18 | PRAXISMANAGEMENT Nr. 9 | September 2011 Haferkamps Expertentipp (4) Über viele Jahre hinweg hat sich Wolfgang Haferkamp insbesondere bei kieferortho - pädischen Praxen einen Namen als aufmerksamer Beobachter, zuverlässiger Partner und wertvoller Berater gemacht. So entwickelt er nicht nur individuelle und an aktuelle Vorgaben angepasste Konzepte, sondern begleitet Praxen auch durch den Dschungel an gesetzlichen Anforderungen, Verordnungen oder Richtlinien. Im Rahmen dieser KN-Artikelserie gewährt Wolfgang Haferkamp Einblicke in verschiedenste Themen - bereiche und vermittelt das entsprechende Hintergrundwissen. KFO-Praxis Dr. Karin Mustermann ratungsterminausfälle reduziert. Zur Terminerinnerung kann ein Anruf dienen (bei Kindern auch mit den Eltern reden!), eine Post- karte, E-Mail oder auch eine SMS, wenn die Handynummer erfragt worden ist. Diese zusätz- liche Kontaktaufnahme sollte im ersten Telefongespräch an- gekündigt werden. Der nächste Schritt in Sachen Servicequalität betrifft die Auf- findbarkeit der Praxis. Ist die Wegebeschreibung korrekt und die Praxis auf dieser Grundlage leicht zu finden? Oder stehen Mutter und Kind händeringend vor einem innerstädtischen Ge- bäudeblock, haben extra die Schu le ausfallen lassen und Ur- laub genommen und wissen nicht, welchen der drei Eingänge sie betreten müssen. Der neue ANZEIGE Patient muss durch Schilder zur Praxis geleitet werden und diese müssen eindeutig sein. Wenn möglich, ist ein Außenschild als „Stopper“ einzusetzen, das sig- nalisiert: „Hier bist du richtig.“ Von dort ist jeder Punkt, an dem eine alternative Gehrichtung ge- wählt werden kann, zu beschil- Teil 4: Mehr als Kaffee und Wasser – Der Service beginnt bereits vor dem ersten Schritt in die Praxis Überdimensionale Trinkwasser- ballons laden in immer mehr Pra- xen zum Selbstzapfen ein, Kaf- feeduft durchströmt die Räume – die wartende Mutter wird mit Es- presso, Cappuccino oder anderen Kaffeeköstlichkeiten verwöhnt. Und schon ist die kieferorthopä- dische Praxis eine Servicepra- xis, obwohl die Wartezeiten nach wie vor bei einer Kontrollunter- suchung eines herausnehmbaren Gerätes eine gute halbe Stunde dauern. Die Untersuchung selbst ist nach zwei Minuten beendet. Dabei tauschen die Helferinnen über die Köpfe der Patienten hin- weg die Erlebnisse des vergan- genen Wochenendes aus. Also doch keine Servicepraxis? Was bedeutet Service oder bes- ser Servicequalität in der kie- ferorthopädischen Praxis? Auch wenn es bei manchen Kieferor- thopäden am Selbstverständ nis rüttelt: Der Patient ist immer auch ein Kunde – bei Kindern und Jugendlichen sind es sogar Auch wenn der erste Eindruck, anders als oft behauptet wird, nicht immer der entscheidende ist, ist eine eventuell negative ers te „Duftmarke“ nur schwer zu korrigieren. Wenn sich die Praxis so meldet, dass sie ein- deutig identifizierbar ist und deut- lich wird, mit wem der An rufer spricht (Freundlichkeit und Höf- lichkeit inklusive), ist der ers te Schritt getan. Nach der Termin - absprache (siehe Info-Kasten) für die Erstberatung ist ein Will- kommensbrief sinnvoll, der auf jeden Fall eine Anfahrtsskizze oder einen Findeplan enthält, eine Auflistung der Unterlagen, die mitgebracht werden sollten (z.B. bestehende Röntgenbilder) und einen Anamnesebogen. Letz- teren zuzuschicken ist auch aus Datenschutzgründen angebracht, da die Ausfüllung desselben im Wartezimmer unter den Augen anderer nicht korrekt ist. Er kann dann in der Beratung er- gänzt werden. Liegt der Termin länger als zwei Wochen in der Zukunft, sollte eine kurzfristi- ge Terminerinnerung erfolgen. Gleichzeitig werden so Erstbe - Museum der bildenden Künste mindestens zwei pro Patient, da die, die bezahlen, auch Kunden sind. Ein Kunde setzt direkt oder indirekt (via Krankenkasse, Bei- hilfe etc.) Geld ein, um einen Ge - genwert zu erhalten: gesunde, gerade, funktionierende Kiefer und Zähne. Und wenn diese dann auch noch „schön“ sind, hat sich der monetäre Einsatz gelohnt. Der Dienst am Kunden, der Ser- vice, setzt früh ein, bereits bei der Kontaktaufnahme durch diesen. K F O - P r a x i s D r. K a r i n M u s t e r m a n n dern und bei Bedarf mit zusätz- lichen Hinweisen zu versehen (Pfeile oder Stockangabe). Ist es noch ein Stück, sollten Schilder wiederholt werden, damit nicht die Frage aufkommt: „Bin ich hier noch richtig?“ Und ist der Praxiseingang erreicht, sollte auch dies klar kommuniziert werden. Bewährt haben sich hier vor allem direkte Einblicke via Glas auf die Rezeption. Viele kieferorthopädische Pra- xen arbeiten mit automatischen Türöffnern. Auch dies sollte mittels eines kleinen Hinweises kommuniziert werden. Da diese außerhalb der eigentlichen Pra- xisräume angebracht sind, wer- den sie kaum gepflegt. Dabei sind sie, so unscheinbar sie auch wirken, Teil der Praxis und be- stimmen deren Image mit – von hygienischen Aspekten ganz zu schweigen. Haben der Patient und die ihn eventuell begleitenden Eltern endlich die Schwelle zur Praxis überschritten, wollen sie emp- fangen werden. Sie haben mit einer freundlichen Mitarbeiterin gesprochen, einen netten Brief erhalten und auch noch eine Er- innerung an den Termin – sonst hätten sie diesen doch tatsäch- lich versäumt – und haben pro- blemlos und ohne einmal zu sto- cken den Weg bis hierhin gefun- den. Aber die Dame, die hinter dem viel zu hohen Tresen sitzt, telefoniert in Seelenruhe und würdigt sie keines Blickes. Erst nach gefühlten fünf Minuten legt sie auf, schaut sich um und die Eingetretenen fragend an. Ein Szenario, das so mit vielen Va - riationen täglich stattfindet. Lassen wir einmal den hohen Tresen beiseite und erwarten, dass die Rezeptionskraft die Ein- gangstür im Blickfeld hat oder hört, dass jemand die Praxis be- treten hat. Sie blickt auf und empfängt die Neuankömmlinge mit einem freundlichen Lächeln. Wenn das Telefongespräch noch etwas dauern könnte, bittet sie mithilfe der Stummtaste um Ver- ständnis und signalisiert: „Ich bin gleich für Sie da!“ Ist ein Ende des Telefonates nicht abzusehen, vertagt sie dieses und widmet sich dem neuen Pa- tient und dessen Mutter. Selbst- verständlich freundlich, höf- lich und mit ständig wiederkeh- rendem Blickkontakt. Also nicht begrüßen, in den Computer ein- pflegen und sagen: „Sie können sich so lange ins Wartezimmer setzen.“ Der – mögliche – Satz „Nehmen Sie bitte einen Moment im Wartezimmer Platz“ wird im Idealfall unterstützt durch eine Geste (Hand, Kopf, Oberkörper), die in Richtung Wartezimmer weist. Der Patient ist in der Praxis an- gekommen und hat bis hierhin Servicequalität erlebt. Vorausset- zung dafür ist eine genaue Ana- lyse der entsprechenden Abläu fe, deren Beschreibung, die Schu- lung der Mitarbeiter, die Erstel- lung von Hilfsmitteln wie An- fahrtsskizzen und ein regelmäßi - ges Controlling, ob all das auch funktioniert bzw. etwas geän- dert werden sollte oder könnte. Eine derartige Servicequalität ist Teil eines funktionierenden Qualitätsmanagements, um des- sen Grundlagen es in der nächs - ten Folge dieser Artikelserie geht. Kurzvita Wolfgang Haferkamp M.A. (cid:129) Jahrgang 1956 (cid:129) Studium der Publizistik- und Kommu - nikationswissenschaften, Universität Münster (cid:129) Kommunikations- und Unternehmens- berater (cid:129) Spezialist für kieferorthopädische Praxen (seit 1999) bundesweit (cid:129) Veröffentlichungen und Vorträge zu den Bereichen Organisation/Manage- ment/Qualitätsmanagement und Pa- tientenbefragungen in der KFO Info Adresse Ich bevorzuge das Wort „Terminabspra- che“, da hier keine Termine einseitig „vergeben“ werden, sondern ein Aus- handeln des Termines stattfindet zwi- schen den Vorgaben der Praxis (wann sollen bestimmte Terminarten verge- ben werden) und den Terminkalendern von Patient und eventuell Angehörigen. Wolfgang Haferkamp Büro für Kommunikation Hübnerstraße 19 33104 Paderborn Tel.: 0 52 54/8 55 12 Fax: 0 52 54/8 72 03 E-Mail: haferkamp@t-online.de www.haferkamp-beratung.de