8 International Interview DENTAL TRIBUNE Swiss Edition · Nr. 10/2013 · 2. Oktober 2013 „Das Leben der Menschen zu verändern, war immer ein Ziel von mir“ Prof. Dr. Paulo Malo, Lissabon, stellt ein implantatherapeutisches Konzept für die festsitzende und sofortbelastende Versorgung bei Zahnlosigkeit auf nur 4 Implantaten vor. 1 4a 2 3a 3b 4b 5 6 7 Abb. 1: Verlauf der Knochenresorption nach Zahnentfernung. – Abb. 2: Vorbereitung für die Insertion der posterioren angulierten Implantate im Oberkiefer, der Bohrer wird an der anterioren Wand des Sinus vorbeigeführt. – Abb. 3a: Die okklusale Ansicht auf die fertige Versorgung mit einer Malo Clinic Keramikbrücke im Oberkiefer ... – Abb. 3b: ... und einer Malo Clinic Acrylicbrücke im Unterkiefer. – Abb. 4a und b: Das Lächeln der Patientin mit der definitiven Prothetik. – Abb. 5: Die abschliessende OPT-Aufnahme. – Abb. 6 und 7: Zwei Patientinnen, jeweils vor und nach der All-on-4-Behandlung. Mehr als vier Millionen Menschen, älter als 65 Jahre, sind allein in Deutsch- land zahnlos. Das zeigt: Das Patienten- potenzial ist gross für die Indikation des unbezahnten Kiefers. Ein mögli- ches Konzept ist All-on-4®, mit dem auf nur vier oder mehr Implantaten ein festsitzender implantatgetragener Zahnersatz möglich ist. Die Implan- tate können selbst in atrophierten Kie- fern ohne vorherige augmentative Massnahme inseriert und bei ent - sprechender Primärstabilität sofort versorgt werden. Prof. Paulo Malo, Lissabon, hat dieses Konzept entwi- ckelt. Exklusiv berichtet er im In - terview über die wissenschaftliche Absicherung von All-on-4 und die Vor gehensweise von der Diagnostik bis zur Nachsorge. Herr Prof. Dr. Malo, als Sie in den 1990er-Jahren das All-on-4-Konzept entwickelten, gab es bereits verschie- dene implantologische Versorgungs- möglichkeiten für zahnlose Kiefer. Sie sahen trotzdem die Notwendig- keit für einen neuen Lösungsweg – warum? Ja, das ist wahr. Es gab bereits mehrere Behandlungsmöglichkeiten für die implantatbasierte Rehabilita- tion von zahnlosen Patienten. Aller- dings konnten die konventionellen OP- Methoden den Patienten nicht so- fort zu mehr Lebensqualität verhelfen. Die OP-Techniken waren aufwendig, damit für den Patienten unangenehm, und es war nicht möglich, die Implan- tate sofort zu versorgen und zu belas- ten. Anders ist es bei der All-on-4-Ver- sorgung. Dass die Implantate sofort provisorisch versorgt und belastet werden können, stellt für die Patienten den Hauptvorteil dar und macht den Fortschritt des All-on-4-Konzepts deutlich. Das Leben der Menschen zu verändern, war schon immer eines meiner Ziele als Zahnarzt. Ich bin froh und stolz, dass ich dies erreicht habe. Nur vier Implantate tragen eine fest- sitzende Brücke mit bis zu zwölf Glie- dern. Welche biomechanische Be- deutung kommt den endständigen, anguliert gesetzten Implantaten zu? Indem die distalen Implantate anguliert – in einem Winkel zwischen 30 und 45 Grad – gesetzt werden, kön- nen diese Implantate weiter posterior im Kiefer positioniert werden, sodass eine höhere prothetische Abstützung erreicht wird. Es wird sogar eine bes- sere Verankerung der Implantate er- reicht, weil diese durch ihre angulierte Positionierung von dem kortikalen Knochen im anterioren Kieferbereich profitieren. Mit der Reduzierung der Freiendbrücke wird – auch aus biolo- gischer Sicht – ein signifikanter Vorteil erreicht; die koronale Belastung der Implantate nimmt ab. Es gibt auch Skeptiker des Konzeptes – wie überzeugend sind die Über - lebensraten innerhalb des ersten Jahres nach Insertion? Die Überlebensraten, die wir im Zeitraum von einem Jahr nach der Implantation erreichen, liegen bei über 98 Prozent. Was sagen die Langzeitdaten? Die Resultate, die wir in Studien erzielen konnten, erlauben die Fest- stellung, dass sich das All-on-4-Kon- zept auch in einem mittleren und langfristigen Zeitraum bewährt. Das zeigen die hohen Überlebensraten, die wir evaluiert haben: 98 Prozent (Fünf- Jahres-Nachbeobachtung)1 im Ober- kiefer und im Unterkiefer 98,1 Prozent (Fünf-Jahres-Nachbeobachtung) so- wie 94,8 Prozent (Zehn-Jahres-Nach- beobachtung).2 Wirkt sich der Winkel des Aufbaus auf die Überlebensrate aus? Das angulierte Abutment stellt die Basiskomponente für die Rehabilita- tion dar, gleicht es doch die Angulation – zwischen 30 und 45 Grad – der end- ständig inserierten Implantate aus. Die Resultate unserer Langzeitbeob- achtungen hinsichtlich des margina- len Knochenniveaus und der konse- quent erhobenen Implantatüberle- bensraten zeigen keine signifikanten Unterschiede von geraden und angu- lierten Abutments. den Extra-Maxilla All-on-4-Fällen sind die Lage des N. infraorbitalis und die posteriore Jochbeinwand zu be- stimmen. Welche Implantateigenschaften wir- ken sich positiv auf die Überlebens- rate auf? Die hohen Überlebensraten, die das All-on-4-Konzept zeigt, stehen auch in Zusammenhang mit dem ver- wendeten Implantattyp: NobelSpeedy Groovy™ (Nobel Biocare). Dieses Implantat eignet sich aufgrund seiner Eigenschaften sehr gut für die Sofort- belastung, für schmale Kieferkämme und die Insertion in weichen Knochen. Es besitzt einen schmalen Implantat- hals, Mikrofurchen entlang des Ge- windes (Groovy) und die Ti-Unite® Oberfläche. Mit seiner speziellen Spitze erweitert NobelSpeedy wäh- rend der Insertion den Knochen wie ein Osteom, anstatt diesen zu durch- schneiden – ideal, um eine bikortikale Verankerung des Implantats zu errei- chen und damit eine hohe Primär - stabilität, die für die Sofortbelastung der Implantate notwendig ist. Dass wir speziell mit diesen Implantaten eine hohe Primärstabilität erreichen kön- nen, erklärt mit die hohe Erfolgsquote des All-on-4-Behandlungskonzepts. Eine elementare Voraussetzung für All-on-4 ist die genaue Kenntnis der anatomischen Strukturen. Worauf ist zu achten? Während des operativen Eingriffs sind vor dem Einbringen der Implan- tate die sensiblen anatomischen Struk- turen darzustellen, die das Insertions- gebiet limitieren. Im Unterkiefer ist auf den N. alveolaris inferior zu achten, und wir müssen den anterioren Loop an der Stelle, an der er das Foramen mentale verlässt, darstellen. Im Ober- kiefer ist es bei standardmässigen All- on-4-Verfahren wichtig, die anteriore Knochenwand der Kieferhöhle zu lokalisieren; man bohrt mit einer klei- nen Fräse auf und führt in dieser Höhe eine parodontale Messsonde ein. In Worauf ist bei der Planung zu achten? All-on-4 ist ein chirurgisches Konzept zur Wiederherstellung der funktionellen wie auch ästhetischen Parameter. Das macht es notwendig, bereits in der Planungsphase sämtliche Informationen zu sammeln, die für den chirurgischen Part wie das pro - thetische Ergebnis notwendig sind. Als erstes geht es um die genaue Ana- lyse der knöchernen Kieferstrukturen. Danach erfolgt die entsprechende Klassifizierung des Falles, entweder als All-on-4 Standard, All-on-4 Hybrid oder All-on-4 Extra-Maxilla. Ebenfalls zu beachten sind die DVO-Aufnahmen, Lachlinie und Lippenunterstützung – gegebenenfalls ist eine Nivellierung des Knochens vor der Implantatinser- tion notwendig. Empfehlen Sie bei All-on-4 grund- sätzlich die schablonengeführte In- sertion? Wir empfehlen die navigierte Insertion, sobald die notwendigen Voraussetzungen gegeben sind und die Patienten von der Sicherheit wie Vorhersagbarkeit dieses Verfahrens pro fitieren. Das sind vor allem ältere Menschen und Patienten, die auf- grund allgemeinmedizinischer Er- krankungen zum Beispiel mit Throm- bozyten- oder Gerinnungshemmern behandelt werden. Für den Langzeiterfolg kommt es auch auf die Nachsorge an. Ist die All-on-4-Versorgung pflegeleicht – auch für die Patienten? Die Hygiene ist bei einer All-on-4- Versorgung ausgesprochen einfach, vor allem für die Patienten. Das liegt an mehreren Faktoren, wie der redu- zierten Anzahl der Implantate und der konvexen Basisgestaltung der Supra- konstruktion. Während des chirurgi- schen Eingriffs wird das Knochen - plateau so reguliert, dass die konvexe Form der Suprakonstruktion möglich ist. Das macht die Mundhygiene wirk- lich sehr effektiv und einfach. Nichts- destotrotz ist es wichtig, die Patienten in einen regelmässigen Recall für die Kontrolle und professionelle Reini- gung der Prothese zu bringen – in der Regel alle sechs Monate. Herr Prof. Malo, vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf Ihre Positionen, die Sie im Rahmen des Spezialpodiums „Das ‚All-on-4‘- Konzept – praxistauglich und wis - senschaftlich basiert?“ auf dem 43. DGZI-Jahreskongresses am 5. Ok - tober in Berlin live mit Ihren Kolle- gen und dem Publikum diskutieren werden. DT Interview: Eva-Maria Hübner, Pulheim. Erstveröffentlichung: IMPLANTOLOGIE JOURNAL 6/13 Literatur [1] Maló P, de Araújo Nobre M, Lopes A, Francishone C, Rigolizzo M. All-on-4 Immediate-Function Concept for Completely Edentulous Maxillae: A Clinical Report on the Medium (3 Years) and Long-Term (5 Years) Outcomes. Clin Implant Dent Relat Res 2011:1–12. [2] Maló P, de Araújo Nobre M, Lopes A, Moss SM, Molina GJ. A longitudinal study of the survival of All-on-4 implants in the mandible with up to 10 years of follow-up. J Am Dent Assoc. 2011 Mar;142(3):310–20. Kontakt Infos zum Autor Prof. Dr. Paulo Malo Malo Clinic Av. dos Combatentes, nº43 1600-042 Lissabon, Portugal www.maloclinics.com