8 | www.kn-aktuell.de WISSENSCHAFT & PRAXIS Nr. 9 | September 2012 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11a Abb. 11b Abb. 11c Abb. 11d Abb. 12a Abb. 12b Abb. 12c Abb. 12d Abb. 12e Abb. 9: Therapieoption zur Korrektur der anterior-posterioren Relation mit Simulation einer Klasse I-Einstellung im letzten Behandlungsschritt bei der ClinCheck-Planung. – Abb. 10: Visualisierung der Bewegungsabläufe in Bal- kendarstellung bei simultaner Stufeneinteilung. – Abb. 11a–d: Behandlungsverlauf: Klinische Situation frontal mit inserierten Alignern und eingehängten intermaxilären Gummizügen beidseits (a, b). Intermaxilläre Gummizüge werden zur Bisslageumstellung direkt an den Alignern befestigt, Lateralansicht rechts (c). Bereits deutlich erkennbare Veränderung der sagittalen Relation nach 15 Alignern durch Applikation intermaxillärer Gummizüge, Lateral- ansicht links (d). – Abb. 12a–e: Neutralokklusion der rechten Seite mit orthognather transversaler Relation vor Behandlungsabschluss, Attachments noch in situ, das klinische Ergebnis entspricht der ClinCheck-Planung (a). Be- handlungsergebnis kurz vor Abschluss in der intraoralen Frontalansicht (b). Neutralokklusion links mit geringradiger vertikaler Differenz als temporärer Nebeneffekt während der Aligner-Behandlung vor der Settling-Phase (c). Der Oberkieferzahnbogen ist transversal ausgeformt (d). Ausgeformter Unterkiefer mit Beseitigung der frontalen Engstände in der okklusalen Aufsicht (e). Fortsetzung von Seite 6 lungsmittel locker, fest oder durch- sichtig gestaltet sein soll. Damit muss für Kinder heutzutage nicht mehr notgedrungen die Korrektur ihrer Zahnfehlstellung in oben genannter, traditioneller Behand- lungsabfolge verlaufen und mit der obligaten Vollverdrahtung ih- res Mundes zwingend enden. Großes Thema ist selbstverständ- lich bei Kids, deren Alltag in der Regel von gänzlich anderen Prä- ferenzen geprägt ist als denen des Tragens ihrer orthodontischen Behandlungsapparaturen, die Mit- arbeit, neudeutsch: Compliance. Diese Schwierigkeit der jungen Patienten und mithin auch die des Behandlers ist u.a. ein plausibler Grund für den festen Einbau einer Multibracket-Apparatur, denn was nur durch einen Fachmann mit instrumentellem Aufwand wieder zu entfernen ist, kann von einem Patienten kaum „vergessen“ wer- den zu tragen. Meist ist es aber weniger die Vergesslichkeit, son- dern eher der eingeschränkte Tra- gekomfort und die phonetischen Limitationen auch der grazileren Varianten mono- oder bimaxil - lärer Geräte, die es den zum Teil sehr vielseitig beschäftigten Jugendlichen erschweren, die nö- tige, kieferorthopädische Diszi- plin aufzubringen. Beim Tragen der nur 0,7mm dün- nen Invisalign-Aligner treten die - se Probleme hingegen in aller Re- gel kaum auf. Wie schon für die meisten Erwachsenen sich die Schienen nach kurzer Adaptation fast unmerklich im Mund anfüh- len, lässt sich auch bei Teenagern eine Invisalign-Behandlung meist völlig komplikationslos in den ju- gendlichen Alltag implementie- ren, sodass nach unseren Erfah- rungen die Compliance sich bei Kindern nicht von der der Er- wachsenen unterscheidet, manch- mal sogar noch gewissenhafter erscheint. Insbesondere wenn sportive Aktivitäten wie Fußball, Handball, Mountainbiking, Ska- ting oder andere durchaus mit Gefahren behaftete Sportarten von den Eltern entweder erduldet oder gefördert werden, bieten da- bei eingesetzte Aligner nebenbei ein erheblich reduziertes Risiko an Zahn- und Kiefertraumata. Aber auch umgekehrt, wenn eher die musischen Talente der Kinder hoffnungsfroh unterstützt wer- den, können die Aligner beim Üben von Trompete oder Posaune einfach nach Bedarf herausge- nommen werden, was der harmo- nischen Klangerzeugung oftmals entgegenkommender klingt als die musikalischen Bemühungen mit Brackets auf den Zähnen, egal von welcher Seite. So sind die beiden Compliance- Indikatoren (Abb. 1), mit denen die Invisalign-Teen-Aligner an den jeweils distalsten Zähnen bukkal ausgestattet sind, mehr ei - ne zusätzliche, beruhigende Kon- trollmaßnahme für Eltern und Be- handler als essenzielles Behand- lungstool. Dennoch hat sich die Beurteilung des Diffusionsgrades der mit blauer Lebensmittelfar - be gefüllten Indikatorreservoire (siehe Publikation T. Schott, G. Göz, „Color Fading of the blue compliance indicator encapsu- lated in removable clear Invisa- lign Teen aligners“, Angle Ortho- dontist, Vol. 81 No. 2 2011) nach 14-tägiger Tragezeit der jeweili- gen Aligner als nützliche Moti- vationshilfe bewährt. Zudem wird der Einsatz von Non- Compliance-Geräten grundsätz- lich neben dem hohen, wartungs- intensiven und apparativen Auf- wand (Bänder, Brackets, Bögen, Klappen, Ligaturen, Elastics, Power Chains, Springs, Teleskope usw.) bekanntermaßen mit den Nachteilen einer deutlich er- schwerten Mundhygiene erkauft. Auch wenn eine linguale Appa- ratur zumindest keine bukka- len Zahndefekte (White Spots) erzeugt, wie die Studie von R. Schwestka-Polly und D. Wiech- mann (Eur J Oral Sci 2010; 118: 298–303) belegt, so kann dies bei labial angebrachten Brackets während und nach einer kiefer - orthopädischen Behandlung aber durchaus in signifikantem Maß passieren, was nicht nur leider manchmal der klinische Alltag uns zeigt, sondern auch in der Ver öffentlichung von S. Lovrov, K. Hertrich und U. Hirschfelder über „Schmelzdemineralisationen wäh- rend festsitzender kiefer orthopä - discher Behandlung“ (J Orofac Orthop 2007, 68: 353–363) wissen- schaftlich nachgewiesen wurde. Besteht moderne Kieferorthopä- die heutzutage aus der Komple- xität und interdisziplinären Zu- sammenarbeit mit verschiedenen Fachdisziplinen wie Allgemein- zahnheilkunde, MKG-Chirurgie, Logopädie, Orthopädie und Phy - siotherapie, so sind intensive Pro- phylaxemaßnahmen zuerst als integrativer Bestandteil aller kie- ferorthopädischen Interventio- nen, unabhängig der Wahl der Be- handlungsmittel, von allen Betei- ligten zu beachten. Anglizistisch „White-Spot-Management“ ge- nannt, früher auch trivial als Boh- ren und Füllen bezeichnet, sollte dabei auf keinen Fall als „Kol - lateraleffekt“ einer kieferortho- pädischen Behandlung mit Aus- lösung eines interdisziplinären Handlungsbedarfs hingenommen werden, sondern von vornherein möglichst vermieden werden. Da das Putzen von bracket- und bogenfreien Zähnen unumstrit- ten von jedem Jugendlichen ein- facher zu bewerkstelligen ist als mit eingegliederter Multiband- Apparatur, spricht allein aus die- sem Aspekt grundsätzlich vieles für alle herausnehmbaren Gerä - te. Die bisherigen Nachteile frag- würdiger Compliance und einge- schränkter Effektivität von Ein- zelzahnbewegung „loser Span- gen“ konnten dabei erstmals durch die Invisalign Teen-Tech- nik deutlich entkräftet werden. Selbstverständlich sind aber auch bei der Invisalign-Methode unbe- dingt begleitende, systematische Individual-Prophylaxe-Maßnah- men durch den Kieferorthopäden und Zahnarzt durchzuführen, sonst können ebenso hier bei Nachlässigkeit und Nichteinhal- tung entsprechender Trageins - truktionen Demineralisations- schäden entstehen, was in selte- nen beschriebenen Einzelfällen dann mehr dem verantwortli chen Behandler als der Methodik an- zulasten ist. Hat sich das Indikationsspek- trum von Invisalign durch die über 10-jährige Produktweiterent- wicklung und Erfahrung von den Ursprüngen bis heute auch in beachtlichem Maß erweitert, so eignet sich die Anwendung von Invisalign Teen zwar für die meis- ten, aber natürlich nicht immer für alle Behandlungsaufgaben. Extraktionstherapien sind grund- sätzlich bei Notwendigkeit grö - ßerer translatorischer Zahnbe - wegungen mit Alignern nur sehr eingeschränkt zu empfehlen, ge - nau so z.B. wie die Mesialisation von Molaren bei Aplasie eines Prämolaren. Auch die Einordnung retinierter und/oder verlagerter Eckzähne stößt an die biomechanischen Grenzen der Invisalign-Therapie. Ebenfalls kann bei ausgeprägte- ren transversalen Diskrepanzen eine rein Aligner gestützte The- rapie in der vollständigen Um- setzung des Behandlungszieles Schwierigkeiten bereiten. Grund- Fortsetzung auf Seite 10 Abb. 15a Abb. 15b Abb. 15c Abb. 13a Abb. 13b Abb. 14 Abb. 13a, b: Zweites Behandlungsbeispiel: 13-jährige Patientin zu Therapiebeginn, extraorale Frontal- (a) und Profilansicht (b). – Abb. 14: Die junge Patientin freut sich auf ihre Aligner. – Abb. 15a–f: Intraorale Ansichten bei Behandlungsbeginn: rechts mit Molarenvorwanderung (a), frontal (b) und links (c). Beim Lächeln sind bereits die Eckzahnaußenstände erkennbar (d). Okklusalaufnahme des Oberkiefers mit moderaten Rotationen (e) und des Unterkiefers mit moderaten Engständen (f). Abb. 15d Abb. 15e Abb. 15f