8 International Business DENTAL TRIBUNE Swiss Edition · Nr. 1+2/2013 · 30. Januar 2013 „Es gibt keine allein gültige Lehrmeinung, es gibt lediglich konkurrierende Behandlungskonzepte“ Die Gruppe Ihde Dental gehört heute zu einem der innovativsten Implantatunternehmen weltweit. Prof. Dr. med. dent. Stefan Ihde, Leiter des Familienunternehmens, über die Veränderungen der dentalen Implantologie für die Zahnmedizin und über Möglichkeiten der implantologischen Behandlung. Prof. Dr. Stefan Ihde Das Familienunterneh- men Dr. Ihde Dental GmbH wurde 1954 von dem Zahntechniker Klaus Ihde als kleines Depot in Berlin-Hermsdorf ge- gründet und ist damit das älteste deutsche Versand- haus für zahnmedizini- sche Verbrauchsmateri- alien. Seit 1962 hat das Unternehmen seinen Sitz in Bayern. 1989 übernahm Dr. Stefan Ihde, Sohn des Firmengründers, die Lei- tung des Familienunter- nehmens, welches mittlerweile über zwei Standorte verfügt: Die Dr. Ihde Dental GmbH in Eching bei München sowie die Dr. Ihde Dental AG im schweizerischen Gommiswald. In den Neunzigerjahren wurde das Sortiment um den Produkt- bereich Implantatsysteme erweitert. An- lässlich seines 50. Geburtstages sprach Dental Tribune mit Prof. Dr. med. dent. Stefan Ihde. Prof. Dr. Ihde, welche Veränderungen haben sich in den letzten Jahren in der dentalen Implantologie vollzogen? Vor allem möchte ich betonen, dass die alte Vorstellung, dass es fortschrittli- che und weniger fortschrittliche Länder im Bereich der Stomatologie gäbe, heute nicht mehr stimmt. Vor 10 bis 15 Jahren verfügten westliche Länder über eine modernere Medizin, mit besserer Dia- gnostik, modernen Operationsräumen und fachkundiger Bedienung. Jetzt ist al- les im Wandel, die Welt kehrt sich gerade um. Geblieben ist nur der Fakt, dass die- se früher fortschrittlichen Länder heute höhere Kosten haben. Bedeutet das, dass zahlungswillige Pa- tienten heute keine deutschen, schwei- zerischen oder russischen Universi tä - ten mehr besuchen müssen, um eine bessere Behandlung zu bekommen? Patienten in aller Welt können heute ihren Arzt selbst wählen und das Inter- net ist dabei sehr hilfreich. Ausserdem bekommen behandelnde Ärzte qualifi- zierte Informationen über Technologien via Internet, und sie wählen selbst, welche Technologie sie studieren und anwenden möchten. Und die Patienten begreifen: Es gibt keine allein gültige Lehrmeinung, es gibt lediglich konkurrierende Be- handlungskonzepte. Die Veränderungen, die ich erwähnt habe, betreffen nicht nur das Länder- Ranking, sondern auch eine Wissensver- schiebung innerhalb eines Landes. Frü- her waren Universitäten die wichtigste Quelle des Wissens auf vielen Gebieten. Dr. Ihde Dental AG in Gommiswald, Schweiz. Im Bereich der dentalen Implantologie war das praktisch nirgendwo so, denn Implantologie ist sehr stark mit der realen Praxiserfahrung verbun- den. Doch was ist „neu“ in der dentalen Implantologie im Weltmassstab? Da Patienten die Kno- chenaugmentation konse - quent ablehnen, nehmen Ärzte, die moderne Tech- nologien ohne Augmen- tation verwenden, die führenden Posi- tionen in vielen Ländern ein. Während vieler Jahre wurden in den Ländern des Westens vorwiegend „wurzelförmige“ Implantate verwendet. Der Nachteil dieser Implantate liegt darin, dass eine grosse Menge von Knochen erforderlich war. Viele Chirurgen begannen mit In vielen Kliniken müssen vor allem technische Probleme gelöst werden, Einrichtungen optimiert, und die Zu- sammenarbeit mit Zahntechnikern muss dringend ausgebaut werden. Viele Kol - legen haben Schwierigkeiten damit. Das Konzept ist leider auch nicht kas sen - gängig. Dennoch profitieren einige Ver- sicherte mit Festzuschüssen. Bezüglich eines konkreten klini- schen Falls ist es oft schwer, den Patienten zu verdeutlichen, welche Behandlungen in den verschiedenen Bereichen des Kie- fers notwendig sind, um alle Funktionen der Mundhöhle wiederherzustellen. Viele Patienten unterschätzen die Viel- zahl an vorhandenen Problemen und machen sich zu viel Hoffnung im Hin- blick auf die Haltbarkeit der gebliebenen Zähne. Dennoch ist bekannt, dass diese Technologie durchaus mit Problemen verbunden sein kann. die Situation stark verbessern. Sogar bei einer allgemein ungünstigen Prognose und vorhandenen parodontalen Er- krankungen wurde der Zahn „gerettet“ und wieder und wieder behandelt. Um Zähne mit verschiedenen Er- krankungen zu erhalten, wurden in der Stomatologie zwei selbstständige Berei- che entwickelt: Endodontie für Behand- lung der geschädigten Wurzelkanäle und Parodontologie für Verluste von Kno- chen, das Hineinwachsen der Weichteile und der Bildung der parodontalen Taschen. Die Möglichkeiten sowohl der endodontischen als auch der parodonta- len Behandlung sollen heute in gewissen Massen infrage gestellt werden, weil mo- derne Implantate in vielen Fällen eine gute Alternative bieten. Warum? Erstens: Erfahrene Parodontologen müssen zu- „In vielen Kliniken müssen technische Probleme gelöst und die Zusammenarbeit mit Zahntechnikern ausgebaut werden.“ grossen traumatischen Eingriffen, in- dem sie Knochen aus der Hüfte, dem Schädel oder von verstorbenen Tieren und Menschen transplantierten. Viele Patienten hatten enorme Beschwer den, gerade auch an der Entnahmestelle. Als Resultat entstand ein neuer Arbeits- bereich – der sogenannte „Knochenauf- bau“. Die basalen Implantate, die vor etwa 10 Jahren auf dem Markt erschienen, veränderten rasch diesen Bereich: Man benötigte Sinuslifting, Trans plan ta tio nen und andere Arten des Knochenaufbaus nicht mehr. Patienten der Risikogrup- pen, wie z.B. Diabetiker oder Ketten - raucher, können nun behandelt werden. Ein wichtiger Aspekt ist, dass sich die Behandlung auf die Möglichkeit der Sofortbelastbarkeit stützt, d.h. ohne lange Einheilzeiten. Patienten, die auf den Knochenaufbau verzichten, sparen nicht nur 30 Prozent der Behandlungs- kosten, sondern auch 98 Prozent der üblichen Behandlungszeit. Ich erwarte, dass diese Technologie in vielen Kliniken zugänglich wird. Verfolgt man die wissenschaftliche Literatur zum Thema sofortbelastbare Implantate, steht nicht selten die Frage der Sicherheit einer solchen Behand- lung im Mittelpunkt. Wie schätzen Sie diese ein? Es gibt definitiv viel we niger Kom- plikationen bei der Verwendung der so- fort belastbaren Implantate. Betrachten wir die orthopädische Chirurgie und Traumatologie, also Gebiete, bei denen sich mit Knochenbrüchen und Arthro- plastik be schäftigt wird. Der Arzt wählt in diesem Bereich einen Behandlungsplan, der bei der Sofortbelastung funktioniert. Alles andere gilt als unvorhersehbar und gefährlich. Gewöhnlich werden ge- brochene Gliedmassen bei Erwachsenen fixiert und es können sofort bestimmte Funktionen wieder erfüllt werden. Dies ist auch in der Implantologie mithilfe von BOI/BCS-Implantaten, welche wir schon seit vielen Jahren verwenden, möglich. Wir bedienen uns der glei- chen chirurgischen Prinzipien. Anstatt Metallplatten wie bei Knochenbrüchen setzen wir einfach Brücken zur Schie- nung ein. Einen Nachteil hat das Ganze: Wenn die Versorgung fehlschlägt, muss die Brücke natürlich auch neu angefer- tigt werden, und diesbezüglich sollten mit dem Labor klare Vereinbarungen getroffen werden, z.B.: „Meine Garantie ist auch Deine Garantie.“ Wie verändert die dentale Implanto - logie Ihrer Meinung nach die zahn - medizinische Behandlung? Ich habe viele Antworten auf diese Frage. Bis die dentale Implantologie in unserem Beruf erschien, wurden Zahn- ärzte gezwungen, so lange wie es nur möglich war, für jeden Zahn zu kämpfen. Auch wenn die Zähne als eine Stütze für Zahnkronen und Brücken nicht mehr dienten, konnten sie dennoch für die Fixierung der herausnehmbaren Zahn- prothesen gebraucht werden. Besonders schwer war es, im Unterkiefer eine gute Retention für herausnehmba re Total- prothesen zu bekommen, und jede vereinzelt erhaltene Zahnwurzel konnte gestehen, dass ihre Behandlung die Ver- schlechterung oft verzögert, Kosten und Anstrengungen dabei jedoch extrem hoch sind. Letzten Endes schliessen die wiederholten parodontologischen Be- handlungsprozeduren mit der Zahn - extraktion ab, und sehr oft besteht der Nachteil darin, dass zu viel Knochen in dieser Zeit verloren geht, was zumindest die konventionelle implantalogische Behandlung erschwert und oft kosten - intensiver gestaltet. Während wir als Implantologen mit harten Fakten über die mittel- und langfristigen Ergebnisse unserer Arbeit aufwarten müssen, fehlt es im Bereich der Parodontologie an Kos- ten-Nutzen-Bestimmungen mit prakti- schem Bezug. Ein weiterer Nachteil der paro - dontalen Behandlung erweist sich in der Notwendigkeit, Hygieneregeln genau zu beachten, die für die Niedrigerhaltung von Bakterien in der Mund- höhle wichtig sind. Leider sind gewöhnliche zweitei- lige Implantate für Infek- tionen äusserst empfind- lich. Deshalb emp fehlen wir, parodontale Erkran- kungen konsequent be - handeln zu lassen oder alle befallenen Zähne vor dem Einsetzen von Implantaten komplett zu entfernen. Herkömmliche 2-Stage- Implantate in der grossen Patienten- gruppe der „Nichtputzer“ zu verwenden, ist in meinen Augen mehr als fraglich. Zweitens: Die Behandlung der Wur- zelkanäle hat oftmals keinen hundert- prozentigen Erfolg, auch wenn der Zahn nicht schmerzt und es keine kli nischen Symptome gibt. Die Infektion bleibt unmittelbar im Knochen und in dem Teil des Wurzelkanals, der nicht gereinigt und gefüllt werden kann. Solche Zähne sind für dentale Implantate gefährlich, begrenzen die Lebensdauer anderer Konstruktionen. Deshalb empfehlen wir die endodontische Behandlung heut - zutage nur in dem Fall, wenn es daneben keine Implantate gibt. Die dentale Im- plantologie ist heute erfolgreicher als noch vor 10 oder 20 Jahren. Die Le - bensdauer der Implantate übertrifft die Zahn erhaltungsdauer. Deshalb schliesst ein qualifizierter Behandlungsplan häu- fig die Extraktion der Zähne mit bereits behandelten Wurzelkanälen ein. Das dritte Problem, das meist zu wenig beachtet wird, sind die elongier- ten Zähne. Schöne, kariesfreie Zähne, jedoch leider am falschen Platz. Dank der modernen Implantologie können wir uns von diesen Zähnen verabschieden, die Bissebenen vernünftig rekonstruie- ren und die normale, stabile Kaufunk- tion wieder herstellen. Bedeutet das, dass es in der Zukunft keine Brücken an den Zähnen geben wird? Brücken an den Zähnen werden im mer notwendig sein. In vielen Fällen ist das eine ästhetischere Lösung im Ver - gleich mit der Verwendung eines Im- plantats und oft auch weniger gefährlich. Wie verändert Ihrer Meinung nach die basale Impantologie die Möglichkeiten der implantolo gischen Behandlung? Solange es nur gewöhnliche zwei - teilige Schraubenimplantate gab, hing die Implantation vom Vorhandensein des Knochens ab, vor allem am prothe- tisch gewünschten Ort. Heute ist das nicht mehr notwendig, wenn es um die Verankerung der Implantate geht. In manchen Fällen ist die Knochenaug- mentation wegen ästhetischer Indika - tionen wohl von nöten, jedoch eher selten. Deshalb ist die implantalogische Behandlung nach der Entwicklung von basalen Implantaten günstiger und schneller geworden, und das Knochen- angebot muss nicht so hoch sein. Das wichtigste Problem ist gelöst: So gut wie jeder Patient kann heute feste Zähne haben, unab- hängig von der Menge des vorhandenen Knochens. Danke für das Gespräch! DT Anmerkung der Redaktion: Dental Tribune möchte die gesamte fachliche Meinung und Bandbreite an Behand- lungsansätzen neutral abbilden. Dazu gehören neben bewährten auch wis- senschaftlich umstrittene Systeme. Unternehmenspräsentation „Dr. Ihde Dental“ QR-Code einfach mit dem Smartphone scannen (z. B. mit dem Reader Quick Scan) (cid:129) Prof. Dr. Stefan Ihde: Jahrgang 1962. Stu- dium Universität Würzburg. Seit 1993 in der Schweiz in eigener Praxis tätig. Mitglied BDIZ. Lehrtätigkeit für basale Implantologie an verschiedenen Universitäten. Gutachter BVFS für Implantologie. Fellow und Diplomate ICOI. Mehr als 50 internationale Publikationen und Patente. Autor von zwei Lehrbüchern im Bereich der dentalen Implantologie. (cid:129) Kursinformationen: www.boi.ch (cid:129) Weitere Informationen: www.ihde.com www.implant.com