Rechtliche Aspekte der Alignerbehandlung folgt die tarifliche Leistungserstattung an den Patienten. Damit ist die Frage aufgeworfen nach der Ver- einbarkeit der Fehlbegutachtungspraxis eines Beratungsarztes mit seiner Berufsordnung. Auch als gewerblicher Berater einer Versiche- rungsgesellschaft unterliegt er als Gutachter den Vorgaben der Berufsordnung. Indem er seine Kompetenz als Ablehnungsgutachter ge- rade auf seine Zugehörigkeit zu einem verkam- merten Beruf stützt, erklärt er zugleich, dass sein Handeln mit den Vorgaben des Berufs- rechts im Einklang stehe. Gerade dies ist aber zu bezweifeln, wenn sich die deutlich über - wiegende Zahl der Beurteilungen eines Bera- tungsarztes gegen die medizinische Notwen- digkeit einer Behandlung ausspricht und sich sämtliche Ablehnungen, die gerichtlich über- prüft werden, als falsch herausstellen. Hier ver- dichten sich dann die Anhaltspunkte, dass die Prüfung nicht objektiv, nicht ergebnisoffen und nicht sachgerecht erfolgt, sondern lediglich der Vorbereitung einer systematischen Leistungs- ablehnung dient. Auch Beratungsärzten ist es untersagt, ihren Namen in Verbindung mit ei- ner ärztlichen Berufsbezeichnung in unlaute- rer Weise für gewerbliche Zwecke herzugeben (§3 Abs. 2 MBO-Ärzte). Es besteht die Verpflich- tung, bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren (§25 MBO-Ärzte). Der Zahnarzt hat Gutachten neu- tral, unabhängig und sorgfältig zu erstellen (§13 MBO-Zahnärzte). Herabsetzende Äußerungen über die Person, die Behandlungsweise oder das berufliche Wissen eines Kollegen sind berufsunwürdig (§8 MBO-Zahnärzte). Wenn in mindestens sechs Begutachtungsfäl- len ein gerichtlicher Gutachter eine Behand- lungsplanung als medizinisch notwendig be- jaht, die der vorgerichtlich für die PKV tätige Beratungsarzt jeweils verneint hatte, könnten Berufspflichten verletzt worden sein. Beihilfe zahlt transparente Invisalign®-Zahnspangen Die Beihilfe ist das Kostenerstattungssystem für Beamte, Soldaten und Richter, für Angestellte des öffentlichen Dienstes und für Angestellte der Rechtsnachfolger Deutsche Post und Telekom. In der Vergangenheit waren Leistungsanträge auf Erstattung von Alignerbehandlungen häufig abgelehnt worden mit der Begründung, das Ver- fahren sei nicht abgesichert, es sei reine Privat- behandlung und nicht beihilfefähig, es sei kos- metisch und nicht medizinisch motiviert und zu teuer. Hier haben nun gerichtliche und ministe- rielle Entscheidungen für Klarheit gesorgt: In dem Verfahren vor dem Verwaltungsge- richtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.1.2011, 2S 191/11, beanspruchte der beihilfe- berechtigte Kläger für seinen minderjährigen Sohn Leistungen der Postbeamtenkrankenkas - se für kieferorthopädische Maßnahmen. In dem kieferorthopädischen Behandlungsplan vom 1.4.2009 wurde ein Gesamtaufwand errechnet von 3.162,20 € einschließlich Material- und La- borkosten. Darin wurden folgende Befunde und Diagnose erhoben: Anomalie des progenen For- menkreises, Kopfbiss 23, 24, 33, 34, Kreuzbiss 24, 35, Wachstumsmuster vertikal, Weisheitszahn- anlage röntgenologisch in allen Quadranten be- reits feststellbar. Als Therapie wurde empfohlen: Sicherung der Okklusion mittels Einsatzes der Invisalign®-Technik, Behandlung des Rezidivs, transversale Nachentwicklung im Oberkiefer, Retention des Ist-Zustandes im Unterkiefer, Be- seitigung des Kreuzbisses, Beseitigung des Kopf- bisses. Die Behandlungsdauer wurde mit ca. 1 bis 1,5 Jahren prognostiziert. Das Gericht bejahte zunächst die Beihilfefähig- keit von Invisalign®. Die Wirtschaftlichkeit sei gegeben, wenn durch Sachverständigengutach- ten oder durch die Vorlage eines fiktiven Be- handlungsplanes für Multiband belegt werde, dass eine Kostendifferenz zwischen beiden Be- handlungsansätzen (jeweils einschließlich der Material- und Laborkosten) nicht bestehe. Der Antrag müsse – wie üblich – vor Behandlungs- beginn gestellt werden und solle idealerweise bereits Angaben zu diesem Kostenvergleich und den vorgesehenen Behandlungsgeräten ent- halten. Die Beihilfestellen des Bundes haben diese Vorgaben zwischenzeitlich umgesetzt und nehmen entsprechende Erstattungen vor. In dem Verfahren vor dem Bayerischen Ver - waltungsgericht Würzburg (VG), W 1 K 09.1157, hat das Landesamt für Finanzen durch Er - klärung vom 27.04.2012 nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens die Invisalign®-Behandlung 4.739,84 € als medizi- nisch notwendig und beihilfefähig anerkannt. Bei der damals 16-jährigen Patientin lagen Wur- zelresorptionen, proklinierte obere und untere Frontzahngruppen, erhebliche traumatisieren - de Frontzahnkontakte, Dreh- und Engstände so- wie eine geringe dentale Klasse II-Verzahnung vor. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport, I 24 – P 1820 A-209-01, hat aktuell dahin- gehend Stellung genommen, dass auch Invisa- lign®als eine von mehreren Methoden im KFO- Bereich beihilfefähig ist, soweit sie gemäß §5 Abs. 1 Satz 1 Hessischer Beihilfenverordnung (HBeihVO) notwendig und angemessen ist. Die - se Formulierung nimmt den Gedanken aus der Kommentierung der NRW-Beihilfen auf, wo- nach die Beihilfe eine Alignerbehandlung in dem tariflichen Umfang zu erstatten habe, und zwar bis zu der Grenze der Kosten einer her- kömmlichen Multibandbehandlung („soweit“). Dieses Verständnis des Begriffes der „Angemes- senheit“ im Sinne des Beihilferechtes würdedazu führen, dass selbst dann eine Erstattung bis zur Höhe der Kosten der Multibandbehandlung be- ansprucht werden könnte, wenn der Kostenver- gleich zulasten der Alignerbehandlung ausfiele. TEIL 4 § Gebühren und Abrechnung In letzter Minute, längst nachdem alle Stel- lungnahmefristen verstrichen waren, ergriff die Deutsche Gesellschaft für Alignerortho- dontie (DGAO) eine Initiative mit der Anre- gung, im GOZ-Referentenentwurf vom April 2011 noch folgende Regelung ersatzlos zu streichen: „Die Maßnahmen im Sinne der Nr. 603–608 GOZ umfassen alle Leistungen zur Kieferum- formung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss, unabhän- gig von den angewandten Behandlungs - methoden (z.B. Attachments bei Alignern).“ Erstmals hatte sich damit der deutsche Ge- setzgeber des Begriffes der „Aligner“ bedient. Wäre diese Formulierung Gesetz geworden, so wäre die gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analoge Abrechnung der GOZ 610, 611 für die Einglie- derung/Entfernung eines Attachments bei Alignern nicht mehr zulässig gewesen. Die Initiative war erfolgreich und die fragliche Formulierung wurde insgesamt gestrichen. Dies führt dazu, dass die analoge Abrechnung KOMPENDIUM 2012 I 91