – + + + + – + + + + – + + + + Tab.1: Eigenschaften der vier Lasersysteme in Bezug auf die mechanische Therapie mittels Scaling Root Planing (SRP). aPDT Als Low-Level-Laser mit Wellen- längen im roten Bereich ist eine Ent- fernung von Zahnstein nicht möglich (Abb. 1). Seine Stärke liegt in der De- kontamination und Biostimulation, vor allem in der nichtchirurgischen Paro-Therapie (Tab. 1). Von den vier Systemen kann also nur der Erbium-Laser als echte Alter- native zur mechanischen Depuration eingesetzt werden. Alle anderen Sys- teme erfüllen jedoch die Forderung der Dekontamination und zeigen in klinischen Studien und Meta-Analy- sen eine Verbesserung der Resultate, wenn sie in Kombination zur mecha- nischen Behandlung eingesetzt wer- den. Die Dekontamination kann mit all diesen Lasern besser durchgeführt werden, weil diese die Bakterien ab - töten, während die mechanische Be- handlung sie nur auf eine andere Flä- che (Instrument) verschiebt. Die de- kontaminative Wirkung der Dioden- laser wird durch die Biostimulation noch ergänzt, ein Effekt, welchen wir aus der mechanischen Behandlung nicht kennen. Fazit Der Einsatz der vier Lasersysteme in Kombination mit der mechani- schen Therapie ergibt klinisch bes- sere Resultate, welche auf den Effek- ten der Dekontamination und der Biostimulation beruhen. Einzig der Erbium-Laser ist eine Alternative zur mechanischen Behandlung. DT Kontakt Dr. med. dent. Gérald Mettraux CH-3007 Bern mettraux@bluewin.ch 3a 3b Abb. 3: Zähne 45, 47: Nichtchirurgische, mechanische Behandlung mit Küretten, Diodenlaser Dekontamination, Biostimu- lation. Baseline (3a) und 1 Jahr nach Be- handlung (3b). biokompatibel und wird minimal ge- schädigt. Der CO2-Laser kann nicht als Alternative zur mechanischen Depuration eingesetzt werden, er- füllt aber die übrigen Forderungen durchaus (Tab.1). Seine Stärke liegt in der Dekontamination (Abb. 2). Diodenlaser Seine Wellenlänge(n) absorbieren in Pigmenten. Deshalb kann der Dio- denlaser nicht als Alternative einge- setzt werden (Tab. 1). Seine Wirkung liegt in der Dekontamination und Bio- stimulation, vor allem in der nichtchir- urgischen Paro-Therapie (Abb. 3).