14 | www.kn-aktuell.de PRAXISMANAGEMENT Nr. 1/2 | Jan./Feb. 2012 Fortsetzung von Seite 13 Gespräch mit dem Patienten füh- ren, probten sie dies am Studien- hospital in Münster mit „wirk- lichen“ Menschen, nämlich mit Schauspielern. Der gestellte Kli- nikalltag sollte den angehenden Ärzten helfen, sich praxisnah und nach dem Motto „Learning by Doing“ auf die Situation des Pa- tienten einzulassen und das Pa- tientengespräch auf Augenhöhe zu trainieren. Dieser Perspektivenwechsel ge- lingt auch, wenn sich der Kie- ferorthopäde in einer Trainings- situation einmal selbst auf den Behandlungsstuhl setzt und sich in eine Behandlungssituation hi - nein begibt. Dabei lehnt sich eine andere Person über ihn. Der Kie- ferorthopäde spürt am eigenen Leib, dass dies auf seine Patien- ten zuweilen recht bedrückend und bedrohlich wirken kann. In dieser Übung merkt er selbst, wie verletzlich und ausgeliefert sich Patienten vorkommen kön- nen, wenn Kieferorthopäde und Helferin z.B. über eine kompli- zierte Fehlstellung des Kiefers Ein emotionales Vertrauensver- hältnis zum Patienten und dessen Begleitperson entsteht, wenn der Kieferorthopäde: } nicht mit Aussagen arbeitet, sondern Fra- gen stellt und konkret auf die Antworten der Gesprächspartner eingeht, } individuell auf das Gegenüber bezogen argumentiert, } die Gesprächspartner im Wohlfühlkanal hält und } alle notwendigen Informationen so ver- ständlich kommuniziert, dass Patient oder Patientenbegleiter – z.B. bei mehreren zur Disposition stehenden Behandlungsmög- lichkeiten – eine eigenständige Entschei- dung treffen kann. fachsimpeln – und dabei so tun, also ob der Patient gar nicht an- wesend sei. Nachdem sie diese Übung durchgeführt haben, rea- gieren manche Kieferorthopäden oft folgendermaßen: Sie vermei- den es, das Patientengespräch zu führen, solange der Patient sich auf dem Behandlungsstuhl in der waagerecht liegenden und damit quasi untergeordneten Position befindet. So signalisieren sie au- genfällig, dass sie sich mit dem Patienten auf Augenhöhe bege- ben wollen. Der Patient fühlt sich als Individuum wahr- und ernst- genommen und spürt, dass man mit ihm spricht – und nicht über ihn. Eine ähnliche Haltung ist dann auch im Umgang mit dem Patientenbegleiter notwendig. Am wichtigsten ist, dass sich der Kieferorthopäde bewusst wird, wie insbesondere der Elternteil z.B. die Kieferfehlstellung des jungen Patienten wahrnimmt und was dies für sein Alltagsleben be- deutet. Darum sollte er in seiner täglichen Arbeit nach Möglich - keiten suchen, die typische Arzt- Patienten-Beziehung, in der die Beteiligten völlig unterschiedliche Positionen einnehmen, aufzubre- chen – etwa indem er sich immer wieder im übertragenen Sinne auf „den Stuhl des Patienten setzt“ und dessen Perspektive einnimmt. Sich sprachlich auf Augenhöhe begeben Gelingt jener Wechsel „auf den Stuhl“ und in die Welt des Patien- ten, fällt es den meisten Kiefer - orthopäden relativ leicht, den Pa- tienten und dessen Begleiter als gleichberechtigte Partner anzu- sehen. Das primäre Ziel des Ge- sprächs besteht dann darin, Ver- trauen aufzubauen. Dazu vermei- det der Kieferorthopäde jedes Wort und jede körpersprachliche Gestik und Mimik, die von Mut- ter oder Vater als Ausdruck ei - nes Machtgefälles oder gar als Überlegenheitssignal interpre- tiert werden könnte. Diese Haltung bewirkt überdies, dass der Kieferorthopäde seinen Gesprächspartner auch sprach- lich in den Mittelpunkt rückt und z. B. konsequent den Sie-Stand- punkt einnimmt und auf diese Wei se verdeutlicht: „Liebe Frau Schmitz, es geht um Ihr Kind, um IhreWünsche und Erwartun- gen, um Ihre Befindlichkeit und um die des Kindes.“ Eine Konsequenz dieser sprach- lich sensiblen Haltung ist ein Satz wie: „Frau Schmitz, Ihr Kind muss Folgendes tun …“, wird er- setzt durch: „Frau Schmitz, bitte beachten Sie, dass Ihr Kind …“ Dabei mag jene Aufforderung „Das Kind muss Folgendes tun …“ gar nicht besserwisserisch gemeint sein. In dem Beispiel liegt es nicht in der Absicht des Kieferorthopäden, den Elternteil zu verunsichern. Aber: In der sen- siblen Wahrnehmung der ängst- lichen Patientenbegleiterin, die um ihr Kind besorgt ist, läuft viel- leicht folgendes Szenario ab: „Wieso muss das so sein? Was passiert, wenn wir es nicht befol- gen? Warum betont er diese Not- wendigkeit überhaupt so? Besteht etwa eine Gefahr – und er will mich nur nicht beunruhigen?“ ANZEIGE G e e i g n e t f ü r d e n U m g a n g m i t M u s i k i n s t r u m e n t e n ! Comfort Cover 23,- EUR Pack / 5 Paar Tel.: 06081-942140 Fax: 06081-942132 team@realkfo.com (cid:205)(cid:3)www.realkfo.com Runter vom hohen „Experten-Ross“ Aufgrund des Expertenstatus des Kieferorthopäden und seines na- turgemäß größeren Fachwissens droht die Gefahr, als hochnäsig oder gar arrogant wahrgenom- men zu werden. Entscheidend dabei ist nie, wie der Kieferortho- päde wirklich ist, sondern wie er auf den Patienten wirkt. Der Kieferorthopäde kann dieser negativen Wahrnehmung ent ge - genwirken, indem er seine (Fach- ) Sprache dezent und wohldosiert einsetzt und auf ein Mi nimum re- duziert. Notwendige Fachbegriffe sollte er stets mit verständlichen Worten umschreiben. Hilfreich sind zudem Zwi schenfragen: Die Antworten signalisieren ihm, ob der Patient bzw. dessen Begleit- person und er sich – immer noch – auf derselben kommunikativen Ebene befinden und nicht anein- ander vorbeireden. Also: Kieferorthopäden, die ein Gespräch auf Augenhöhe anstre- ben, fassen das Gesagte immer wieder kurz zusammen, geben es mit anderen Worten wieder und stellen Verständnisfragen: „Ha- ben Sie alles verstanden? Haben Sie Fragen zum Behandlungs- vorschlag?“ Patienten im Wohlfühl - bereich halten Kurzvita Der Kieferorthopäde sollte Er- klärungen mit Hinweisen un - termauern, die der Lebenswirk- lichkeit des Patienten entspre- chen und möglichst dessen Le- bensumfeld entnommen sind. Dies gelingt am besten, wenn er über den Patienten informiert und dessen Persönlichkeit ein- schätzen kann. Dann kann er seine Vorgehensweise auf den Patienten abstimmen. Ein Beispiel: Wenn der impulsi - ve und extrovertierte Kieferor- thopäde auf den zurückhalten- den Patienten trifft, kann eine Situation entstehen, in der sich der Patient „überfahren“ fühlt. Er verlässt den „Flow-Kanal“ (nach Mihaly Czikszentmiha- lyi), also seinen Wohlfühlbe- reich. Es ist mithin der Kiefer - orthopäde, der den Patienten aus diesem Wohlfühlbereich hi - naus katapultiert. Und das darf nicht passieren. Um den Patien- ten im Flow-Kanal zu halten, sollte er sich darauf konzentrie- ren, die Verfasstheit des Ge- sprächspartners zu berücksich- tigen. Fazit Ein Gespräch auf Augenhö - he zwischen gleichberechtigten Gesprächspartnern kann ent- stehen, wenn der Kieferortho- päde ernsthaft bemüht ist, sich in die Vorstellungswelt des Pa- tienten und des Patientenbe- gleiters zu begeben. Glaubwür- dig und authentisch kommt dies aber nur an, wenn die patien - tenorientierte Kommunikation auf Augenhöhe nicht um ihrer selbst willen praktiziert wird, sondern der Einstellung des Kie- ferorthopäden entspricht, für ihn mithin wirklich das Wohl der Gesprächspartner im Fokus steht. Allerdings sind dem Willen des Kieferorthopäden, solche Ge- spräche zu führen, Grenzen ge- setzt, weil es zu viele Verord- nungen gibt, die die intensive Kommunikation mit dem Pa- tienten und den Patientenbe- gleitern blockieren und gerade - zu verhindern. Dr. Wolfgang Schmehl ist Zahnarzt, Praxis-Coach und Initiator der ZahnRat® GmbH. Die Unternehmens- beratung für die zahnärztliche Praxis ZahnRat® bietet ein individualisierbares Komplettpaket an: von der Anfangsbera- tung und Praxisanalyse über Seminar- und Coachingangebote bis zur Planung und Durchführung langfristiger Entwick- lungskonzepte. Dr. Wolfgang Schmehl hat an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Müns ter Human- und Zahnmedizin stu- diert, 1986 erfolgte die Promotion zum Dr. med. dent. Seine Überzeugung: Ge- steigerter wirtschaftlicher Praxiserfolg und ein Zugewinn individuell definierter Lebensqualität sind Folge einer konse- quenten Umsetzungshilfe bei der Rea - lisierung der jeweiligen Praxisentwick- lungskonzepte. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte: (cid:129) individuelle praxisinterne Workshops (cid:129) interne Praxisoptimierung und indivi- duelle Profilierung (cid:129) Praxisentwicklung als Neustart in Sanierungsfällen (cid:129) Work-Life-Balance ohne Gewinnver- lust (cid:129) praxisstrategische Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung des Le- benswerks Adresse ZahnRat® GmbH Unternehmensberatung für Zahnärzte Bahlmannstraße 6 48147 Münster Tel.: 0251 3972972 zahnrat-gmbh@hotmail.com www.zahnrat.com