Nr. 11 | November 2013 WISSENSCHAFT & PRAXIS www.kn-aktuell.de | 7 Klasse II-Behandlung Erwachsener mithilfe der MALU-Apparatur Dr. Jakub Malinowski und Katarzyna Jastrzębska untersuchten im Rahmen einer Studie, inwieweit die modifizierte Herbst-Apparatur MALU als Alternative zur chirurgischen Vorgehensweise bei der Therapie erwachsener Patienten der Klasse II erfolgreich eingesetzt werden kann. bildung 2 ist der angepasste un- tere .021⬙ x .025⬙ Bogen zu sehen. Sowohl der obere als auch der un tere Bogen wurden mit Me tall - ligaturen ligiert. Distal der Zäh - ne 16, 26, 36 und 46 wurden feste Bent-Backs gebogen. Die Röhrchen mit den oberen Achsen werden mittels Ball-Pins in den Headgear-Röhrchen an den oberen Bändern befestigt. Die Schäfte mit den unteren Ach- sen werden mittels Brass-Pins direkt an den unteren Bogen dis- tal der Zähnen 33 und 43 befes- tigt. Die Längen der Schäfte und Röhrchen müssen dabei so an - gepasst werden, dass der Biss des Patienten Kontakt mit den Schneidezähnen aufweist und die Mittellinien des Ober- und Unterkiefers übereinstimmen. Die Behandlung mithilfe der MALU-Apparatur kann in ins- gesamt vier Schritte eingeteilt werden. Schritt 1 Einsetzen der Multiband-Appa- ratur im Ober- und der partiellen Apparatur im Unterkiefer. Hier wird auf das Kleben der Brackets auf die unteren zweiten Prämo- laren verzichtet. An den Zähnen terkiefer. An den Zähnen 33, 43, 34 und 44 werden Micro Bond Mas- ter Series Brackets (Fa. American Orthodontics) befestigt. Das Hauptziel dieser ersten Pha - se besteht darin, die Breite des oberen und unteren Zahnbogens zu korrigieren. Gleichzeitig sol- len bei einer Klasse II/2 die obe- ren Frontzähne protrudiert wer- den, um eine möglichst freie Be- wegung des Unterkiefers nach vorn zu ermöglichen. Bei Fällen der Klasse II/1 mit protrudierten Schneidezähnen im Oberkiefer und bestehenden Lücken sollte man zunächst die Lücken schlie- ßen. Die Nivellierungsphase dau- ert ungefähr fünf bis sechs Mo- nate. Schritt 2 Einsetzen der MALU-Apparatur für neun bis zwölf Monate. Kie- ferorthopädische Kontrolle und eventuelle Aktivierung der Ap- paratur durch Hinzufügen der Distanzringe (1 bis 5mm) an den unteren Schäften. Bei einem starken horizontalen Überbiss zu Beginn der Behand- lung sollte die erste Aktivierung unter 8mm liegen. Bei weiteren Kontrollterminen kann die Appa- Vor der Behandlung Nach MALU Nach der Behandlung SNB ANB Wits 78,2 4,3 4,9 79,3 3,3 0,5 80,1 2,4 0,2 Tabelle 4: Die Werte SNB, ANB und Wits vor der Behandlung, nach der Behandlung mit MALU und nach Behandlungsabschluss. 33 und 43 werden für eine besse - re Stabilität der Apparatur Bän- der zementiert oder Brackets mit einer größeren Basis geklebt. Seit Neuestem kleben wir Brackets auch an den ersten unteren Prä- molaren. Dieses Verfahren sichert eine noch bessere Stabilität der Apparatur und eine verbesserte Kontrolle der Zahnstellung im Un - ratur wieder aktiviert werden, was nahezu zu einer Schneidezahn- stellung im Kopfbiss führen soll. Bei Kontrollen sollten auch die un - teren Bänder überprüft und even - tuell die Bent-Backs verstärktwer- den, um einer Protrusion der unte- ren Schneidezähne vorzubeugen. Fortsetzung auf Seite 10 Abb. 1a–f: MALU-Bestandteile: Ball-Pin (a), obere Gelenkachsen (b), Röhrchen (c), Schäfte (d), untere Gelenkachsen (e) und Brass-Pin (f). Abb. 2: Der angepasste untere .021⬙ x .025⬙er Bogen. Einleitung Die Behandlung der Klasse II bei erwachsenen Patienten wird oft zu einer echten Herausforderung für den Kieferorthopäden. Erfor- derlich sind hierbei ein genauer Befund wie auch die Entwicklung eines Behandlungsplans, dessen Ziel nicht nur die korrekte Ver- zahnung, sondern auch Verbesse- rung der Ästhetik ist. Bei erwach- senen Patienten mit einer Klasse II- Malokklusion stehen uns bei klei- neren SNB- und SNP-Winkeln drei Behandlungsmöglichkeiten zurVerfügung. Die erste dieser drei Optionen stellt die kieferorthopädische Camouflage-Behandlung dar – Extraktion der oberen Prämola- ren und dadurch „Tarnung“ des Problems. Das eigentliche Pro- blem der Klasse II, nämlich die Unterkieferretrusion, ist jedoch weiterhin nicht gelöst. Die zweite Möglichkeit ist ein or - thognather Eingriff. Leider sind nicht alle Patienten zu dieser chi - rurgischen Operation bereit, denn sie akzeptieren das eigene Profil und bemerken dabei oft nicht das Problem, wenn der Unterkiefer auch zu klein ist. Akzeptiert wird dieser Therapieplan hingegen grundsätzlich von Patienten mit einem ausgeprägten Tiefbiss, da diese von Anfang an auf eine komplexe kieferorthopädisch- chirurgische Behandlung einge- stellt sind. Die dritte Lösung ist der Einsatz der Herbst-Apparatur bzw. mo- difizierten Herbst-Apparatur. In ANZEIGE Die neuen Instrumente aus dem Hause Aesculap „Die Goldseries“ Hotline: 0211 238090 den letzten Jahren wurde die Effizienz dieses Verfahrens der Klasse II-Behandlung nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Er- wachsenen nachgewiesen.1–6 Im vorliegenden Beitrag wird die Be- handlung Erwachsener der Klas - se II/1 und II/2 mithilfe der modifi- zierten Herbst-Apparatur (MALU) dargestellt. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden verbreitet Apparaturen zur Klasse II-Korrektur einge- setzt, die keine Mitarbeit des Pa- tienten erfordern.3 Die hier dar- gestellte MALU-Apparatur (Man - dibular Advancement Locking Unit, Fa. Saga Dental Supply AS, Norwegen, Dr. Swadesh Kumar) stellt eine Modifikation der Herbst-Apparatur dar. Ihre Vor- teile sind u. a. ein relativ niedri- ger Preis, da man auf Laborarbei - ten verzichten kann, als auch das einfache Einsetzen des Ge- räts. Die Apparatur kann sowohl bei Kindern als auch Erwachse- nen eingesetzt werden. Dabei wird die Korrektur der Klasse II durch Mesialisierung der Unter- kieferdentition und eine Unter- kieferrepositionierung erreicht.4 Die Bauelemente der MALU-Ap - paratur (Abb. 1a–f) sind folgen - de: zwei Schäfte (Bolzen), zwei Röhrchen, zwei Ball-Pins, zwei Messing-Pins, zwei obere und zwei untere Achsen. Im Oberkie- fer wird meistens ein .019⬙ x .025⬙ Stahlbogen und im Unterkiefer ein .021⬙ x .025⬙ Stahlbogen Cobra eingesetzt. Die verwendeten Bra - ckets sollten über einen .022⬙er Slot verfügen. Tip-Back-Biegungen mesial vor den ersten unteren Molaren er- möglichen die Kontrolle der un- teren Schneidezähne und dienen der besserenVerankerung. In Ab- Ifd. Nr Patient F/M Alter SNB ANB Wits Ifd. Nr Patient F/M Alter SNB ANB Wits Ifd. Nr Patient F/M Alter SNB ANB Wits 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. B.D. B.S. B.M. B.I. C.M. D.S. R.M. F.M. J.B. K.P. W.R. L.R. M.T. M.M. P.K. P.P. Z.N. ˚.L. K K K K K M K K M M K M M M K M K M 28 20 23 26 33 24 25 29 27 21 23 28 25 31 26 24 26 20 75,3 81,6 77,1 76,2 72,7 79,8 79,1 78,8 83,6 77,4 74,3 76,4 81,6 74,1 80,5 79,8 82,8 76,9 2,2 5,3 4,8 6,2 5,8 6,7 3 4,9 4,4 4,9 6,9 3,5 0,1 3,1 4,1 4,5 1,4 5,3 2,7 6,6 5,2 6 5 7,1 2,8 1,4 8,7 3,4 4,9 4,7 1,2 12,5 5,3 6,7 1,3 2,6 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. B.D. B.S. B.M. B.I. C.M. D.S. R.M. F.M. J.B. K.P. W.R. L.R. M.T. M.M. P.K. P.P. Z.N. ˚.L. K K K K K M K K M M K M M M K M K M 28 20 23 26 33 24 25 29 27 21 23 28 25 31 26 24 26 20 77,2 79,3 78 78,3 72,8 82,2 81,1 79,2 86,9 78,9 75,6 78,1 82,6 75,9 81,3 79,9 83,2 77,1 0,2 2,8 3,8 4,5 6 5 2,3 3,6 1,1 4,6 7,2 2,5 –1 –1,1 0,9 0 1,5 0,9 –1 –0,8 0,9 2,8 0,9 1 –1,7 –0,7 3,8 4 4,3 0,6 5 3,4 1,8 0,8 –1,1 0,6 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. B.D. B.S. B.M. B.I. C.M. D.S. R.M. F.M. J.B. K.P. W.R. L.R. M.T. M.M. P.K. P.P. Z.N. ˚.L. K K K K K M K K M M K M M M K M K M 28 20 23 26 33 24 25 29 27 21 23 28 25 31 26 24 26 20 76,9 80,6 77,3 79,2 73,4 82,6 79,7 81,9 87,5 78,9 76,5 78,7 82,6 75,8 79,5 83,5 87,5 79,4 0,2 2,1 5,2 1,9 3,4 2,4 1,7 3,5 0,2 4,6 6 2,3 –2,5 3,6 3,8 0,2 0,6 4,4 –0,2 –1,3 1,5 –1,9 1,5 –1,1 –0,4 –1,9 0,5 2,8 0,3 –0,4 –1,6 7,2 1,5 –2,4 –2,5 1,7 Tabelle 1: Die Werte von SNB, ANB und Wits vor der Behandlung. Tabelle 2: Die Werte von SNB, ANB und Wits nach der Behandlung mit MALU. Tabelle 3: Die Werte von SNB, ANB und Wits nach Abschluss der Behandlung.