26 State of the Art ENDO TRIBUNE Swiss Edition · Nr. 11/2015 · 4. November 2015 3 6 4 7 5 8 Abb. 3: Gewebereste im Isthmus in der Mitte der mesialen Wurzel vor der Aufbereitung. – Abb. 4: Sauberer Isthmus in der mesialen Wurzel nach der Aufbereitung. – Abb. 5: Sauberer Isthmus am Wurzelkanaleingang unter dem Mikro- skop. – Abb. 6: Detail. – Abb. 7: Kalziumhydroxid in einem c-förmigen Kanalsystem. – Abb. 8: Kein sichtbares Kalziumhydroxid mehr in den Wurzelkanälen nach Spülung mit EDDY. messer von ISO 20 an der Spitze und einem Winkelstückschaft, die 2008 auf den Markt kamen. Nach Abtrennen des Winkelstückschaftes liessen sich die Spitzen in Airscaler- oder Ultra- schallansätze einkleben. Angesichts der Probleme, die metallische Spitzen bei der Aktivierung verursachen, lag es natürlich nahe, Kunststoffspitzen für diesen Zweck zu verwenden: Sie sind flexibler und tragen keine Zahnsubs- tanz ab. Es zeigte sich jedoch schnell, dass sich Kunststoffspitzen für den Einsatz in Ultraschallgeräten nicht eignen. Denn die Dämpfung ist in dem weichen Kunststoffmaterial bei der hohen Schwingungszahl so gross, dass kaum Energie an der Spitze an- kommt. Ultraschallspitzen schwingen üblicherweise mit 30 kHz, Airscaler dagegen lediglich mit 6.000 Hz. Es bot sich deshalb an, die geringere Fre- quenz des Airscalers zu nutzen. Hält man die Spitze eines Airscalers in Natrium hypochlorit, wird es so stark in Be wegung gesetzt, dass es förmlich aufzukochen scheint. Experimente mit meinen Eigenbauten an extrahier- ten Zähnen und transparenten Plas- tikblöcken mit artifiziellen Wurzel - kanälen zeigten das enorme Potenzial. Kurz: Airscalerspitzen besitzen die Vorteile der Nickel-Titan-Spitzen, nicht aber deren Nachteile. Diese Po - lyamidspitzen erreichen problemlos das Ende eines jeden Wurzelkanals, selbst wenn dieser extrem gebogen ist. Weil das Material anders als Nickel- Titan-Spitzen weicher ist als Dentin, kommt es zu keiner Stufenbildung. Weiterer Vorteil: An fast jedem Be- handlungsstuhl in Deutschland ist ein Airscaler verfügbar. Begeistert von den faszinierenden Eigenschaften, stellte ich „meine“ Airscalerspitze beim Südtiroler Endo - dontie-Oktober vor – einer von Dr. Hans-Willi Herrmann initiierten und mit Unterstützung von VDW durch- geführten Fortbildung für Endo- Interessierte. Herrmann beschrieb das Instrument später in seinem Blog „Wurzelspitze“, nannte es Zeppinator und bezeichnete es als potenzielle Top-Innovation des Jahres 2009 – wenn es denn erhältlich wäre. (https://wurzelspitze.wordpress.com/ 2010/01/12/top-2009-4-der-zeppinator/) Das nahm ich zum Anlass, meine Idee VDW vorzustellen. Sie wurde mit Interesse aufgenommen und startete unter dem Projektnamen „EDDY“, englisch: Wirbel, Strudel. Der Name beschreibt das Instrument so gut, dass er als Produktname übernommen wurde. Die Zusammenarbeit mit der For- schungs- und Entwicklungsabteilung (F&E) funktionierte ausgezeichnet. Statt Kunststoffspitzen in einen Metallansatz für Airscaler einzu- schrauben wie bei meinen Prototy- pen, schlug der Leiter F&E (M. Borg- schulte) vor, die kompletten Spitzen aus einem Stück zu fertigen und dann als steriles Einmalinstrument in Blis- terpackungen auf den Markt zu brin- gen. Diesem Vorschlag entsprechend wurden Prototypen aus verschiede- nen Materialien hergestellt und bei VDW sowie in meiner Praxis an extrahierten Zähnen und Plastik - blöcken getestet. Im Fokus stand, das Handling, die Sicherheit und die Effektivität zu optimieren. Ich hatte als Praktiker durchaus damit gerechnet, dass das eine Menge Arbeit mit sich bringen würde, hatte aber den Aufwand und die Kosten für die Dokumentation und die Erfüllung rechtlicher Bestimmungen komplett unterschätzt. entfernen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt vielmehr in der chemischen Be - seitigung der Infektion. Natriumhypochlorit ist das am häufigsten eingesetzte chemische Des- infektionsmittel. Es tötet Bakterien bei Kontakt sofort ab und löst abgestor - benes, infiziertes organisches Material auf. Die Schwierigkeit: Einerseits muss es sämtliches abgestorbenes Gewebe und den Biofilm erreichen und auf - lösen, andererseits aber das angren- zende, gesunde Gewebe schonen. Das einfache Spülen des Wurzelkanalsys- tems mit einer Spülkanüle funktio- niert dafür nur begrenzt. Es hat zu - dem zwei gravierende Nachteile: – Erstens findet in einem geschlosse- nen Wurzelkanalsystem vor der Spülkanüle kaum Flüssigkeitsaus- tausch statt (Vapor lock-Phäno- men), sodass das Natriumhypochlo- rit die Bakterien im entscheidenden apikalen Bereich gar nicht erreicht. Höchstwahrscheinlich ist die Spü- lung des apikalsten Teils des Wur- zelkanals eine der am meisten vernachlässigten Massnahmen bei der Reinigung des Wurzelkanals (Park E. et al. 2012). – Zweitens besteht die Gefahr, mit ei- ner Spülkanüle Natriumhypochlo- rit in das Gewebe jenseits des Apex zu überpressen, was zu massiven Schmerzen, Nekrosen und allgemei- nen Komplikationen führen kann (Natriumhypochloritunfälle). No bugs, no Problems PUI versus „EDDY“ Wenn es gelingt, die Bakterien aus dem Wurzelkanalsystem vollständig zu eliminieren und anschliessend keine neuen Bakterien hineinzulassen, wird die Wurzelbehandlung erfolg- reich sein. In den letzten Jahren sind zwar viele neue Instrumente einge- führt worden, die die Aufbereitung von Wurzelkanälen erleichtern. Doch die Aufbereitung der Kanäle allein reicht für den Erfolg einer Endodontiebe- handlung nicht aus. Mikro-CTs von Wurzelkanalsystemen zeigen, dass es völlig unmöglich ist, Bakterien aus einem solch komplexen System durch mechanisches Reinigen vollständig zu Als Goldstandard bei der Spülung mit Natriumhypochlorit gilt derzeit die Ultraschallaktivierung (PUI: pas- sive ultrasonic irrigation). Dabei wird das Natriumhypochlorit durch eine Ultraschallspitze im Wurzelkanalsys- tem in Schwingungen versetzt und das Natriumhypochlorit gelangt durch die daraus resultierenden hohen Strö- mungsgeschwindigkeiten und Kavita- tionseffekte in Bereiche, die einer me- chanischen Reinigung nicht zugäng- lich sind und tötet die Bakterien dort ab. Nachteil: Die metallische Ultra- schallspitze kann in gebogenen Kanä- len nicht frei schwingen, weil sie an gegenüberliegenden Kanalwänden anliegt und ausserdem in gebogenen Kanälen Stufen verursachen kann. Ne- ben dem relativ hohen Preis sind es wohl diese technischen Schwierigkei- ten, die verhindert haben, dass die Ultraschallaktivierung nahezu aus- schliesslich von Spezialisten eingesetzt wird. Unter dem Mikroskop kann man direkt beobachten, dass sich die mit Airscaler aktivierten EDDY-Spit- zen hervorragend eignen, um Dentin- späne, Kalziumhydroxid und nekro - tisches Gewebe aus Wurzelkanälen zu entfernen. Bei der Aufbereitung kom- plexer Wurzelkanalsysteme kommt es automatisch zum Einpressen von De- bris in Isthmen, aus denen sich das Ma- terial nur sehr schwer wieder entfernen lässt (Paqué et al. 2012). Die Ultra- schallaktivierung bringt eine deutliche Verbesserung gegenüber der Spülung, aber auch damit gelang es nicht, die Reste vollständig zu entfernen (Feire et al. 2015). Ich habe deshalb Dr. Frank Paqué gebeten, von einem extrahierten Molaren vor der Aufbereitung ein Mikro-CT anzufertigen und nach der Aufbereitung und Spülung/Beschal- lung mit EDDY ein weiteres Mikro-CT zu machen, um zu sehen, inwieweit es gelingt, den Isthmus mit EDDY zu säu- bern. Erfreulicherweise zeigte sich ein komplett sauberer Isthmus. Auch wenn es nur ein einziger Zahn ist, so ist das Ergebnis doch besser als die bisher publizierten Ergebnisse. ln der Praxis setzen wir EDDY bei Wurzelkanälen mit geschlossenem Apex (Feile ISO 20 geht nicht über den Apex hinaus) bis auf Arbeitslänge ein, bei Zähnen mit offenem Apex aus Si- cherheitsgründen 1 mm kürzer. ln die- sen Fällen markieren wir zusätzlich zur vorhandenen Markierung am In- strument die Arbeitslänge mit einem wasserfesten Filzstift, um apikale Blu- tungen zu vermeiden. Kalziumhydroxid: Problem gelöst? Die Entfernung von Kalzium - hydroxid aus Wurzelkanälen ist ein ernsthaftes Problem, wie auch Prof. Dr. Michael Hülsmann kürzlich dar- gelegt hat. In c-förmigen Wurzelkanä- len liesse sich auch bei Ultraschallakti- vierung etwa ein Drittel des Materials nicht entfernen, so Hülsmann. In ei- nem Video (www.dentalmagazin.de), das einen c-förmigen Wurzel kanal zeigt, sind nach Spülung und Beschal- lung mit EDDY keine Reste von Kal - ziumhydroxid mehr erkennbar. Wis- senschaftliche Untersuchungen dazu stehen allerdings noch aus. Die besten Ergebnisse mit EDDY erreichen wir, wenn bei der Beschallung kontinuier- lich Natriumhypochlorit in das Pul- penkavum eingeträufelt und neben dem Zahn wieder abgesaugt wird. Eine weitere Anwendung ist die gleichmässige Verteilung von Sealer auf der Kanaloberfläche mit EDDY. Wird die Spitze von EDDY mit etwas Sealer beschickt und im Kanal akti- viert, so erhält man eine hauchdünne gleichmässige Sealerschicht auf der Oberfläche der Kanalwand. Insgesamt ist EDDY ein sehr vielseitig einsetz - bares Instrument in der Endo dontie, das die Arbeit erleichtert und die Ar- beitsergebnisse ver bessert. ET Erstveröffentlichung: DENTAL MAGAZIN (vom 15. Oktober 2015) Kontakt Infos zum Autor Dr. Winfried Zeppenfeld Zahnärzte in Partnerschaft Rathausstr. 11–13 24937 Flensburg Deutschland Tel.: +49 461 28323 praxis@zahngiz.de www.zahngiz.de