• SCHEU-DENTAL GmbH

  • Editorial: Täglich grüßt das Murmeltier ..

    Dr. med. dent. Martin Baxmann
  • SUS2

    Dr. Aladin Sabbagh

    Mehrere Philosophien, ein gemeinsames Zie

  • Herbst & Minipins

    Dr. Björn Ludwig, Dr. Julia von Bremen, Dr. Jan Hourfar und Prof. Dr. Sabine Ruf

    Weniger Nebeneffekte durch Minipins?

  • Dentaurum GmbH & Co. KG

  • BioBiteCorrector ® (BBC)

    Dr. Enrico Pasin

    Eine Apparatur auch für besondere Fälle

  • Lingualtechnik und Beneslider

    Prof. Dr. Benedict Wilmes und Univ.-Prof. Dr. Dieter Dresche

    Lingualtechnik und Beneslider – ohne großen Aufwand kombinierbar

  • Herbst bei Erwachsenen

    Dr. Klaus Hering

    Die Herbst-Apparatur bei Erwachsenen der Angle-Klassen II/1 und II/2

  • Carrière Distalizer ®

    Dr. Luis Carrière

    An natürlicher Funktionalität orientierte Apparatur

  • Interview: „Aufklärung ist essenziell"

    KN-Interview mit Prof. Dr. Sabine Ruf

    „Aufklärung ist essenziell"

  • Twin Block

    Dr. William J. Clark

    Twin Blocks zur Korrektur von Klasse II-Malokklusione

  • Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparaturen

    Dr. Gregory S. Antonarakis, Prof. Dr. Heidrun Kjellberg und Prof. Dr. Stavros Kiliardis

    Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparature

  • Flip-Lock ®

    Dr. Daniel Podolsky

    Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten

  • Interview: "Deutschland nimmt hier eine spezielle Stellung ein“

    KN-Interview mit Dr. Björn Ludwig und Prof. Dr. Benedict Wilmes

    „Deutschland nimmt hier eine spezielle Stellung ein“

  • 3m

  • SCHEU-DENTAL GmbH

  • Forsus TM (Vestibulärtechnik)

    Dr. Lisa Alvetro

    Effektive und vorhersagbare Korrektur

  • Einsatz von Gaumenverankerungsplatten bei Klasse II-Therapie

    KN-Interview mit Professor Dr. Yoon-Ah Kook und Assistant Professor Dr. Mohamed Bayome

    „Hohe Akzeptanz der Apparatur

  • MALU

    Dr. Jakub Malinowski und Katarzyna Jastrzebska

    Klasse II-Behandlung Erwachsener mithilfe der MALU-Apparatur

  • Forsus TM (Lingualtechnik)

    Dr. Nadja Grättinger

    Forsus™-Feder in Kombination mit der Lingualtechnik

  • Das Baxmann Mini Teleskop (BMT)

    Dr. med. dent. Martin Baxmann

    Das Baxmann Mini Teleskop (BMT

  • Das Baxmann Mini Teleskop im Praxistest

    Dr. med. dent. Martin Baxmann

    Baxmann Mini Teleskop im Praxistest

  • Vorschubdoppelplatte nach Sander (S-II-Apparatur)

    Dr. Heike Charlotte Sander und Priv.-Doz. Dr. Christian Sander

    Gute Behandlungsergebnisse in relativ kurzer Zeit

  • Interview: AdvanSync TM Class II M2M

    KN-Interview mit Dr. Terry Dischinger

    „Diese Apparatur besitzt großes Potenzial"

  • Wilson 3-D Quad-Helix

    Dr. Nelson José Oppermann

    Ein zeitgenössischer Blick auf die bioprogressive Therapie

  • Der gegossene Distal-Jet – ein Erfahrungsberich

    Dr. Johanna Franke, ZTM Michael Schön und Dr. Torsten Krey

    Der gegossene Distal-Jet – ein Erfahrungsbericht

  • KIG kennt keine Härtefallregelung

    RA Michael Zach

    KIG kennt keine Härtefallregelung

  • Impressum

KIEFERORTHOPÄDIE NACHRICHTEN 2013 | Dezember | 5. Jahrgang Supplement der KN Kieferorthopädie Nachrichten I www.kn-aktuell.de KOMPENDIUM Klasse II-Therapie
Inhalt Editorial 05 Täglich grüßt das Murmeltier ... Dr. Martin Baxmann ForsusTM (Vestibulärtechnik) 60 Effektive und vorhersagbare Korrektur Dr. Lisa Alvetro SUS2 06 Mehrere Philosophien, ein gemeinsames Ziel Dr. Aladin Sabbagh Herbst & Minipins 12 Weniger Nebeneffekte durch Minipins? Dr. Björn Ludwig, Dr. Julia von Bremen, Dr. Jan Hourfar und Prof. Dr. Sabine Ruf BioBiteCorrector® (BBC) 16 Eine Apparatur auch für besondere Fälle? Dr. Enrico Pasin Lingualtechnik und Beneslider 20 Lingualtechnik und Beneslider – ohne großen Aufwand kombinierbar Prof. Dr. Benedict Wilmes und Univ.-Prof. Dr. Dieter Drescher Herbst bei Erwachsenen 26 Die Herbst-Apparatur bei Erwachsenen der Angle-Klassen II/1 und II/2 Dr. Klaus Hering Carrière Distalizer® 34 An natürlicher Funktionalität orientierte Apparatur Dr. Luis Carrière „Aufklärung ist essenziell“ „Aufklärung ist essenziell“ 39 KN-Interview mit Prof. Dr. Sabine Ruf Twin Block 42 Twin Blocks zur Korrektur von Klasse II-Malokklusionen Dr. William J. Clark Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparaturen 46 Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparaturen Dr. Gregory S. Antonarakis, Prof. Dr. Heidrun Kjellberg und Prof. Dr. Stavros Kiliardis Flip-Lock® 51 Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten Dr. Daniel Podolsky „Deutschland nimmt hier eine spezielle Stellung ein“ 56 „Deutschland nimmt hier eine spezielle Stellung ein“ KN-Interview mit Dr. Björn Ludwig und Prof. Dr. Benedict Wilmes Einsatz von Gaumenverankerungsplatten bei Klasse II-Therapie 66 „Hohe Akzeptanz der Apparatur“ KN-Interview mit Professor Dr. Yoon-Ah Kook und Assistant Professor Dr. Mohamed Bayome MALU 70 Klasse II-Behandlung Erwachsener mithilfe der MALU-Apparatur Dr. Jakub Malinowski und Katarzyna Jastrzębska ForsusTM (Lingualtechnik) 76 Forsus™-Feder in Kombination mit der Lingualtechnik Dr. Nadja Grättinger Das Baxmann Mini Teleskop (BMT) 81 Das Baxmann Mini Teleskop (BMT) Dr. Martin Baxmann Das Baxmann Mini Teleskop im Praxistest 86 Baxmann Mini Teleskop im Praxistest Dr. Martin Baxmann Vorschubdoppelplatte nach Sander (S-II-Apparatur) 90 Gute Behandlungsergebnisse in relativ kurzer Zeit Dr. Heike Charlotte Sander und Priv.-Doz. Dr. Christian Sander AdvanSyncTM Class II M2M 94 „Diese Apparatur besitzt großes Potenzial“ KN-Interview mit Dr. Terry Dischinger Wilson 3-D Quad-Helix 102 Ein zeitgenössischer Blick auf die bioprogressive Therapie Dr. Nelson José Oppermann Der gegossene Distal-Jet – ein Erfahrungsbericht 108 Der gegossene Distal-Jet – ein Erfahrungsbericht Dr. Johanna Franke, ZTM Michael Schön und Dr. Torsten Krey KIG kennt keine Härtefallregelung 112 KIG kennt keine Härtefallregelung RA Michael Zach 114 Impressum KOMPENDIUM 2013 I 03
derSchnellstezusein. BIOSTAR® und MINISTAR S® – Höchstleistung bei allen Tiefziehanwendungen in Praxis und Labor (cid:116) Strahler in 1 Sekunde auf Betriebstemperatur (cid:116) Scan-Technologie mit sofortiger Geräteprogrammierung (cid:116) Umfangreiches Folienprogramm für alle Anwendungen (cid:116) Führende Technologie seit fast 50 Jahren (cid:116) 3 Jahre Garantie, 10 Jahre Ersatzteilgarantie Mehr Informationen erhalten Sie unter: SCHEU-DENTAL GmbH phone +49 2374 92 88-0 www.scheu-dental.com service@scheu-dental.com
Und täglich grüßt das Murmeltier … … denkt so mancher Kieferorthopäde ver- mutlich in der täglichen Praxis. Denn immer wieder stellt sich ein neuer Patient mit min- destens fünf Millimetern sagittaler Front- zahnstufe und mindestens einer Viertel Prä- molarenbreite der Angle-Klasse II zur Un - tersuchung vor. Diese Patienten machen mit nahezu 70 Prozent der in Mitteleuropa be- handelten Dysgnathien den Großteil unse- res kieferorthopädischen Patientenguts aus. Demzufolge werden natürlich auch immer wieder aufs Neue ähnliche Therapievor- schläge unterbreitet, in Abhängigkeit von Alter, Entwicklungsstand, Wachstum usw. Wo liegt das individuelle Problem des jewei- ligen Patienten? Liegt es im Oberkiefer? Im Unterkiefer? Ist es eher skelettal oder dental bedingt? Welche Kombination dieser Mög- lichkeiten liegt vor? Wurde dies festgestellt, ergibt sich im nächsten Schritt die Frage nach dem idealen Zeitpunkt der Behandlung. Ob sie einphasig oder zweiphasig erfolgen soll. Hierbei spielen dann wieder Faktoren wie eine mögliche psychische Belastung des Pa- tienten durch die Fehlstellung, die Trauma- prophylaxe oder funktionelle Aspekte wie CMD, Schlafapnoe etc. eine Rolle. Wie ist die Mitarbeit des Patienten prognostisch einzu- schätzen? Gerade in der Therapie der Klas se II stellt genau diese Frage ein zentra- les Thema dar, das zwischen Erfolg und Misserfolg der Behandlung entscheidet. Sind diese Faktoren nun gegeneinander ab- gewogen, wird das Therapiegerät ausge- wählt. Dass es bei der häufigsten Dysgnathie auch vermutlich die größte Anzahl möglicher Apparaturen gibt, ist nunmehr wenig über - raschend. Hier steht dem Kieferorthopäden eine scheinbar unbegrenzte Anzahl an Appa- raturen zur Verfügung. Sollen herausnehm- bare Apparaturen verwendet werden oder festsitzende? Ein-Kiefer- oder Zwei-Kiefer- Geräte? Genau aufgrund dieser Fragen ist es be- sonders zu begrüßen, dass die KNdiesem Thema eine vollständige Sonderausgabe widmet. Auch wenn diese selbstverständ- lich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, wird dem Leser dennoch ei - ne wertvolle Vorauswahl wichtiger Appa - raturen angeboten, verbunden mit hervor- ragenden Experten-Tipps aus dem Alltag für den Alltag. Doch lesen Sie nicht nur das Kompendium, liebe Leser, sondern prüfen und probieren Sie die ein oder andere darin vorgestellte Apparatur in der eigenen Praxis aus. Nur so werden Sie ein individuell optimales Re - pertoire an Klasse II-Apparaturen für Ihre Patienten zusammenstellen können. Diese Geräte werden Ihnen die Arbeit maximal erleichtern und zudem viel Freude dabei bereiten, wenn Sie gleich am frühen Morgen mal wieder das tägliche Murmeltier mit ver- größertem Overjet grüßt. Dr. Martin Baxmann Editorial KOMPENDIUM 2013 I 05
SUS2 Abb. 1: Die „Herbst-Apparatur“ nach Emil Herbst 1905. Ein Beitrag von Dr. Aladin Sabbagh zur festsitzenden Klasse II-Therapie. Mehrere Philosophien, ein gemeinsames Ziel dierten Lage für sechs bis neun Monate ge- halten wird. Das Herbst®-Scharnier war we - gen technischer Komplikationen, der hohen Reparaturanfälligkeit sowie Schwierigkeiten bei der Kraftdosierung lange in Vergessenheit geraten. Erst Hans Pancherz hatte dieses im Jahre 1979 wieder zur Behandlung von Distal- bisslagen eingesetzt und fortan in seiner Wirksamkeit untersucht. Abb. 2: Der „Jasper Jumper“ hat sieben Größen, jeweils für rechts und links. Im Jahre 1987 entwickel - te James J. Jasper den Jasper JumperTM (U.S. Patent Nr. 4.708.464). Die se Apparatur stellte eine in Weichkunststoff eingebettete Schrau- bendruckfeder dar, die über spezielle Verbin- dungsstücke an Bändern und Bögen befestigt werden kann (Abb. 2).2 Wie während der „Münchner Klasse II- Tage“ der Firma Dentaurum im Oktober 2012 von mehreren Referenten dargestellt, ist das Konzept der funktionellen Vorverla - gerung des Unterkiefers durch herausnehm- bare Apparaturen seit längerer Zeit bekannt und wurde mithilfe vieler FKO-Geräte seit der ers ten Jumping-Apparatur von Kingsley (1877) durchgeführt. Der Pionier der festsitzenden Funktionskie - ferorthopädie, Emil Herbst, hat durch die Ent- wicklung des nach ihm benannten Herbst®- Scharniers den Meilenstein der festsitzenden intermaxillären Geräte gesetzt1 (Abb. 1), die mittlerweile eine über 100-jährige Geschichte aufweisen. So stellte Herbst im Jahr 1905 sein Herbst®- Scharnier vor. Durch diese festsitzende Appa- ratur wurde die Distalokklusion therapiert, in- dem der Unterkiefer in seiner Ruhelage, aber auch während der Funktion in einer protru- 06 I KOMPENDIUM 2013 Das Konzept der „progressiven Bissumstellung“ Das Konzept der „progressiven Bissumstel- lung“ nach Sabbagh (1995)15–17 ist auf den funktionellen Prinzipien des Herbst-Gerä- tes auf gebaut. Die dafür speziell entwi- ckelte SUS-Apparatur stellt eine Fusion von Herbst®-Scharnier und Jasper Jumper dar mit dem Ziel, die Vorteile beider Techniken möglichst zu bündeln und die Nachteile so- mit zu minimieren. So kombiniert der Auf- bau der SUS² die Starrheit des Herbst®- Scharniers mit der Flexibilität des Jasper Jumpers (Abb. 3). Die SUS² kann an einer gewöhnlichen Multi- bracket- bzw. Multiband-Apparatur direkt im Mund und ohne laborgefertigte Veranke- SUS2-Teleskop-Element Position für Aktivierungsfedern (Druck- und Distanzfedern) Führungsrohr Bogen-Adapter-Schraube Teleskopstange mit Ring Öse Innenfeder Mittleres Teleskoprohr Innensechskantschraube Bogenadapter Abb. 3: Bestandteile der SUS² Sabbagh Universal Spring (ohne Pin und Aktivierungselemente).
SUS2 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 4: Die neue Standardaktivierung mit den „Easy Clips“ 1 und 2 mm bzw. Distanzringen (geschlitzt). – Abb. 5: Die Turbofeder als optionale Zusatzaktivierung der SUS² mit ca. 3 N zusätzlicher Druckkraft. rungseinheit eingebaut werden. Im Ge gen - satz zu intermaxillären Gummizügen han- delt es sich bei ihr um ein Kräftesystem, wel- ches Druckkräfte entlang der Wachstums- richtung des Gesichtsschädels (Y-Achse) er- zeugt. Durch die neuen Aktivierungsmöglichkeiten (Mai 2010) – nämlich die geschlitzten Distanz- ringe (Easy Clips, Abb. 4) sowie die Turbofeder (Abb. 5) – wurde die Aktivierung der Appara- tur nicht nur vereinfacht, sondern so erwei - tert, dass auch bei der Erwachsenen-Kiefer - orthopädie ausreichend Kraft appliziert wer- den kann. Indikationen Die SUS² ermöglicht eine nahezu koopera- tionslose und effektive Behandlung bei Pa- tienten mit: 1. Distalbisslage/Klasse II (bilateral) 2. unilateraler Klasse II 3. Distalisation/Verankerungbedarf (HG-Ersatz) 4. Lückenschluss (Aplasie) 5. Kiefergelenkdysfunktion (CMD) 6. und Schlafapnoe. Konzept/Philosophie Insbesondere in komplizierten Behandlungs- fällen ist die festsitzende Klasse II-Behand- lung oft die einzig Erfolg versprechende The- rapiemöglichkeit, wie z. B bei: ö Patienten mit mangelnder Kooperationsbe- reitschaft/ADHS-Patienten, behinderte Pa- tienten, gestörte Nasenatmung ö Patienten mit verzögerter Reaktionslage auf- grund von: – unzureichendem Restwachstum – Mundatmung mit hypotoner Kaumuskulatur – allgemeiner Bindegewebsschwäche (Kon- dylushypermobilität)18, 20 – höherem Knochenwiderstand bei Erwach- senen. Die Philosophie der progressiven Bissumstel- lung mit der SUS²-Apparatur unterscheidet sich vom klassischen Bissumstellungskon- zept nach Herbst (1905) hauptsächlich durch die stufenweise Vorverlagerung des Unter - kiefers bzw. Aktivierungen in mehreren klei- nen Etappen statt einer einmaligen Vorverla- gerung (one step jumping). Aktuelle morphologische, histologische und magnetresonanz-tomografische Untersu- chungen8, 23 zeigen fast übereinstimmend die Einzigartigkeit des Kiefergelenks: So besitzt es nicht nur einen besonders aktiven avasku- lären Faserknorpel mit hoher Proliferations- kapazität,9, 10 sondern ist zudem in der Lage, sich zu remodellieren und zu adaptieren – in Grenzen sogar bei erwachsenen Patienten23 (Abb. 6). Dadurch ist die klassische Behand- lungseinschränkung auf wachsende Patienten überholt, obwohl der Behandlungsanfang vor- zugsweise während der pubertären Wachs- tumsphase bzw. nach Durchbruch der zweiten Molaren gewählt werden sollte. Eine Frühbe- handlung sollte aufgrund der Verankerungs- problematik und der Behandlungsdauer nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Das Konzept der progressiven Bissumstellung basiert auf drei Grundsätzen: Passive Kondylusvorwanderung/ Drift Eine passive Kondylusvorwanderung/Um- stellung durch eine Dekompressionstherapie des Kiefergelenkes (AquaSplint, Abb. 7) ist a b c Abb. 6a: Die Kiefergelenkadaptation besteht aus condylus capping und fossa shifting. – Abb. 6b, c: Kiefergelenkadaptation drei Monate nach der Unterkiefervorverlagerung mit der SUS² (b) und nach sechs Monaten (c). KOMPENDIUM 2013 I 07
SUS2 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 7: „Aqua Splint“ ermöglicht die Dekompression/Zentrierung des Kondylus (Kondylus Drift) als effektiver Ersatz zur Relaxierungs- und Distraktionsschiene. – Abb. 8: Kompressionsgelenk dorsal (rot) aufgrund einer posterioren Zwangsführung. nicht in jedem Fall notwendig bzw. möglich. Allerdings ist sie in besonderen Fällen, z.B. bei vorliegender dorsaler Zwangsposition (wie Deckbiss, schmaler Oberkiefer, Abb. 8), sehr empfehlenswert und effektiv.3, 21 Die da- durch erreichte ventrale, therapeutisch ge- lenkzentrierte Position hat zusätzlich den Vorteil, dass die kieferorthopädische Reha - bilitation durch die Reduzierung der sagitta- len Stufe vereinfacht wird. Progressive stufenweise Unter - kiefervorverlagerung (aktiv) Die Aktivierung der SUS² erfolgt in kleinen Schritten, bis eine Neutralokklusion erreicht ist. Anschließend erfolgt eine Überkorrektur auf Kopfbiss für ca. acht Wochen. Eine Über- korrektur in Mesialokklusion ist in der Regel nicht notwendig. Die aktuellen klinischen, histologischen und morphologischen Untersuchungen zeigen, dass die progressive Vorverlagerung einen signifi- kant höheren skelettalen Effekt sowie Adapta- tionen ermöglicht und gleichzeitig eine Redu- zierung der Belastung bzw. der Bruchgefahr der Verankerungseinheit herbeiführt.8, 10, 18, 28 Die o.g. neuen Erkenntnisse eröffnen die Mög- lichkeit, Grenzfälle bei erwachsenen Patienten mit Distalbisslage (bis zu 5mm sagittaler Stufe/Overjet)18, 19 ohne chirurgische Korrek- tur zu behandeln.19, 23 Die strenge Einhaltung der Prinzipien der progressiven Bissumstel- lung ist dabei unabdinglich. Langzeitretention, ggf. festsitzend Eine für den Patienten geeignete und trag - bare Retentionsapparatur ist für die langfris- tige Stabilität – insbesondere bei rezidivge- fährdeten Fällen – ein nicht zu unterschät- zender Bestandteil des Konzeptes. EMG-Un - ter suchungen zeigen, dass die Kaumuskula- tur bis zu einem Jahr benötigt, um sich der neuen Unterkieferposition an - zupassen.11, 12 Klinische Anwendung Das folgende Behandlungsbeispiel sollte die übliche Vorgehensweise bei einer Klasse II- Behandlung mit der SUS-Apparatur verdeut- lichen. Diagnose: Distalbisslage, dentale Klas se II/1 mit tiefem Biss und traumatischen Einbissen bei einem 13-jährigen männli chen Patienten. 1PB rechts und 3/4PB links, Diastema medi- ale, Nichtanlage von 12, Durchbruchstörung/ Retentionstendenz bei 23 (Abb. 9, 10). Mandibuläre Mittellinien-Verschiebung nach rechts, Vorwanderung im ersten Quadranten (Abb. 11). Die manuelle Miniuntersuchung/ Screening zeigte keine behandlungsbedürf- tigen Befunde/Symptome im Kie fergelenk. Mit einer 0.018⬙ Roth-Technik wurde die Be- handlung im Alter von knapp 14 Jahren an - gefangen. Nach einer viermonatigen Nivel- lierungsphase wurde ein 0.017⬙x 0.022⬙er Stahlbogen zur Aufnahme der SUS²-Fe- dern im Unterkiefer einge- setzt. Die SUS² beseitigte pro- gressiv die Klasse II, gleichzeitig distalisierte und verankerte sie die Oberkiefermolaren, wo- durch die Dis talisation der restlichen Oberkie- ferzähne ohne Verankerungsverlust durchge- führt werden konnte (Abb. 12). Die Verbreite - rung der Lücke Regio 12 auf 7,5mm sollte ei ne provisorische protethische Versorgung (später Implantatversorgung) er mögli chen (Abb. 13). Die SUS²-Phase dauerte ca. sechs Monate. Nach Entfernung der Apparatur wurde die erreichte Klasse I (während der Feineinstel- lungsphase/Finishing) durch nächtliche ver- tikale Elastiks stabilisiert. Die Retentionsphase (nachts) dauerte ein Jahr. Der von 3-3 geklebte UK-Retainer sollte frü- hestens nach sieben Jahren entfernt werden. Abb. 9a–c: Die seitlichen Fern- röntgenbilder des Behandlung- verlaufs. – Abb. 10a–c:Die OPGs des Behandlungsverlaufs. a Abb. 9a–c a Abb. 10a–c b b c c 08 I KOMPENDIUM 2013
Abb. 11a Abb. 11b Abb. 12a Abb. 12b Abb. 12c Abb. 13a Abb. 13b I E G E Z N A Klasse-II/III-Feder (cid:114)(cid:1) (cid:41)(cid:80)(cid:73)(cid:70)(cid:83)(cid:1)(cid:49)(cid:66)(cid:85)(cid:74)(cid:70)(cid:79)(cid:85)(cid:70)(cid:79)(cid:76)(cid:80)(cid:78)(cid:71)(cid:80)(cid:83)(cid:85) (cid:114)(cid:1) (cid:56)(cid:74)(cid:83)(cid:76)(cid:86)(cid:79)(cid:72)(cid:1)(cid:87)(cid:70)(cid:83)(cid:72)(cid:77)(cid:70)(cid:74)(cid:68)(cid:73)(cid:67)(cid:66)(cid:83)(cid:1)(cid:42)(cid:40)(cid:59) (cid:114)(cid:1) (cid:44)(cid:70)(cid:74)(cid:79)(cid:70)(cid:1)(cid:41)(cid:40)(cid:14)(cid:53)(cid:86)(cid:67)(cid:70)(cid:84)(cid:1)(cid:70)(cid:83)(cid:71)(cid:80)(cid:83)(cid:69)(cid:70)(cid:83)(cid:77)(cid:74)(cid:68)(cid:73) (cid:114)(cid:1) (cid:47)(cid:74)(cid:53)(cid:74)(cid:1)(cid:39)(cid:70)(cid:69)(cid:70)(cid:83)(cid:79)(cid:1)(cid:74)(cid:79)(cid:1)(cid:24)(cid:1)(cid:86)(cid:79)(cid:69)(cid:1)(cid:18)(cid:17)(cid:1)(cid:78)(cid:78)(cid:1)(cid:45)(cid:197)(cid:79)(cid:72)(cid:70) (cid:114)(cid:1) (cid:38)(cid:74)(cid:79)(cid:71)(cid:66)(cid:68)(cid:73)(cid:70)(cid:1)(cid:41)(cid:66)(cid:79)(cid:69)(cid:73)(cid:66)(cid:67)(cid:86)(cid:79)(cid:72) Bogenverbindungen aufschieben Abb. 14a Abb. 14b Abb. 11a, b: Klasse II im Molarenbereich beidseits. – Abb. 12a–c: Die erreichte okklusale Rehabilitation nach ca. 14 Monaten Behandlungsdauer. – Abb. 13a, b: Behandlungsende (provisorische Marylandbrücke Regio 12). – Abb. 14a, b: Positive Profilveränderungen bzw. Harmonisierung. Die Profil- und Fernröntgenseitenaufnahmen (Abb. 14, 9) zeigen, dass eine Harmo nisierung der Bisslage und des Profils mit o.g. Konzept mit einem akzeptablen zeitli chen und thera- peutischen Aufwand erreicht werden kann. Merkmale der SUS² Nach Positionieren der Bogenverbindungen den Bogen einligieren ö eine universale Größe für rechts und links, auch bei Extraktionsfällen ö zwei unterschiedliche Effekte: Abb. 15:Unten im Bild: die SUS² aktiviert (Lieferzustand/Standard), oben: SUS²-Scharnier nach der Deaktivierung mit dem Sechskantschlüssel. NiTi-Feder aufstecken, mit Inbusschraube befestigen Vertrieb über: I m S chröder 43 D - 75228 Ispringen Tel + 49 7231 800 8906 FAX + 49 7231 800 8907 info@WorldofOr thodontics.de w w w.WorldofOr thodontics.de © 2013 St. Louis, MO 63074.All rights reserved. CS-2000® patent #6719557. Pivot with slotted base patent #6036488
SUS2 Abb. 16: SUS²-Scharniere mit einer verlöteten Verankerungseinheit (Bänder/Lingualbogen/Palatinalbügel). – Abb. 17: SUS²-Splint, eine effektive Behandlung bei mode- rater Schlafapnoe. – SUS² als Feder, Standard (analog dem Jasper JumperTM) Optionale Aktivierung mit der Turbofeder – SUS² als Scharnier, starr (analog dem Herbst®-Scharnier, Abb. 15) ö drei unterschiedliche Verankerungsmög- lichkeiten: – Band/Bracketverankerung (Standard) – gegossene oder verlötete Verankerungs- einheit (analog dem Herbst®-Scharnier, Abb. 16) – Schienenverankerung (SUS²-Splint, Abb. 17) Standard-Aktivierung mit geschlitzten Distanzringen (Easy Clips) Die Standardaktivierung erfolgt durch die mitgelieferten geschlitzten Distanzringe 1 und 2mm (Easy Clips). Je nach Bedarf können ein oder mehrere Distanzringe mit einer speziel- len Klemmzange (Fa. Dentaurum, Nr. 003-710- 00) oder einer Weingart-Zange auf die Teles- kopstange gepresst werden (Abb. 18). Die Re- duzierung der sagittalen Stufe beträgt dabei 1 bis 1,5mm pro Monat. Diese Distanzringe kön- nen schnell und einfach ohne Abschrauben der Teleskopstange zur Standardaktivierung von SUS²-Feder und SUS²- Scharnier (starre Variante) eingesetzt werden. Abb. 18: Distanzringe (Easy Clips) werden auf die Teles- kopstange gepresst, ohne sie abzuschrauben. Die Turbofeder ist eine Edelstahlfeder und wird wie ein Überzug über das Teleskop - element eingesetzt. Sie liefert ca. 3 N an zusätzli cher Kraft für besondere Fälle mit verzögerter Reaktion, insbesondere bei er- wachsenen Patienten, wo mehr Kraft benö- tigt wird (Abb. 19). Ferner kann die Turbofeder die nachlas- sende Kraft der im Teleskopelement inte- grierten Innenfeder ersetzen, z. B. bei in - ternem Federbruch bzw. Federermüdung oder Blockierung durch Verunreinigungen (Zahnstein) im Teleskopinneren, ohne das Teleskopelement komplett ersetzen zu müssen. Die Turbo feder ist für die Aktivie- rung der SUS²-Feder variante (Bänder-/ Bracketverankerung) geeignet. Für die starre SUS²-Scharniervariante (Herbst®- Effekt mit laborgefertigter Verankerung) ist die starke Federung der Turbo feder eher kontraproduktiv. Nebeneffekte/Besonderheiten Diskomfort Es empfiehlt sich, für den Komfort des Patienten – insbesondere bei empfindlichen Patienten – die SUS² nicht am gleichen Tag bilateral ein- zusetzen. Es sollte vielmehr auf ei- ner Seite angefangen werden, z.B. die Seite mit mehr Distalisationsbedarf oder die Seite, die weiter distal liegt. Nach ca. drei bis vier Wochen kann die zweite SUS², falls benötigt, eingesetzt werden (eine unilaterale Klasse II benötigt meistens nur eine SUS²). Kronentorque im Bereich der Inzisivi (oder MBT-Brackets) eingesetzt werden. Der Bo- gen muss stets distal gut umgebogen sein. Eine straffe Elastikkette über die gesamten Unterkiefer-Brackets/-Bänder sollte die Ver- ankerung verstärken und die Protrusion der Frontzähne bzw. die Lückenbildung im Sei- tenzahnbereich minimieren. Als eine praktische Alternative zur gegos - senen oder verlöteten Verankerungseinheit (analog dem Herbst®-Scharnier) haben sich Miniimplantate bzw. KFO-Pins bewährt. Die im Unterkiefer-Seitenzahnbereich inserier- ten Miniimplantate werden mithilfe eines Stahlbogens an ein Unterkieferbracket ge- koppelt (indirekte Verankerung). Die vor- handene dentale Verankerung wird da- durch unterstützt und erhöht (Abb. 20). Ers- te Studienergebnisse zeigen diesbezüglich eine eindeutige Reduzierung dentoalveolä- rer Ne benwirkungen wie eine Protrusion der un teren Inzisivi. Ob sich skelettale Ef- fekte dadurch signifikant erhöhen, ist Ge - genstand weiterer Untersuchungen. Extraktionsfall In seltenen Fällen kann die Einheitsgröße der SUS² um 3 bis 4 mm zu lang sein. Meist ist dies der Fall bei fehlendem Prämolar (Ex - traktionsfälle bzw. Nichtanlagen). In diesem Fall wird die Fixierung einfach von distal des Eckzahnbrackets auf mesial des Eckzahn- brackets umgesetzt und eine L-Biegung zwi- schen UK 2 und UK 3 zur Aufnahme des Bo- genadapters gebogen (Abb. 21). Schleim- hautirritationen durch die ventrale Position des Bogenadapters sind eher selten. Langzeitstabilität Protrusion Im Unterkiefer soll möglichst ein stark di- mensionierter Stahlbogen mit lingualem Die festsitzende Vorverlagerung des Unter - kiefers hat sich als weitgehend stabil erwie- sen,1, 4, 5, 8, 9 wobei sich der SNB-Winkel signifi- 10 I KOMPENDIUM 2013
SUS2 Kurzvita Dr. Aladin Sabbagh [Autoreninfo] Adresse Dr. Aladin Sabbagh Apothekergasse 2 91054 Erlangen Tel.: 09131 53022-0 Fax: 09131 53022-22 info@sabbagh64.com www.sabbagh64.com b a c Abb. 19a–c: Die progressive Bissumstellung durch die SUS² als Alternative zur chirurgischen Korrektur. kant vergrößert hat. Dagegen holt der Oberkie- fer sein schon gehemmtes Wachstum teilweise nach. Das führt zu einer Vergrößerung des SNA- Winkels. Eine leichte Retrusion der UK-Inzisivi führte zu einer Vergrößerung des Overbite und Overjet. Um diesen Rezidivtendenzen entge - genzuwirken, haben sich die progressive Be- handlungsweise in der Super Klasse I/Kopfbiss - position, die lange Retention sowie ein festsit- zender Frontzahnretainer sehr bewährt. Eine weitere wichtige Säule der Stabilität stellt bekanntlich eine gesicherte Interkuspidation dar. Die SUS² lässt Multiband-Behandlung und Vorverlagerung des UK gleichzeitig zu. Die dadurch erreichte Interkuspidation minimiert die Rezidivgefahr im Gegensatz zu klassischen Herbst-Scharnieren, wo eine gleichzeitige Feineinstellung der Okklusion mit einer Mul- tiband-Apparatur nur bedingt möglich ist. Die anschließende Multiband-Behandlung ver- längert die Therapiedauer und muss gleichzei- tig die erreichte Klasse I-Position durch Klasse II-Gummizüge stabilisieren. Dafür ist eine ent- sprechende Mitarbeit des Patienten unum- gänglich und leider nicht immer vorhanden. Kontraindikationen ö starke Protrusion bzw. Engstand im Unter- kiefer-Frontzahnbereich ö große vordere Gesichtshöhe, Gummy Smile ö mangelhafte Mundhygiene Zusammenfassung Die festsitzende Klasse II-Technik hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer effek - tiven und praktischen Behandlungsmethode entwickelt. In vielen Fällen ist sie sogar kiefer- gelenkfreundlicher und mit weniger Kosten und Risiken verbunden. Sie ermöglicht eine kooperationsunabhängige Therapie ohne Ex - traktion oder dysgnathe Chirurgie. Die besondere Berücksichtigung des Kiefer- gelenkes durch das Konzept der progressiven Bissumstellung ermöglicht eine bessere funk- tionelle Harmonisierung des gesamten cra- niomandibulären Systems und reduziert dank der stufenweisen Unterkiefervorverlagerung sowie der verbesserten Retentionstechnik den zeitlichen und technischen Aufwand sowie die Gefahr von Rezidiven. Die im Beitrag hochgestellten Zahlen bezie- hen sich auf Literaturangaben, die beim Autor angefordert werden können. DENTAURUM GmbH & Co. KG, Ispringen, www.dentaurum.de Abb. 20 Abb. 21a Abb. 21b Abb. 20:SUS² mit einer Miniimplantat-Ver- ankerung (tomas® Pin, Fa. Dentaurum). – Abb. 21a, b: Eine L-Biegung zwischen UK 2 und UK 3 ermöglicht die Aufnahme des Bo- genadapters der SUS² in Extraktionsfällen. KOMPENDIUM 2013 I 11
Herbst & Minipins Abb. 1: Bracketgetragenes Herbst- Derivat mit Minischraubenveran- kerung. Inwieweit kann durch Einsatz kieferorthopädischer Minischrauben die Pro- klination unterer Schneidezähne während der Herbst-Behandlung vermie- den werden? Dieser Frage stellen sich Dr. Björn Ludwig, Dr. Julia von Bremen, Dr. Jan Hourfar und Prof. Dr. Sabine Ruf in folgendem Beitrag. Weniger Nebeneffekte durch Minipins? Einleitung Die Herbst-Apparatur1 – vom deutschen Zahn- arzt Emil Herbst (1872–1940) im Jahre 1909 anlässlich des 5. Internationalen Zahnärzte- Kongresses in Berlin erstmals vorgestellt – ist ein wissenschaftlich gut untersuchtes The - rapiemittel zur Behandlung der skelettalen Klasse II.2 Dabei sah es zunächst nicht danach aus, dass die Herbst-Apparatur eine Rolle im klinischen Alltag des Kieferorthopäden spie- len würde, geriet sie doch nach 1934 mehr oder weniger in Vergessenheit, bevor es zu einer Renaissance dieser Behandlungsme- a b c d e 12 I KOMPENDIUM 2013 thode kam.3, 4 In den späten 1970er-Jahren von Hans Pancherz5 wieder eingeführt und in der Folgezeit durch sein Wirken weiterentwickelt, ist diese heu te fester Bestandteil der moder- nen Kieferorthopädie in der Non-Compliance- Behandlung der Distalbisslage. Die „klassische“ Herbst-Apparatur wurde ur- sprünglich durch Bänder an den Zähnen beider Kiefer befestigt – ab 1995 wurde routinemäßig eine Modifikation eingesetzt, bei der die Be - festigung der Apparatur über aus einer Chrom-Kobalt-Legierung gegossene Splints erfolgt.3 Heute existiert eine Viel- zahl kommerziell erhältlicher Derivate.6 Nebenwirkung der Herbst- Apparatur und aller ihrer Derivate: Proklination der Unterkiefer-Schneidezähne Allen Apparaturen gemein ist jedoch, un - ge achtet aller kons truk ti ven Charakteris- tika bzw. ihrer Verankerungsformen, die – neben Me sialmigration/Tipping so wie In- trusion der mandibulären Inzisivi – in Abb. 2a–e: FRS vor Therapiebeginn (a) und kurz vor Ende der Behandlung mit einem bracketgetragenen Herbst- Derivat (b). Der Behandlungsbeginn zeigt eine Distal- bisslage und einen Tiefbiss (c). Bracketgetragenes Herbst-Derivat mit Minischraubenverankerung (d). Pa- tient in der Retentionsphase mit einer Klasse I-Relation im Eckzahn- und Molarenbereich (e). un terschiedlichem Ausmaß eintretende Proklination/Protrusion der Unterkiefer- Schneidezähne als unerwünschte Neben- wirkung.7–9 Der Grund ist, dass auch bei der Vorverlagerung des Unterkiefers das Newton’sche Prinzip „Actio = Reactio“ wie in allen Bereichen der Kieferorthopädie seine Gültigkeit behält. Eine bereits vor Therapie bestehende Proklination der Un - terkieferfront kann als eine Einschrän- kung der Indikation des Einsatzes derar - tiger Behelfe zur Unterkiefer-Vorverlage- rung erachtet werden, da im Laufe der The- rapie eher mit einer weiteren Progredienz zu rechnen ist.10
Herbst & Minipins Abb. 3a–e:FRS vor Therapiebeginn (a) und am Ende der Behandlung mit ei- nem bracketgetragenen Herbst-Deri- vat (b). Der Behandlungsbeginn zeigt eine Distalbisslage sowie einen Tief- biss (c–e). gen zu nennen, der Bänder, gegossene Splints oder alterna- tiv Stahlkronen der ipsi- und kontralateralen Seite verbindet.19, 22, 23 Eine weitere Strategie, der unerwünschten Proklination der mandibulären Schnei de - zäh ne zu begegnen, ist eine distalere Ein - leitung der Kraft. Dies wurde zum Beispiel beim Functional Mandibular Advancer (Fa. FORESTADENT, Pforzheim)* realisiert. Der Functional Mandibular Advancer (FMA) be- steht aus Vorschubstegen und bilateralen Gleitebenen, die an gegossenen Schienen oder konfektionierten Prämolaren- und Mo- larenbändern angebracht werden.24, 25 a c e b d f Abb. 4a–f: Behandlungsbeginn (a, b). Bracketgetragenes Herbst-Derivat mit Minischraubenverankerung (c, d). Patient in der Retentionsphase mit einer Klasse I-Relation im Eckzahn- und Molarenbereich (e, f). KOMPENDIUM 2013 I 13 Welche Auswirkungen hat die Proklination? Strategien zur Vermeidung der unerwünschten Proklination Minipins zur skelettalen Veran- kerung der Herbst-Apparatur? Eine weitere Strategie ist der Einsatz von Minipins zur zusätzlichen skelettalen Veran- kerung der Herbst-Apparatur, die als rigide (Drahtligatur) oder eher elastisch („aktives Laceback“ = Drahtligatur mit Elasticring) ausgeführt sein kann. Hierzu existieren je- doch nur Beschreibungen einzelner Fälle. Eine Proklination der mandibulären Inzisivi war aber auch trotz skelettaler Verankerung nicht gänzlich zu vermeiden.26 Fällt die Ent- scheidung zugunsten einer Minipin-Inser- tion, sollte eine relativ sichere Region mit hoher Erfolgs- und Überlebensrate Verwen- dung finden. Es existieren verschiedene Strategien, diesem unvermeidlichen Nebeneffekt entge genzu - wirken. Dies kann über lingualen Kronen - torque erfolgen, der entweder über den nega - tiven (lingualen) Torque der Schneidezahn- brackets18–21 oder alternativ über den einge- gliederten (starken) Stahlbogen appliziert werden kann19, der distal (i.d.R. des ersten Molaren) mit einem Cinch-Back versehen wird. Als weitere Option ist der Lingualbo - a b c d e Eine Proklination der mandibulären Inzi- sivi interferiert in erster Linie mit dem therapeutischen Ziel, die Retroposition des Unter kiefers zu korrigieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die eingeschränkte Ästhetik exzessiv proklinierter Frontzähne. Die Frage, inwieweit eine therapeutisch in- duzierte Proklination der mandibulären Schneidezähne zu gingivaler Rezession führt und ob diese überhaupt kieferortho- pädische Ursachen hat, wird in der Literatur teilweise sehr unterschiedlich bewertet.11–15 Als Faktoren, die einen Einfluss zur Ausbil- dung gingivaler Rezessionen haben könn- ten, werden zum Beispiel der gingivale Biotyp, eine schmale Symphyse, schlechte Mundhygiene oder auch eine inadäquate traumatische Zahnputztechnik genannt.16, 17 In einer systematischen Übersichtsarbeit kamen Joss-Vasalli und Mitarbeiter12 zu dem Ergebnis, dass das Ausmaß der gingivalen Rezessionen in Studien mit statistisch sig- nifikanten Unterschieden zwischen prokli- nierten und nicht proklinierten Schneide- zähnen gering und die daraus resultierende klinische Konsequenz fraglich sei. Die Au- toren bemerkten, dass die in ihrer Arbeit inkludierten Studien einen niedrigen Evi- denzgrad aufwiesen und mahnten daher zur Vorsicht bei der Bewertung der Ergeb- nisse.
Herbst & Minipins Abb. 5a Abb. 5b Abb. 6a Abb. 6b Abb. 5a, b:Miniplatte am Schädelpräparat (a). Miniplatte mit individualisiertem Adapter zum gegossenen Herbst- Splint (b). – Abb. 6a, b: Klinische Situation einer Miniplatten-verankerten gegossenen Herbst-Apparatur (a). Röntgenbild zur Demonstration der Lage der Osteosynthese-Schrauben bei der Plattenverankerung (b). Poggio und Mitarbeiter demonstrierten in einer DVT-Studie27, dass zwischen dem zwei- ten Prämolaren und erstem Molaren im Un - terkiefer ein sehr großes Knochenangebot zur Insertion einer Schraube zur Verfügung steht. Die Schraube sollte innerhalb der be- festigten Gingiva platziert werden, um uner- wünschte und für den Patienten belastende Weichteilirritationen zu vermeiden.28 In einer weiteren kombinierten DVT- und klinischen Studie wurde der Insertionsort zwischen dem zweiten Prämolaren und ersten Molaren im Unterkiefer hinsichtlich der Weichgewebs- struktur untersucht. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass das in dieser Region lo- kalisierte Weichgewebe für ei ne Pin-Inser- tion am besten geeignet war.29 Um iatrogene Wurzelverletzungen zu vermeiden sowie ei - ne hohe Primärstabilität zu erreichen30, wur - de empfohlen, die Schrauben in kaudaler be- ziehungsweise apikaler Richtung anguliert zu inserieren.31 Es kamen OrthoEasy® Schrau - ben (Länge 8 mm, Firma FORESTADENT)*, selbstbohrend mit Gewinde zum Einsatz. Kurzvita Dr. Björn Ludwig [Autoreninfo] Dr. Jan Hourfar [Autoreninfo] Dr. Julia von Bremen [Autoreninfo] Prof. Dr. Sabine Ruf [Autoreninfo] 14 I KOMPENDIUM 2013 Auch wenn die Literatur gute Erfolgsraten im Unterkiefer im gewählten Insertionsbereich mit indirekter Verankerung nennt32, sollte der Erfolg einer maximalen Verankerungen kli- nisch nahe 100 % sein, und das gewährleis- ten interradikuläre Minischrauben noch nicht. Es gibt unzählige Artikel, die Faktoren be- schreiben, die zum Erfolg beitragen33, doch scheint die Insertionsregion der Hauptfaktor zu sein und Faktoren wie zusätzliche Wurzel- berührung und dadurch vorzeitiger Schrau- benverlust unbedingt von der Insertionsre- gion abhängig.34 Leider können interradiku- lär nicht die Erfolgsraten, wie zum Beispiel am Gaumen, erreicht werden35, was eine Ver- ankerung der Herbst-Apparatur über die In- sertion von Minipins als therapeutisches Standardprotokoll für die Praxis als nicht empfehlenswert erscheinen lässt. Ausblick – Kinnplatten alsVerankerung Ein weiterer Ansatz ist die „knochengetra- gene“ (bone borne) Herbst-Apparatur36, die über verschraubte Kinnplatten verankert wird. Dem Vorteil einer stabilen Veranke - rung steht hierbei jedoch der Nachteil einer – im Vergleich zur Minipin-Insertion – grö ße - ren Invasivität (chirurgischer Eingriff) ge gen - über. Fazit Die Proklination der mandibulären Inzisivi bei der Herbst-Behandlung und aller ihrer Derivate ist unvermeidlich. Dieses Problem konnte bisher nicht gelöst werden. Ein mög - licherweise zukunftsweisendes Behandlungs- konzept könnte eine – über Kinn- platten verankerte – „knochenge- tragene“ Herbst-Apparatur sein. Literaturliste *Fa. FORESTADENT, www.forestadent.com Adresse Dr. Björn Ludwig Am Bahnhof 54 56841 Traben-Trarbach Tel.: 06541 818381 Fax: 06541 818394 bludwig@kieferorthopaedie-mosel.de www.kieferorthopaedie-mosel.de
HERBST Klasse II Behandlung. Sicher. Bewährt. Effektiv. Herbst I auf Bändern Das Dentaurum-Programm umfasst vier Varianten des bewährten Herbst Retentionsscharniers. Allen Varianten gemeinsam ist die sehr gute Verarbeitung der Materialien. Auch unter großen Belastungen garantiert Dentaurum ausreichend Sicherheitsreserven für eine effektive Therapie. Durch die direkte Befestigung an den Zähnen übt dieses Behandlungs gerät, auch ohne Mitarbeit des Patienten, 24 h am Tag seine Kraft aus und führt daher schon nach kurzer Tragedauer zu einem sichtbaren Behandlungs ergebnis. Innensechskantschraube für Herbst I F-Sockel (konkave Form) für Herbst I Turnstraße 31 I 75228 Ispringen I Germany I Telefon + 49 72 31 / 803 - 0 I Fax + 49 72 31 / 803 - 295 www.dentaurum.de I info@dentaurum.de
BioBiteCorrector® (BBC) Inwieweit sich der BioBiteCorrector®*zur Therapie schwieriger Klasse II-Anomalien eignet, zeigt Entwickler Dr. Enrico Pasin anhand eines klinischen Fallbeispiels. Eine Apparatur auch für besondere Fälle? Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c Der BioBiteCorrector®(BBC) stellt eine festsit- zende Klasse II-Apparatur dar, welche in Kom- bination mit einer Multibracket-Apparatur im Ober- und Unterkiefer direkt auf den Behand- lungsbogen aufgeschraubt werden kann. Da- bei stellen Oberkiefer-Molarenbänder keine Voraussetzung dar. Dass mithilfe dieses Herbst-Derivats sowohl geringe als auch ausgeprägte Klasse II-Anoma- lien bei Patienten mit vertikalem oder horizon- Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2d Abb. 2c Abb. 2e 16 I KOMPENDIUM 2013 talen Wachstumsmuster erfolgreich therapiert werden können, haben bereits Artikel zur kli- nischen Anwendung des BBC (siehe KN11-2011 sowie 7/8-2012) dargelegt. Doch eignet sich die Apparatur auch bei schwierigen Klasse II-Fäl- len? Aus der Literatur sind erfolgreiche Er- wachsenenbehandlungen mithilfe des klassi- schen Herbst-Scharniers ja bekannt. Doch wie verhält es sich mit dieser Gerätemodifikation? Im folgenden Beitrag wird ein klinisches Fall- beispiel einer 18-jährigen Patientin mit einer skelettalen asymmetrischen Angle-Klasse II vorgestellt, bei der eine BBC-Behandlung vor- geschlagen wurde, nachdem diese eine The - rapie in Kombination mit einer Dysgnathie- Operation ablehnte. Während auf dem En face-Foto eine Unter - kieferschwenkung nach rechts erkennbar ist (Abb. 1b), zeigt Abbildung 1c ein Klasse I-Pro - fil mit vergrößertem Nasolabialwinkel und positiver Lippentreppe. Intraoral weist der Oberkiefer eine transver- sale Enge, eine leichte dentale Mittellinien- verschiebung um 1,5mm nach rechts sowie einen retinierten Zahn 23 auf. Die Oberkiefer- als auch die Unterkieferfront ist retroinkli- niert. Der Biss zeigt eine Mittellinienverschie-
BioBiteCorrector® (BBC) Abb. 4a Abb. 4d Abb. 3a Abb. 4b Abb. 3b Abb. 4c Abb. 4e bung des Unterkiefers um 6mm nach rechts und einen lateralen Kreuzbiss rechts. Die Ok- klusion rechts beträgt ¾PB distal, links ½PB distal (Abb. 2a–e). Begonnen wurde die Behandlung mit einer transversalen Dehnung, welche mithilfe einer Gaumennahterweiterungsapparatur (nicht chirurgisch) durchgeführt wurde. Die GNE- Therapie fand im Zeitraum von dreieinhalb Monaten statt. Anschließend kam es zum Einsatz einer Mul- tibracket-Apparatur mit Transpalatinalbogen. Die Zahnbögen wurden hierbei innerhalb von acht Monaten bis auf einen 0.019⬙ x 0.025⬙ Stahlbogen ausgeformt. Die Mindestdimen- sion für den Einsatz des BBC beträgt 0.017⬙ x 0.025⬙ (Stahlbogen). Da das System keinerlei Biegungen im Stahlbogen (beispielsweise im UK-Eckzahnbereich) verlangt, konnte hier ei - ne klassische Straight-Wire-Technik ange- wandt werden (Abb. 4a–e). Nachdem die klinischen Voraussetzungen ge- schaffen waren, wurde der BBC installiert. Die- ser ist vollständig aus Titan gefertigt und wird in zwei Größen angeboten. Im vorliegenden Patientenbeispiel wurde die Größe „Standard“ verwendet, da es sich um einen Non-Extrak- tionsfall handelte. Für Extraktionsfälle steht hingegen die Größe „Small“ zur Verfügung. Die Apparatur wird vollständig vormontiert geliefert und muss daher nicht aus diversen Einzelteilen zusammengebaut werden. Dies erleichtert die Handhabung und verkürzt zu- dem die „Stuhlzeit“, da eine Größenauswahl im eigentlichen Sinne mit Vermessen einer Distanz, Kürzen der Schar- niere, Zusammenbau der Apparatur etc. nicht stattfindet. Das Gerät wird mesial des ersten Molaren ver- schraubt und nicht distal des ersten Oberkie- fermolaren befestigt (Abb. 5a). Dies hat den großen Vorteil, dass der zweite Molar nicht durchgebrochen sein muss, um die Apparatur eingliedern zu können. Klinisch zeigt sich, dass der mesiale Ansatz vom ersten Oberkiefermo- laren einen hohen Patientenkomfort gewähr- leistet und es sehr selten zu Schleimhautirri - tationen kommt. Der mesiale Ansatzpunkt mit der daraus resul- tierenden kurzen Scharnierlänge führt dazu, dass beim BBC ein Mehrfach-Teleskop ver- wendet wird (Abb. 5b). Dies ermöglicht eine weite Mundöffnung, ohne dabei je- doch die Funktion des Scharniers zu beeinträchtigen. Würde hinge- gen ein klassisches Scharnier von OK mesial 6 zu UK mesial 4 einge- setzt, bestünde aufgrund der ge - ringen Distanz die Möglichkeit eines nicht selten auftretenden „Aushängens“ der Apparatur. Aufgrund seiner Konstruktion kann das Mehrfach-Teleskop des BioBiteCorrector nicht aus den Führungsrohren gleiten, wodurch die Funktionsfähigkeit der Apparatur zu kei- Abb. 5b Abb. 5a Abb. 5c ner Zeit beeinträchtigt wird. Das Funktionsprinzip des BBC ent- spricht dem des klassischen Herbst - Scharniers, das heißt, nach Einset- zen der Apparatur besteht für den KOMPENDIUM 2013 I 17
BioBiteCorrector® (BBC) Abb. 6a Abb. 6b Abb. 6c Abb. 7a Abb. 7b Patienten nicht die Möglichkeit, seine Kiefer bzw. den Unterkiefer in eine retralere Posi - tion zusammenzuführen. Da das Gerät über keine Druckfedern verfügt, wird die Unter - kieferposition allein durch die Länge des Scharniers bestimmt. Deren Einstellung er- folgt mittels c-förmiger Distanzhülsen (Abb. 5c), welche auf das dünnste Teleskop rohr ge- krimpt werden. Insbesondere bei Patienten mit einem bra - chyfazialem Wachstum führt diese Unterkie- fervorverlagerung zu einer großen Disklusion im Seitenzahnbereich. Bei Verwendung der Standardgröße werden durchschnittlich ein bis drei Distanzhülsen pro Seite benötigt, um den Unterkiefer in eine überkorrigierte Klasse I-Okklusion einzustellen. Bevorzugt der Behandler die Philosophie der progressiven Bissumstellung, also die schritt- weise Vorverlagerung des Unterkiefers, kann initial die Größe „Standard“ ohne Einsatz von Distanzhülsen verwendet werden. Ist dem Behandler dieser Schritt der Vorverlagerung dennoch zu groß, kann in einem Non-Extrak- tionsfall die Größe „Small“ zur Anwendung kommen. Dieses Vorgehen ermöglicht eine sehr geringe schrittweise und sichere Vorver- lagerung des Unterkiefers. Abb. 8a Abb. 8b Abb. 8d Abb. 8c Abb. 8e 18 I KOMPENDIUM 2013 Im aktuellen Patientenfall wurde die Stan- dardgröße verwendet, um eine direkte Vor- verlagerung des Unterkiefers in eine Klasse I gemäß Herbst-Philosophie zu gewährleis- ten. Nach dem Einsetzen des BBC kann der Patient direkt in eine beidseitige Neutralver- zahnung mit gerader Mittellinie eingestellt werden (Abb. 6a–c). Durch die starke Asymmetrie entsteht im vor- liegenden Patientenfall eine unterschiedlich große Disklusion im Seitenzahnbereich. Den erfahrenen Herbst-Behandler beunruhigt die - ses Bild der okklusalen Sperre jedoch nicht. Im Gegensatz zum klassischen Herbst-Schar- nier verfügt der BBC im Ober- und Unterkiefer über Kugelgelenke. Aufgrund dieser doppel- ten gelenkigen Kopplung werden dem Pa- tienten ausreichende laterale Bewegungen ermöglicht. Dies führt dazu, dass die Kraftbe- lastungen auf das FKO-Gerät sowie die Multi- bracket-Apparatur signifikant verringert wer- den, was eine deutlich reduzierte Reparatur- rate (z.B. gelöster Brackets, eines gebroche- nen Bogens) sowie ein geringeres Bruchrisiko der Klasse II-Apparatur zur Folge hat. Während der BBC-Therapie können sich, wie bei einer Multibracket-Therapie ohne Herbst- Apparatur, Brackets von den Zähnen lösen. Eine klassische Ausrichtung des Brackets führt häufig dazu, dass direkt nach dem Rebonding der für die BBC-Therapie vorausgesetzte Stahl- bogen nicht wieder eingegliedert werden kann. Um möglichst direkt nach dem Rebonding des Brackets einen Stahlbogen eingliedern zu kön- nen, hat sich folgendes klinisches Verfahren bewährt: In das gelöste Bracket wird vor dem
Abb. 9a Abb. 9b Abb. 9c BioBiteCorrector® (BBC) Fazit Mithilfe des BioBiteCorrector können selbst stark ausgeprägte Angle-Klasse II-Fälle gut be- handelt werden. Durch das Herbst-Funktions- prinzip ist dabei ein hohes Maß an Vorhersag- barkeit des Therapieziels erreichbar. Auch bei der Behandlung erwachsener Patien- ten mithilfe des BBC konnten in unserer Praxis gute Ergebnisse erzielt werden. Dennoch stellt die Erwachsenenbehandlung hierbei keinen Regelfall dar und sollte daher dem erfahrenen Herbst-Behandler vorbehalten sein. *Fa. BBC-Orthotec GmbH, www.bio-bite- corrector.de Kurzvita Abb. 10a Abb. 10b Wiederbefestigen ein Stück Stahlbogen ein - gespannt (Abb. 7b). Durch dieses Vorgehen kann das wieder zu befestigende Bracket sehr präzise am Bracketslot der beiden Nachbar- zähne ausgerichtet werden. Wie bei einer klassischen Herbst-Therapie wird der BBC etwa sechs Monate getragen. Im dar- gestellten Fall waren es 7,5 Monate. Die etwas längere Tragedauer ist bei diesem Fall auf das Ausmaß der Kieferfehlstellung sowie das ab- geschlossene Wachstum der Patientin zurück- zuführen. Nach Entfernung des BBC trug die Patientin Klasse II-Gummizüge (UK 5er und 4er, zum OK 3er). Nach 7,5 Monaten erfolgte das Debonding der Multibracket-Apparatur (Abb. 8 bis 10). Um Rezidive auszuschließen, wird empfohlen, die Multibracket-Apparatur frühestens sechs Monate nach erfolgter BBC-Therapie zu ent- fernen. Die Überstellung der Distalbisslage ist – wie bei Einsatz einer klassischen Herbst-Appa - ratur auch – durch eine Kombination von ske- lettalen und dentoalveolären Effekten nach- zuvollziehen. Die Überlagerung der Röntgen- bilder (Abb. 11a, b) zeigt eine leichte Intrusion der oberen Molaren und eine Extrusion der unteren Molaren. Die erwartete Protrusion der Unterkieferfront nach der Behandlung hat bei diesem Patientenfall nicht stattgefunden. Dr. Enrico Pasin [Autoreninfo] Adresse Dr. Enrico Pasin Fachzahnarzt für Kieferorthopädie Innsbrucker Str. 2 83435 Bad Reichenhall Tel.: 08651 9650099 info@bio-bite-corrector.de www.bio-bite-corrector.de Abb. 11a Abb. 11b KOMPENDIUM 2013 I 19
Lingualtechnik und Beneslider Prof. Dr. Benedict Wilmes und Univ.-Prof. Dr. Dieter Drescher erläutern im folgenden Beitrag die entsprechenden Mechaniken sowie das klinische Prozedere. Abb. 1a Methoden bei ausgeprägtem Platzmangel 1a: Erst-Kleben-Methode } Abdruck für Lingualtechnik } Schrauben inserieren } Abdruck } Beneslider herstellen } Brackets kleben } Bänder kleben } Gerät einsetzen } Distalisieren } Nivellieren 1b: Erst-Distalisieren-Methode } Schrauben inserieren } Abdruck } Beneslider herstellen } Beneslider einsetzen } Distalisieren } Abdruck für Lingualtechnik } Tiefziehschiene einsetzen } Brackets kleben } Nivellieren Tab. 1 Lingualtechnik und Beneslider – ohne großen Aufwand kombinierbar Der Beneslider1–5* ist ein von der Compliance des Patienten unabhängiges, intraorales Dis- talisierungsgerät, das sich auf einem oder zwei medianen Mini-Implantaten im anterio- ren Gaumen abstützt. Die Kraftapplikation er- folgt durch Druckfedern, Aktivierungsreiter sowie Benetubes, die in die palatinalen Mo - larenschlösser gesteckt werden (Abb. 1). Durch Angulation der Führungsarme ist neben der Distalisierung auch eine gleichzeitige vertikale Kon- trolle im Sinne einer Intrusion oder Extrusion der Molaren mög- lich (Abb. 1b). Die Verankerung (Abb. 2) erfolgt im anterioren Gaumen unter Ver- wendung eines Mini-Implantats der Dimension 2,3 x 11 mm (A), auf das ein Benefit-Abutment Abb. 1a, b: Der Beneslider besteht aus einem Abut- ment mit 1,1mm dickem Bogen (Abb. 2 [G], bei einem Mini-Implantat) oder einer Beneplate mit 1,1mm dickem Bogen (Abb. 2 [H], bei zwei Mini-Im- plantaten) sowie zwei Druckfedern und zwei Be- netubes (a). Durch Angulation der Führungsarme ist neben der Distalisierung auch eine gleichzei- tige vertikale Kontrolle im Sinne einer Intrusion (gestrichelte Linie) der Molaren möglich (b). mit 1,1mm dickem Bogen (G) aufgesetzt wird. Bei großer Anforderung an die Verankerung werden zwei Mini-Implantate (anterior 2 x 11 mm, posterior 2 x 9 mm) inseriert und mit einer Beneplate mit 1,1 mm Bogen (H) ge koppelt. Um den Beneslider auch im Rahmen der Lin- gualtechnik einsetzen zu können, bedarf es Palatinalschlösser, wie sie auch für einen TPA oder eine Quadhelix Verwendung finden (Abb. 3). Es ist möglich, den Beneslider di- rekt im Mund zu platzieren, ohne einen Abdruck herzustellen. Als Alternative zum intraoralen Anpassen kann die Übertragung der intraoralen Situ- ation auf ein Gipsmodell erfol- gen, um das Gerät im zahntechni- schen Labor herstellen zu lassen. Dies geschieht mithilfe von Ab- 20 I KOMPENDIUM 2013 Abb. 1b
Lingualtechnik und Beneslider 1. Bei ausgeprägtem Platzmangel im Oberkiefer (Platzbeschaffung vor Nivellierung erforderlich, siehe Tabelle) 1a: Erst-Kleben-Methode (siehe auch Fall 1) Hier erfolgt die Präzionsabdrucknahme für die Bracket- und Klebetray-Herstellung vor der Molarendistalisierung. Bei diesem Vor- gehen werden die Brackets und der Bene - Abb. 2 Abb. 3a Abb. 3b druckkappen (Abb. 2 [C]) und Laborimplanta- ten (Abb. 2 [B]). Die Kontrolle und Nachaktivierung des Bene - sliders erfolgt alle vier bis sechs Wochen. Da die Prämolaren und Eckzähne über die transdenta- len Fasern mit den zu distalisierenden Molaren verbunden sind, wandern diese ebenfalls nach distal und es entstehen viele kleine Lücken. Nach Distalisierung kann der Beneslider bei der sich anschließenden Retraktion der Front zur Verankerung der Molaren verwendet wer- den. Hervorzuheben ist, dass die Bögen wäh- rend der Front-Retraktionsphase im Seiten- zahnbereich gerade sein müssen (wie bei ei- nem Extraktionsfall). Dies sollte bei der Bestel- lung der Lingualapparaturen beachtet werden. FALLBEISPIEL 1 (Abb. 4–17) Bei der Verwendung von direkt ge- klebten bukkalen Brackets erfolgt die Bebänderung der restlichen Zäh ne erst kurz vor dem Distalisie- rungsende. Linguale Brackets wer- den jedoch in der Regel indirekt, d. h. mittels einer Schiene (Klebetray) geklebt. Es muss berücksichtigt werden, dass bei der Dis- talisierung von Molaren fast alle Zähne auf- grund der interdentalen Fasern mehr oder weniger mit nach distal wandern. Ein vor Dis- talisierung genommener Abdruck würde also in einem Klebetray resultieren, welches nach Distalisierung nicht mehr passt. Um diese Problematik zu vermeiden, kommen drei ver- schiedene Vorgehensweisen infrage: Abb. 2: Benefit-System: Mini-Implantat (A), Laborimplantat (B), Abdruckkappe (C), Abutments: Abutment mit Schlitz (D), Standard-Abutment (E), Abutment mit Bracket (F), Abutment mit Bogen (0,8 oder 1,1 mm) (G), Beneplate mit Bogen (0,8 mm oder 1,1 mm) (H), Fixierschräubchen für die Beneplate (I), Schraubenzieher zur Fixierung von Abutment und Fixier- schräubchen (J). – Abb. 3a, b: Kopplung vom Beneslider zum Molaren mittels Palatinalschlössern beim IncognitoTM-System (a) und bei Lingualbrackets der Firma Ormco (b). slider gleichzeitig eingesetzt. Der erste Ni- vellierungsbogen wird jedoch erst nach Platzbeschaffung durch Distalisierung ein- gesetzt. Nachteilig ist, dass Brackets bei Lockerung in der Distalisierungsphase verloren ge- hen können, da sie nicht an einem Bogen fixiert sind. Durch das Einbringen einer Achterligatur kann dies jedoch vermieden werden. Abb. 4a Abb. 4b Abb. 5a Abb. 4d Abb. 4c Abb. 4e Abb. 5b Abb. 4a–e; 5a, b: 31-jähriger Patient mit einer linksseitigen Aufwanderung der Seitenzähne im Oberkiefer sowie einer Frontmittenverschiebung nach rechts. KOMPENDIUM 2013 I 21
Abb. 6: Zustand nach Einsetzen der lingualen Apparatur. – Abb. 7: Zwei Mini-Implantate sind im anterioren Gaumen inseriert. – Abb. 8a, b: Molarenring mit einem Palatinal- schloss (IncognitoTM-System), in das ein Benetube einge- steckt werden kann (a). Beneslider auf dem Gipsmodell (b). – Abb. 9: Eingesetzter Beneslider mit einer 500 g star- ken Feder im 2. Quadranten. Der Aktivierungsreiter im 1. Quadranten dient lediglich der Stabilisierung des Bene - tubes. – Abb. 10: Zustand nach drei Monaten Distalisie- rung. Einige Brackets haben sich gelöst. drücklich ab. Die Therapieplanung sah eine einseitige Distalisierung mittels Beneslider in Kombination mit einer individuellen Lin- gualapparatur (IncognitoTM**) vor. In diesem Fall wurde die „Erst-Kleben-Me- thode“ (Tabelle 1) gewählt. Die Behandlung begann also mit dem Kleben der lingualen Apparatur (Abb. 6) und der Insertion von zwei Mini-Implantaten (Abb. 7). Gewöhnlich applizieren wir die Distalisie- rungskraft auf die vorletzten durchgebroche- nen Zähne, in diesem Fall also auf die 7er. Hier wurden Ringe mit einem Palatinal- schloss eingegliedert, in die jeweils ein Bene- tube eingesteckt werden kann (Abb. 8a). Die Apparatur kann intraoral angepasst werden, eine Anfertigung auf einem Gipsmodell spart jedoch Zeit am Behandlungsstuhl (Abb. 8b). Auch bei nur einseitiger Distalisierung emp- fiehlt sich eine kontralaterale Kopplung, um den Beneslider bei Manipulation durch den Patienten zu stabilisieren. Die Abbildung 9 zeigt den eingesetzten Beneslider mit einer 500 g starken Feder im 2. Quadranten. Der Aktivierungsreiter im 1. Quadranten diente lediglich der Fixierung des Benetubes. Ein Nivellierungsbogen wird erst nach erfolgter Distalisierung eingebracht. Bei der Kontrolle nach drei Monaten war be- reits eine Lücke zwischen 27 und 26 erkenn - bar. Einige Brackets haben sich gelöst, diese wurden beim Einbringen des Nivellierungs- bogens wieder befestigt (Abb. 10). In der FRS- Rekonstruktion einer DVT-Aufnahme erkennt man die Position der Benefit* Mini-Implan- tate (Abb. 11, anterior: 2 x 11 mm, posterior: Klinische Anwendung Fall 1: Einseitige Distalisierung Dargestellt wird der Therapieverlauf eines 31-jährigen Patienten mit einer linksseitigen Aufwanderung der Seitenzähne im Oberkie- fer, resultierend in einer Distalverzahnung links von einer Prämolarenbreite sowie einer Frontmittenverschiebung nach rechts. Im Un - terkiefer lag ein ausgeprägter Frontengstand vor (Abb. 4, 5). Der Patient wünschte eine un- sichtbare kieferorthopädische Behandlung, eine Extraktion von Zähnen lehnte er aus- Lingualtechnik und Beneslider Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8a Abb. 8b Abb. 9 Abb. 10 1b: Erst-Distalisieren-Methode Die Präzionsabdrucknahme für die Bracket- und Klebetray-Herstellung erfolgt nach Distali- sierung. Hier wird zu Beginn der Behandlung zunächst ein konventioneller Beneslider ein- gesetzt. Erst nach erfolgter Distalisierung wird die Abdrucknahme für die Lingualbrackets vor- genommen. Nachteilig ist, dass der Beneslider zur Abdrucknahme ausgebaut und anschlie- ßend wieder eingesetzt werden muss, damit bis zum Einbringen der Brackets eine Retention der aktuellen Situation gewährleistet ist und das Klebetray passt. Ferner empfiehlt es sich, den Beneslider bis zur Eingliederung der Lin- gualapparatur zu deaktivieren. Eine Tiefzieh- schiene kann helfen, unerwünschte Zahnbe- wegungen in der Zwischenzeit zu verhindern. 2. Bei geringem Platzmangel im Oberkiefer Simultanes Nivellieren und Distalisieren (siehe auch Fall 2) Wenn der Platzmangel nicht sehr ausgeprägt ist, kann der Beneslider schon während oder nach der Nivellierung eingesetzt werden, die Friktion ist dann jedoch als etwas höher einzustufen. 22 I KOMPENDIUM 2013 Abb. 11: FRS-Rekonstruktion einer DVT-Aufnahme: Position der Benefit-Mini-Implantate im anterioren Gau - men. – Abb. 12: Zustand nach sechs Monaten Distalisierung. Man erkennt eine Lücke von 2 bis 3 mm.
Abb. 13: Im OPG erkennt man eine körperliche Distalisierung von 27. – Abb. 14: Zustand nach Nivellierung und ausreichender Distalisierung. – Abb. 15: Der Beneslider während der Prämola- ren- und Front-Retraktionsphase. Hier wurden auch bukkale Tubes geklebt, um 28 aufzurichten. Abb. 16a–f; 17: Abschluss- befund mit einer Klasse I-Verzahnung auch im 2. Quadranten. Lingualtechnik und Beneslider 2 x 9 mm). Nach sechs Monaten zeigte sich eine Lücke von 2 bis 3 mm (Abb. 12). Im OPG ist eine nahezu körperliche Distalisierung von 27 nachweisbar, die sich als ausreichend er- wies, um nun den ersten Nivellierungsbogen einzugliedern (Abb. 13). Abbildung 14 zeigt den Zustand nach erfolgter Nivellierung und ausreichender Distalisierung. Der Beneslider diente während der Prämolaren- und Front- Retraktionsphase zur Verankerung der Mo - laren (Abb. 15). Nach Retraktion der Zähne im 2. Quadranten erfolgten das Finishing sowie die Entbänderung. Man erkennt beim Ab- schlussbefund eine Klasse I-Verzahnung auch im 2. Quadranten (Abb. 16, 17). Fall 2: Beidseitige Distalisierung und gleichzeitige Molarenintrusion Dargestellt wird der Therapieverlauf einer 38-jährigen Patientin (Abb. 18 bis 27). Auf- grund der Angle-Klasse II und des offenen Bisses wurde ihr ein kombiniert kieferortho- pädisch-kieferchirurgisches Vorgehen emp- fohlen, welches jedoch von der Patientin ab- gelehnt wurde. Wegen der Protrusion der Oberkieferfrontzähne war zur Kompensation der Klasse II-Okklusion die Distalisierung der Oberkieferzähne sinnvoll. Zur Korrektur des offenen Bisses sollten die Oberkiefermolaren jedoch zusätzlich noch intrudiert werden, es erfolgte daher eine Angulation der Füh- rungsarme des Benesliders (Abb. 1b, 21b). Bei Mo larenintrusion ist eine Autorotation des Un terkiefers zu erwarten, die bei einer Klas - se II-Korrektur erwünscht ist. Die Patientin wünschte eine unsichtbare kieferorthopä - dische Behandlung im Oberkiefer. Die Thera- pieplanung sah also eine beidseitige Distali- sierung und Molaren intrusion mittels Bene - slider in Kombination mit einer individuellen Lingualapparatur (IncognitoTM)** im Oberkiefer und keramischen Brackets im Unterkiefer vor. Wegen des geringen Platzmangels im Ober- kiefer war es möglich, Distalisierung und Ni- vellierung gleichzeitig zu starten. Die Behand- lung begann also mit dem Kleben der lingua- len Apparatur, anschließender simultaner Nivellierung und Distalisierung. Nach drei Monaten ist die Nivellierungsphase beendet (Abb. 22). Nach sechs Monaten sind die Molaren ausrei- chend distalisiert und intrudiert (Abb. 23), und Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16a Abb. 16b Abb. 16e Abb. 16c Abb. 16d Abb. 16f Abb. 17 KOMPENDIUM 2013 I 23
Lingualtechnik und Beneslider FALLBEISPIEL 2 (Abb. 18–27) Abb. 18a Abb. 19 Abb. 18b Abb. 18e Abb. 18c Abb. 18d Abb. 18f Abb. 20 Abb. 18a–f; 19; 20: 38-jährige Patientin mit einer Angle-Klasse II und einem offenen Biss sowie einer leichten Protrusion der Oberkieferfrontzähne. es konnte mit der Retraktionsphase begonnen werden (Abb. 24, 25). Man erkennt nach Ent- bänderung eine korrekte sagittale und verti- kale Frontzahnstufe (Abb. 26). Aufgrund des Bowing-Effektes (die Patientin war nicht mo- tivierbar für bukkale Attachments) stand 27 jedoch noch etwas zu weit palatinal. Daher wurden das Bracket 27 sowie die beiden Mini- Implantate zunächst belassen und eine Be - neplate mit einem einseitig abgeschnittenen 0,8-mm-Bogen zur abschließenden Bukkal- bewegung von 27 eingesetzt (Abb. 27). Bei Mini-Implantaten mit wechselbaren Abut- ments ist der Einsatz verschiedener Appara- turen nacheinander möglich.6 Abb. 21a Abb. 21b Abb. 24 Abb. 22 Abb. 23 Abb. 25 Abb. 21a, b: Beneslider mit Angulation der Führungsarme zur simultanen Intrusion während der Distalisierung. – Abb. 22: Zustand nach Nivellierung. – Abb. 23: Nach sechs Monaten sind die Molaren ausreichend distalisiert und intrudiert. – Abb. 24: Elastische Kette zur Retraktionsphase der Frontzähne und Prämolaren. – Abb. 25: FRS während der Retraktionsphase. Man erkennt die körperliche Molarendistalisierung und -intrusion. 24 I KOMPENDIUM 2013
Lingualtechnik und Beneslider Abb. 26a Abb. 26b Abb. 26e Abb. 26c a b Abb. 26d Abb. 26f Abb. 26a–f: Zustand nach Entbänderung; 27 jedoch noch etwas zu weit palatinal stehend. Abb. 27a, b: Beneplate mit einem einseitig abge- schnittenen 0,8-mm-Bogen vor (a) und nach (b) Buk- kalbewegung von 27. Diskussion Der Beneslider lässt sich ohne großen tech- nischen Aufwand in die Lingualtechnik in- tegrieren, es ist lediglich ein zusätzliches TPA-Molarenschloss erforderlich. Neben der zusätzlichen Möglichkeit der vertikalen Kontrolle (z. B. Molarenintrusion) zeichnet Kurzvita Prof. Dr. Benedict Wilmes [Autoreninfo] Univ.-Prof. Dr. Dieter Drescher [Autoreninfo] sich der Beneslider durch eine gute kör - perliche Führung der Molaren aus. Der Vergleich von prä- und posttherapeuti- schen Fernröntgenseiten-Analysen ergab eine durchschnittliche Molarenkippung von weniger als 2 Grad.2 Bei anderen Mecha - niken wurden Molarenkippungen bis zu 20 Grad gemessen.7 Diese körperliche Dis- talisierung führt jedoch bei der Verwen- dung der üblichen 240-g-Federn zu einer relativ langen Distalisierungszeit von acht bis zehn Monaten für ca. 4 bis 5 mm.2 Bei Patienten mit bereits durchgebrochenen zweiten Molaren empfiehlt sich daher die Applikation von höheren Distalisierungs- kräften von 500 g, wobei die volle Aktivie- rung dann frühestens zwei Monate nach der Implantatinsertion erfolgen sollte. Die complianceunabhängige Molarendis- talisierung unter Verwendung von Mini- Implantaten hat sich bei korrekter Indika- tionsstellung als bewährte Methode zur Korrektur einer Klasse II-Verzahnung er- wiesen. Die Erfolgsprognose der Mini-Im- plantate im anterioren Gaumen ist als sehr hoch einzustufen. In einer Studie, die die Erfolgsrate bei der Behandlung mit diesem Gerät analysierte, lag die Lockerungsquote der Mini-Implantate bei der Verwendung von 164 Beneslider-Distalisierungsappa- raturen bei 3,9 Prozent.5 * Fa. PSM, Vertrieb über dentalline (www. dentalline. de) ** Fa. 3M Unitek (www. 3munitek.de) Literaturliste Adresse Prof. Dr. Benedict Wilmes Kieferorthopäde, Oralchirurg Ltd. Oberarzt und stellv. Direktor Poliklink für Kieferorthopädie Westdeutsche Kieferklinik, UKD Moorenstr. 5 40225 Düsseldorf Tel.: 0211 8118671 Fax: 0211 8119510 wilmes@med.uni-duesseldorf.de www.uniklinik-duesseldorf.de/ kieferorthopaedie KOMPENDIUM 2013 I 25
Herbst bei Erwachsenen Abb. 1a Abb. 1a–c: 22-jähriger Patient vor (a), nach Eingliederung der Stan- dard-Herbst-Apparatur (b) und drei Monate nach Eingliederung (c). Abb. 1c Abb. 1b Dr. Klaus Hering über die altersunabhängige Verwendung der Herbst-Apparatur als Alternative zur kombiniert kieferorthopä- disch-kieferchirurgischen Therapie oder zur Extraktionstherapie. Die Herbst-Apparatur bei Erwachsenen der Angle-Klassen II/1 und II/2 Das erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts von Emil Herbst vorgestellte und von ihm als Scharnier bezeichnete Gerät zur Unterkiefer- vorverlagerung geriet nach einigen Veröffent- lichungen in den 1930er-Jahren mehr oder weniger in Vergessenheit, bis Hans Pancherz die Herbst-Apparatur wiederentdeckte und sie mit ihrem Mechanismus und ihrer Wir- kungsweise so eingehend untersuchte, dass sie somit zu einer der am besten erforschten kieferorthopädischen Apparaturen wurde.1–5 Heute ist die Herbst-Apparatur aus der mo- dernen kieferorthopädischen Praxis nicht mehr wegzudenken. Zudem stand sie Pate für viele an ihr orientierter Derivate.6,7 Entgegen herausnehmbaren Apparaturen zur Bisslagekorrektur eines Distalbisses, deren Er- folg maßgeblich von der Mitarbeit des Betrof- fenen abhängt und deren Indikation wachs- tumsabhängig nur in einem überschaubaren Zeitfenster zumeist in der zweiten Wechsel - gebissperiode zu sehen ist,8,9 wirkt die festsit- zende Herbst-Apparatur den ganzen Tag, so- dass die Kooperation des Patienten vernach- lässigt werden kann und innerhalb kurzer Behandlungszeiten von wenigen Monaten der Behandlungserfolg eintritt. Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c Abb. 3a Abb. 3b Abb. 4a Abb. 4b Abb. 4c Abb. 4d Abb. 4e 26 I KOMPENDIUM 2013
BioBiteCorrector Der direkte und sichere Weg zur Neutralverzahnung vollständig vormontiert ein Zusammenbau aus diversen Einzelteilen ist nicht notwenig verschraubte Verbindung im OK und UK für eine schnelle Eingliederung direkte Neutralverzahnung für hohen Therapieerfolg biokompatibles Titan vollständig aus Titan gefertigt gelenkige Verbindung im OK und UK für hohen Patientenkomfort Multi-Teleskop für eine weite Mundöffnung ohne „aushängen“ Reduktion der Kraftbelastungen durch doppelte gelenkige Kopplung im OK und UK BBC-Orthotec GmbH Innsbrucker Str. 2 83435 Bad Reichenhall Tel.: 0 86 51-9 65 00 99 Fax: 0 86 51-9 65 00 98 GAC Dentsply Am Kirchenhölzl 15 82166 Gräfelfi ng Tel.: 0 89-85 39 51 Fax: 0 89-85 26 43
Herbst bei Erwachsenen Abb. 5a Abb. 5b Abb. 5c Abb. 6a Abb. 6b Abb. 7a Abb. 7b Abb. 7c Abb. 7d Abb. 7e Abb. 2 bis 7: 35-jährige Patientin mit asymmetrischer Angle-Klasse II/2-Dysgnathie vor der Behandlung (Abb. 2 bis 4) und nach 2-jähriger Retentionsphase (Abb. 5 bis 7). Die aktive Behandlung inklusive der Herbst-Phase dauerte 15 Monate. Die Apparatur kann prinzipiell an Bänder ge- lötet oder mit Schienen gegossen hergestellt werden. Wir verwenden ausschließlich die ge- gossene Version, da neben der wenig zeitrau- benden klinischen Arbeit am Patienten mit dem Entfall der Bandanprobe und die erleich- terte Eingliederung mit geeigneten Glasiono- merzementen insbesondere die hohe Stabili - tät der Modellgussschienen eine geringe Re- paraturanfälligkeit zur Folge hat und durch die gute Oberflächenbeschaffenheit und Passge- nauigkeit des Modellgusses die Mundhygiene erleichtert wird. Über die Schienen erfolgt zu- dem eine gute Verankerung, da die meisten Seitenzähne in die Apparatur körperlich inte- griert werden. Ferner spielt sicher auch die Prä- gung während der Weiterbildungszeit durch Professor Pancherz selbst eine Rolle bei der Vorliebe für die gegossene Variante (Abb. 1). Galt als bester Zeitpunkt zur Verwendung der Herbst-Apparatur lange der jugendliche Pa- tient mit bleibendem Gebiss und überschrit- tenem pubertären Wachstumsgipfel,10,11 so wurde diese Altersgrenze immer weiter nach hinten geschoben, denn insbesondere der zunehmende Anteil Erwachsener in unserer Praxis äußert den Wunsch nach nicht chirur - gischen und extraktionsunabhängigen The - rapiealternativen. Nach den Veröffentlichun- gen von Pancherz und Ruf,12,13 die gute Erfolgs - chancen bei jungen Erwachsenen bei entspre - chender Indikationsstellung sahen, bevorzugen wir inzwischen weitgehend altersunabhän- gig die Behandlung mit der Herbst-Apparatur als vollwertige Alternative vor der kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen oder der Extraktionstherapie bei Klasse II-Fällen (Abb. 2 bis 14).14–17 Voraussetzung für diese Therapie ist ein entzündungsfreies Parodon- tium und eine gute oder gut sanierte Zahn- hartsubstanz, da die Apparatur über diese Gewebe befestigt wird und ihre Wirkung ent- faltet. Die Verweildauer in situ beträgt unter normalen Umständen acht bis zehn Monate. Von Vorteil bei der Behandlung mit der Herbst-Apparatur ist die Wirkung auf Unter- und Oberkiefer, die wir nicht nur bei Jugend- lichen, sondern auch bei Erwachsenen beob- achten. Führen reine Distalisationsmecha- nismen18 nur im Oberkiefer möglicherweise zu einer Verengung des retropharyngealen Raumes, kommt es bei der Herbst-Apparatur über den Headgear-Effekt zwar ebenfalls zu einer Distalisation der Oberkieferseiten - zäh ne,19 was die Korrektur eines vergrößer- ten Overjets und die Beseitigung eines fron- talen Platzmangels begünstigt und somit erwünscht ist, gleichzeitig jedoch führt die Unterkiefervorverlagerung zu einer Volu- menvergrößerung des posterioren Luftrau- mes.20 Eine positive Beeinflussung der At- mung ist zu beobachten. Da neben dentalen auch skelettale Veränderungen eintreten, Abb. 8a Abb. 8b Abb. 8c Abb. 9a Abb. 9b Abb. 10a Abb. 10b Abb. 10c Abb. 10d Abb. 10e 28 I KOMPENDIUM 2013
Herbst bei Erwachsenen ist eine Verkleinerung der Gesichtspro fil - kon ve xität wie bei Jugendlichen nachweis- bar.21 Ein weiterer Vorteil gegenüber dysgnathie- chirurgischen Interventionen wie auch ge gen - über der Extraktionstherapie ist allgemein und insbesondere bei Angle-Klasse II/2-Fäl- len mit einer retralen Zwangsführungskom- ponente der positive Einfluss der Herbst-The- rapie bei Kiefergelenkerkrankungen durch die schrittweise Vorverlagerung des Unterkie- fers. Der Unterkiefer wird zwar zunächst in einem ersten Schritt in Kopfbissrelation zum Oberkiefer eingestellt, doch durch Ak tivierung der Teleskopstangen durch aufschiebbare Distanzhülsen während der Therapie wird er noch weiter nach anterior geführt (Abb. 15). Entgegen der Fixierung der Kiefergelenke bei der operativen Methode und der damit mög - licherweise verbundenen Beibehaltung der prätherapeutischen unphysiologischen Kiefer- gelenksituation kann es während der Herbst- Abb. 11a Abb. 11b Abb. 11c Abb. 11d Abb. 8 bis 14: 30-jähriger Patient mit einer Angle-Klasse II/1-Dysgnathie vor Behandlungsbeginn (Abb. 8 bis 10), bei Einsetzen der Apparatur (Abb. 11a, b), nach vier Monaten (Abb. 11c, d), während MB-Phase (Abb. 11e, f) und nach 1,5- jähriger Retentionsphase (Abb. 12 bis 14). Die aktive Be- handlung inklusive der Herbst-Phase dauerte 13 Monate. Behandlung zu Adaptationsvorgängen im Kie - fergelenk kommen, sodass die Möglichkeit besteht, eine Diskusverlagerung positiv zu beeinflussen. Es finden unter der Herbst- The rapie Remodellationsprozesse an Diskus, Fossa und Kondylus statt (Abb. 16). Somit stel- len craniomandibuläre Dysfunk tionen auf keinen Fall eine Kontraindikation für eine Herbst-Behandlung dar. Vielmehr begünstigt Abb. 11e Abb. 11f die Therapie die Rehabilitation der Kiefergelenksituation.21–24 Beim Einsatz der Herbst-Apparatur bei Erwachsenen orientieren wir uns weit- gehend an der Behandlungsroutine bei Ju- gendlichen, nur die Verweildauer in situ ist verlängert. Durch Veränderung des Geräte - designs und Modifikation der industriell her- gestellten Teleskopstangen und -rohre können wir unseren Patienten eine nahezu uneinge- schränkte Lateralbewegung ermöglichen, was einen enor men Gewinn an Tragekomfort zur Folge hat, die Akzeptanz für die Therapie er- höht und die spätere Entfernung der Appa - ratur erleichtert. Diese Modifikation geschieht durch reduzierende Veränderungen am Be- festigungssockel und durch Vergrößerungen der Befestigungs ösen von Teleskopstange und -rohr (Abb. 17). Die gegossene Herbst- Apparatur wird in unserer Praxis generell aus einer nickelfreien Aufbrennlegierung herge- stellt. Diese minimiert das Risiko allergi- scher Reaktionen und ist durch die gerin - ge re Vickershärte im Vergleich zur klassischen CoCrMb-Legierung deutlich besser und feiner auszuarbeiten. Abb. 12a Abb. 12b Abb. 12c Abb. 13a Abb. 13b Abb. 14a Abb. 14b Abb. 14c Abb. 14d Abb. 14e KOMPENDIUM 2013 I 29
Herbst bei Erwachsenen a b c d e f Abb. 17a–f: Industriell gelieferte Sockel für Teleskoprohre und -stangen bieten nur 15° Bewegungsspiel (a). Modi - fizierte Sockel in Kombination mit vergrößerten Befesti- gungsösen von Stange und Rohr mehr als vervierfachen das Bewegungsspiel (b). Die Modifikation im Unterkiefer (c) und im Oberkiefer (d) im Vergleich zum nicht veränderten Sockel. Erweiterte Öse an der Teleskopstange (e) und am Teleskop - rohr (f) im Vergleich zur unveränderten Variante. 30 I KOMPENDIUM 2013 a b Abb. 15a, b: Teleskopstangen mit und ohne Distanzhülsen verschiedener Stärken zur Aktivierung (a), klinisches Bild (b). ren, eine Mesialrelation der Molaren wird eingestellt (Abb. 22). Dadurch können wir auf die Einstellung eines frontalen Kreuzbisses verzichten, die Patienten werden niemals weiter nach anterior als in Kopfbissrelation geführt. In Sonderfällen kommen auch Brackets im Unterkiefer zum Einsatz (Abb. 23). Dies ge- schieht in Fällen ausgeprägter lückiger Pro- klination oder in Fällen notwendiger Front- zahnextraktionen bei massivem Platzmangel oder bei Vorliegen einer Bol- tondiskrepanz der Zahnbreiten. In diesem Fall kann die Ver- Abb. 16: Die Remodellation im Kiefergelenk besteht aus condylus capping und fossa shifting. Bei der mit bukkalen Brackets durchgeführten Standardtherapie wird die Herbst-Apparatur in der ersten Phase mit Brackets an den Front- zähnen im Oberkiefer kombiniert (Abb. 18). Es werden im Normalfall keine Brackets im Unterkiefer verwendet, da diese nur die Hy- giene erschweren und die Reparaturanfällig- keit erhöhen. Der linguale Verbindungsbügel sollte die Frontzähne nicht berühren (Abb. 19). Die Eckzähne werden nur dezent gefasst und demzufolge ohne aufgeschweißte Brackets versehen (Abb. 20). Wir bevorzugen selbst beim Deck- biss die einzeitige Verfahrens- weise, d.h. die Vorbehandlung zur Proklination der Frontzähne entfällt, da es durch die Bissöffnung durch den beim Deckbiss vergesellschafteten tiefen Biss letzt endlich auch zu einer vergrößerten Frontzahnstufe kommt und somit der Effekt der Vorverlagerung bei Einstellung einer Kopfbissrelation festzustellen ist (Abb. 21). Die Überkorrektur bzw. Rezidivprophylaxe erfolgt durch Lückenbildung zwischen den oberen Eckzähnen und den ersten Prämola-
Herbst bei Erwachsenen Abb. 18: Standard-Herbst-Apparatur bei einem 22-jährigen Patient in situ. – Abb. 19: Der linguale Verbindungsbügel soll die unteren Frontzähne nicht berühren. – Abb. 20: Die grazile Fassung der Eckzähne erleichtert die spätere Entfernung. – Abb. 21: Einzeitige Klasse II/2-Therapie ohne Vor- behandlung des Oberkiefers. –Abb. 22:Die Rezidiv- prophylaxe wird durch Lückenbildung zwischen Eckzähnen und Prämolaren und eine moderate Klasse III-Relation erreicht. – Abb. 23: Brackets während der Herbst-Phase in beiden Kiefern nach Extraktion des Zahnes 41. Apparatur zur alleinigen Bisskorrektur wie vorher beschrieben, demzufolge ohne Bra- ckets im Oberkiefer (Abb. 25). Um eine Bukkalrotation im anterioren Be- reich der Oberkieferschienen durch die distal exzentrische Kraft der Teleskoprohre zu un - terbinden, kombinieren wir die Herbst-Appa- ratur mit einem Transpalatinalbogen (Abb. 26), der passiv gebogen und befestigt wird. Bei transversalen Diskrepanzen kann dieser ge- gebenenfalls aktiviert werden. Nach Errei- chen der gewünschten Bisslagekorrektur in- klusive der Überkorrektur durch Lückenbil- dung werden aufgrund der Produktionszeit der Lingualbrackets bis zu deren Einsatz Re- tentionsschienen getragen, für die ähnlich dem TwinBlock nach Clark eine Verschlüsse- lung ist (Abb. 27). Starke Einzelzahnabweichungen werden bei der Schienenherstellung so aus- geblockt, dass trotzdem eine Sicherung der Zahnstellung bis zum Eingliedern der Lingual- brackets gewährleistet ist. Nach deren Einglie- derung erfolgt die Feinkorrektur (Abb. 28). Ist die Overjetkorrektur aus Sicht des Patien- ten eher sekundär, ist diese aber im Rahmen der Therapieplanung vorgesehen, können die Lingualbrackets auch als erste Therapiemaß- nahme eingegliedert werden, um dann nach in Kopfbissrelation vorgegeben Abb. 21 Abb. 22 Abb. 23 Ausformen der Kiefer gemäß vorgegebenem Set-up die Bisslagekorrektur hintenan zu stellen. Hier orientieren wir uns ebenfalls an dem durch den Hersteller der Lingualbrackets vorgegebenen Protokoll und kombinieren die Herbstteleskopstangen und -rohre über ge- gossene Befestigungsbänder an den unteren Eckzähnen und den oberen ersten Molaren mit der lingualen Apparatur (Abb. 29). In den letzten Jahren konnten wir in unserer Praxis weit mehr als 100 Erwachsene im Alter zwischen 20 und 55 Jahren mit der Herbst- Apparatur behandeln, trotz allgemeinen An- stieges der Anzahl kombiniert kieferorthopä- disch-kieferchirurgischer Behandlungsfälle Abb. 25 Abb. 26 Abb. 18 Abb. 19 Abb. 20 weilzeit der Herbst-Apparatur sinnvoll auch für die Therapie im Unterkiefer genutzt werden. In der zweiten Phase der Behandlung nach Entfernung der Herbst-Apparatur erfolgt die Feinkorrektur mit einer komplettierten Multi- bracket-Apparatur in Ober- und Unterkiefer (Abb. 24c, d). Äußert der Patient den Wunsch nach lingua- len Behandlungsalternativen, hängt die wei- tere Verfahrensweise in unserer Praxis da- von ab, welche Gründe für den Patienten für eine Therapie ausschlaggebend waren. Ist es subjektiv der vergrößerte Overjet, den der Patient als primäre Behandlungsindikation angibt, verwenden wir die gegossene Herbst- a c b d Abb. 24a–d: 43-jährige Patientin mit asymmetrischer Angle-Klasse II/1-Dys - g nathie (a), totaler Diskusverlagerung links und massiven Beschwerden bei Mundöffnung und Mastikation. Nach Herbst-Phase (b) erfolgt in der 2. Phase die Feinkorrektur (c, d). Zu diesem Zeitpunkt ist die Patientin völlig beschwerdefrei. Abb. 27 Abb. 25: Herbst-Apparatur als alleiniges Therapiemit- tel ohne Brackets. – Abb. 26: Transpalatinalbogen zur Rotationskontrolle der OK- Schienen. – Abb. 27: In Kopf- biss verschlüsselte Reten- tionsschienen vor Eingliede- rung der Lingualbrackets. KOMPENDIUM 2013 I 31
Herbst bei Erwachsenen n Alter zu Beginn Behandlungs- Overjet Overbite ANB Is-NA Il-NB dauer UK-Länge (Go'-Pog') Angle-Klasse II/1 15 27,3 Jahre 17,7 Monate vorher: 7,9 mm nachher: 2,7 mm vorher: 4,3 mm nachher: 2,1 mm vorher: 6,7° nachher: 3,7° vorher: 25,2° nachher: 20,9° vorher: 25,6° nachher: 25,9° vorher: 74,9 mm nachher: 78,7 mm + 5 % Angle-Klasse II/2 15 32,7 Jahre 19,7 Monate vorher: 4,4 mm nachher: 2,3 mm vorher: 7,0 mm nachher: 2,0 mm vorher: 3,7° nachher: 2,6° vorher: 2,6° nachher: 17,8° vorher: 17,2° nachher: 24,8° vorher: 77,4 mm nachher: 80,5 mm + 4 % Tab. 1: Ergebnisse der Mittelwerte der untersuchten Parameter der FRS- und Modellanalyse und die Veränderung der UK-Länge nach der Behandlung in Prozent. Die Auswertung erfolgte anhand der Befundunterlagen vor Behandlungsbeginn und nach der Retentionsphase bei Abschluss der Therapie. sind die chirurgisch zu lösenden Klasse II- Fälle bei uns zu vernachlässigen. Die ersten 30 mit der Herbst-Apparatur behandelten Er- wachsenen wurden für ein im Rahmen der DGKFO-Jahrestagung in Dresden vorgestell- tes Poster nach praxisrelevanten Parametern ausgewertet. Bei allen Patienten konnte eine neutrale Bissrelation erreicht werden. Die untersuchten Parameter der FRS- und Modell- analyse veränderten sich in Richtung der an- gestrebten Standardwerte. Die erreichten Be- handlungsergebnisse waren auch nach Ab- schluss der aktiven Behandlung nach ca. zwei Jahren und in einigen Fällen über Retentions- zeiträume von nunmehr bis zu zehn Jahren unverändert und stabil. Besonders hervorzu- heben waren in diesem Zusammenhang die dauerhafte Verlängerung des horizontalen Unterkieferastes und der geringe Einfluss des vertikalen Schädelaufbaus auf den Therapie- ausgang (Tab. 1). Entgegen der zahngetragenen Herbst-Deri- vate weist die gegossene Herbst-Apparatur eine geringe Reparaturanfälligkeit auf und es kommt zu einer geringeren Proklination der Unterkieferfront als bei den Derivaten. Dies liegt möglicherweise an der kompletten Fas- sung der klinischen Krone bei den Ankerzäh- nen, sodass durch die Geometrie der Fassung eine geringere Kippung dieser Zähne resul- a b Abb. 28a, b: 2. Phase der Feinkorrektur mit lingualen Brackets im Ober- (a) und Unterkiefer (b). a c b d Abb. 29a–d: 23-jährige Patientin mit Angle-Klasse II/2-Dysgnathie nach sechs Jahren Behandlung alio loco (a). Die Bisskorrektur mit dem Herbst-Mechanismus erfolgt nach dem Ausformen kombiniert mit der Lingualappa - ratur (b–d). 32 I KOMPENDIUM 2013 tiert und der Krafteinfluss auf die untere Front minimiert wird. Durch die Kombination der Herbst-Apparatur mit ästhetischen oder Lingu - albrackets wird zudem dem Anspruchsdenken der Erwachsenenklientel Rechnung getragen. Eine mäßige Akzeptanz durch das Gerätede- sign ist in unserer Praxis nicht festzustellen. Insbesondere durch die von uns aus der in- dustriell gelieferten Teleskopstangen/-rohr- kombination geschaffene nahezu uneinge- schränkte Beweglichkeit, sonst ein Vorteil der Herbst-Derivate, erfolgt auch bei Erwachse- nen eine erstaunlich schnelle Gewöhnung an die Apparatur. Probleme bei der Mundhygiene oder bei der Nahrungsaufnahme treten übli- cherweise nicht auf. Zudem entfallen Opera- tions- und Narkoserisiko der chirurgischen Alternativen. Literatur beim Autor erhältlich. Kurzvita Dr. Klaus Hering [Autoreninfo] Adresse Dr. Klaus Hering Dr. Britt Wüsten Dr. Angelika Trexler Franziskanerplatz 2 65589 Hadamar Tel.: 06433 944948 Fax: 06433 944714 info@kieferorthopaedie-hadamar.de www.kieferorthopaedie-hadamar.de
INNOVATIONEN: DARUM DREHT SICH BEI UNS ALLES. BEI ALIGN TECHNOLOGY IST INNOVATION UNSERE LEIDENSCHAFT. Seit 15 Jahren sind wir Vorreiter bei kieferorthopädischen Behandlungen – wir arbeiten beständig daran, Ihnen und Ihren Patienten optimale Ergebnisse zu ermöglichen. In Tausenden von Praxen überall in Europa werden die Vorteile der Invisalign-Behandlung genutzt. Überzeugen Sie sich selbst: PROBIEREN SIE INVISALIGN AUS, UM DIE POSITIVEN AUSWIRKUNGEN ZU ERLEBEN. INVISALIGN IST EIN DURCHBRUCH AUF DEM GEBIET DER KIEFERORTHOPÄDIE. Alles ist genau geplant, und wir sind bei der Behandlung sehr viel sicherer. DR. JEAN-FRANCOIS CHAZALON, KIEFERORTHOPÄDE Lesen Sie mehr über unsere Innovationen, und erfahren Sie, was Kieferorthopäden über Invisalign sagen. BESUCHEN SIE DIE WEBSEITE: LEARN.INVISALIGN.COM Deutschland: 0800 2524990 Österreich: 0800 292211 Schweiz: 0800 563864
Carrière Distalizer® Dr. Luis Carrière über den von ihm entwickelten Distalizer®, welcher als eine Art „Behandlungs- starter“ insbesondere bei der Therapie von Klasse II-Malokklusionen zum Einsatz kommt. Abb. 4 An natürlicher Funktionalität orientierte Apparatur Einleitung Bei Klasse II-Malokklusionen gibt es eine Gruppe von Fällen, bei denen aufgrund einer dentomaxillären Protrusion die Distalisation des posterioren Segments im Oberkiefer er- forderlich ist, wobei eine Extraktion der obe- ren ersten Prämolaren vermieden werden soll. Gleiche Fälle, bei denen Probleme hin- sichtlich des vorhandenen Platzes für die obe- ren Schneidezähne bestehen, könnten eben- falls eine Distalisation des posterioren Seg- ments erfordern, um ohne Extraktionen oder eine Protrusion der Schneidezähne den ent- sprechenden Platz zu gewinnen (Abb. 1, 2). Die Korrektur von Klasse II-Malokklusionen ohne stark ausgesprägte skelettale Disharmo- nien kann mithilfe verschiedener Apparatu- Abb. 2 Abb. 3 ren erfolgen. Den vermutlich ältesten Ansatz stellt hierbei die extraorale Traktion nach Kloehn dar, gefolgt vom Wilson-Bogen mit seiner Modulmechanik und der herausnehm- baren Cetlin-Platte. Andere Anwendungen sind beispielsweise Nitinol-Schraubenfedern, die Pendulum-Apparatur, der Jones-Jig, sich abstoßende Magnete etc. Sie alle haben einen hauptsächlich dentalen Effekt. Eine andere Gruppe, zu der z. B. die Herbst- Apparatur, der Jasper Jumper, der Bite Correc- tor, die Forsus-Apparatur, der Bite Fixer, Bite Block etc. gehören, weisen einen zusätzlichen skelettalen Effekt auf, indem sie den Unterkie- Abb. 1 34 I KOMPENDIUM 2013
Carrière Distalizer® Abb. 5 fer nach vorn bringen und gleichzeitig eine molare Distalisation realisieren. All diese Apparaturen ha- ben eines gemeinsam: die Distalisation der oberen Molaren als eine Einheit. Die Ausnahme bildet hierbei die Cetlin-Platte, welche durch ihre Herausnehmbarkeit die Distalisation der obe- ren Molaren fördert und die zweiten Prämola- ren aufgrund transseptaler Fasern zu einem gewissen Grad nach distal zieht. Nachdem die ersten Molaren distalisiert wur- den, müssen mithilfe erwähnter Apparaturen die oberen Prämolaren und Eckzähne entspre- chend einer bestimmten Abfolge von Zahnbe- wegungen distalisiert werden, bis sie mit den oberen Molaren in Kontakt sind. Diese Bewe- gungssequenz erfordert eine längere Behand- lungsdauer und spielt eine Rolle hinsichtlich eines möglichen Verankerungsverlusts bei einem mesialen Driften der Molaren in den bereits geschaffenen Raum. Im vorliegenden Artikel wird eine Apparatur vorgestellt, welche die Gruppe der posterioren Zähne als einen von den oberen Eckzähnen bis zu den oberen Molaren reichenden Block innerhalb einer Phase distalisiert. Nach der Distalisation des bukkalen Segments ist eine Position erreicht, die als „Klasse I-Plattform“ bezeichnet wird. Von dieser Stufe an kann der Fall schließlich mithilfe einer Behandlungs- technik nach Wahl abgeschlossen werden. Der im Folgenden erläuterte Carrière Distalizer®* kann dabei als eine Art „Einweg-Behand- lungsstarter“ betrachtet werden. Klasse I-Plattform Wir definieren die Klasse I-Plattform als „Be- ziehung zwischen zwei Zahnbögen, bei der die okklusale Ebene zwischen den Molaren und Eckzähnen in Klasse I-Interkuspidationsstel- lung eine perfekte Übereinstimmung zeigt und gleichzeitig die zentrische Beziehung mit der zentrischen Okklusion übereinstimmt“. Diese eindeutige Position ist geeignet, um Extraktio- nen bei Klasse II-Fällen zu vermeiden (Abb. 3). Die oberste Priorität dieses Systems stellt die Korrektur der posterioren Okklusion in eine Klasse I-Plattform dar. Hauptfaktor hierbei ist die Kombination aus gleichzeitiger distaler Rotation, Aufrichtung und Distalisation der oberen Molaren inklusive der Prämolaren und Eckzähne als ein Block. Funktionelle Anforderungen Biomechanik Die ursprüngliche Absicht bei der Entwicklung des Dis- talizers war eine Vereinfachung der Funktionalität, wofür folgende Vorausset- zungen notwendig waren: 1. Distalisation der posterioren Segmente je- weils als Block 2. Erreichen einer univektoriellen Zahnbewe- gung 3. Eliminierung der inneren Binding-Kräfte, die bei konventionellen Distalisationssystemen mit jeder Aktivierung des Bogens auftreten 4. schwacher, gleichmäßiger Impuls 5. passive Apparatur, die ausschließlich durch Klasse II-Gummizüge aktiviert wird oder mithilfe von Temporary Anchorage Devices (TADs) verankert ist. Morphologie und Beschrei- bung der Apparatur Unsere Aufmerksamkeit galt der Anwendung natürlicher Kräfte mit der Absicht, sich dabei stark an der natürlichen Funktionalität zu orien- tieren. In der Natur hat jedes Element entspre- chend seiner jeweiligen Funktion ein besonde- res Design. Die Natur zu imitieren hat uns dabei einen Weg gezeigt, ein Design für eine minima- listisch doppelt-artikulierte Struktur zu finden. Hinsichtlich seiner Morphologie besitzt der Dis- talizer daher ein „nature objectified design“ – ein Design, bei dem die Natur selbst zum Designobjekt wurde. Der Distalizer stellt ein Ergebnis dieser Biomimetik dar (Abb. 4) und besteht aus zwei Teilen: Dem anterioren Segment: Dessen Pad wird auf den Eckzahn geklebt und ver- fügt über einen Haken für das Einhängen von Klasse II-Gummizügen. Distal wird es durch einen halbrunden Sektionsarm erweitert, der nach posterior mit einer leichten Kurve über die zwei oberen Prämolaren verläuft, welche schließlich in einer Gelenkkugel endet. Das pos- teriore Segment wird auf den Molaren geklebt. Eine Art Hülse beherbergt die Gelenkkugel bzw. den Kondylus. Beide Teile sind artikuliert und bewegen sich wie das menschliche Hüftgelenk. Bei der Entwicklung der Apparatur wurden statistische Messungen an unterschiedlich großen Zähnen vorgenommen und das Gerät entsprechend in mehreren Größen verfügbar hergestellt. Die konzeptionelle Herangehensweise an die Biomechanik beinhaltete die Entwicklung einer neuen Kategorie kieferorthopädischer Verschiebung unter Vermeidung des Binding- Effekts. Die Zähne werden dabei als unab- hängige, aber zusammenhängende Einheiten behandelt. Basierend darauf, wie sich Zähne spontan im Zahnbogen bewegen, werden sie kontrolliert mit leichten Kräften kieferortho- pädisch verschoben, wobei ihre jeweiligen Unterschiede und Unabhängigkeit voneinan- der gewahrt bleiben. Biomechanisch vereint die Apparatur zwei Teile, die durch ein Gelenk miteinander verbunden sind, sodass zwei komplett unterschiedliche Arten von Zahn - bewegungen umgesetzt werden können. Der Distalizer wird an den oberen Eckzähnen und oberen ersten Molaren befestigt. Beide Zähne nehmen jeweils unterschiedliche Po - sitionen im Zahnbogen ein und verlangen da- her eine individuelle Herangehensweise an ihre dentale Verschiebung. Der obere Eckzahn sollte entlang der Kante des Alveolarkamms bei Kontrolle der Inklination seiner Längsachse körperlich bewegt werden. Das anteriore Pad der Apparatur haftet dabei fest am Eckzahn. Es lenkt die Bewegung, ohne dabei den Winkel zwischen dem Arm der Apparatur und der Län- genachse des Eckzahns zu verändern. Für den oberen Molaren werden drei ver- schiedene Bewegungen miteinander kombi- Abb. 6 niert: die distale Rotation um die palatinale Wurzel, ei - ne kontrollierte dis- tale Verschiebung und die körperliche Distali- sation des Zahns, durch die eine distale Inklination der Molarenkrone verhindert wer- den soll. Dies geschieht mithilfe des posterio- ren Segments des Distalizers (Abb. 5, 6). Die Bewegung des Molaren unterscheidet sich qualitativ von der Bewegung des Eckzahns. Beide Bewegungen müssen entsprechend ih- rer funktionellen Umgebung unabhängig von- einander erfolgen, aber gleichzeitig müssen sie wiederum auf eine gewisse Weise miteinander verbunden sein, um als Gruppe eine gleiche Re- sonanz zu erzeugen. Die zwei oberen Prämola- ren werden kieferorthopädisch zwischen den oberen Eckzähnen und Molaren verschoben. KOMPENDIUM 2013 I 35
Carrière Distalizer® Abb. 7a Die Apparatur wurde für verschiedene An- wendungen gestaltet: 1. Für eine „freie und dennoch eingeschränkte“ Bewegung. 2. Für die Korrektur der mesialen Inklination der Krone der oberen ersten Molaren. Zu diesem Zweck kann der mesiale Arm des Distalizers um 10 Grad nach unten bewegt werden. Beim posterioren Segment ist mit- tig eine vertikale Linie graviert. Diese sollte beim Bonden entsprechend der Längsachse des Molaren platziert werden (Abb. 7a, b). Nachdem die Krone der oberen ersten Mo - laren aufgerichtet wurde, verhindern die polaren Einschnitte der Kugelköpfe eine übermäßige distale Inklination. 3. Begrenzung der molaren Überrotation bei der distalen Bewegung (Toe-in). Sobald die adäquate Rotation um etwa 15 Grad erreicht wurde, kollidiert die Schulter der posterio- ren Basis mit dem Arm der Apparatur und blockiert die Rotation (Abb. 8). Bei einer übermäßigen mesialen Rotation ermöglicht die große laterale Öffnung in bukkaler Richtung des Arms ein einfaches Platzieren. 4. Kontrolle der Torquebewegung der Mo- laren während der Distalisation durch die polaren Einschnitte im Kugelkopf (Abb. 9). Nach den drei Bewegungen Auf- richtung, Überrotation und Torquekontrolle wird die Be- handlung mit einer ausschließ- lich distalen Bewegung fortgesetzt, um die nötige Distalisation zu erreichen. Der Distalizer arbeitet somit wie eine selbststän- dige Apparatur und kann sich automatisch an seine jeweilige Funktion im Behandlungs- verlauf anpassen. Abb. 9 ten, den Fall mithilfe eines konventionellen Ansatzes weiter zu behandeln bzw. abzu- schließen. Bei Klasse I- und II-Fällen mit vier geplanten Extraktionen, bei denen die Extraktionen im Oberkiefer negative Auswirkungen auf den nasolabialen Winkel mit einer retrudierten oberen Lippe haben könnten, sind Extraktio- nen in der Maxilla vermeidbar, sodass letzt- lich ein ästhetischeres Ergebnis im Ge- sichtsbereich erzielt werden kann. Darüber hinaus gibt es bei der Be- handlung von Klasse I-Fällen mit hypoplastischer Maxilla Möglich- keiten, um die Gesichtsästhetik zu verbessern, sowie bei Klasse I-Fällen mit Engstand im oberen anterioren Seg- ment sowie bei einigen Klasse III-Fällen. Behandlungsprotokoll In Klasse II-Fällen, die mittels Distalisation der oberen Zähne behandelt werden sollen, kann die Distalisation der Eckzähne in eine echte Klasse I-Position nur durch die Distali- sation und Wiederherstellung verborgenen Raums in distaler Richtung erfolgen. Bei der Arbeit mit dem Distalizer sind als ers - tes Anzeichen für einen guten Behandlungs- verlauf das Auftreten von neu geschaffenem Raum mesial der oberen Eckzähne sowie Dias - temas zwischen den oberen Schneidezähnen zu beobachten (Abb. 10). Zur Stärkung der Klasse I und um der Relaps- Tendenz zur früheren Fehlstellung vorzubeu- gen, ist es besonders wichtig, die Neutralok- klusion der Eckzähne in eine Position überzu- korrigieren, die wir „Super Klasse I“ nennen. Es wird empfohlen, die Distalisation so lange fortzusetzen, bis die distal geneigte Ebene des oberen Eckzahns in Kontakt mit der mesial geneigten Ebene des unteren ersten Prämola- ren steht. 6. Die Apparatur kann univer- sell mit jeder kieferorthopä- dischen Technik angewandt werden. Abb. 7b Die biomechanische Haupteigenschaft der Apparatur stellt die „Freedom of Fit“ dar. Hier- bei handelt es sich um ein einem menschli - chen Gelenk ähnliches Kugelgelenk, das die zwei Elemente der Apparatur miteinander verbindet. Die drei verschiedenen Bewe- gungsarten werden jeweils durch die inte- grierten Stopper begrenzt. Die Kollisions- punkte wandeln das Gerät dabei in eine selbstanpassende Apparatur mit vorher be- stimmter Bewegungsfolge. Klinische Indikationen Symmetrische wie asymmetrische Klasse II/1- und Klasse II/2-Non-Extraktions-Fälle des bleibenden und Wechselgebisses. Die klini- sche Anwendung der Apparatur wurde zu- dem auf viele Klasse I- und Pseudo-Klasse I- Fälle mit mesialer Abweichung der oberen Molaren ausgeweitet. Der Distalizer kann auch als „Behandlungsstarter“ angewendet werden. Sobald eine Klasse I-Platt- form erreicht wurde, gestaltet sich die Behandlung einfacher und es bieten sich mehrere Möglichkei- 5. Er ist passiv, sofern keine Klasse II-Gummi- züge eingehängt werden oder Zug mittels eingesetzter TADs erfolgt. Abb. 8 36 I KOMPENDIUM 2013
Carrière Distalizer® Abb. 10 Abb. 11 Anwendung von Klasse II- Gummizügen Tragedauer bei: a) Low-Angle-Fällen mit guter perioraler Mus- kelkraft: 24 Stunden, ausgenommen der Es- senszeit. Stärke: 6½ oz, 1/4⬙, stark. Im ersten Monat sollte der Austausch der Gummizüge alle acht Stunden erfolgen. 8½ oz, 1/16⬙, stark. Nach vier Wochen, Austausch der Gummizüge etwa aller acht Stunden. b) High-Angle-Fällen mit weniger perioraler Muskelkraft: 24 Stunden, ausgenommen der Essenszeit. Stärke: 6 ½ oz, 1/4⬙, stark. Aus- tausch der Gummizüge etwa alle acht Stun- den (Verankerungsquelle: tiefgezogene pas- sive Essix®-Schienen), (Abb. 11). Mögliche Verankerungsquellen für den Distalizer Sobald ein Fall für die Distalizer-Behandlung ausgewählt wurde, muss als nächstes über die Verankerungsquelle entschieden werden. Abhängig von den individuellen Erfordernis- sen des Falls kommen hierfür verschiedene Arten der Verankerung infrage. Essix®-Schienen im Unterkiefer Diese werden bevorzugt als Basis für das Ein- hängen von Klasse II-Gummizügen verwendet. Dabei ist eine Essix®-Folie Typ A (.04⬙ Stärke) ideal. Für das Einhängen der Gummizüge sollte ein normales Bukkalröhrchen mit einem mesi- alen Haken an den ersten oder wenn möglich zweiten unteren Molaren geklebt werden. Die- ser passt dann genau in ein Fenster, welches zuvor in das Essix®Material geschnitten wurde. Lingualbogen Der Lingualbogen verläuft in Kontakt mit der lingualen Seite der mandibulären Dentition, sofern beim vorliegenden Fall ein idealer un- terer Zahnbogen ohne Engstand vorhanden ist. Der Lingualbogen wird aus einem .036⬙er Drahtbogen hergestellt und sollte ausschließ- lich passiv an die innere Kontur des mandibu- lären Zahnbogens angepasst sein. Die distalen Enden werden in die Lingual - schlösser der unteren Molaren eingebracht und verlaufen in mesialer Richtung in Kontakt mit dem mittleren Drittel der lingualen Seite der Prämolarenkronen bis oberhalb des Cin- gulums der Eck- und Schneidezähne. Der Lin- gualbogen hält die Klasse II-Traktion der Gummizüge. Wenn die zweiten unteren Mo - laren vollständig durchgebrochen sind, sollten diese mit eingebunden werden, um die Wir- kung der Gummizüge zu verstärken, eine mehr horizontale Zugrichtung sowie einen besse- ren Widerstand des unteren Zahnbogens im Hinblick auf die Verankerung zu erreichen. Minischrauben Minischrauben sind das zuverlässigste System für eine Verankerung. Sie werden im Zwi - schenraum zwischen den ersten und zweiten unteren Molaren platziert. Mikroimplantate werden am besten in die Attached Gingiva des Unterkiefers gesetzt, um so eine bessere In- sertion der Klasse II-Gummizüge zu gewähr- leisten. Sie sollten im bukkalen Bereich dort zwischen dem ersten und zweiten unteren Molaren platziert werden, wo eine höhere Dichte des kortikalen Knochens vorliegt. Vollständig gebondeter unterer Bogen Bei Fällen mit ausgeprägter Spee-Kurve oder einer leichten Zahnengstellung im unteren Zahnbogen, die jedoch keine Extraktionsfälle darstellen, empfiehlt es sich, Brackets an den unteren Zähnen zu kleben, um die Klasse II- Traktion des Unterkiefers zu unterstützen. Die Wahl der Verankerungsquelle stellt hierbei eine klinische Entscheidung dar, die der Kie- ferorthopäde für jeden Fall zu treffen hat, um das anteriore Limit der unteren Schneide- zähne zu erhalten, sodass diese aufgrund eines möglichen Verankerungsverlusts nicht nach vorn bewegt werden. Patientenmitarbeit Der Distalizer wird in den ersten drei bis sechs Monaten der Behandlung eingesetzt, wenn die Compliance am besten ist. Seine Einfachheit sowie die Tatsache, dass die obe- ren Schneidezähne nicht mit einer Apparatur versehen werden, unterstützt die Akzeptanz durch den Patienten. Die Neuartigkeit des Designs sowie dessen Anwendungskomfort erleichtern eine gute Kooperation. So wird der Patient durch bereits nach kurzem sichtbaren Diastemas zwischen den oberen Schneidezähnen motiviert. Be- reits vor Behandlungsbeginn wird er darüber informiert, dass diese Besonderheit einen er- wünschten Fortschritt bei der Distalisation darstellt und daher als Belohnung für die gute Mitarbeit angesehen werden sollte. Es lohnt sich daher für den Patienten, progressiv mit- zuarbeiten und so eine Extraktion der oberen Prämolaren zu vermeiden. Klinische Anwendung Vor dem Kleben der Apparatur muss die Grö - ße des Distalizers bestimmt werden. Die Mes- sung erfolgt hierbei mithilfe von Messschie- bern oder dem beiliegenden Lineal. Gemes- sen wird vom geometrischen Mittelpunkt der bukkalen Seite des ersten oberen Molaren zum Mittelpunkt der oberen Eckzahnkrone. Bei Fällen mit einem unzugänglich hoch ste- henden Eckzahn kann der Distalizer am ersten KOMPENDIUM 2013 I 37
Carrière Distalizer® Abb. 12a Abb. 12b Abb. 13a Abb. 13b Abb. 14a Abb. 14b Klasse II-Fälle. Die posterioren bukkalen Segmente der Molaren und Eckzähne des unteren Zahnbogens werden als ein Block mithilfe des Distalizers für Klasse III-Fälle dis- talisiert. Zu diesem Zweck werden Klasse III- Gummizüge eingesetzt. Eine Verankerung im Oberkiefer ist durch drei verschiedene Möglichkeiten gegeben: Eine Essix®-Schiene mit Bukkalröhrchen und mesialem Haken, welcher auf den ersten oder zweiten oberen Molaren gebondet wird, ein vollständiges Bonding des oberen Zahnbogens oder der Einsatz von Miniimplantaten. Morphologisch gesehen ist der Klasse III- Distalizer eine einteilige Apparatur, deren distaler Arm am mesialen Ende vom Mola- ren- zum Eckzahn-Pad geführt wird und ei- nen Haken zum Einhängen der Klasse III- Gummizüge besitzt. Das Behandlungsprotokoll beschreibt als ers - ten Schritt die Distalisation des unteren buk- kalen Segments in eine Klasse I-Plattform. Danach verläuft die Behandlung wie bei einem Klasse I-Fall mit Carrière® SLB-Bra- ckets zur Retraktion und zum Abschluss des Falls. *Fa. ODS GmbH, www. orthodent. de Abb. 15a Abb. 15b Literaturliste Abb. 12a, b: 15-jähriger Patient vor (a) und nach dreimonatiger Behandlung (b) mit dem neuen ästhetischen Carrière Distalizer. – Abb. 13a, b: 16-jähriger Patient vor (a) und nach dreimonatiger Behandlung mit dem Distalizer. – Abb. 14a, b: FRS-Aufnahmen eines 14-jährigen Patienten mit viermonatiger Distalizer-Behandlung vorher (a) und nachher (b). – Abb. 15a, b: 32-jähriger Patient der Klasse III vor (a) und nach (b) erfolgter dreimonatiger Behandlung mit dem ästhetischen Carrière Distalizer. – Abb. 16: Neuer, in Kürze erhältlicher ästhetischer Carrière Distalizer. Prämolaren gebondet werden. Dies ist eine gute Alternative für die Distalisation dieses Segments, die Platz zum Durchbruch des blo- ckierten oberen Eckzahns schafft. Mit dem Kleben wird im posterioren Bereich begonnen. Nach dem Ätzen und Auftragen des Versieglers wird der Kleber auf die beiden Pads der Apparatur aufgetragen. Der molare Teil wird dann in der geometrischen Mitte der Bukkalseite des Molaren mittels leichten Dau- mendrucks positioniert und lichtgehärtet. Das Eckzahn- Pad wurde bereits mit Kom- posit versehen, sodass ge- nügend Zeit bleibt, dieses korrekt zu positionieren und eben- falls auszuhärten. Beim Bonden des Eck- zahns sollte das anteriore Pad leicht nach vorn versetzt auf dem mesialen Drittel der vestibu- lären Fläche der Eckzahnkrone fixiert werden, und nicht auf der Mittellinie der Eckzahnkrone. 38 I KOMPENDIUM 2013 Der Einsatz des Carrière® Distalizer bei Klasse III- Malokklusionen Kurzvita Der Carrière® Distalizer wurde speziell für Klasse III-Fälle modifiziert, bei denen keine ausreichenden skelettalen Abweichungen vorliegen, die einer chirurgischen Behand- lung bedürfen. Auch diese Fälle können vom gleichen Distalisationsprinzip profitieren wie Abb. 16 Dr. Luis Carrière [Autoreninfo] Adresse Clinica Carrière Ortodoncia Escuelas Pías, 109 08017 Barcelona (Spain) Tel.: +34 93 4171917 clinica@carriere.es www.carriere.es
„Aufklärung ist Im Rahmen des diesjährigen AAO-Jahreskongresses in Philadelphia refe- rierte Prof. Dr. Sabine Ruf über die Möglichkeiten der TMD-Behandlung mit- hilfe der Herbst-Apparatur. KNsprach mit ihr über therapeutische Effekte, die Rolle der manuellen Strukturanalyse sowie Ausschlusskriterien für die Diskusreposition mittels Herbst-Scharnier. Kann man sowohl partielle als auch totale Diskusverlagerung mit der Herbst-Appara- tur erfolgreich behandeln? Die Behandlung der Diskusverlagerung selbst scheint nur für partielle Diskusverlagerungen möglich zu sein. Es gibt keine Daten in der Literatur, die in irgendeiner Art und Weise ob- jektiv, d. h. mittels Magnetresonanztomogra- fie (MRT), belegen, dass längerfristig totale Diskusverlagerungen erfolgreich mit einem Herbst-Scharnier reponiert werden können. Welche Rolle spielt die manuelle Struktur ana - lyse bei der Differenzialdiagnostik der Diskus- verlagerung für die Therapieentscheidung? Grundsätzlich führen wir bei allen unseren Pa- tienten eine manuelle Strukturanalyse durch. Im Rahmen der ursprünglichen Studien ha- ben wir das immer mit MRTs untermauert. Heutzutage ist es so, dass wir in den meisten Fällen darauf verzichten, gleichzeitig MRTs erstellen zu lassen, da wir die erforderlichen Daten aus der manuellen Strukturanalyse so zuverlässig gewinnen können, dass wir für den Patienten eine klinisch ausreichend gute Prognose abgeben können. In Zweifelsfällen wird man manchmal das MRT zurate ziehen, aber eigentlich ist die klinische Therapieent- scheidung auf den Ergebnissen der manuel- len Strukturanalyse basierend. Bis zu welchem Alter kann man eine partielle Diskusverlagerung noch mit einem Herbst- Scharnier erfolgreich behandeln? Veränderung der Diskus-Kondylus-Relation (Herbst-MB-Behandlung) Normal (102) Normal (102) Normal (102) PDDwR (7) Normal (7) TDDwR (6) Normal (3) TDDnoR (3) Normal (4) PDDwR (1) no MRI (2) PDDwR (1) TDDwR (2) TDDnoR (3) Veränderung der Diskus-Kondylus-Relation durch Herbst-Behandlung (Ruf und Pancherz 2000). Angegeben ist die Anzahl der magnetresonanztomografisch dokumentierten Kiefergelenke mit normaler Diskus-Kondylus-Re- lation, PDDwR (partieller Diskusverlagerung mit Reposition), TDDwR (totaler Diskusverlagerung mit Reposition) und TDDnoR (totaler Diskusverlagerung ohne Reposition) zu den Untersuchungszeitpunkten vor Behandlung, nach Herbst-Behandlung und nach Multibracketbehandlung. „Aufklärung ist essenziell“ “ Ich denke, grundsätzlich sollte es da keine Al- terseinschränkung geben. Von der klinischen Erfahrung her kann ich das so bestätigen. Allerdings ist es so, dass die Literatur hier im Wesentlichen für Jugendliche und sehr junge erwachsene Patienten Daten liefert, während für ältere Erwachsene meiner Meinung nach überhaupt keine dokumentierten MRT-Fälle in der Literatur zu finden sind. Werden Ihre Konzepte auch durch andere Studien unterstützt? Grundsätzlich ja. Es gibt aber sehr unterschied- liche Datenlagen zu den einzelnen funktions- kieferorthopädischen (FKO) Apparaturen. Vor allem hinsichtlich anderer FKO-Apparaturen gibt es in der Literatur nur MRT-Daten für den Functional Mandibular Advancer (Kinzinger et al. 2006), während ansonsten lediglich für Herbst-Patienten Daten zur Verfügung stehen. Aber die Herbst-Studien, die es in der Literatur gibt (Ruf 2003; Ruf und Pancherz 1998, 2000; de Arruda Aidar et al. 2006, 2009, 2010), unter- mauern weitestgehend die Möglichkeit, par- KOMPENDIUM 2013 I 39
„Aufklärung ist essenziell“ Veränderung der Diskus-Kondylus-Relation (Herbst-Behandlung) Veränderung der Diskus-Kondylus-Relation (Functional Mandibular Advancer-Behandlung) Normal (42) Normal (42) Normal (20) Normal (20) TDDwR (22) Transverse DD (6) PDDwR (1) TDDwR (21) Transverse DD (6) PDDwR (10) TDDwR (3) Normal (6) PDDwR (4) PDDwR (2) TDDwR (1) TDDnoR (1) TDDnoR (1) Veränderung der Diskus-Kondylus-Relation durch Herbst-Behandlung (de Arruda Aidar et al. 2009). Angegeben ist die Anzahl der magnetresonanztomografisch doku- mentierten Kiefergelenke mit normaler Diskus-Kondylus-Relation, TDDwR (totaler Diskusverlagerung mit Reposition) und transversaler Diskusverlagerung zu den Untersuchungszeitpunkten vor Behandlung und unmittelbar nach Herbst-Behand- lung. Partielle Diskusverlagerungen kamen in diesem Patientenklientel nicht vor. Veränderung der Diskus-Kondylus-Relation durch Functional Mandibular Advancer (FMA) Behandlung (Kinzinger et al. 2006). Angegeben ist die Anzahl der magnet - resonanztomografisch dokumentierten Kiefergelenke mit normaler Diskus-Kondy- lus-Relation, PDDwR (partieller Diskusverlagerung mit Reposition), TDDwR (totaler Diskusverlagerung mit Reposition) und TDDnoR (totaler Diskusverlagerung ohne Reposition) zu den Untersuchungszeitpunkten vor Behandlung und nach FMA. tielle Diskusverlagerungen zu reponieren, während es für totale tatsächlich leider nicht möglich zu sein scheint. Aber es gibt auch Aus- nahmen, in denen die Reposition auch partiel- ler Diskusverlagerungen nicht geglückt ist, wo- mit man meiner Meinung nach auch rechnen muss. Denn bei einer nicht okklusalen Ursache für die Diskusverlagerung – vor allem wenn der kausale Faktor persistiert – gibt es keinen Grund zur Annahme, dass wir mittels okklusaler Ver- änderungen erfolgreich eingreifen können. Welche Parameter sind Ausschlusskriterien für die Reposition eines Diskus mit dem Herbst-Scharnier? Hier stellt sich die Frage, im Hinblick auf was Ausschlusskriterien gesucht werden. Grund- sätzlich sind mir keine Daten aus der Literatur bekannt, die mit anderen therapeutischen non- chirurgischen oder auch chirurgischen Maß- nahmen objektiv magnetresonanztomogra- fisch dokumentieren, dass total verlagerte Disci dauerhaft reponiert werden können. Nichts- destotrotz würde ich eine totale Diskusverla - gerung nicht als Kontraindikation sehen, zumal diese Patienten zwar ihre Diskusverlagerung behalten, aber aus klinischer Sicht regelmäßig funktionelle Verbesserungen (z.B. vergrößerte Mundöffnung, Schmerzreduktion) zeigen. Es ist aber essenziell, dass man den Patienten wirk- lich auch konkret über die Möglichkeiten und Grenzen unserer therapeutischen Einflussnah - me aufklärt. Und hier vor allem schriftlich do- kumentiert, dass man das Knackgeräusch nicht behandeln kann, denn gerade dies scheint der Erinnerung der Patienten mit 100%iger Si- cherheit zu entweichen. Ansonsten sind sicherlich die allgemeinen Aus- schlusskriterien für eine Herbst-Apparatur zu berücksichtigen. Das sind Patienten, die vor Be- handlung bereits starke Proklinationen im Be- reich der Unterkieferfront aufweisen und na- türlich Patienten, die parodontale Probleme haben, sodass eine entsprechende kieferortho- pädische Behandlung mit Kräften, wie sie bei der Herbst-Apparatur wirken, ausgeschlossen sein könnte. Klar ist auch, dass ein Diskusrepo- sitionsversuch mittels Herbst-Behandlung so- wieso nur bei Klasse II-Patienten indiziert ist. Was halten Sie von der gelegentlich geäu- ßerten Meinung einiger Kollegen, dass Dis- kusverlagerungen nicht behandelt werden können bzw. müssen? Ich denke, es gibt klinische Situationen – wie auch schon im Vortrag benannt –, in denen wir totale Diskusverlagerungen mit oder ohne Reposition vorfinden, die wir tatsächlich nicht erfolgreich im Sinne einer Diskusreposition be- handeln können. Eine entsprechende Indika- tion für andere Therapieformen – sei es kon - servativ oder chirurgische – sehe ich aber nur, wenn mit der Diskusverlagerung schmerz- hafte funktionelle Einschränkungen verbun- den sind oder die Lautstärke des Knackge - räusches zum psychosozialen Problem für den Patienten wird. Klar ist für mich persönlich aber, dass ich bei meinen Patienten auch bei eingeschränkter Prognose immer versuchen werde, Diskusver- lagerungen zu reponieren, wenn dies mit kleinen therapeutischen Abweichungen vom Standardbehandlungsplan möglich ist. Mit anderen Worten, bei einem Klasse II-Patien - ten mit Diskusverlagerung werde ich immer zu einer Herbst-Apparatur statt zu herausnehm- baren funktionskieferorthopädischen Geräten raten, für die bisher objek tiv- magnetresonanztomografisch kei- nerlei Diskusrepositionserfolge in der Literatur dokumentiert sind. Literaturliste Kurzvita Prof. Dr. Sabine Ruf [Autoreninfo] Adresse Univ.-Prof. Dr. Sabine Ruf Direktorin Poliklinik für Kieferorthopädie Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Justus-Liebig-Universität Gießen Schlangenzahl 14 35392 Gießen Tel.: 0641 9946121 Fax: 0641 9946119 40 I KOMPENDIUM 2013
Die einfache Art zu distalisieren. www.orthodent.de Fordern Sie weitere Informationen zum Distalizer an! ODS Freecall 0800 400 600 1
Twin Block Im Jahre 1977 schuf Dr. William J. Clark eine Apparatur zur Korrektur falscher Bisslagen – den Twin Block. Heute Abb. 1a stellt der Einsatz dieses Geräts eine der weltweit meistgenutzten funktionskieferorthopädischen Techniken dar. Für den diesjährigen KN-Themenschwerpunkt „Klasse II-Therapie“ fasst der Geräteentwickler die wichtigsten Aspekte zum klini- schen Einsatz des Twin Blocks zusammen und stellt zudem neue Abb. 1b Systemergänzungen vor. Twin Blocks zur Korrektur von Klasse II-Malokklusionen Die geneigte Okklusionsebene Bissregistrierung Die geneigte Okklusionsebene stellt den grund- legenden Funktionsmechanismus des natür- lichen Gebisses dar. So spielen zu den Höckern geneigte Ebenen eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Zahnverhältnisse, wenn die - se in die Okklusion eruptieren. Twin Block-Apparaturen sind einfache Bite blocks mit okklusal geneigten Ebenen, die die posterioren Zähne bedecken. Die Okklusions- kräfte werden dabei als funktionelle Mecha- nismen zur Korrektur von Malokklusion ge- nutzt (Abb. 1). Twin Blocks ermöglichen eine schnelle Kor- rektur von Klasse II-Malokklusionen und eine drastische Verbesserung des Gesichtsbilds mithilfe angenehm zu tragender, ästheti- scher Apparaturen (Abb. 2a, b). Für die Registrierung eines protrusiven Bisses im Rahmen der Fertigung von Twin Blocks und anderer funktioneller Apparaturen wurde der Bite Gauge™ (Fa. RealKFO GmbH*) konzipiert. Um einen Overjet von bis zu 10mm bei Patienten mit einem guten horizontalen Wachstumspo- tenzial zu korrigieren, wird ein Kante-zu-Kante- Konstruktionsbiss mit einem interinzisalen Abstand von 2mm genommen (Abb. 3a–c). Die maximale sagittale Aktivierung beträgt 10 mm; größere Overjets können durch eine Initialaktivierung korrigiert werden. Eine Re- aktivierung der geneigten Ebenen folgt, nach- dem die Initialkorrektur erreicht wurde. Es ist wichtig, den Grad der Aktivierung mit der Bewegungsfreiheit des Unterkiefers ab - zustimmen, indem der protrusive Weg des Un - Abb. 2a Abb. 2b 42 I KOMPENDIUM 2013 terkiefers gemessen wird. Der Overjet wird gemessen, wenn der Unterkiefer retrudiert ist und sich in der Position der maximalen Pro - trusion befindet. Um innerhalb der physiolo - gischen Grenzen der Unterkieferbewegung zu bleiben, darf die Aktivierung 70 % des ge - samten Protrusionswegs nicht überschreiten. Bei der Behandlung von Klasse II/1-Malok - klusionen mit einem anterior offenen Biss wird ein alternativer Project Bite Gauge™ ein- gesetzt, um einen interinzisalen Abstand von 4mm zu registrieren. Dies ergibt einen Abstand von etwa 5mm zwischen den Höckern der ers - ten Prämolaren bzw. der Milchmolaren. Ziel ist es, den Biss über den Freiraum hinaus für eine Intrusion der posterioren Zähne zu öff- nen, ohne dass die Blocks zu dick werden. Der Prozess der Bissregistrierung ähnelt hierbei in einigen Punkten der Methode, die für die Be- handlung eines Tiefbisses beschrieben wird. Design und Konstruktion der Apparatur Ein Vorteil der Twin Blocks ist ihr vielseitiges Design. So erfüllen sie eine Vielzahl von Anfor- derungen für die Korrektur verschiedener Mal - okklusionen bei Patienten, deren Altersspanne vom Wechselgebiss bis zur Erwachsenenthera-
Twin Block Abb. 6a, b: Geserick 2006, Fa. FORESTADENT (a); Car- michael, Banks & Chadwick 1999, Fa. Orthocare (b). Abb. 3a Abb. 6a Abb. 3b Abb. 3c Abb. 6b pie reicht. Da die oberen und unteren Appara - turen getrennte Komponenten darstellen, kann ihr Design entsprechend unterschiedlichster Behandlungsaufgaben im Ober- und Unterkie- fer unabhängig voneinander angepasst werden. Die zusätzlichen okklusal geneigten Ebenen ermöglichen eine Entwicklung des Kieferbo- gens, um gleichzeitig die Korrektur der Bogen- beziehung in der horizontalen, transversalen und vertikalen Dimension durchzuführen. Bei der Behandlung von Klasse II/1-Malokklu- sionen ohne Engstand sind die Twin Blocks besonders bei der Translation des Unterkie- fers effektiv, sodass eine vollständige Korrek- tur der distalen Okklusion und Reduktion ei- nes stark ausgeprägten Overjets erreicht wer- den können (Abb. 4a, b). Bei verkürzten Kieferbögen kann das Design der Apparatur angepasst werden, indem Schrau ben, Federn oder Bögen hinzugefügt werden, um die Bogenform des Kiefers zu korrigieren und einzelne Zähne zu bewegen. Das Design der Twin Blocks gewährleistet Komfort und Ästhetik und damit auch eine hohe Patientenakzeptanz. Ein Labialbogen ist immer notwendig – es sei denn, stark pro- klinierte Schneidezähne müssen aufgerich- tet werden. Aber selbst in diesem Fall sollte dieser nicht aktiviert werden, bis eine Klasse I- Beziehung des bukkalen Segments erreicht wurde und die funktionelle Korrektur abge- schlossen ist. Im unteren Bogen bewirkt eine okklusale Ab- deckung die dreidimensionale Kontrolle der Verankerungszähne und minimiert das Risiko einer unerwünschten Proklination der unte- ren Schneidezähne sowie das Kippen oder die Verlagerung einzelner Zähne. Abb. 4a Abb. 4b Abb. 5a Abb. 5b Twin Block-Tool Ein neues Twin Block-Tool ermöglicht die Kons - truktion geneigter Ebenen mit Winkeln von 45° oder 70° (Abb. 5a, b). Es wurde von Roger Harman, Geschäftsführer der Firma RealKFO*, entwickelt (www.twin-block-tool.de). Ein steiler Winkel von 70° zur okklusalen Ebe- ne wird beispielsweise angewendet, wenn der Patient den Unterkiefer frei nach vorn be- wegen kann. Es ist üblich, einen Overjet von bis zu 10mm bei einem Patienten mit Tiefbiss und brachiofazialem Wachstumsmuster mit- hilfe einer einzigen großen Aktivierung zu korri gieren. Diese Patienten können ihren Un - ter kiefer normalerweise ohne Probleme nach vorn stellen und haben ein hohes Potenzial für ein mandibuläres Wachstum nach vorn. Ein Winkel von 45° ist geeignet, den Unterkie- fer bei Patienten mit einem vertikalen Wachs- tumsmuster nach vorn zu führen. Denn für diese Patienten kann es schwierig sein, eine Vorwärtsstellung des Kiefers beizubehalten. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass die Aktivie- rung reduziert und schrittweise mithilfe einer okklusalen Schraube und damit angenehmer für den Patienten durchgeführt werden sollte. Anterior offener Biss und vertikales Wachstum Bei einem vertikalen Wachstumsmuster ist es besonders wichtig, dass der Patient die protrusive Position bequem beibehalten kann. Dies sollte durch eine geringere Initialaktivierung sicher - gestellt werden. Okklusale Schrauben können im oberen Block für eine progressive Erweiterung des Unterkiefers platziert werden (Abb. 6a, b). KOMPENDIUM 2013 I 43
Twin Block Abb. 7a Abb. 7a, b: Management der vertikalen Dimension: Tief- biss (a) und anterior offener Biss (b). Abb. 7b Diese Herangehensweise ist bei der Behand- lung eines anterior offenen Bisses indiziert. Hier ist ein Trimmen des oberen okklusalen Blocks nicht notwendig, da intrusive Kräfte auf die posterioren Zähne wirken sollen. Wiede- rum nicht zu empfehlen ist die Methode bei der Behandlung brachiofazialer Patienten mit Tiefbiss. In diesem Fall ist das Trimmen des oberen Blocks erforderlich, sodass die unte- ren Molaren eruptieren können, damit sich der Überbiss reduziert und die untere Ge- sichtshöhe vergrößert wird (Abb. 7, b). Abb. 9 Fixed Twin Blocks Der festsitzende Twin Block ist der nächste logische Schritt in der Evolution der funktio- nellen Orthopädie. Festsitzende Twin Blocks wurden entwickelt, um direkt an die okklusa- len und lingualen Flächen der Zähne gebon- det zu werden. Die oberen Blocks erstrecken sich dabei distal der zweiten Prämolaren und bedecken die ersten und zweiten Molaren. Die innere Oberfläche der Blocks ist kontu- riert, um sich den Zähnen für eine einfache Platzierung gut anzupassen. Der untere Block bedeckt die ersten und zweiten Prämolaren und verfügt über linguale Erweiterungen für die unteren Eckzähne und ersten Molaren, falls eine distale Extension erforderlich ist. Um eine Eruption der unteren Molaren zu er- möglichen, kann diese entfernt werden. Eine indirekte Technik wird empfohlen bei Anwendung eines Konstruktionsbisses, ähnlich dem Protokoll für herausnehmbare Apparaturen. Die Blocks werden auf Model- len platziert, um die Passung zu kontrollie- ren und alle notwendigen Einstellungen vorzunehmen, bevor ein Tray für die korrekte Platzierung der Blocks im Mund vorbereitet wird. Vorgefertigte Blocks führen den Unter- kiefer auf einer um 45° geneigten Ebene nach vorn zu einer Super-Klasse I-Okklu- sion. Die Blocks werden dann direkt auf die okklusalen und lingualen Flächen der Zähne gebondet und können mit Brackets und ge- klebten Bukkalröhrchen kombiniert werden (Abb. 8). Auf die Verwendung vorgefertigter Blocks sollte während der Übergangsphase, in der die Milchzähne ausfallen, verzichtet werden. Abb. 8 Abb. 10 44 I KOMPENDIUM 2013
Twin Block Abb. 11 Abb. 12 Richtlinien für die Fallauswahl Twin Blocks erweisen sich als effektiv bei der Korrektur von Klasse II/1-Malokklusionen mit mandibulärer Retrusion im Wechselge- biss oder dem bleibenden Gebiss. Viele Pa- tienten mit einer maxillären Protrusion spre- chen auch gut auf die Twin Block-Therapie an – vorausgesetzt, das Profil verbessert sich, wenn der Unterkiefer bei geschlossenen Lip- pen vorgestellt wird. Fotos vor der Behand- lung in Okklusion mit retrudiertem Unter - kiefer und vorgestelltem Unterkiefer mit ge- schlossenen Lippen ermöglichen eine de - taillierte Vorhersage der Veränderungen des Gesichtsbilds nach der Behandlung. Es trifft genau das ein, was vorab zu sehen war (Abb. 9). Das frühe bleibende Gebiss stellt einen idealen Ausgangspunkt für ein günstiges Wachstum dar. So erleichtert eine Behandlung zu die- sem Zeitpunkt das klinische Management. Zu- dem ermöglicht diese Entwicklungsstufe den Einsatz festsitzender Apparaturen (Abb. 10). In den Abbildung 11 und 12 ist ein typisches Beispiel einer Klasse II/1-Malokklusion ohne Engstand dargestellt, welche mit Twin Blocks innerhalb von sieben Monaten be- handelt worden ist, gefolgt von einem Retai- ner mit einer anterior geneigten Ebene. In- klusive Retention war die Behandlung nach 15 Monaten abgeschlossen. Die finalen Auf- nahmen zeigen den Zustand fünf Jahre nach Retention. Twin Blocks stehen für einen effizienten und patientenfreundlichen Mechanismus zur Kor- rektur von Klasse II-Malokklusionen. Und zwar unabhängig davon, ob ein herausnehm- bares oder festsitzendes Design gewählt wird. Weitere Informationen zur Twin Block-The ra - pie finden Sie auf www.twinblocks.com. Dort sind zudem verschiedene E-Books zu den Themen „Advances in Fixed Appliance Tech - nique“, „Advances in Functional Therapy & Dentofacial Orthopaedics“ und „Faces and Braces“ verfügbar. *Fa. RealKFO GmbH, www.realkfo.com Kurzvita Dr. William J. Clark [Autoreninfo] Adresse info@twinblocks.com www.twinblocks.com für Deutschland über: RealKFO GmbH* In der Mark 53 61273 Wehrheim Tel.: 06081 942131 Fax: 06081 942132 team@realkfo.com www.realkfo.com KOMPENDIUM 2013 I 45
Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparaturen Abb. 1: Orientierungshilfen und Referenzlinien der cephalometrischen Analyse. S=Sella; N=Na- sion; ANS=Spina nasalis anterior; PNS=Spina nasalis posterior; A=cephalometrischer Punkt A; B=cephalometrischer Punkt B, Me=Menton; Ar=Articulare; Go=Gonion; NSL=Nasion-Sella- Linie; NL=Maxilläre Linie; ML=Mandibuläre Linie; IU=oberer Schneidezahn (upper incisor); IL=unterer Schneidezahn (lower incisor). Ein Beitrag von Dr. Gregory S. Antonarakis (Uni- versität Genf/Schweiz), Prof. Dr. Heidrun Kjell- berg (Universität Göteborg/Schweden) und Prof. Dr. Stavros Kiliardis (Universität Genf/Schweiz). Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparaturen In der hier vorgestellten Studie wurden Kinder mit Klasse II-Malokklusionen für ≥1 Jahr nach erfolgter Therapie mittels funktionskieferor- thopädischer Apparaturen beobachtet. Dabei erfolgten Messungen der maximalen Bisskraft und wurden laterale Cephalogramme sowie Studienmodelle angefertigt. Bei den Verän - derungen nach Behandlung wurden große Abweichungen deutlich. So zeigten 46 % der Kinder ein sagittales Rezidiv, während 54 % dies nicht taten. Bei der instabilen Gruppe zeigte sich zudem eine geringere maximale Bisskraft. Kinder, die vor der Behandlung eine niedrigere maximale Bisskraft aufweisen, sind anfälliger für ein Rezidiv nach FKO-Therapie. Einleitung Die Langzeitstabilität nach einer Behand- lung mit funktionskieferorthopädischen Klasse II-Apparaturen ist der Schlüssel für ein erfolgreiches Therapieergebnis. Eine große Variabilität zeigte sich bei der Verän- derung, die im Anschluss an die Behandlung eintrat, und legt nahe, dass bei einigen Pa- tienten die Ergebnisse stabil sind und bei anderen nicht. Rezidiv und Stabilität sind jedoch individuell schwer vorhersagbar. Zudem verändert sich das Gebiss ein Leben lang, was die Vorhersagbarkeit noch weiter erschwert.1 Verschiedene Faktoren wurden vorgeschla- gen, um die Variabilität hinsichtlich der Sta bi - lität der Behandlungsergebnisse zu erklären. Diese beinhalten das Wachstumsmuster2,3 so- wie die im umgebenden orofazialen Gewebe wirkenden Kräfte,4 speziell der Zunge und der Gesichtsmuskulatur.5 Von einer guten okklu- salen Interkuspidationsstellung wird gesagt, dass sie ein Rezidiv verhindern könne,6,7 eben - so wie eine konstante interkanine Distanz und fehlende Proklination der unteren Schneide- zähne.5 Die Interkuspidation kommt ins Spiel, wenn sich die Zähne in Okklusion befinden, vorran- gig während des Essens und Schluckens, wo- 46 I KOMPENDIUM 2013
Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparaturen bei Kräfte der Kaumuskulatur und Weichge- webe für die Umsetzung dieser Funktionen wichtig sind. Insofern stellt die funktionelle Kapazität der Kaumuskulatur einen Faktor dar, der die Sta- bilität der Behandlungsergebnisse nach The - rapie mittels FKO-Apparaturen beeinflussen kann. Diese Muskeln, welche direkt in den Ak- tionsmodus der funktions-kieferorthopädi- schen Apparatur involviert sind, könnten so- mit auch eine Rolle bei der Beeinflussung der Effekte nach erfolgter Behandlung spielen, wenn die FKO-Apparatur weggelassen wird. Ziel dieser Studie war es, den Vorhersagewert der funktionellen Kapazität der Kaumuskula- tur vor Behandlung zu ermitteln, welcher an- hand der maximalen molaren Bisskraft, den Veränderungen sowie am Rezidivpotenzial nach erfolgter Therapie mittels FKO-Appa - raturen bei Kindern mit Malokklusion der Klasse II/1 bewertet wurde. Material und Methoden Probanden 28 Kinder im Wechselgebiss mit einer Mal - okklusion der Klasse II/1 wurden anhand der folgenden Kriterien ausgewählt: das Vorhan- densein einer skelettalen Klasse II-Beziehung (ANB > 4°), ein retrognather Unterkiefer (SNB ≤ 78°), eine distal-molare Beziehung von min- destens einer Prämolarenhöckerbreite auf der einen Seite und einer halben Prämolaren- höckerbreite auf der anderen Seite und ein Overjet von ≥6 mm. Behandlungsverfahren und experimentelles Design Die Kinder wurden mit einem Aktivator nach Schwarz8 für einen Zeitraum von etwa ein bis zwei Jahren behandelt und für ein weiteres Jahr nach erfolgter Behandlung beobachtet. Vor der Therapie (T1), nach der Therapie (T2) sowie nach dem Beobachtungszeitraum im Anschluss an die Behandlung (T3) wurden Messungen der Höhe, der maximalen Mola- renbisskraft,9 der maximalen Fingerkraft so- wie ein laterales Cephalogramm durchgeführt (Abb. 1) und Abdrücke für Studienmodelle ge- nommen. An den Studienmodellen wurden Overjet, Overbite und die molaren Beziehun- gen gemessen. Die molare Beziehung wurde als ein Prozentsatz der Angle-Klasse II-Be - ziehung festgehalten.10 Außerdem wurde das Stadium der Zahnentwicklung verzeichnet.11 Stabilität Für die Evaluation der Stabilität nach Behand- lung wurden die Patienten in zwei Gruppen (stabil und instabil) aufgeteilt. Fälle mit einer Verlagerung hin zu einer Klasse II-Molarenbe- ziehung und mit einer Verstärkung des Over- jets nach Behandlung wurden als instabil be- trachtet, während Fälle nach Behandlung ohne Rezidiv des Overjets oder der Molaren- beziehung als stabil eingestuft wurden. Statistik Eine statistische Analyse wurde mittels SPSS durchgeführt, ebenso eine Fehleranalyse der Methode. Ergebnisse Dentale Entwicklung Zum Zeitpunkt T1 waren alle Kinder in der Phase des Wechselgebisses, entweder in der Spätphase (n = 20) oder in der Frühphase (m = 8). In T2 befanden sich elf der Kinder in der Spätphase des Wechselgebisses und 17 besaßen bereits bleibende Zähne. Bisskraft und Veränderungen der Fingerkraft (Abb. 2) Während der Behandlung (T2– T1) verstärkte sich die maximale Molarenbisskraft, während sie sich nach erfolgter Behandlung (T3–T2) wieder verringerte und fast die Werte vor der Behandlung erreichte. Die Fingerkraft, wel- che die allgemeine Muskelkraft des Körpers repräsentiert, verstärkte sich progressiv wäh- rend und nach der Therapie. Dentale und skelettale Veränderungen (Tabelle 1) Die beobachteten Veränderungen nach durch- schnittlich 1,6 Jahren Therapie mittels funk- tionskieferorthopädischer Apparatur zeichne- ten sich durch eine Erhöhung des SNB und eine Verringerung des ANB, eine Verringerung des intermaxillären Winkels, Retroklination der oberen und Proklination der un teren Schneide- zähne, eine Verringerung des Overjets und eine Verbesserung der molaren Beziehungen aus. Die Reaktion innerhalb von durchschnittlich 2,2 Jahren nach Behandlung variierte. Einige Kinder zeigten ein Rezidiv in Form einer Ver- ANZEIGE Ihr Twin Block-Labor Twin Block-Seminar verpasst? Neue Horizonte in der Kieferorthopädie und der dentofazialen Orthopädie RealKFO - Ihr Fachlabor für Twin Blocks In der Mark 53 (cid:269) 61273 Wehrheim T.: 06081-942131 (cid:269) F.: 06081-942132 E.: team@realkfo.com (cid:269) www.realkfo.com
Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparaturen lagerung hin zu einer Klasse II-Molaren - beziehung und eines verstärkten Overjets, während andere kein Rezidiv oder eine Ver - bes serung während der Nachbehandlungs- phase aufwiesen. Statistisch signifikante Ver- änderungen der Nachbehandlungsphase waren: Schließen des mandibulären, inter - maxillären und gonialen Winkels sowie die Retroklination der unteren Schneidezähne. Stabile und instabile Gruppen Zum Zeitpunkt der Aufteilung bestanden die stabile Gruppe aus 15 Patienten und die in - stabile aus 13 Patienten. Die instabile Gruppe zeigte eine durchschnittliche Verstärkung des Overjets von 1,4 mm (SD 0,9 mm) und ein Rezidiv der molaren sagittalen Beziehung hin zu einer Klasse II-Situation um 18,3 % (SD 10,4 %) auf. Hinsichtlich Geschlecht, Stadium der Zahnentwicklung, Alter, Dauer von Be- handlung und Nachbehandlung, Größe und Größenveränderungen wurden keine signi- fikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen festgestellt. Fälle, die als stabil eingeschätzt wurden, zeig- ten eine signifikant höhere maximale Mola- renbisskraft vor Behandlung (T1) als die in - stabile Gruppe (Abb. 3). Beim Vergleich der ini tialen (T1) dentalen und cephalometrischen Eigenschaften wurde nur hinsichtlich des go- nialen Winkels ein signifikanter Unterschied deutlich (P = 0,035), während die instabile Gruppe einen größeren gonialen Winkel vor der Behandlung zeigte als die stabile Gruppe (Tabelle 2). Hier wies die maximale molare Bisskraft vor Therapie eine signifikante Kor - relation mit dem gonialen Winkel vor der Be- handlung auf (P = 0,032). Bei der Evaluation des Overjets nach Be- handlung (T2) als ein mögliches Rezidivpo- tenzial wurden keine signifikanten Unter- schiede zwi schen der stabilen und der insta - bilen Gruppe festgestellt. Bei der Bewertung der Interkuspidation nach Behandlung (T2) als mögliches Rückfallpotenzial wurden keine Unterschiede hinsichtlich des Auftretens von Rezidiven zwischen den Kindern, die ihre Be- handlung mit einer Klasse I-Molarenbezie- hung beendeten, und denjenigen, die ihre The- rapie mit einer Klasse II-Molarenbeziehung ≥ 25 % abschlossen, deutlich. Cephalometrische und dentale Eigenschaften der Patientengruppe T1 T2 T3 T2 – T1 T3 – T2 Mean SD Mean SD Mean SD Mean SD P Mean SD P 2,9 2,9 1,5 4,8 2,4 4,0 4,6 4,9 5,2 1,2 1,7 81,0 76,5 4,5 32,6 7,6 25,0 123,9 108,3 99,6 4,4 2,7 2,9 2,9 1,8 5,1 2,3 4,4 5,1 4,7 5,0 1,3 1,2 81,3 76,7 4,7 32,2 7,5 24,7 122,4 108,4 97,8 4,7 3,0 3,2 3,1 2,0 5,6 2,6 4,8 4,7 5,8 4,7 1,2 1,4 –0,3 1,1 1,3 1,1 0,641 < 0.001*** –1,4 0,9 < 0.001*** –0,2 0,6 –1,0 0,4 –4,5 1,2 –4,2 –0,5 1,4 1,6 1,8 2,2 4,3 3,9 1,8 1,0 0,274 0,069 0.018* 0,306 < 0.001*** 0.041* < 0.001*** 0.008** 0,3 0,2 0,2 –0,4 –0,1 –0,3 –1,5 0,1 –1,8 0,3 0,3 4,0 1,1 1,2 1,0 1,6 2,2 1,6 2,6 4,0 3,6 1,3 0,8 0,898 0,440 0,840 0.010* 0,690 0.006** 0.001** 0,704 0.022* 0,196 0,074 28,9 0,444 Sagittal (Cephalometric) SNA (°) SNB (°) ANB (°) Vertical (Cephalometric) ML/NSL (°) NL/NSL (°) ML/NL (°) 81,3 75,4 5,9 32,8 7,0 26,0 Gonial Angle (Ar-Go-Me) (°) 123,5 Dental (Cephalometric) 112,8 98,4 8,6 3,2 IU/NL (°) IL/ML (°) Dental (Study Models) Overjet (mm) Overbite (mm) Left Molar Relationship (% Class II) Right Molar Relationship (% Class II) Average Molar Relationship (% Class II) 85,5 28,0 30,6 27,2 34,6 30,2 –54,9 40,0 < 0.001*** 84,7 24,7 23,4 27,3 25,0 31,6 –61,3 34,1 < 0.001*** 1,6 26,6 0,989 85,1 20,1 27,0 23,1 29,8 26,6 –58,1 31,0 < 0.001*** 2,8 22,8 0,495 Tabelle 1: Abweichungswerte im Durchschnitt und Standard (SD) der gemessenen cephalometrischen und dentalen Variablen werden für jeden Zeitabschnitt (T1, T2, T3) sowie für Veränderungen während der Behandlung (T1 bis T2) und nach Behandlung (T2 bis T3) angegeben. Die P-Werte (P) beziehen sich auf die paarweise ausgeführten T-Tests. P<0,05 gilt als signifikant. *P<0.05; ** P<0.01; *** P<0.001. 48 I KOMPENDIUM 2013
Diskussion Innerhalb der ausgewählten Patienten- gruppe gab es Abweichungen bei der Nach- behandlungsreaktion. Einige Kinder zeig- ten Rezidive, andere wiesen stabilere Be- handlungsergebnisse auf. Die Bisskraft steht in Verbindung mit der sagittalen Sta - bilität einer Behandlung mit tels FKO-Appa- raturen, wobei Kinder mit einer niedrigeren maximalen Molarenbisskraft vor Behand- lung anfälliger für ein sagittales dento - alveoläres Rezidiv sein können. Unsere Er- kenntnisse stimmen mit denen von Pan- cherz und Anehus12 überein, die herausfan- den, dass die elektromyografische Aktivität der Kaumuskulatur (M. temporalis und M. masseter) im Durchschnitt niedriger bei Pa- tienten ist, die ein Rezidiv hatten, als bei denjenigen, deren Behandlung als stabil betrachtet wurde. Zuvor wurde bereits angenommen, dass Patienten mit einer niedrigeren Bisskraft oder einer dünneren Kaumuskulatur als Folge der The rapie mittels FKO-Appara - turen eine größere dentoalveoläre Ver - änderung durchmachen.13, 14 Dieser Vor- schlag zur Erklärung der unterschiedli chen Behandlungsergebnisse besagt, dass die Ausübung geringerer Kaumuskulatur- kräfte die Verankerung der mandibulären Dentition verringert, und impliziert, dass es bei schwächerer Bisskraft leichter zu ei- ner Verschiebung der Okklusion kommen kann. In der vorliegenden Untersuchung wur- den geringere Kräfte der Kaumuskulatur mit einem weniger stabilen dentoalveolä- ren sagittalen Ergebnis assoziiert und da- mit mit einer größeren Relapsetendenz, einem verstärkten Overjet und eine Ver- änderung der Molarenbeziehung hin zur Klasse II. Ein möglicher Grund für diesen Unterschied könnte sein, dass es bei einer geringeren Bisskraft schwieriger sein könnte, die sagittale Beziehung zu bewah- ren, obwohl es hingegen leichter sein könnte, die Okklusion zu verschieben. Dies legt eine leichtere Verlagerung hin zur Klasse II-Beziehung nahe. Ein Grund hierfür könnte das Durchbruchsmuster der Zähne sein, das den unterschiedlichen Kieferrotationen folgt. Kinder mit einer Vorwärtsrotation der Kiefer wiesen als Er- gebnis einen vorwärts gerichteten Erup- Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparaturen p = 0.030 p = 0.039 p = 0.021 p = 0.011 600 400 200 0 ) N ( e c r o f m u m i x a M T1 T2 T3 Molar bite force Finger force Abb. 2: Messungen der maximalen Molarenbisskraft und Fingerkraft bei den untersuchten Patienten. Die Balken zeigen die Durchschnittswerte, während die Whisker für die Standardabweichungen für die jeweiligen Zeiträume (T1, T2, T3) stehen. Außerdem werden die P-Werte für die Unterschiede der maximalen Molarenbisskraft und Fin- gerkraft zwischen den verschiedenen Zeiträumen gezeigt. 1.000 p = 0.037 ) N ( e c r o f e t i b r a l o m l a m i x a m t n e m t a e r t - e r P 750 500 250 0 810 583 375 600 495 290 n = 15 no relapse n = 13 relapse Abb. 3: Boxplots der maximalen Molarenbisskraft vor Behandlung der stabilen (kein Rezidiv) und instabilen (Rezidiv-)Gruppen. Die Kästen in den Boxplots zeigen das untere Quartil, den Median und das obere Quartil. Die Whisker geben die niedrigsten Werte, die beobachtet wurden, an (Minimum) sowie die höchsten beobachteten Werte (Maximum). Die Größe der Versuchsgruppe wird durch n angezeigt. Der P-Wert für den unabhängigen Sample-T-Test, der die maximale molare Bisskraft der zwei Gruppen vergleicht, wird ebenfalls angegeben. KOMPENDIUM 2013 I 49
Bisskraft, Stabilität und FKO-Apparaturen Cephalometrische und dentale Eigenschaften der beiden Gruppen (stabil und instabil) vor der Behandlung (T1). Sagittal (Cephalometric) SNA (°) SNB (°) ANB (°) Vertical (Cephalometric) ML/NSL (°) NL/NSL (°) ML/NL (°) Gonial Angle (Ar-Go-Me) (°) Dental (Cephalometric) IU/NL (°) IL/ML (°) Dental (Study Models) Overjet (mm) Overbite (mm) Left Molar Relationship (% Class II) Right Molar Relationship (% Class II) Average Molar Relationship (% Class II) Stable group Unstable group Mean SD Mean SD P 81,0 75,3 5,7 32,6 7,3 25,6 121,8 111,7 98,4 8,3 3,0 82,8 82,8 82,8 3,0 3,0 1,2 5,0 2,8 4,2 4,7 4,8 4,8 1,2 1,9 28,5 23,7 18,2 81,7 75,5 6,2 33,0 6,7 26,4 125,2 114,1 98,4 8,8 3,5 88,3 86,7 87,5 2,8 2,9 1,7 4,8 2,0 4,0 3,9 4,8 5,7 1,1 1,5 28,1 26,5 23,1 0,458 0,830 0,310 0,793 0,505 0,627 0.035* 0,178 0,994 0,250 0,485 0,591 0,673 0,538 Tabelle 2: Abweichungswerte im Durchschnitt und Standard (SD) werden gezeigt, die P-Werte (P) beziehen sich auf die unabhängigen T-Tests. P<0,05 gilt als signifikant. *P<0,05. tionspfad der Molaren und eine Vorverla- gerung des unteren Zahnbogens auf. An- ders als Kinder mit rückwärtiger Rotation, die einen vertikalen, rückwärts gerichte- ten Eruptionspfad zeigten.15 Daher könn- ten Kinder mit einer stärkeren Bisskraft eine mehr nach vorn gerichtete Eruption der unteren Molaren sowie folglich eine bessere Chance für eine dentoalveoläre Stabilität und Erhaltung der molaren Be- ziehungen besitzen. Bemerkenswert ist auch, dass die Patien- tengruppe mit instabilen Ergebnissen nach Behandlung dazu tendierte, sowohl eine geringere Bisskraft vor Behandlung als auch einen stumpferen gonialen Win- kel zu besitzen. Personen mit einer nie- drigeren Bisskraft hatten durchschnitt- lich einen weniger stumpfen gonialen Winkel als Menschen mit einer höheren Bisskraft16, wie sich auch bei den Patien- ten dieser Studie zeigte. Der goniale Win- kel kann als cephalometrischer Indikator gesehen werden, der teilweise über den initialen Zustand und die funktionelle Kapazität der Kaumuskulatur Auskunft gibt. Verschiedene Reaktionen nach Behand- lung bei Menschen mit stumpfem oder spitzem gonialen Winkel könnten nicht aufgrund der cephalometrischen Unter- schiede als solche auftreten, sondern aufgrund der funktionellen Kapazität der Kaumuskulatur, die durch das Messen der Bisskraft ermittelt wird. Der goniale Win- kel ist bekannt, eine adaptive morpholo- gische Region des Unterkiefers zu sein, die sich der Funktion anpassen kann. 50 I KOMPENDIUM 2013 Zusammenfassung In der untersuchten Gruppe besaßen Kin- der mit einem dentoalveolären sagittalen Rezidiv nach Behandlung mittels FKO-Ap- paratur eher eine niedrigere Bisskraft vor Behandlung sowie einen stumpferen goni- alen Winkel. Die funktionelle Kapazität der Kaumuskulatur könnte mitverantwortlich für die Variation der Ergebnisse nach Be- handlung und der Stabilität sein. Der vollständige Artikel wurde im European Journal of Orthodontics veröffentlicht. Anto- narakis GS, Kjellberg H, Kiliaridis S.: Bite force and its association with stability following Class II/1 functional appliance treatment. Eur J Orthod 2013;35:434–41. Literaturliste Kurzvita Dr. Gregory S. Antonarakis [Autoreninfo] Adresse Gregory S. Antonarakis Department of Orthodontics School of Dentistry Universität Genf 19, rue Barthélemy-Menn 1205 Genf Schweiz Gregory.Antonarakis@unige.ch
Abb. 1 Dr. Daniel Podolsky über die klinische Anwendung der Flip-Lock® HERBST® Appliance. Flip-Lock® Abb. 1: Flip-Lock® HERBST® Ap- pliance am Modell. – Abb. 2a–c: Flip-Lock® HERBST® Appliance fertig angepasst im Artikulator. Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten Jetzt Fortbildungs- punkte sichern! Beantworten Sie die Fragen zu diesem Beitrag. Die Antwort- karte finden Sie auf Seite 67. FALLBEISPIEL 1 (Abb. 3–9) Einleitung 14-jährige Patientin mit skelettaler Klasse II/2 a b c d e a b Abb. 3a, b: Extraorale Aufnahmen zu Behandlungsbeginn. Abb. 4a–e: Intraorale Aufnahmen zu Behandlungsbeginn. Die Herbst-Apparatur stellt sich aus heuti- ger Sicht als ein sehr gut untersuchtes The - rapiemittel dar. Die überwiegende Zahl der Veröffentlichungen befasst sich hierbei mit der klassischen Indikation zur Behandlung der Klasse II-Anomalien, insbesondere de- rer der Klasse II/1.1,2 Es besteht kein Zweifel daran, dass eine Herbst-Apparatur ein äu- ßerst effektives Behandlungsgerät darstellt, compliance-unabhängig ist und sowohl Dis- talbiss, Tiefbiss, die Höhe der Lippenlinie als auch das Profil verändern kann.3,4 Nichts - destotrotz ist es grundsätzlich umstritten, ob die Effekte überwiegend nur dentaler oder auch skelettaler Natur sind und ob eine ge- nügende Langzeitstabilität der Ergebnisse besteht. Am Markt gibt es Dutzende Hersteller, die alle mit Derivaten des von Emil Herbst erst- mals Anfang des 20. Jahrhunderts vorgestell- ten Scharniers eine Vorverlagerung des Un - terkiefers versprechen. Alle Apparaturen ha - ben gemeinsam, dass sie den Unterkiefer mit einer mehr oder weniger starren Verbindung zum Oberkiefer nach anterior schieben. Die - se Verbindung bringt nach einem über- schaubaren Zeitraum den erwarteten Effekt, stellt den Behandler aber auch gleichzeitig vor einige Probleme, wie die Kippung der KOMPENDIUM 2013 I 51
Flip-Lock® a d b c e Abb. 5a–e: Intraorale Aufnahmen nach Bebänderung der OK-Front zur Proklination. a b c Abb. 6a–c: Intraorale Aufnahmen nach Eingliedern der Herbst-Apparatur. Molaren oder Proklination der Unterkie - ferfront als biomechanische Nebenwirkun- gen. Auch ein Bruch der Apparatur durch zu hohe Belastungen, die grundsätzliche Skep- sis und die doch problematische anfängliche Gewöhnung durch den Patienten sind zu bewältigen. Anwendung In unserer Praxis gliedern wir jährlich ca. 75 Herbst-Apparaturen ein. Die Tragezeit variiert dabei zwischen sechs und zwölf Mo- naten, je nach Ausgangszustand und Alter des Patienten. Aus diesen Gründen ist neben des zu erwartenden Effekts der Klasse II- Korrektur ebenso die Zuverlässigkeit der Apparatur während der Anwendungsdauer ein absolut entscheidendes Kriterium.6 Die von der Firma TP Orthodontics produ- zierte Flip-Lock® HERBST® Appliance* bie- tet die klassische, absolut starre Verbindung von Ober- und Unterkiefer, er- laubt aber durch die Verbin- dung mit zwei Kugelgelenken eine maximale Bewegungsfreiheit des Unterkiefers. Dies hat eine deutliche Steigerung der Akzeptanz und eine Minimierung der Reparaturen zur Folge, da es keine Überbelastungen bei Grenzbewegungen gibt. Das Gerät kommt ohne Schrauben oder ähnliche Hilfsmittel aus und ist nur mit einem Handgriff zu fixie- ren. Das grazile Design bietet dabei einen maximalen Tragekomfort und durch die Po- sitionierung der Kugelgelenke und die Ver- wendung von Distanzscheiben kann die Vor- verlagerung des Unterkiefers variabel ein- gestellt werden. Es funktioniert sowohl die Mesialisierung in einem Schritt zur Zielokklusion, wie sie Pancherz ursprünglich beschrieben hat, als auch die kontinuierliche Mesialisierung in kleineren, z. B. 1-mm-Schritten pro Monat, was nach neuerer Literatur bessere skelet- tale Effekte bei weniger dentalen Neben- wirkungen erzielt und auch den Tragekom- fort bzw. die Eingewöhnung erleichtert.7,8 Es gibt grundsätzlich verschiedene Mög- lichkeiten, die Flip-Lock® HERBST® Appli- ance zu befestigen. In unserer Praxis ver- wenden wir Snap-FitTM-Bänder von GAC an den ersten Prämolaren und ersten Molaren des Oberkiefers sowie an den Eckzähnen und ersten Molaren des Unterkiefers. Die Bänder an den Unterkiefereckzähnen wer- den doppelt übereinander verschweißt. Die Flip-Lock®-spezifischen Kugelgelenke wer- den im Oberkiefer in Regio des mesio- oder distobukkalen Höckers der ersten Molaren und im Un - terkiefer an die Vestibulär- fläche der Eckzähne zuerst punktgeschweißt und dann gelötet. Die in tramaxilläre Verbindung erfolgt mittels eines harten 0,9er Stahldrahtes (Abb. 1). Das Anpassen der Scharniere erfolgt im Ar- tikulator unter Einstellen der Zielokklusion. Hierbei ist darauf zu achten, dass sowohl Protrusion, Laterotrusion als auch maximale Mundöffnung möglich sind. Die Länge von Piston und Tube sind dementsprechend ein- zustellen (Abb. 2). Bei der Eingliederung im Mund ist noch die Okklusion zu prüfen. Wenn ein Aufbiss auf die Apparatur erfolgt, so sind möglichst Turbo Bites palatinal an den Oberkiefer-Inzisiven anzubringen. Der insgesamt notwendige Arbeitseinsatz bis zum Eingliedern der Apparatur ist im Vergleich vor allem zu den gegossenen Va - Abb. 7a–e: Intraorale Aufnahmen unmittelbar nach Entfernen der Herbst-Apparatur. a b c d e 52 I KOMPENDIUM 2013
Abb. 8a Abb. 9a Abb. 9b Abb. 9c Abb. 8b Abb. 9d Abb. 9e Abb. 8a, b:Extraorale Aufnahmen zu Behandlungsende. – Abb. 9a–e:Intraorale Aufnahmen zu Behandlungs - ende. Die gesamte aktive Behandlungsdauer betrug 23 Monate, davon 10 Monate mit Herbst-Apparatur. FALLBEISPIEL 2 (Abb. 10–17) 13-jährige Patientin mit skelettaler Klasse II/1 Abb. 11a Abb. 10a Abb. 11b Abb. 11c Flip-Lock® rianten der Herbst-Apparaturen durchaus überschaubar. So benötigt der Patient ins - gesamt vier Termine: 1. Separieren der Zähne 2. Bänder anpassen, Abdrücke und möglichst eine Funktionsdiagnostik 3. erneutes Separieren nach der labortechni- schen Herstellung 4. Einsetzen der Apparatur. Insgesamt sind hier wohl 90 Minuten Zeit am Patienten einzuplanen. Im Labor ist die Herstellung im Vergleich zu gegossenen Al- ternativen denkbar einfach, und auch beim Einsetzen ist durch die geringe, aber dennoch vorhandene Flexibilität des Stahldrahtes ei ne Passung nahezu immer gewährleistet. Das Einsetzen erfolgt in unserer Praxis mit Glasionomerzement. Klinische Ergebnisse, Fallbeispiele Bei 50 ausgewerteten Fällen aus dem Jahr 2012 (siehe Tabelle 1) zeigen sich die für ei - ne Herbst-Apparatur typischen Ergebnisse. In unserer Praxis wird die Indikation für ein Herbst-Gerät klassisch gesetzt und kommt hauptsächlich bei Patienten nach Über- Abb. 12a Abb. 12b Abb. 12c Abb. 10b Abb. 11d Abb. 11e Abb. 10a, b: Extraorale Aufnahmen zu Behandlungs- beginn. – Abb. 11a–e: Intraorale Aufnahmen zu Be- handlungsbeginn. – Abb. 12a–c: Intraorale Aufnah- men nach Eingliederung der Herbst-Apparatur. KOMPENDIUM 2013 I 53
Flip-Lock® Angle Anzahl Alter zu Behand - lungs beginn Behandlungs- dauer Herbst- Apparatur Aktive Behandlungs- dauer gesamt Overjet Veränderung ANB Veränderung WITS Veränderung UK1-ML Veränderung nach Herbst UK1-ML Veränderung zu Behandlungsende Klasse II/1 Klasse II/2 19 31 Tabelle 1 13,5 Jahre 9,2 Monate 19,6 Monate –6,1 mm 14,1 Jahre 10,5 Monate 25,0 Monate –0,9 mm –5,1° –2,2° –4,0 mm –2,2 mm +8,1° +7,9° +4,1° +4,2° a d b c e Abb. 13a–e: Intraorale Aufnahmen unmittelbar nach Entfernen der Herbst-Apparatur. a b Abb. 14a, b: Extraorale Aufnahmen zu Behandlungsende. a d b c e Abb. 15a–e: Intraorale Aufnahmen zu Behandlungsende. 54 I KOMPENDIUM 2013 schreiten des pubertären Wachstumsmaxi- mums zum Einsatz. Im Gegensatz zu anderen Kollegen setzen wir die Herbst-Apparatur niemals als ein - ziges Behandlungsgerät ein. Um eine sta- bile und gesicherte Okklusion zu erreichen, schließt sich immer die Behandlung mit ei- ner vollumfänglichen Multibandapparatur an. Die Therapiedauer sowohl der Herbst- Apparatur allein als auch die gesamte aktive Behandlungsdauer ist in unserer Praxis bei Klasse II/2-Fällen länger. Dies liegt einer- seits an der Vorab-Bebänderung der Ober- kieferfront, um eine initiale Vergrößerung des Overjets bei diesen Fällen zu erreichen, als auch an der damit einhergehenden, nur langsameren Vorverlagerung des Unterkie- fers, da der Biss nur maximal auf frontalen Kopfbiss eingestellt wird. Die gemessenen Veränderungen des Over- jets sowie des ANB und des WITS-Wertes sind eindeutig und wohl in diesem Ausmaß mit kaum einem anderen Behandlungsmit- tel zu erreichen. Ebenso die Inklination der Oberkieferfrontzähne wird entsprechend der Ausgangssituation erheblich in Richtung der Sollwerte korrigiert. Bei der Inklination der Unterkieferfront hingegen ist eine deut- liche Proklination nicht zu vermeiden. Ob- wohl durch die anschließende Multiband - apparatur und die Verwendung von Negativ- Torque-Brackets ein Teil wieder korrigiert werden kann, so verbleibt doch eine restli- che positive Abweichung. Die in dieser Auswertung mit erfasste An- zahl der Reparaturen zeigt die Zuverläs - sigkeit der Flip-Lock® HERBST® Appliance deutlich auf. Durchschnittlich fallen nur etwa 0,5 Reparaturen pro Behandlung bei einer Tragezeit von knapp zehn Monaten an. Bei den Fällen der Klasse II/2 sind es sogar nur 0,3 Reparaturen pro Behandlungsfall, was möglicherweise auf die langsamere Vorverlagerung des Unterkiefers zurück - zuführen ist, da hierdurch der Patient ge - ringere durchschnittliche Kräfte auf die Apparatur ausübt.
Abb. 16a–e: Direkter Vergleich des Anfangs- (Abb.16) und End- befundes (Abb. 17). a d b c e auch anschließend muss während der Multi- bandphase die Compliance absolut gegeben sein, um nicht den zwischenzeitlich erreichten Erfolg wieder zu verlieren. Bei Patienten, die grundsätzlich wenig Mitarbeitsbereitschaft zeigen, wird die Apparatur aus diesem Grund als auch aufgrund der erschwerten Mundhy- giene nicht das Mittel der Wahl sein. Eine Verwendung im frühen Wechselgebiss zeigte in unserer Praxis vor allem im Oberkie- fer durch die distalisierende Wirkung der Ap - paratur eine nachfolgende Durchbruchsstörung der Prämolaren und zweiten Molaren, was die nachfolgende Behandlung deutlich erschwert. Ebenso bei Patienten mit vollständig abge- schlossenem Körperwachstum sind dem Ein- satz der Herbst-Apparatur entgegen anders lautenden Veröffentlichungen nach meiner Meinung enge Grenzen gesetzt. Skelettale Veränderungen sind hier nur in geringem Ausmaß zu erwarten, die Ergebnisse basie- ren hauptsächlich auf weitreichenden denta- len Veränderungen.9,10 Grenzen, Ausschlusskriterien Wie bei jedem Behandlungsmittel sind auch dem Einsatz der Herbst-Apparatur Grenzen gesetzt. Obwohl die Flip-Lock®HERBST®Appli- ance relativ grazil ist und keine zusätzlichen Schrauben oder weitere Hilfsmittel benötigt, so ist doch eine absolut zuverlässige Mundhy- giene und ein gesundes Parodont die Grund - vo raussetzung, da die Apparatur relativ lange im Mund verbleibt, ohne gewechselt zu werden und durch die intermaxillären Verbindungen die Zahnpflege doch relativ eingeschränkt wird. Die Herbst-Apparatur und deren Derivate wer- den oftmals als Non-Compliance-Behandlungs- geräte bezeichnet. Dies ist jedoch sicher nur teilweise korrekt. Während der Behandlungs- phase mit dem entsprechenden fest zemen- tierten Gerät ist eine Compliance nicht erforder- lich. Allerdings muss die Apparatur na türlich grundsätzlich vorab beim Patienten Ak- zeptanz finden. Und Abb. 17a–e: Direkter Vergleich des Anfangs- (Abb.16) und End- befundes (Abb. 17). Die gesamte aktive Behandlungsdauer be- trug 19 Monate, davon 7 Monate mit Herbst-Apparatur. a d b c e Flip-Lock® Zusammenfassung Der Einsatz der Flip-Lock® HERBST® Ap- pliance als klassisches Scharnier – im Pra- xislabor gefertigt, an Bändern gelötet, mit Stahldraht intramaxillär verbunden – bie- tet im Gegensatz zu gegossenen Varianten des Herbst-Scharniers eine deutlich verein- fachte Herstellung und Eingliederung. Durch das Design und die einzigartige Verwen- dung von Kugelgelenken ist die Apparatur extrem stabil und nahezu „bruchsicher“. Langjährige klinische Erfahrungen des Au- tors, sowohl in eigener Praxis als auch wäh- rend seiner kieferorthopädischen Ausbil- dung mit mehreren Hundert Fällen erfolg- reicher Behandlung mit der Flip-Lock® HERBST® Apparatur, zeigen erstaunlich langzeitstabile Ergebnisse, eine gute Ak- zeptanz durch den Patienten, gutes Hand- ling, wenig Reparaturen und nicht zuletzt die Möglichkeit, auf viele Extraktionen als auch chirurgische Interventionen zur Biss - lagekorrektur zu verzichten. Wenn man die Grenzen der Apparatur kennt und beachtet, so ist das Flip-Lock® HERBST® von TP Ortho- dontics eine deutliche Erweiterung der Mög- lichkeiten für jede moderne kieferorthopä- dische Praxis. *Fa. TP Orthodontics, www.tportho.com Literaturliste Kurzvita Dr. Daniel Podolsky [Autoreninfo] Adresse Dr. Daniel Podolsky Marienplatz 28a 84130 Dingolfing Tel.: 08731 3191800 Fax: 08731 3191801 mail@dr-podolsky.de www.dr-podolsky.de KOMPENDIUM 2013 I 55
„Deutschland nimmt hier eine spezielle Stellung ein“ Im Rahmen des AAO-Kongresses in Philadelphia hielten Dr. Björn Ludwig und Prof. Dr. Benedict Wilmes einen Vortrag über die Platzierung von Mini-Implantaten im vorderen Gaumen. KNsprach mit ihnen über geeignete Insertionsregionen, Vor- und Nachteile einer paramedianen bzw. medianen Platzierung oder den Einsatz von DVTs. „Deutschland nimmt hier eine spezielle Stellung ein“ Abb. 1: FRS mit einem medianen Mini-Implantat (Benefit 2 x 11mm) zur Molarendistalisierung. Bei einer Weichgewebsdicke von 2mm befinden sich dann 9mm im Knochen. Bei medianer Insertion besteht in der Regel keine Gefahr, eine Zahnwurzel zu treffen. Daher kann senkrecht zum Knochen inseriert werden, um das gesamte Knochen - an gebot gut ausnutzen zu können. – Abb. 2: FRS mit zwei paramedianen Mini-Implantaten (Benefit 2 x 9mm) zur Gaumennahterweiterung (Hybridhyrax). Bei paramedianer Insertion besteht die Gefahr, Zahnwurzeln zu treffen. Es muss daher senkrecht zur Okklusionsebene inseriert werden. Die Strecke durch den Knochen ist jedoch geringer als bei schräger Insertion, es werden daher kürzere Mini-Implantate verwendet. – Abb. 3: FRS mit zwei medianen, etwas weiter distal gesetzten Mini-Implantaten (Benefit 2 x 11 (Fotos: Wilmes) und 2 x 9mm). Die Mini-Implantate ragen anscheinend in die Nasenhöhle, was jedoch mit keinen klinischen Auswirkungen verbunden ist. Sie sprechen von niedrigen Erfolgsquoten im Alveolarfortsatz. Es gibt doch aber zahlreiche Studien, die von sehr hohen Erfolgsquoten berichten? Ludwig: Im Alveolarfortsatz beträgt die Er- folgsquote laut Literatur 80 bis 90%.1 Leider weicht die Literatur hier von unseren klini- schen Erfahrungen mit niedrigeren Erfolgs- quoten im Alveolarfortsatz ab.2 Man sollte die Erfolgsquote einer Minischraube nicht nur absolut betrachten, sondern auch, ob die Überlebensrate und die dazugehörige Bio- mechanik zum Behandlungserfolg geführt hat. Ich stimme zu, dass es hier eine Diskre- panz zwischen den Veröffentlichungen und dem gefühlten Verlust in der Praxis gibt. Welche Regionen sind ideal zum Setzen von Mini-Implantaten im vorderen Gaumen? Wilmes: Speziell der vordere Anteil des Gau- mens ist sehr geeignet, welcher vor allem durch das Gaumenimplantat der Firma Strau- mann geprägt wurde. Der vordere Gaumen beschreibt die Region in der Nähe des dritten Gaumenfaltenpaares. Liegt keine Zahnauf- wanderung im Oberkiefer vor, kann man auch den Kontaktpunkt der oberen Eckzähne mit den oberen ersten Prämolaren als Referenz zum Platzieren nehmen. Die Definition weicht hier – je nach Autor – leicht ab. Es gibt aber auch zusammenfassende Übersichtsartikel, die man vor dem Platzieren gelesen haben sollte.3 An interradikulären Insertionsorten für klassische Minischrauben oder Miniplat- ten kommen heute nur noch wenige gut un - tersuchte Insertionsregionen infrage, die in diversen Publikationen beschrieben sind.4 Wie schätzen Sie die Notwendigkeit von DVTs im Rahmen der Insertion von Mini-Implanta- ten ein? Wilmes: Da die Literatur sowohl interradiku- läre Insertionsregionen als auch den Bereich des vorderen Gaumens ziemlich genau defi- niert und untersucht hat und hier eine hohe Evidenz zugrunde liegt, ist aus unserer Sicht aus strahlhygienischen Gründen von DVTs abzuraten. Dennoch sollte sich der Praktiker in seinem klinischen Handeln nach den in der Literatur beschriebenen Insertionsregio- nen richten. Sollten Minischrauben am vorderen Gaumen paramedian oder median platziert werden? Ludwig: Diese Frage wird oft diskutiert. Es gibt hier zwei Aspekte zu beachten. Punkt 1: Werden die Schrauben in die Sutur platziert, könnte es eventuell bei noch wachsenden Patienten zu einer lokalen Wachstumshem- mung kommen, wie es nach der Insertion von zwei großen Gaumenimplantaten im Tierver- such erschien.5 Dies ist für Mini-Implantate jedoch noch nicht untersucht worden und dürf te auch klinisch kaum eine Rolle spielen. Punkt 2 ist die Stabilität: Nach unseren Erfah- rungen der letzten Jahre haben sich sowohl die 56 I KOMPENDIUM 2013
Adhesive Coated Appliance System Die Sensation der Bondingtechnologie Perfekte Haftung ohne Überschüsse Die APC™ Flash-Free Technologie ist eine völlig neuartige Adhäsiv-Vorbeschichtung unserer bewährten Brackets. Diese macht die zeitraubende Überschussentfernung komplett über- fl üssig und bietet mehr Sicherheit. • Keine Überschussentfernung • Überzeugender Randschluss • Zuverlässige Haftkraft • Weniger Arbeitsschritte Weitere Informationen unter www.3MUnitek.de oder wenden Sie sich an unseren Kundenservice unter 08191 / 9474-5000.
„Deutschland nimmt hier eine spezielle Stellung ein“ Abb. 4: Platzverlust der Eckzähne mit Retention des Zahnes 13. Paramediane Minischrauben-In- sertion zur Distalisierung mithilfe einer „Frosch- (Fotos: Ludwig) Apparatur“. die Praxen kein Labor besitzen. Für Deutsch- land kann man klar sagen, dass der vordere Gaumen mit der Einbeziehung des eigenen oder eines Fremdlabors si- cherlich die Zukunft darstellen wird. Literaturliste Kurzvita mediane als auch die paramediane Insertion sehr bewährt. Es bedarf jedoch wissenschaft- licher Untersuchungen, um hier eine evi- denzbasierte Bewertung abzugeben. In Tra- ben-Trarbach arbeiten wir gerade an FEM - Simulationen, um zu zeigen, ob die sagittale oder paramediane Insertion eine größere Resistenz gegenüber der angewandten Bio- mechanik hat. In Düsseldorf werden klini- sche Studien durchgeführt, die die Sekun- därstabilität je nach medianer oder parame- dianer Insertion mittels Resonanzfrequenz- analyse untersuchen. Welche Schraubengrößen sind im Gaumen geeignet? Wilmes: Da im Gaumen, anders als im Al - veolarfortsatz, viel Platz zur Verfügung steht, lassen sich auch Mini-Implantate mit einem großen Durchmesser inserieren. Wir verwen- den Mini-Implantate bis zu 2,3 mm Durch- messer (median: bis zu 11 mm Länge; para - median: bis zu 9mm Länge, da hier die Gefahr der Verletzung der Schneidezähne besteht). Sehr lange Schrauben können je nach Inser- tionsregion und -winkel in die Nasenhöhle hineinragen.6 Dies ist je- doch nicht mit Komplika- tionen verbunden. Abb. 5: Empfehlung für geeignete Insertionsstellen am Gaumen: grün = optimal geeignet, gelb = bedingt geeignet und abhängig von indivi- duellen Variationen, rot = nicht geeignet. (Quelle: Ludwig) Gibt es im Oberkiefer noch Indikationen für interradi- kuläre Schrauben? Dr. Björn Ludwig [Autoreninfo] Wilmes: In Düsseldorf und in der freien Praxis in Traben-Trarbach sicherlich nicht. Man muss jedoch sagen, dass Deutschland hier eine spe- zielle Stellung einnimmt. Wenn wir am vorde- ren Gaumen inserieren, bedarf es manchmal einer Laborarbeit. Und in unserem deutschen System gibt es fast immer ein Eigenlabor, weshalb diese Technik bei uns auch so popu- lär ist und zunehmend populärer wird. Natür- lich gibt es auch Länder, wie z. B. die USA, wo Prof. Dr. Benedict Wilmes [Autoreninfo] 58 I KOMPENDIUM 2013
SCHEU-DENTAL Perfektion seit drei Generationen: Produkte und Dienstleistun- gen aus den Bereichen Kieferorthopädie, Tiefziehtechnik und zahnärztliche Schlafmedizin, die in enger Zusammenarbeit mit Zahnmedizinern, Kieferorthopäden und Werkstoffexperten entstehen und in Praxen und Laboren in über 100 Ländern zum Einsatz kommen. smile dental Das breite Sortiment der Multiband-Therapie zum attraktiven Preis: Metall- und Keramik- brackets, Drähte, Elastics, RELIANCE-Kleber, Zangen, Bänder und Tubes. CA DIGITAL Innovative 3D-Technologie für das bewährte CA® CLEAR-ALIGNER Schienensystem von SCHEU-DENTAL: digitale Diagnose, präzise 3D-Behandlungsplanung, qualifizierte Set-Up Erstellung und 3D- Druck des Modells – bei voller Behandlungskontrolle und hoher Wertschöpfung in Ihrem Labor. Drei starke Partner für Ihren Erfolg. SCHEU-DENTAL GmbH www.scheu-dental.com 02374 9288-0 CA DIGITAL GmbH www.ca-digit.com 02104 833 712-0 smile dental GmbH www.smile-dental.de 0211 238 09-0
ForsusTM (Vestibulärtechnik) Kontrolle der Kraftvektoren Dr. Lisa Alvetro über den Einsatz der ForsusTM Apparatur zur Therapie von (cid:129) okklusaler Tube mit EZ2-Attachment (cid:129) mehr horizontal Klasse II-Malokklusionen. (cid:129) okklusaler Tube mit L-Pin (cid:129) mehr vertikal Abb. 1: Die Position der ForsusTM Feder im Verhältnis zum Ober- und Unterkiefer bestimmt die Richtung der wirkenden Kräfte. Es ist wichtig, zu wissen, dass die Angulation der Feder sich verändert, wenn die Okklusion korrigiert wird. Effektive und vorhersagbare Korrektur a c d e b f g Abb. 2a–g: 15,6 Jahre alte Patientin mit ausgeprägtem Eng- stand im Ober- und Unterkiefer sowie einer Klasse II-Re - lation. Sie wies einen stumpfen nasolabialen Winkel auf, eine mandibuläre Retrognathie mit mangelhafter mandibu- lärer Projektion und einer steilen mandibulären Ebene mit vergrößerter Höhe der unteren Gesichtspartie. initial nach ForsusTM b a c d Abb. 3a–d: Unser Behandlungsplan beinhaltete die Extrak- tion der oberen und unteren zweiten Prämolaren und die Installation der ForsusTM Apparatur in einer geeigneten Kon- figuration, um die vertikalen Vektoren während der Klasse II- Korrektur zu maximieren. 60 I KOMPENDIUM 2013 Klasse II-Malokklusionen kommen bei kie - fer orthopädischen Patienten sehr häufig vor. Die okklusale Korrektur stellt dabei die größte Herausforderung dar. Daher benö - tigen Kieferorthopäden effektive, effiziente sowie verlässliche Techniken, um Klasse II- Funktionsstörungen letztlich erfolgreich zu beheben. Die hierbei angewandten Verfah- ren sollten für den Behandler leicht zu han- deln sein und zudem ein breites Spektrum klinischer Anwendungen inklusive der ver- schiedensten Ausprägungen von Klasse II- Malokklusionen abdecken. Auch sollte die Patientenakzeptanz bei der Wahl des geeig- neten Verfahrens Berücksichtigung finden. So ist die Compliance, insbesondere bei er- wachsenen Klasse II-Patienten, von großer Bedeutung. Für die okklusale Korrektur nutzen wir bei Klasse II-Fällen die ForsusTM Apparatur*. Vor dem Hintergrund von mehr als zehn Jahren klinischer Erfahrung können wir sagen, dass dieses Gerät alle oben genannten Voraus- setzungen erfüllt und als Teil des initialen Behandlungsplans präsentiert wird. Den- noch haben uns die langjährigen Erfahrun- gen auch gelehrt, dass zur Optimierung des Behandlungsergebnisses und seiner Stabi- lität verschiedenste Faktoren berücksichtigt werden sollten. Diese Faktoren beinhalten z. B. die Kontrolle der gerichteten Kräfte der Apparatur, der Effekt der mandibulären Schneidezahnpo - sition, das Erstellen und Erhalten eines ma- xillären Schneidezahntorques sowie die Be- handlungsplanung unter Bezugnahme der Spitzenwachstumsraten. Seit wir uns auf diese Faktoren konzentrieren, haben sich unsere Therapieergebnisse signifikant ver- bessert. Zudem konnten die Vorhersagbar- keit der Ergebnisse sowie die Behandlungs- dauer verbessert werden. Ein grundlegendes Verständnis des in Ver- bindung mit der ForsusTM Apparatur wir- kenden Kräftesystems ist wichtig bei deren Anwendung. So stehen der Bereich der Kraft - einwirkung und die Richtung der generier- ten Vektoren in direkter Beziehung zur Be- handlungsreaktion. Im Oberkiefer wirken die Kräfte auf die posterioren Zähne und werden horizontal und in einer intrusiven vertikalen Richtung ausgerichtet. Im Unterkiefer wirken die Kräfte auf die an- terioren Zähne, sie werden horizontal und in intrusiver Richtung ausgerichtet. Die Po- sition der ForsusTM Feder in Relation zum Ober- und Unterkiefer bestimmt die Richtung der wirkenden Kräfte (Abb. 1). Es ist wichtig, zu bedenken, dass sich die Angulation der Feder während der Korrektur der Okklusion verändert. So wird sich ein vertikal positio- nierter Forsus nach horizontal verlagern, wenn sich das Verhältnis zwischen Ober- und Unterkiefer ändert. Basierend auf dem Typ der Klasse II-Mal - okklusion kann diese mehr nach vertikal oder horizontal indiziert sein. Zum Beispiel stellte sich eine 15,6 Jahre alte Patientin zur Behandlung eines ausgeprägten Engstands im Ober- und Unterkiefer sowie einer Klasse II-Relation vor. Der nasiolabiale Winkel war stumpf. Darüber hinaus wies die Patientin ei - ne mandibuläre Retrognathie mit einer man- gelhaften mandibulären Projektion und eine steile mandibuläre Ebene mit vergrößerter unterer Gesichtshöhe auf (Abb. 2).
ForsusTM (Vestibulärtechnik) a b c d Abb. 4a–d: Nach der Behandlung (b, d): Klasse I-Relation, verbesserter nasolabialer Winkel und mandibuläre Projektion. Forsus Negative Torque a b c d Abb. 5a–d: Die Forsus-Apparatur verlangt, dass vor ihrer Platzierung Messungen am Patienten mit zentrischer Beziehung oder zentrischer Okklusion vorgenommen werden (a). Der durch Umbiegen gesicherte Bogendraht muss komplett bündig mit der distalen Seite des Brackets sein, um die Schneidezahnkontrolle zu ermöglichen (b). Der Druckstab der ForsusTM Apparatur erzeugt eine entgegengesetzte Kraftwirkung auf die unteren Schneidezähne. Dies resultiert in einem labialen Kronentorque und ei- nem lingualen Wurzeltorque (c). Die Platzierung des ForsusTM Druckstabs distal des ersten Prämolaren stellt die bevorzugte Installationsmethode in unserer Praxis dar (d). Die Herausforderung bei diesem Fall lag darin, die posteriore vertikale Dimension zu kontrollieren. Bei einem nicht mehr wachsenden Patienten wird die verstärkte mandibuläre Projektion nicht durch das Wachstum unterstützt. Den- noch können wir durch eine posteriore ma- xilläre vertikale Kontrolle die untere Ge- sichtshöhe verringern und eine gewisse Au - torotation des Unterkiefers erreichen. Unser Behandlungsplan beinhaltete die Ex - traktion der oberen und unteren zweiten Prä- molaren sowie die Installation der ForsusTM Apparatur in einer Konfiguration, welche zur Vergrößerung der vertikalen Vektoren wäh- rend der Klasse II-Korrektur führte (Abb. 3). Im Ergebnis konnten wir schließlich eine Klasse I-Relation erzielen, den nasolabialen Winkel und die mandibuläre Projektion ver- bessern (Abb. 4). Dieser Korrektur lag die Möglichkeit zugrunde, die posteriore maxil- läre vertikale Dimension durch die Insertion der ForsusTM Apparatur mit einer signifikan- ten vertikalen Kraft zu beeinflussen. Klinisch können wir dies mit einem posterioren High- Pull-Headgear-Effekt vergleichen. Hauptun - terschied hierbei jedoch ist, dass die ForsusTM Apparatur vollständig unabhängig von der Patienten-Compliance ist. Die Kontrolle der mandibulären Schneide- zahnproklination ist wichtig für die Verbes- serung der Behandlungsergebnisse mithilfe initial a Forsus b final a b Forsus, Prämolarenposition c c Abb. 6a–c: Schneidezahn-Angulation vor der Be- handlung (a, b); ForsusTM mit Prämolarenposition (c). Abb. 7a–c: Die mandibuläre Schneidezahnkontrolle wird durch einen Vergleich der initialen (a) und finalen (c) Aufnahmen deutlich. KOMPENDIUM 2013 I 61
ForsusTM (Vestibulärtechnik) a b a b Abb. 8a, b: Eine Veränderung von fünf Grad sind im ANB erkennbar – vier Grad Veränderung vom SNB und ein Grad vom SNA. Abb. 10a, b: Vergleich von initialer (a) und Prä-Forsus-Aufnahme (b). a c d e b f g a c d e b f g Abb. 9a–g: 13-jährige Patientin mit leichtem Engstand im Ober- und Unterkiefer sowie einer Klasse II/2-Malokklusion mit Tiefbiss. Abb. 11a–g: Nach der Behandlung. Die Bildung von Overjet und maxillären Torque so- wie das Vermögen, den maxillären Torque während der Klasse II-Korrektur zu erhalten, stellen wichtige Faktoren hinsichtlich der Erreichung unseres Behandlungsziels dar. der ForsusTM Apparatur. So kann diese ein unerwünschter Nebeneffekt von vielen un- serer Biomechaniken sein. Durch Lösen des Engstands, der Nivellierung der mandibulä- ren Spee’schen Kurve und Klasse II-Mechani- ken zur Korrektur der Okklusion kann es zur exzessiven Proklination der Schneidezähne kommen. Befinden sich die oberen Schnei- dezähne in einer ästhetischen Position mit angestrebtem Torque, muss die Position der unteren Schneidezähne die Kopplung der an- terioren Zähne zulassen, während die poste- rioren Segmente in Klasse I-Beziehung posi- tioniert werden. Eine exzessive Proklination der unteren Schneidezähne kann diese ok- klusale Beziehung unmöglich machen. Zur Kontrolle der unteren Schneidezähne während der Anwendung der ForsusTM Appa- ratur bei Klasse II-Patienten haben wir Richt- linien erstellt. Die erste dieser Richtlinien sieht eine angemessene Aktivierung der Apparatur vor. Entsprechend den Herstel- lerhinweisen zur Installation entsteht eine Kraftwirkung von etwa 500 g. Viele festsit- zende Apparaturen zur Klasse II-Korrektur werden in einer protrudierten Klasse I-Po- sition hergestellt. Forsus unterscheidet sich von diesen Geräten und setzt das Messen am Patienten mit zentrischer Beziehung oder zentrischer Okklusion voraus (Abb. 5a). Die Auswahl der Steggröße, ohne dass der Patient in zentrischer Beziehung oder zen- trischer Okklusion ist, würde in einem zu langen Steg resultieren, wodurch es zur Überaktivierung der Apparatur käme. Den häufigsten Nebeneffekt einer solchen Über- aktivierung stellt die Proklination der unte- ren Schneidezähne dar. Ein Sichern des mandibulären Bogens distal des terminalen Molaren ist wichtig für die Kontrolle der mandibulären Schneidezahn- position. Der durch Umbiegen gesicherte Bo- gendraht muss dabei komplett bündig mit der distalen Seite des Brackets sein (Abb. 5b). Ist dies nicht der Fall, können sich Lücken im unteren Prämolarenbereich bilden oder es kann zu einer Entzündung der Schneide- zähne kommen. Die Auswahl einer Bracket-Prescription mit negativen Torque-Werten für die unteren Schneidezähne kann ebenfalls zur Kontrolle dieser Zähne beitragen. Die MBT-Prescrip- tion, welche wir verwenden, hat einen nega- tiven Torque von sechs Grad an den unteren Schneidezähnen. Wenn sich der Slot füllt, wird ein gesicherter mandibulärer Bogen in- seriert. Der negative Torque an den Schnei- 62 I KOMPENDIUM 2013
dezahnbrackets generiert dabei eine Kraft, die wiederum einen lingualen Kronen- und labialen Wurzeltorque erzeugt. Der ForsusTM Druckstab löst eine entgegen- gesetzte Krafteinwirkung auf die unteren Schneidezähne aus. Er lässt einen labialen Kronen- und lingualen Wurzeltorque ent- stehen (Abb. 5c). Ziel ist es, diese zwei Kräfte einander entgegenzustellen, sodass sie sich gegenseitig aufheben und die Schneide- zahnposition kontrolliert wird. Wird kein Bracket mit negativem Torque verwendet oder ist ein zusätzlicher lingualer Kronen- torque notwendig, kann der Torque vor der Platzierung auf den anterioren Bereich des mandibulären Bogens gerichtet werden. Die ursprüngliche Empfehlung des Herstel- lers zur Installation der ForsusTM Apparatur besagte, dass der mandibuläre Druckstab distal zum unteren Eckzahn platziert werden sollte. Mit der Motivation, den Patienten- komfort zu verbessern und die Apparatur weniger sichtbar im Mund des Patienten er- scheinen zu lassen, platzieren wir den Druck- stab distal zum ersten Prämolaren. Diese Variante stellt mittlerweile unsere bevor- zugte Installationsart dar (Abb. 5d). So ver- bessert die Prämolarenposition nicht nur deutlich den Patientenkomfort und die Ge- räteakzeptanz, sondern unterstützt auch die Kontrolle der unteren Schneidezähne. Un- sere klinische Erfahrung hat gezeigt, dass die Prämolarenposition des Druckstabs die a Past peak growth b initial final CS 1 CS 2 CS 3 CS 4 CS 5 CS 6 Abb. 13: Nach Analyse der initialen und finalen Aufnahmen wird deutlich, dass die Patientin ihren Wachstums- höhepunkt bereits überschritten hatte. ForsusTM (Vestibulärtechnik) a b c d e f g Abb. 14a–g:13-jähriger Patient mit einer Klasse II-Malokklusion, leichtem Engstand im Ober- und Unter kiefer sowie einer anterior-posterioren Diskrepanz von Ober- zu Unterkiefer. Proklination der Schneidezähne um 50 % reduziert hat. Es gibt viele Behandler, die den mandibu - lären Druckstab der Apparatur distal zum ersten Prämolaren statt zum Eckzahn posi- tionieren. Diese Variante ist bereits weitge- hend akzeptiert. Dennoch muss hierbei be- achtet werden, dass diese Platzierung nicht bei allen Patienten möglich sein könnte. Hier muss man den horizontalen und vertikalen Winkel der Feder sowie die Richtung der ge- nerierten Vektorkräfte berücksichtigen. Bei Patienten mit einer ausgeprägten Klasse II kann die Prämolarenplatzierung dazu füh- ren, dass die ForsusTM Feder zu weit vertikal positioniert ist, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Bei einigen Patienten Abb. 12a, b:Initiale (a) und finale FRS-Aufnahme (b). kann die Prämolarenplatzierung auch zu ei- ner Überaktivierung der Appa ratur führen, sogar, wenn der kürzeste Einstellstab ver- wendet wird. In solchen Situationen plat- zieren wir zuerst die Apparatur am Eckzahn und bewegen den Stab dann in Richtung Prämolar, wenn sich die Okklusion verbes- sert. Das bringt uns den Vorteil einer korrek- ten Aktivierung im gesamten Behandlungs- verlauf, kombiniert mit dem Vorteil der Schneidezahnkontrolle. Die beschriebenen Prinzipien zur Kontrolle der mandibulären Schneidezahnposition wur den beim folgenden Patientenfall an- gewendet: Ein zwölf Jah re alter Patient stellte sich mit einer moderaten Klasse II- Mal okklusion vor. Die Herausfor- derung bei diesem klinischen Fall lag in der mandibulären Schnei- dezahnproklination. Die Schnei- dezähne hatten bereits einen IMPA von 110 Grad, dieser Wert gibt das Verhältnis der Schneidezähne zur mandibulären Ebene an (Abb. 6a). Die bestehende Angulation führt zu einer Situation, in der der Overjet elimi- niert werden würde, bevor eine gesetzte Klasse I-Relation in den bukkalen Bereichen etabliert und die ANB-Differenz zwischen Ober- und Unterkiefer ausgeglichen werden kann. Es muss zudem bedacht werden, dass Klasse II-Mechanismen die Proklination ver- stärken können. Daher war die Kontrolle der unteren Schneidezähne ein wichtiger Aspekt für ein letztlich erfolgreiches Behandlungs- ergebnis. Die unteren Schneidezähne soll- ten stärker aufgerichtet werden, um die Er- gebnisse der Behandlung zu optimieren. Eine ideal aktivierte ForsusTM Apparatur wurde mit der Einstellstange am ersten un- KOMPENDIUM 2013 I 63
ForsusTM (Vestibulärtechnik) a b c d e f g Abb. 16a–g: Finale intraorale Aufnahmen. 64 I KOMPENDIUM 2013 Um mithilfe der ForsusTM Apparatur opti- male Ergebnisse zu erzielen, ist der maxil- läre Schneidezahntorque so wichtig wie der mandibuläre Schneidezahntorque. Erste rer spielt eine wichtige Rolle im Hinblick auf ein ästhetisches Lächeln, das faziale Profil sowie die Lage der Lippen. Der maxilläre Schneidezahntorque ist darüber hinaus ein bestimmender Faktor beim Erreichen einer Klasse I-Okklusion in den bukka- len Segmenten. So besitzen obere Schneidezähne mit inadäquatem Torque nicht nur eine beeinträch- tigte Ästhetik, sondern beschränken zudem unsere Möglichkeit zur Korrektur einer ante- rioren oder posterioren Diskrepanz zwischen Ober- und Unterkiefer. Daher ist es wichtig, einen adäquaten maxillären Schneidezahn- torque vor der Klasse II-Korrektur umzuset- zen. Ebenso wichtig ist die Erhaltung dieses Torques während der Klasse II-Korrektur. Ein unzureichender maxillärer Schneide- zahntorque tritt oft bei Klasse II/2-Patienten auf. Eine 13-jährige Patientin stellte sich mit einem leichten Engstand im Ober- und Un - terkiefer und einer Klasse II/2-Malokklusion mit Tiefbiss vor. Fazial hatte sie ein flaches Profil mit einer mangelhaft ausgeprägten Lip - penfülle und einem retro- gnathen Unterkiefer. Darüber hinaus zeigte sich beim Lächeln ein unzurei- chendes Schneidezahnprofil. Unser Behand- lungsplan beinhaltete die Eingliederung der ForsusTM Apparatur zur Klasse II-Korrektur sowie die Öffnung des Bisses durch mandi- bulare Schneidezahnintrusion (Abb. 9). Vor der Klasse II-Korrektur sollte mithilfe des maxillären Schneidezahntorques genug Over- jet geschaffen werden, um die Klasse II-Rela- Abb. 17a–c: FRS-Aufnahmen vor (a) und nach Behandlung (b) sowie drei Jahre nach Be- handlungsende (c). Abb. 15: FRS vor Behand- lungsbeginn. teren Prämolaren zur Klasse II- Korrektur inseriert (Abb. 6b). Ein MBT-Pre - scription-Bracket mit negativen Torque von sechs Grad an den unteren Schneidezähnen wurde eingesetzt und der mandibuläre Bo- gendraht distal des ersten Molaren gesichert. Der maxilläre Bogen wurde vom ersten bis ersten Molaren gesichert, um die maxilläre Molarendistalisation einzuschränken, wo- durch die Behandlungsreaktion im Unter- kiefer positiv beeinflusst werden kann. Bei einem Vergleich von initialer FRS, der FRS-Aufnahme zum Zeitpunkt der aktivierten ForsusTM Apparatur und den abschließenden FRS-Aufnahmen kann eine Kontrolle der un- teren Schneidezähne nachgewiesen werden (Abb. 7). Die initiale zeigt im Vergleich zur finalen Aufnahme einen finalen IMPA-Wert, der eine um vier Grad höhere Aufrichtung angibt. Die unteren Schneidezähne wurden trotz Anwendung einer festsitzenden Klasse II- Apparatur stärker aufgerichtet. Diese Aufrich- tung gestattete es uns, die fazialen Ver ände - rungen sowie die Beziehung zwischen Ober- und Unterkiefer zu optimieren. So konn te eine Veränderung von fünf Grad im ANB festge- stellt werden, wovon vier Grad vom SNB und ein Grad vom SNA stammen (Abb. 8). initial a final b Nach dreijähriger Retention c tion zu korrigieren. Die Biss öff - nung durch mandibuläre Intru- sion wurde im Rahmen der Klasse II-Korrek- tur erreicht. Der vertikale Vektor, der mit dem mandibulären Druckstab zusammenhängt, kann zur Intrusion der unteren Schneide- zähne während der Klasse II-Korrektur ver- wendet werden. Um die mandibuläre Intru- sion weiter zu verstärken, wurde ein Bogen zur Bissöffnung im Unterkiefer bereits vor der Platzierung befestigt. Im Vergleich der initialen FRS-Aufnahmen mit denen vor Einsatz der Apparatur kann das notwen- dige Maß für Overjet und maxillären Torque für die Klasse II-Korrektur ermittelt werden (Abb. 10). Ohne Overjet und maxillären Torque wäre die Klasse II-Korrektur nicht möglich ge- wesen. Die Erhaltung des maxillären Torques während der Klasse II-Korrektur ist ebenfalls wichtig, um die avisierten Behandlungsziele zu erreichen (Abb. 11). Bei der Evaluierung unserer Ergebnisse konnten wir eine gut ausgerichtete Denti- tion in einer Klasse I-Relation erzielen. Der Biss wurde durch die mandibuläre Intru- sion geöffnet und eine geringe Verbesserung
ForsusTM (Vestibulärtechnik) hinsichtlich der Ansicht der oberen Schnei- dezähne beim Lächeln konnte erzielt wer- den. Ein verbessertes faziales Profil mit ver- größerter Lippenfülle und fazialer Balance wurde ebenfalls beobachtet. Dennoch zeigte sich bei der Analyse der initialen und finalen FRS-Aufnahmen, dass mehr dentoalveoläre Kompensation stattfand als optimal gewe- sen wäre (Abb. 12). Eine genauere Beobach- tung durch die CVM-Methode skelettaler Maturation machte schließlich deutlich, dass sich unsere Patientin bereits jenseits ihres Wachstumshöhepunkts befand. Beim Ver- gleich der zervikalen Wirbelknochen zeigte sich wenig bis gar keine Veränderung ihrer Dimension und Größe zwischen der ersten und den finalen Aufnahmen. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass unsere Patientin ihren Wachstumshöhepunkt bereits über- schritten hatte (Abb. 13). Wenn Patienten jen- seits des Wachstumshöhepunktes behan- delt werden, kann der Behandlungserfolg bei Anwendung der ForsusTM Apparatur eine größere dentoalveoläre Kompensation be- wirken, als vor Erreichen des Wachstums- höhepunktes. Daher ist der hier letztgenannte Faktor für eine optimale Klasse II-Korrektur mithilfe der ForsusTM Apparatur die Behandlungspla- nung. Unser Behandlungsprotokoll besagte früher, dass wir bis zum Durchbruch der ge - samten Dentition warteten. Dann glichen wir Ober- und Unterkiefer einander an, richteten sie aus und nahmen anschließend die Instal- lation der ForsusTM Apparatur und Klasse II- Korrektur vor. Doch wir haben erkannt, dass wir uns anstelle der dentalen Entwicklung des Patienten auf die skelettale Reife und das skelettale Wachstum konzentrieren müssen, um den Behandlungserfolg zu optimieren. Aufgrund von Variationen beim Zahndurch- bruch hat es sich oft gezeigt, dass wir durch das Warten den Wachstumshöhepunkt über- schreiten und somit die Möglichkeit für eine Wachstumsmodifikation verpassen. Deshalb handhaben wir es heute so, dass nicht mehr die gesamte Dentition durchgebrochen sein muss, sondern nur genügend Zähne des blei- benden Gebisses, um die Schneidezähne zu kontrollieren. Hier kommen partiales Bonding, Klasse II-Korrektur und ein Bonding der ver- bleibenden Dentition, die während oder nach der Klasse II-Korrektur durchbricht, infrage. Der folgende Fall bietet ein Beispiel für ei- nen Patienten, bei dem ein solches Behand- a b c d e f g Abb. 18a–g: Intraorale Aufnahmen drei Jahre nach Behandlungsende. lungsprotokoll angewendet wurde (Abb. 14). Ein 13-jähriger Patient stellte sich mit Klasse II-Malokklusion, leichtem Engstand im Ober- und Unterkiefer und einer anterior- posterioren Diskrepanz zwischen OK und UK vor. Der Patient befand sich in der frühen Phase des Wechselgebisses mit einem ver- zögerten Durchbruch. Unsere zephalometri- sche Analyse und CVM zeigten, dass dies ein idealer Zeitpunkt war, um die Therapie mit- hilfe einer festsitzenden Apparatur zu initiie- ren (Abb. 15). Nach unserer Einschätzung würde sich der Patient nach der initialen Bondingphase in der Klasse II-Korrektur be- finden, in der die ForsusTM Apparatur über acht Monate platziert sein würde. Der Durch- bruch der Zähne wurde in zwölf bis 18 Mona- ten erwartet, sodass wir den Wachstumshö- hepunkt verpasst hätten. Der Behandlungs- plan beinhaltete ein partielles Bonding der Zähne, die Platzierung der ForsusTM Appara- tur, die Korrektur der Klasse II-Relation sowie das Bonding der verbleibenden Zähne nach erfolgter Klas se II-Korrektur. Die Behand- lungsergebnisse (Patientenalter: 15 Jahre) sind in Abbildung 16 dargestellt. Die Nachbe- handlung wird anhand der initialen, finalen und Retentions-FRS-Aufnahmen des Patien- ten im Alter von 18 Jahren, drei Jahre nach der Behandlung (Abb. 17, 18) dargestellt. Die ForsusTM Apparatur wird von Patienten unabhängig ihrer Compliance akzeptiert und ist leicht durch den Anwender zu kontrol- lieren. Betrachtet man die Faktoren, die zu einer optimalen Anwendung zur Klasse II- Korrektur notwendig sind, kann der Behand- lungserfolg vorhersagbar erreicht werden. Ein grundlegendes Verständnis der durch die Apparatur generierten Vektoren sowie das Wissen, wie diese im System angewendet und manipuliert werden können, ist von Vorteil. Eine maximale Korrektur kann er- reicht werden, wenn die beschriebenen Tech- niken zur Kontrolle der unteren Schneide- zähne und zum Erstellen eines maxillären Schneidezahntorques angewendet werden. Hinsichtlich der Behandlungsplanung kann die Klasse II-Korrektur zum Zeitpunkt des Wachstumshöhepunkts unabhängig von der dentalen Entwicklung die Behandlungs - ergebnisse weiter verbessern. Die ForsusTM Apparatur kann für die Korrektur einer Viel- zahl von Klasse II-Malokklusionen ange- wendet werden. *Fa. 3M Unitek, www.3munitek.de Kurzvita Lisa Alvetro, DDS, MSD [Autoreninfo] Adresse Lisa Alvetro, DDS, MSD 1102 Fairington Drive Sidney OH 45365 USA Tel.: +1 937-492-3200 Fax: +1 937-497-7121 info@alvetroortho.com www.alvetroortho.com KOMPENDIUM 2013 I 65
Einsatz von Gaumenverankerungsplatten bei Klasse II-Therapie b Im Rahmen des diesjährigen AAO-Kongresses stellten Professor Dr. Yoon-Ah Kook (Seoul/Korea) und Assistant Professor Dr. Mohamed Bayome (Seoul/Korea und Asuncion/Paraguay) ihre Ergebnisse zum Einsatz von Gaumenverankerungsplat- ten bei der Behandlung von Klasse II-Malokklusionen vor. KNsprach mit ihnen. a Abb. 1a–c: Gaumen- platte in situ. c „Hohe Akzeptanz der Apparatur“ Was sind die Vorteile der Gaumenveran - kerungsplatten im Vergleich zu am Gaumen verankerten Mini-Implantaten? Die Gaumenplatte bietet im Vergleich zum Platzieren eines oder mehrerer Mini-Implan- tate am Gaumen diverse Vorteile: 1. Kontrolle der vertikalen Dimension und der Molarenkippung: Die Gaumenplatte gibt dem Anwender verschiedene Optionen, um den Kraftvektor durch Auswahl der opti - mals ten Einkerbung (vier Einkerbungen pro Arm bei unterschiedlichen vertikalen Winkeln) zu beeinflussen. Die Auswahl der Ker be kontrolliert die vertikale Dimension und das Ausmaß der Molarenkippung. Wenn die Kerbe, die am meisten apikal liegt, verwendet wird, entstehen eine körperliche Bewegung und Intrusion. Ein solcher Vorteil a b c Abb. 2a–c: Distalisierungsmechanik. (Quelle Abb. 1a–c; 2a, b: Kook et al. Design Improvements in the Modified C-Palatal Plate for Molar Distalization. J Clin Orthod. 2013 Apr;47(4):241–8) 66 I KOMPENDIUM 2013 ist nur schwer allein durch palatinale Mini- Implantate zu erzielen. 2. Einfaches Handling:Die Gaumenplatte wird mithilfe von drei Mini-Implantaten durch einen individuell angefertigten Jig im pa - ramedianen Bereich abseits von jeglicher anatomischer Struktur platziert. Sobald die Mini-Implantate eingesetzt wurden, sollten die Gummizüge oder Federn an den Armen der Gaumenplatte eingesetzt werden, damit die Kräfte wirken können. Dennoch ist es bei der alleinigen Verwendung von palatinalen Mini-Implantaten notwendig, einen indivi- duell angefertigten Draht zu platzieren und diesen an den Mini-Implantaten zu befesti- gen, sei es mithilfe von Metallligaturen oder Kompositharz. Dies ist ein aufwendiger Pro- zess, der hohe Präzision verlangt und viel Zeit und Mühe fordert. 3. Hält auch großer Krafteinwirkung stand: Da die Gaumenplatte mit drei Mini-Implanta- ten fixiert wird, kann sie auch großen Kräf- ten, die für die Retraktion des gesamten Zahnbogens notwendig sind, standhalten. Auch können zwei Mini-Implantate auf der
Einfache Montage. Hoher Patientenkomfort. Ihre beste Wahl für die Klasse II-Korrektur. Nur von TP Orthodontics Flip-Lock® HERBST® „Die Flip-Lock® HERBST®- Apparatur bietet langfristig stabile Ergebnisse, eine gute Patientenakzeptanz, ein einfaches Handling, ist wenig reparaturanfällig und vermeidet nicht zuletzt Extraktionen und chirurgische Eingrif e bei der Bisskorrektur.“ — Dr. Podolsky, Dingolfi ng Mehr Infos auf TPOrtho.com oder unter unserer kostenlosen Rufnummer — 0800 1 814719. Freie Unterkieferbewegung Das einfache Kugelgelenk-Design und der Kolbenmechanismus gewährleisten eine bessere Bewegungsfreiheit. Einfache Montage Der Kolben und das Gleitrohr können manuell auf den Kugelgelenken befestigt werden – keine speziellen Instrumente erforderlich. Reduzierte okklusale Interferenz Das „Low-Profi le“ sowie das „Step-Down“- Design des Auslegers wurden entwickelt, um den Patientenkomfort zu verbessern und okklusale Störungen zu reduzieren. Verbesserter Patientenkomfort Das einzigartige Design gewährleistet normales Kauen, Schlucken, Sprechen und Atmen – dies wiederum unterstützt einen besseren Behandlungsverlauf. Flip-Lock ist eine eingetragene Marke von TP Orthodontics, Inc., die unter den folgenden Patentnummern hergestellt wird: US 5, 620, 321. HERBST ist eine eingetragene Marke von Dentaurum, Inc. ©2013 TP Orthodontics, Inc.
Einsatz von Gaumenverankerungsplatten bei Klasse II-Therapie A (3–4 mm) B (3–7 mm) C (3–10 mm) Abb. 3 bis 5: Distalisierungsmechanik, Auswirkungen auf ersten Molaren. (Quelle Abb. 2c, 3–5: Yu et al.: Comparison of tooth displacement between buccal mini-implants and palatal plate anchorage for molar distalization: a finite element study. Eur J Orthod, 2011, Nov 2. [Epub ahead of print]) Rückseite und eins an der Vorderseite eine Beeinträchtigung des palatinalen Weich - gewebes verhindern. Ein einzelnes oder zwei Mini-Implantate reichen hingegen nicht aus, solchen Kräften zu widerstehen. 4. Mundhygiene: Die 2,5mm langen Schrauben - tubes am Korpus der Gaumenplatte sorgen für eine höhere Stabilität der Platte in der Mundhöhle. Sie verringern die Mikrobe - wegungen der Platte unter Einwirkung der Kräfte und bieten eine bessere Schnittstelle mit dem Weichgewebe. Daher reduziert dieses Design Entzündungen im Umfeld der Apparatur. 5. Patientenkomfort: Weil die Gaumenplatte so angepasst werden kann, dass vor Insertion am Modell 2mm Abstand zur Gaumenober- fläche verbleiben, ist dies für den Patienten nur minimal unangenehm und die Akzep- tanz für die Apparatur entsprechend hoch. Wie invasiv schätzen Sie das Verfahren bei Jugendlichen ein? Der Insertionsprozess der Gaumenplatte ist sowohl bei Erwachsenen als auch Jugend- lichen einfach und nicht invasiv. Weder Lap- penbildung noch Weichgewebestanzen sind erforderlich, da die Platte durch das Weich- gewebe hindurch eingesetzt wird. Es ist zu- nächst eine örtliche Betäubung notwendig. Dann werden die selbstbohrenden Mini-Im- plantate mithilfe eines Winkelhandstück-Mo- tors mit geringer Geschwindigkeit und hohem Drehmoment in die Schraubentubes gedreht. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung der Inser- tion wurde von Kook et al. (J Clin Orthod. Dec. 2010 und Apr. 2013) publiziert. Gibt es Langzeitergebnisse hinsichtlich der Molarendistalisation im Oberkiefer? Wir haben viele Fälle mit erwachsenen und jugendlichen Patienten. Gerade bereiten wir einen Artikel zu den Ergebnissen der Behand- lung mit der Gaumenplatte vor, den wir bald zur Verfügung stellen werden. Für die Evalua- tion der Langzeitstabilität könnte jedoch ein weiteres Jahr notwendig sein, um genügend Fallbeispiele zusammenzutragen. Dennoch haben die klinischen Fälle mit Gaumenplatte bisher in den Nachsorge-Check-ups eine gute Retention der Okklusion ohne Anzeichen für ein Rezidiv gezeigt. Empfehlen Sie ein CBCT vor dem Platzieren der Gaumenplatten? CBCT-Aufnahmen vor Platzierung der Gau- menplatte sind nicht erforderlich. Jedoch könnte es in einigen Fällen, in denen von einer dünnen palatinalen Knochenplatte ausge- gangen wird, ratsam sein, eine CBCT-Auf- nahme anzufertigen, um die Dicke des Gau- menknochens zu messen. So kann die pas- sende Länge der Mini-Implantate zur Fixie- rung der Gaumenplatte ausgewählt werden. Kurzvita Yoon-Ah Kook, DDS, PhD [Autoreninfo] Mohamed Bayome, BDS, MMS, PhD [Autoreninfo] Adresse Yoon-Ah Kook, DDS, PhD Department of Orthodontics Seoul St. Mary’s Hospital Catholic University of Korea 222 Banpo-Daero Seochogu, Seoul 137-701, Südkorea Tel.: +82 2 2258-1777 kook190036@yahoo.com Kook2002@catholic.ac.kr 68 I KOMPENDIUM 2013
ââ Spezialisten-Newsletter Fachwissen auf den Punkt gebracht Jetzt anmelden! Anmeldeformular Spezialisten-Newsletter www.zwp-online.info/newsletter
MALU Dr. Jakub Malinowski und Katarzyna Jastrzębska untersuch- ten im Rahmen einer Studie, inwieweit die modifizierte Herbst-Apparatur MALU als Alternative zur chirurgischen Vorgehensweise bei der Therapie erwachsener Patienten der Klasse II erfolgreich eingesetzt werden kann. Abb. 1a–f: MALU-Bestandteile: Ball-Pin (a), obere Gelenkachsen (b), Röhrchen (c), Schäfte (d), untere Gelenkachsen (e) und Brass-Pin (f). – Abb. 2: Der angepasste untere .021⬙ x .025⬙er Bogen. Abb. 1 Abb. 2 Klasse II-Behandlung Erwachsener mithilfe der MALU-Apparatur Einleitung Die Behandlung der Klasse II bei erwachse- nen Patienten wird oft zu einer echten Heraus- forderung für den Kieferorthopäden. Erforder- lich sind hierbei ein genauer Befund wie auch die Entwicklung eines Behandlungs- plans, dessen Ziel nicht nur die korrekte Ver- zahnung, sondern auch Verbesserung der Ästhetik ist. Bei erwachsenen Patienten mit einer Klasse II-Malokklusion stehen uns bei kleineren SNB- und SNP-Winkeln drei Be- handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die erste dieser drei Optionen stellt die kie- ferorthopädische Camouflage-Behandlung dar Ifd. Nr Patient F/M Alter SNB ANB Wits Ifd. Nr Patient F/M Alter SNB ANB Wits Ifd. Nr Patient F/M Alter SNB ANB Wits 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. B.D. B.S. B.M. B.I. C.M. D.S. R.M. F.M. J.B. K.P. W.R. L.R. M.T. M.M. P.K. P.P. Z.N. ˚.L. K K K K K M K K M M K M M M K M K M 28 20 23 26 33 24 25 29 27 21 23 28 25 31 26 24 26 20 75,3 81,6 77,1 76,2 72,7 79,8 79,1 78,8 83,6 77,4 74,3 76,4 81,6 74,1 80,5 79,8 82,8 76,9 2,2 5,3 4,8 6,2 5,8 6,7 3 4,9 4,4 4,9 6,9 3,5 0,1 3,1 4,1 4,5 1,4 5,3 2,7 6,6 5,2 6 5 7,1 2,8 1,4 8,7 3,4 4,9 4,7 1,2 12,5 5,3 6,7 1,3 2,6 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. B.D. B.S. B.M. B.I. C.M. D.S. R.M. F.M. J.B. K.P. W.R. L.R. M.T. M.M. P.K. P.P. Z.N. ˚.L. K K K K K M K K M M K M M M K M K M 28 20 23 26 33 24 25 29 27 21 23 28 25 31 26 24 26 20 77,2 79,3 78 78,3 72,8 82,2 81,1 79,2 86,9 78,9 75,6 78,1 0,2 2,8 3,8 4,5 6 5 2,3 3,6 1,1 4,6 7,2 2,5 –1 –1,1 0,9 0 1,5 0,9 –1 –0,8 0,9 2,8 0,9 1 82,6 –1,7 –0,7 75,9 81,3 79,9 83,2 77,1 3,8 4 4,3 0,6 5 3,4 1,8 0,8 –1,1 0,6 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. B.D. B.S. B.M. B.I. C.M. D.S. R.M. F.M. J.B. K.P. W.R. L.R. M.T. M.M. P.K. P.P. Z.N. ˚.L. K K K K K M K K M M K M M M K M K M 28 20 23 26 33 24 25 29 27 21 23 28 25 31 26 24 26 20 76,9 80,6 77,3 79,2 73,4 82,6 79,7 81,9 87,5 78,9 76,5 78,7 0,2 2,1 5,2 1,9 3,4 2,4 1,7 3,5 0,2 4,6 6 –0,2 –1,3 1,5 –1,9 1,5 –1,1 –0,4 –1,9 0,5 2,8 0,3 2,3 –0,4 82,6 –2,5 –1,6 75,8 79,5 83,5 87,5 79,4 3,6 3,8 0,2 0,6 4,4 7,2 1,5 –2,4 –2,5 1,7 Tab. 1: Die Werte von SNB, ANB und Wits vor der Behandlung. Tab. 2: Die Werte von SNB, ANB und Wits nach der Behandlung mit MALU. Tab. 3: Die Werte von SNB, ANB und Wits nach Abschluss der Behandlung. 70 I KOMPENDIUM 2013
– Extraktion der oberen Prämolaren und da- durch „Tarnung“ des Problems. Das eigent - liche Problem der Klasse II, nämlich die Un - terkieferretrusion, ist jedoch weiterhin nicht gelöst. Die zweite Möglichkeit ist ein orthognather Eingriff. Leider sind nicht alle Patienten zu dieser chirurgischen Operation bereit, denn sie akzeptieren das eigene Profil und bemer- ken dabei oft nicht das Problem, wenn der Unterkiefer auch zu klein ist. Akzeptiert wird dieser Therapieplan hingegen grundsätzlich von Patienten mit einem ausgeprägten Tief- biss, da diese von Anfang an auf eine kom- plexe kieferorthopädisch-chirurgische Be- handlung eingestellt sind. Die dritte Lösung ist der Einsatz der Herbst- Apparatur bzw. modifizierten Herbst-Appa- ratur. In den letzten Jahren wurde die Effi- zienz dieses Verfahrens der Klasse II-Be- handlung nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen nachgewiesen.1–6 Im vorliegenden Beitrag wird die Behandlung Erwachsener der Klasse II/1 und II/2 mithilfe der modifizierten Herbst-Apparatur (MALU) dargestellt. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden ver- breitet Apparaturen zur Klasse II-Korrektur eingesetzt, die keine Mitarbeit des Patienten erfordern.3 Die hier dargestellte MALU-Ap- paratur (Mandibular Advancement Locking Unit, Fa. Saga Dental Supply AS, Norwegen, Dr. Swadesh Kumar)* stellt eine Modifikation der Herbst-Apparatur dar. Ihre Vorteile sind u. a. ein relativ niedriger Preis, da man auf Laborarbeiten verzichten kann, als auch das einfache Einsetzen des Geräts. Die Appa - ratur kann sowohl bei Kindern als auch Er- wachsenen eingesetzt werden. Dabei wird die Korrektur der Klasse II durch Mesialisie- rung der Unterkieferdentition und eine Un - terkieferrepositionierung erreicht.4 Die Bauelemente der MALU-Apparatur (Abb. 1a–f) sind folgende: zwei Schäfte (Bol- zen), zwei Röhrchen, zwei Ball-Pins, zwei Messing-Pins, zwei obere und zwei untere Vor der Nach der Behandlung MALU Behandlung Nach SNB ANB Wits 78,2 4,3 4,9 79,3 3,3 0,5 80,1 2,4 0,2 Tab. 4: Die Werte SNB, ANB und Wits vor der Be- handlung, nach der Behandlung mit MALU und nach Behandlungsabschluss. MALU FALL 1 (Abb. 3 bis 10, Tabelle 5) a b c d e Abb. 3a–e: Patient M.T., intraorale Aufnahmen vor kieferorthopädischer Behandlung. a b c d Abb. 4a–d: Patient M.T., extraorale Aufnahmen vor kieferorthopädischer Behandlung. a b c Abb. 5a–c: Patient M.T., intraorale Aufnahmen mit eingesetzter MALU-Apparatur. KOMPENDIUM 2013 I 71
MALU FALL 1 (Abb. 3 bis 10, Tabelle 5) a c b d a b c d e Abb. 6a–d: Patient M.T., extraorale Aufnahmen mit eingesetzter MALU-Apparatur. Abb. 7a–e: Patient M.T., intraorale Aufnahmen nach kieferorthopädischer Behandlung. Achsen. Im Oberkiefer wird meistens ein .019⬙ x .025⬙ Stahlbogen und im Unterkiefer ein .021⬙ x .025⬙ Stahlbogen Cobra einge- setzt. Die verwendeten Brackets sollten über einen .022⬙er Slot verfügen. Tip-Back-Biegungen mesial vor den ersten unteren Molaren ermöglichen die Kontrolle der unteren Schneidezähne und dienen der besseren Verankerung. In Abbildung 2 ist der angepasste untere .021⬙ x .025⬙ Bogen zu sehen. Sowohl der obere als auch der untere Bogen wurden mit Metallligaturen ligiert. Distal der Zähne 16, 26, 36 und 46 wurden feste Bent-Backs gebogen. Die Röhrchen mit den oberen Achsen wer- den mittels Ball-Pins in den Headgear-Röhr- chen an den oberen Bändern befestigt. Die Schäfte mit den unteren Achsen werden mittels Brass-Pins direkt an den unteren Bo- gen distal der Zähnen 33 und 43 befestigt. Die Längen der Schäfte und Röhrchen müssen da bei so angepasst werden, dass der Biss des Patienten Kontakt mit den Schneidezähnen aufweist und die Mittellinien des Ober- und Unterkiefers übereinstimmen. Die Behandlung mithilfe der MALU-Appara- tur kann in insgesamt vier Schritte eingeteilt werden. Schritt 1 Einsetzen der Multiband-Apparatur im Ober- und der partiellen Apparatur im Unterkiefer. Hier wird auf das Kleben der Brackets auf die unteren zweiten Prämolaren verzichtet. An den Zähnen 33 und 43 werden für eine bes- sere Stabilität der Apparatur Bänder zemen- a b c d Abb. 8a–d: Patient M.T., extraorale Aufnahmen nach kieferorthopädischer Behandlung. Abb. 9a Abb. 9b Abb. 10a Abb. 10b Abb. 9a, b: Patient M.T., FRS (a) und OPG (b) vor Behandlungsbeginn. – Abb. 10a, b: Patient M.T., FRS (a) und OPG (b) nach erfolgter Behandlung. Patient 1, M.T. Vor der Behandlung Nach MALU Nach der Behandlung SNB ANB Wits 1+:NA 1-:NB 81,6 0,1 1,2 19,4 4,8 82,6 –1,7 –0,7 25 21,1 82,6 –2,5 –1,6 34,2 20,9 Tabelle 5: Patient M.T.: Die Werte von SNB, ANB, Wits, 1+:NA und 1-:NB vor der Behandlung, nach der Behandlung mit MALU und nach kieferorthopädischer Behandlung. 72 I KOMPENDIUM 2013
tiert oder Brackets mit einer größeren Basis geklebt. Seit Neuestem kleben wir Brackets auch an den ersten unteren Prämolaren. Dieses Verfahren sichert eine noch bessere Stabilität der Apparatur und eine verbes- serte Kontrolle der Zahnstellung im Unter- kiefer. An den Zähnen 33, 43, 34 und 44 wer- den Micro Bond Master Series Brackets (Fa. American Orthodontics) befestigt. Das Hauptziel dieser ersten Phase besteht darin, die Breite des oberen und unteren Zahnbogens zu korrigieren. Gleichzeitig sol- len bei einer Klasse II/2 die oberen Front- zähne protrudiert werden, um eine mög- lichst freie Bewegung des Unterkiefers nach vorn zu ermöglichen. Bei Fällen der Klasse II/1 mit protrudierten Schneidezähnen im Ober- kiefer und bestehenden Lücken sollte man zunächst die Lücken schließen. Die Nivellie- rungsphase dauert ungefähr fünf bis sechs Monate. Schritt 2 Einsetzen der MALU-Apparatur für neun bis zwölf Monate. Kieferorthopädische Kontrol - le und eventuelle Aktivierung der Apparatur durch Hinzufügen der Distanzringe (1 bis 5 mm) an den unteren Schäften. Bei einem starken horizontalen Überbiss zu Beginn der Behandlung sollte die erste Aktivierung unter 8 mm liegen. Bei weite- ren Kontrollterminen kann die Apparatur wieder aktiviert werden, was nahezu zu einer Schneidezahnstellung im Kopfbiss führen soll. Bei Kontrollen sollten auch die unteren Bänder überprüft und eventuell die Bent-Backs verstärkt werden, um einer Protrusion der unteren Schneidezähne vor- zubeugen. Schritt 3 Entfernen der MALU-Apparatur. Röntgen- aufnahmen zur Kontrolle der Position der Zahnwurzeln. Repositionieren der Brackets und Bekleben der unteren Prämolaren. Die Patienten wur- den gebeten, nachts Klasse II-Gummizüge (Größe ¼⬙, Stärke 100 g) zu tragen, um dem vorzubeugen, dass der Unterkiefer nach Apparaturentfernung wieder zurückgeht. Im Ober- und im Unterkiefer wurde eine zweite Nivellierung durchgeführt, danach folgte die Finishingphase. Diese Etappe dauerte durchschnittlich fünf bis acht Monate. MALU FALL 2 (Abb. 11 bis 18, Tabelle 6) a b c d e Abb. 11a–e: Patientin P.M., intraorale Aufnahmen vor kieferorthopädischer Behandlung. a b c d Abb. 12a–d: Patientin P.M., extraorale Aufnahmen vor kieferorthopädischer Behandlung. a b c Abb. 13a–c: Patientin P.M., intraorale Aufnahmen mit eingesetzter MALU-Apparatur. KOMPENDIUM 2013 I 73
MALU Schritt 4 Entfernung der Multibracket-Apparatur. Ein- setzen einer Retentionsapparatur, wie z. B. feste Retainer an den OK- und UK-Frontzäh- nen oder auch obere und untere Retentions- platten mit Häkchen zum Einhängen von Klasse II-Gummizügen oder eines Bionators oder Andresens-Aktivator zum Tragen über Nacht. Material und Methode Untersucht wurde eine Gruppe von 18 erwach- senen Patienten (zehn Frauen, acht Männer) im Alter von 18 bis 35 Jahren (durchschnittli- ches Alter 25,5 Jahre) mit einer Klasse II vor FALL 2 (Abb. 11 bis 18, Tabelle 6) Behandlungsbeginn. Das Entwicklungsalter wurde nach der Halswirbelanalyse als Sta- dium CVS 6 bestimmt. Alle Patienten wurden mit einer Multiband-Apparatur im Ober- und Unterkiefer wie auch mit der MALU-Appara- tur behandelt. Einigen Patienten wurde zu Behandlungsbe- ginn eine Bi-Helix oder ein TPA eingesetzt, um den Oberkiefer zu erweitern. Die Winkel SNB und ANB und der Wits-Index wurden sowohl vor wie auch nach der Behandlung mit der MALU-Apparatur sowie nach kiefer - orthopädischer Behandlung gemessen. Die seitlichen Fernröntgenaufnahmen wurden nach der Segner- und der Hasund-Methode analysiert. a b c d Abb. 14a–d: Patientin P.M., extraorale Aufnahmen mit eingesetzter MALU-Apparatur. a b c d e Abb. 15a–e: Patientin P.M., intraorale Aufnahmen nach kieferorthopädischer Behandlung. a b c d Abb. 16a–d: Patientin P.M., extraorale Aufnahmen nach kieferorthopädischer Behandlung. 74 I KOMPENDIUM 2013 Ergebnisse Bei allen Patienten konnte eine Angle- Klasse I nach erfolgter Behandlung erreicht werden. Die SNB- und ANB-Winkel sowie der Wits-Index wurden deutlich verbessert. Der durchschnittliche Wert des SNB-Win- kels stieg um 1,9 (vor der Behandlung 78,2; nach der Behandlung 80,1). Bei den Frauen ist der Durchschnittswert des SNB-Winkels um 1,41 gestiegen, bei den Männern um 2,42. Der Durchschnittswert des ANB-Winkels sank um 1,9 (vor der Behandlung 4; nach der Behandlung 2,4). Bei den Frauen sank der durchschnittliche Wert des ANB-Winkels um 1,62, bei den Männern um 2,16. Der durch- schnittliche Wits-Index ist um 4,7 mm gesun- ken und betrug 4,9 mm vor der Behandlung und 0,2 mm nach der Behandlung. Bei den Frauen sank der durchschnittliche Wits-Wert um 4,46 mm, bei den Männern um 5,02 mm (Tabellen 1 bis 4). Klinische Beispiele Fall 1 Der Patient M. T., 24 Jahre, wies eine Klasse II/2 auf. Der Tiefbiss betrug 6,4 mm: Es konnten eine leichte Verengung des oberen Zahnbo- gens, eine Verschiebung der unteren Mittel- linie um 1,5 mm nach rechts sowie retrudierte Frontzähne im OK und UK festgestellt wer- den. Der Therapieplan sah im OK und UK den Ein- satz einer Multiband-Apparatur nach Roth (Slot .022⬙) und der modifizierten Herbst-Ap- paratur MALU vor. Die vollständige Behand- lungszeit betrug 20 Monate. Nach erfolgter Behandlung konnten eine Klasse I-Normver- zahnung sowie eine erhebliche Verbesse- rung des Profils erreicht werden. Fall 2 Die Patientin P.M., 35 Jahre, stellte sich mit ei- ner Klasse II/1 und einem Tiefbiss von 5,6 mm vor. Zudem konnten eine Verengung des obe- ren Zahnbogens sowie protrudierte Stellung der oberen Frontzähne diagnostiziert werden. Es wurden im Ober- und Unterkiefer eine Multiband-Apparatur nach Roth (Slot .022⬙), eine Bi-Helix und die MALU-Apparatur ein- gesetzt. Die vollständige Behandlungszeit betrug 20 Monate. Nach Therapieende konn- ten eine Klasse I sowie Korrektur des Profils erreicht werden.
MALU gen erwachsenen Patienten sollte die Reten- tionszeit mindestens drei bis vier Jahre betra- gen. Aus der eigenen Erfahrung der Autoren zeigt sich zudem, dass sich z.B. ein Bionator oder Hawley-Retentionsplatten mit Klasse II-Gum- mizügen ebenfalls gut zur Retention eignen. Schlussfolgerung Mit der modifizierten Herbst-Apparatur MALU lassen sich erwachsene Patienten mit einer Klasse II-Anomalie effektiv und kostengünstig behandeln. Eine Vergrößerung des SNB-Win- kels und Reduktion des ANB-Winkels wie auch des Wits-Wertes können festgestellt werden, was auf den starken Unterkiefereffekt der MALU-Behandlung zurückzuführen ist. Es sollte stets bedacht werden, dass eine Therapie mit der MALU-Apparatur, wie bei jeder Herbst- Behandlung auch, die Stellung der unteren Schneidezähne verändern kann. Literaturliste *Fa. Saga Dental Supply AS, Norwegen, www.sagadental.no Kurzvita Abb. 17a Abb. 17b Abb. 18a Abb. 18b Abb. 17a, b: Patientin P.M., FRS (a) und OPG (b) vor Behandlungsbeginn. – Abb. 18a, b: Patientin P.M., FRS (a) und OPG (b) nach erfolgter Behandlung. Patient 2, P.M. Vor der Behandlung Nach MALU Nach der Behandlung SNB ANB Wits 1+:NA 1-:NB 76,9 4,6 5,1 26,5 29,3 77,4 3,7 –4,7 15,7 33,7 77,3 3,8 –0,5 18,7 32,4 Tabelle 6: Patientin P.M.: Die Werte von SNB, ANB, Wits, 1+:NA und 1–:NB vor der Behandlung, nach der Behandlung mit MALU und nach kieferorthopädischer Behandlung. Diskussion Die modifizierte Herbst-Apparatur MALU ist ein effizientes Gerät zur Korrektur der Klas- sen II/1 und II/2-Verzahnung. Sie kann sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen mit guten Ergebnissen einge- setzt werden. Die Ergebnisse betreffen hier- bei nicht nur die Korrektur der Verzahnung, sondern auch die Verbesserung des Profils. Das Verfahren stellt dabei nicht selten eine Alternative zur Extraktion im oberen Zahn - bogen oder zum chirurgischen Eingriff dar. Das optimale Alter für die Behandlung mit einer Herbst-Apparatur beträgt bei jungen Erwachse- nen bei Frauen 18 bis 24 Jahre, bei Männern 20 bis 25 Jahre2, wobei die besten Therapieergeb- nisse zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr er- zielt werden. Die Klasse II-Korrektur in dieser Al- tersgruppe ist in 80–90% der Fälle dentoalveo- lär und in 10–20% der Fälle skelettal bedingt.2 Je später die Behandlung begonnen wird, desto größer ist der erwartete dentoalveoläre Anteil der Zahnkorrektur am Ende der Behandlung.1,5 Die Korrektur des Rückbisses erfolgt durch Dis- talisierung der Molaren im oberen Zahnbogen (Headgear-Effekt), Protrusion der Zähne im un- teren Zahnbogen und durch Umbauvorgänge im Bereich der Kiefergelenke.2,5,6Die Protrusion der unteren Schneidezähne stellt dabei eine unerwünschte Nebenwirkung der Behandlung dar. Um diese zu vermeiden, kann die Herbst- Apparatur mit einer zusätzlichen skelettalen Verankerung eingesetzt werden.3 Während der Herbst-Behandlung kommt es bei jungen Patienten sowohl zum Remodeling der kondylären Gelenkflächen als auch des Fossa articularis, wobei erstere stärker verändert wer- den.6 Pancherz7 führt Untersuchungen an, wel- che die Wachstumsmöglichkeit bzw. die Mög- lichkeit der Wachstumsaktivierung im Bereich der Kiefergelenke noch viele Jahre nach dem 20. Lebensjahr belegen. Patienten, bei denen eine Herbst-Behandlung erfolgte, klagten bezüglich der Kiefergelenke über keinerlei Beschwerden. Eine korrekte Verzahnung beider Zahnbögen am Behandlungsende, ein Ausbleiben der lin- gual-labialen Parafunktionen und eine kor- rekte Muskeltätigkeit in der neuen, nach vorn gerückten Stellung des Unterkiefers garan - tieren ein stabiles Endergebnis und können Rezidive vermeiden.8,9 Pancherz8 empfiehlt, den Aktivator nach Andre- sen als Retentionsapparatur der Wahl. Bei jun- Dr. Jakub Malinowski [Autoreninfo] Katarzyna Jastrzębska [Autoreninfo] Adresse Dr. Jakub Malinowski Katarzyna Jastrzębska NZOZ Bio-Orto Ul. In(cid:3)ynierska 17/2 53-227 Wrocław Polen Tel.: +48 71 3392855 KOMPENDIUM 2013 I 75
ForsusTM (Lingualtechnik) Abb. 1: Forsus™- Apparatur. Die Therapie von Distalbissen gehört mit zu den häufigs - ten Behandlungsaufgaben in KFO-Praxen. Anhand eines Patientenfalles wird gezeigt, dass die kieferorthopädische Regulierung eines einseitigen Distalbisses mit einer indi- viduellen lingualen Apparatur in Kombination mit einer Klasse II-Gebissfeder gleichermaßen möglich ist wie bei der Vestibulärtechnik. Mithilfe der Lingualtechnik ist da- bei eine gute Verankerungskontrolle der unteren Front erreichbar. Ein Beitrag von Dr. Nadja Grättinger. Forsus™-Feder in Kombination mit der Lingualtechnik Einleitung Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass der Distalbiss mit seinen Unterklassifizierun- gen Angle-Klasse II/1 und II/2 die häufigste Bissanomalie in der kaukasischen Bevölke- rungsgruppe darstellt.2,4 Für die Behandlung von Klasse II-Malokklusionen finden eine Viel- zahl an verschiedenen bi- oder unilateralen festsitzenden Klasse II-Mechaniken Verwen- dung, wie z.B. die Forsus™-Apparatur der Fir - ma 3M Unitek* (Abb. 1). Hierbei handelt es sich um eine kooperationsunabhängige Distalisie- a b Abb. 3a, b: Röntgenbilder Anfangsbefund. rungsapparatur, die als dreiteilige, teleskopie- rende Federkomponente aus einer Koaxialfeder, einem Druckstab (Pushrod) und einem EZ2- a b c d e Abb. 2a–e: Fotodokumentation Anfangsbefund. 76 I KOMPENDIUM 2013 Modul zusammengesetzt ist. Die Koaxialfeder besteht aus einer superelastischen Nickel-Ti- tan-Druckfeder und umhüllt die Außenseite des Federmoduls. Der Druckstab weist an seinem freien Ende eine Schlaufe zur Befestigung am Unterkieferbogen der Multiband-Multibracket- Apparatur auf und ist in sechs verschiedenen Längen (22mm bis 38mm) verfügbar. Das Teleskopelement wird mit dem Druckstab kombiniert, indem dieser in das Federmodul eingeführt wird. Die Forsus™-Apparatur kann ohne Laborprozess direkt im Mund des Pa- tienten intermaxillär eingesetzt werden, oh ne dass hierfür Brackets oder Bögen ent- fernt werden müssen. Am Oberkiefer wird die Forsus™-Apparatur mit dem „Click-in-place“-Clip (EZ2-Modul) be- festigt, indem dieser in das Molarenröhrchen eingeführt wird und aufgrund seiner Passform und des Anti-Rotationsarms stabil arretiert. Im Unterkiefer wird die Schlaufe des Druck- stabes distal des Unterkiefereckzahns von
ForsusTM (Lingualtechnik) SNA NL-NSL NSBa ML-NSL SNB ML-NL D h t a n g o r t e R h t a n g o h t r O h t a n g o r P 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 14 (cid:129) 13 (cid:129) 12 (cid:129) 11 (cid:129) 10 (cid:129) 9 (cid:129) 8 (cid:129) 7 (cid:129) 6 (cid:129) 5 (cid:129) 4 (cid:129) 3 (cid:129) 2 (cid:129) 1 (cid:129) 0 141 140 139 138 137 136 135 134 133 132 131 130 129 128 127 126 125 124 123 122 121 43 42 41 40 39 38 37 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 (cid:129) 47 (cid:129) 46 (cid:129) 45 (cid:129) 44 (cid:129) 43 (cid:129) 42 (cid:129) 41 (cid:129) 28 (cid:129) 27 (cid:129) 26 (cid:129) 25 (cid:129) 24 (cid:129) 23 (cid:129) 22 (cid:129) 21 (cid:129) 20 (cid:129) 19 (cid:129) 18 (cid:129) 17 (cid:129) 16 (cid:129) 15 (cid:129) 14 (cid:129) 13 (cid:129) 12 SNA-Winkel SNB-Winkel ANB-Winkel ANB-Winkel (indiv.) SNPg-Winkel NSBa-Winkel GnGoAr-Winkel N-Winkel NL-NSL-Winkel ML-NSL-Winkel ML-NL-Winkel 82,0 ± 3,0° 80,0 ± 3,0° 2,0 ± 2,0° 82,0 ± 3,0° 130,0 ± 6,0° 122,0° 56,3 ± 5,0° 8,5 ± 3,0° 32,0 ± 6,0° 23,5 ± 3,0° 81,5° 81,9° –0,4° 0,8° 84,3° 125,0° 108,5° 62,8° 7,0° 14,9° 7,9° Interinzisalwinkel 131,0 ± 6,0° 121,8° OK1-NA-Winkel UK1-NB-Winkel OK1-NA-Strecke UK1-NB-Strecke UK-FZ-Stellungsanalyse Pg-NB-Strecke H-Winkel 22,0 ± 3,0° 25,0 ± 3,0° 4,0 ± 2,0 mm 4,0 ± 2,0 mm 2,0 mm 8,0° Nasolabialwinkel 110,0 ± 10,0° 29,3° 29,3° 7,1 mm 2,6 mm 2,1 mm 3,8 mm 8,5° 96,3° Index 79,0 ± 9,0 % 96,8 % Abb. 4: Kephalometrische Auswertung und Harmoniebox. okklusal auf den Bogen gesetzt, bei Vestibu- lärapparaturen am Unterkieferbogen, bei Lingualapparaturen am gesondert gekleb- ten Teilbogen bzw. Eckzahnband (siehe später im Text) und zur Sicherung mithilfe einer Flachzange um den Bogen geschlossen. Die teleskopierende Koaxialfeder erlaubt ei - ne normale Mundöffnung und gestattet durch ihr offenes Federdesign eine erleichterte Mundhygiene. Aufgrund der günstigen phy- sikalischen Eigenschaften der superelastischen NiTi-Feder zeichnet sie sich durch relativ konstante Kräfte aus, die sich bei geschlossenem Mund weitgehend hori- zontal voll entfalten und über die gesamte Anwendungsdauer nahezu gleichmäßig stark bleiben. Neben einer effektiveren Zahnbe- wegung hat dies auch eine längere Haltbar- keit der Mechanik aufgrund fehlender Ermü- dungsbrüche zur Folge. Abb. 6 Klinisches Fallbeispiel Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine bereits alio loco kieferorthopädisch behandel - te 22-jährige Patientin mit einseitiger Klasse II- Okklusion. Die Patientin wünschte eine Kor- rektur der rezidivierten Zahnstellung mithilfe einer Lingualapparatur3 (Abb. 2 bis 4). Anfangsdiagnose Extraoral: Symmetrische Verhältnisse, har - monisches Profil Intraoral: Rein dentale linksseitige Angle- Klasse II durch Vorlauf der linken Seitenzahn- reihe im OK, Proklination der OK-Front; Mittel- linienverschiebung im OK um 1,0 mm nach rechts, zirkuläre Schlifffacetten, Angle-Klasse I rechts; Angle-Klasse II ¾PB links. Radiologischer Befund: 32 bleibende Zähne angelegt; Retention aller 3. Molaren, Kiefer - gelenke ohne pathologischen Befund. Kein dentaler Tiefbiss, was sich günstig auf die Prog - nose der Langzeitstabilität auswirkt. Kleiner Interinzisalwinkel aufgrund bialveolärer Pro- trusion der OK- und UK-Front. a b c d e Abb. 5a–e: Ziel-Set-up. – Abb. 6: Molarenband für den Zahn 26 mit bukkalem Röhrchen zur Aufnahme der Forsus™-Feder. KOMPENDIUM 2013 I 77
ForsusTM (Lingualtechnik) a b c d e Abb. 7a–e: Fotodokumentation nach Nivellieren der Zahnbögen und Einsetzen der Stahlbögen vor Einsatz der Forsus™-Apparatur. Die Molarenröhrchen Regio 26 sind bereits in situ. a b Abb. 8a, b: Forsus™-Apparatur in situ bei Anwendung der lingualen Apparatur Incognito™. Das Behandlungsziel ist das Sichern ei- nes korrekten sagittalen und vertikalen Frontzahnüberbisses und die Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss bei zen- trischer Kondylenposition und die Korrek- tur der MLV. Folgender Behandlungsplan wurde zur Beseitigung vorliegender den- taler Fehlstellung durchgeführt: Distalisie- ren der linken Seitenzahnreihe mithilfe ei- ner einseitig eingesetzten Forsus™-Appa- ratur. Korrektur der Mittellinienverschie- bung im OK, Halten der UK- Front. Behandlungsphase Bei Anwendung einer Forsus™-Feder in Kombination mit der Incognito™-Appara- tur ist bei der Bestellung der Brackets da - rauf zu achten, dass für den ersten Oberkie- fermolaren auf der Seite des Distalbisses ein Band mit bukkalem Röhrchen für die Aufnahme der Forsus™-Feder geplant wird (Abb. 6). Bei Behandlungen mit der Lingualtechnik ist es für die Befestigung der Druckfeder im Unterkiefer notwendig, einen rigiden Stan- dardstahl-Teilbogen der Stärke 0.018⬙ x 0.025⬙ mit Retentionsenden an den Vestibulärflä- chen des Eckzahnes und des ersten Prämola- ren mit Kunststoff zu fixieren (Abb. 8). Dabei empfiehlt es sich, die Klebeflächen vor dem Abb. 9a: Levelling and Alignment. Abb. 9b: Forsus™-Apparatur in situ. Abb. 9c: Finishingphase. 78 I KOMPENDIUM 2013
ForsusTM (Lingualtechnik) Schmelz-Ätz-Vorgang mithilfe von Sand- strahlen anzurauen. Die Abbildungen 9a–c zeigen die intraorale Ansicht der Behandlungssequenz. Nach Ab- schluss der Nivellierungsphase kam die Dis- talisierungsapparatur bei rigiden Bögen der Stärken 0.016⬙x 0.024⬙SS im Ober- und Unter- kiefer zum Einsatz. Behandlungsergebnis Die Forsus™-Apparatur war sechs Monate in situ. Während dieser Zeit konnte eine Neu - tral okklusion eingestellt werden. Therapeu- tisch überwiegt dabei eine dentoalveoläre Wirkung. Die Achsenstellung der OK- und UK- Inzisivi – der kritische Bereich bei Anwen- dung einer Klasse II-Mechanik – wurde bei der Behandlung mit der Forsus™-Apparatur in Kombination mit der Lingualapparatur op- timal kontrolliert. Eine Aktivierung der Feder mithilfe von aufsteckbaren Distanzringen ist jederzeit möglich. Das Behandlungsergebnis im Abschlussbe- fund zeigt im Vergleich zum Ziel-Set-up sogar eine bessere Angle-Klasse I-Okklusion bei kor- rekter Mittellinie. Das Behandlungsziel konnte innerhalb von 15 Monaten umgesetzt werden. Die Patientin trägt als Dauerretention im Ober- und Unterkiefer jeweils einen 6-Punkt-Klebe- retainer (Abb. 10 bis 13). d e a b c Abb. 10a–e: Fotodokumentation Schlussbefund. a b Abb. 11a, b: Röntgenbilder Schlussbefund. SNA NL-NSL NSBa ML-NSL SNB ML-NL D h t a n g o r t e R h t a n g o h t r O h t a n g o r P 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 14 (cid:129) 13 (cid:129) 12 (cid:129) 11 (cid:129) 10 (cid:129) 9 (cid:129) 8 (cid:129) 7 (cid:129) 6 (cid:129) 5 (cid:129) 4 (cid:129) 3 (cid:129) 2 (cid:129) 1 (cid:129) 0 141 140 139 138 137 136 135 134 133 132 131 130 129 128 127 126 125 124 123 122 121 43 42 41 40 39 38 37 36 35 34 33 32 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 (cid:129) 47 (cid:129) 46 (cid:129) 45 (cid:129) 44 (cid:129) 43 (cid:129) 42 (cid:129) 41 (cid:129) 28 (cid:129) 27 (cid:129) 26 (cid:129) 25 (cid:129) 24 (cid:129) 23 (cid:129) 22 (cid:129) 21 (cid:129) 20 (cid:129) 19 (cid:129) 18 (cid:129) 17 (cid:129) 16 (cid:129) 15 (cid:129) 14 (cid:129) 13 (cid:129) 12 SNA-Winkel SNB-Winkel ANB-Winkel ANB-Winkel (indiv.) SNPg-Winkel NSBa-Winkel GnGoAr-Winkel N-Winkel NL-NSL-Winkel ML-NSL-Winkel ML-NL-Winkel 82,0 ± 3,0° 80,0 ± 3,0° 2,0 ± 2,0° 82,0 ± 3,0° 130,0 ± 6,0° 122,0° 56,3 ± 5,0° 8,5 ± 3,0° 32,0 ± 6,0° 23,5 ± 3,0° AM SM 81,4° 81,8° –0,4° 0,8° 84,1° 124,7° 108,5° 62,8° 7,2° 15,1° 7,9° 82,0° 82,5° –0,5° 0,8° 84,8° 125,7° 107,0° 64,5° 6,6° 13,4° 6,7° Interinzisalwinkel 131,0 ± 6,0° 121,8° 120,2° OK1-NA-Winkel UK1-NB-Winkel OK1-NA-Strecke UK1-NB-Strecke UK-FZ-Stellungsanalyse Pg-NB-Strecke H-Winkel 22,0 ± 3,0° 25,0 ± 3,0° 4,0 ± 2,0 mm 4,0 ± 2,0 mm 2,0 mm 8,0° Nasolabialwinkel 110,0 ± 10,0° 29,3° 29,3° 28,2° 32,2° 7,1 mm 2,6 mm 2,1 mm 3,8 mm 5,5 mm 3,1 mm 2,0 mm 3,9 mm 8,5° 96,3° 7,9° 96,0° Index 79,0 ± 9,0 % 96,8 % 93,0 % Abb. 12: Kephalometrische Auswertung und Har- moniebox: Anfangsbe- fund (schwarz) und Endbefund (rot). KOMPENDIUM 2013 I 79
ForsusTM (Lingualtechnik) Abb. 13a: Überlagerung der kephalometrischen Durchzeichnungen: Anfangsbefund (schwarz) und Endbefund (rot). Diskussion Bei der Wahl der Klasse II-Mechanik ist die individuelle Behandlungsplanung von ent- scheidender Bedeutung, um das geforderte therapeutische Ziel einer langzeitstabilen, physiologischen Diskus-Kondylus-Retraktion bei parodontaler Zahngesundheit und fazia- ler und dentaler Ästhetik zu erreichen. Die Anwendung von Klasse II-Mechaniken erfordert allgemein eine gute Verankerungs- kontrolle, um potenzielle unerwünschte Ef- fekte auf die Frontzahnstellung, insbeson - de re eine Protrusion der unteren Inzisivi, zu beherrschen. Klinische Untersuchungen bei Anwendung der individuellen lingualen Ap- paratur von Incognito™ zeigen, dass der Un - terschied zwischen dem präorthodontisch er- stellten Ziel-Set-up und dem klinischen End- ergebnis sehr klein ist (± 3° Unterschied).5 In vielen Fällen gibt es sogar eine Auf- richtung der unteren Front, so- dass kein Verankerungsver- lust erfolgt.6,7 Abb. 14: Die Bracketslots dieser individuellen Lingual- apparatur weisen mit einem Slot-Nennmaß von 0,456mm eine ausgesprochen hohe Prä- zision in ihrer Dimensionierung auf, wobei sich bei einer durchschnittlichen Slotdimen- sion von 0,459mm die gemessenen Abwei- chungen in einem Bereich von 4μm bewegen.1 Aufgrund der hohen Slotpräzision im Zusam - menspiel mit den individuell hergestellten, slotfüllenden Finishing-Bögen bei gleichzei- tig günstiger Lage des Widerstandszentrums der Lingualbrackets hat man volle Kontrolle über die Frontzahnstellung (zero torque play).7 Okklusale Aufbisse (Pads), wie sie in der Lingualtechnik in Klasse II-Fällen immer zur Anwendung kommen, bieten darüber hinaus eine schnelle neuromuskuläre Entkoppelung, wodurch eine Reduzierung der Kaumuskel - aktivität erreicht wird. Der Unterkiefer kann somit aus einer möglichen retralen Zwangs- lage herausgleiten und die Federwirkung der Forsus™-Apparatur kommt ohne okklu- sale Störkontakte voll zum tragen. Zur Aufnahme der Forsus™-Feder im Unterkiefer besteht bei Lingualtechnik als weitere Möglichkeit das in Abbil- dung 14 dargestellte Eckzahn-Band. Die- ses ist mit einem nach distal offenen horizon- talen Hook für die Aufnahme des Druckstabes ausgestattet. Bei der Bestellung der Lingual- brackets muss dies bereits berücksichtigt werden. Eckzahn-Band für Zahn 43 mit Hook nach distal offen zur Aufnahme der Forsus™-Feder. 80 I KOMPENDIUM 2013 Abb. 13b: Profilvergleich vor (links) und nach Behand- lung (rechts) mit Forsus™-Apparatur. Schlussfolgerung Die Korrektur eines ein- oder beidseitigen Dis- talbisses mit einer Forsus™-Apparatur ist in Kombination mit einer individuellen lingua- len Apparatur gleichermaßen möglich wie bei Anwendung der Vestibulärtechnik. Im Rah- men des vorgestellten Patientenbeispiels wur - de mit Incognito™ eine während der gesam- ten Behandlungsphase durchgehend gute Verankerungskontrolle für die untere Front erreicht und ein funktionelles und ästhetisch sehr zufriedenstellendes Endergebnis er- zielt. Durch ihren Einsatz können auf diese Weise uni- oder bilaterale Distalverzahnun- gen korrigiert und oftmals auch Extraktionen bleibender Zähne umgangen werden. Literaturliste Kurzvita *Fa. 3M Unitek, www.3munitek.de Dr. Nadja Grättinger [Autoreninfo] Adresse Dr. Nadja Grättinger FZÄ für Kieferorthopädie Hauptstraße 8b 82319 Starnberg Tel.: 08151 908809-0 Fax: 08151 908809-99 info@kfo-starnberg.de www.kfo-starnberg.de
Das Baxmann Mini Teleskop (BMT) Ein Beitrag von Dr. Martin Baxmann, Entwickler dieser von der Firma adenta hergestellten und ver- triebenen Klasse II-Apparatur. Abb. 1a, b: Die Grundelemente des BMT bestehen aus einer Teleskop- stange und einem Teleskoprohr. Das Baxmann Mini Teleskop (BMT) Einleitung Der aufmerksame Leser kieferorthopädi- scher Literatur beobachtet eine stetige wei- tere Suche nach idealen Behandlungsgerä- ten für die Klasse II-Therapie. Dies sowohl für den Patienten als auch für den Behandler. Das Resultat sind vielfältige Variationen und Neuentwicklungen im Bereich dieser Appa- raturen. Hintergrund der Entwicklung des Baxmann Mini Teleskopes (BMT) war es nun, eine Ap- paratur zu entwickeln, die möglichst gut vom Patienten akzeptiert werden kann, möglichst einfach für den Behandler zu handhaben ist, ein breites Behandlungsspektrum ermög- licht, keine Laborschritte beinhaltet und güns - tig in der Anschaffung ist. Schwierigkeiten bekannter Apparaturen waren dabei für Pa- tienten meist der geringe Tragekomfort, z.B. durch eine Verhinderung der Lateralbewe- gungen des Unterkiefers. Ebenso ist die ein- geschränkte Ästhetik durch die Sichtbarkeit der herkömmlichen Apparaturen als Nach- teil anzusehen. Das BMT wurde entspre- chend zur Verbesserung dieser beschriebe- nen Nachteile entwickelt und wird von der Firma adenta* hergestellt und vertrieben. Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 2: Zur Befestigung dienen Kugelkopfanker. – Abb. 3: Die Bauteile des BMT sind rechts und links identisch. – Abb. 4: Um ein Reißen oder Lockern der Bänder zu vermeiden, empfehlen sich doppelt geschweißte Bänder. – Abb. 5: Der auf den Kugelkopfanker gesteckte Silikonring erfüllt zwei Funktionen. Er verhindert ein Abrutschen des Teleskoprohres und dient als Längenmarkierung für den distalen Überstand. Das Baxmann Mini Teleskop – BMT Das BMT besteht aus einem Teleskoprohr mit Öse, einer Teleskopstange mit Öse sowie Ku- gelkopfankern zur Befestigung (Abb. 1, 2). Die Apparatur zählt zu den starren Klasse II- Apparaturen, kann aber durch die Verwen- dung einer zusätzlichen Feder einfach in eine federnde Apparatur umgebaut werden. Die Einfachheit dieser Apparatur wird dadurch deutlich, dass für die Grundversion nur drei Bauteile nötig sind (Teleskoprohr, Teleskop- stange und Kugelkopfanker) und diese für die rechte und linke Seite identisch sind und in einer Einheitsgröße geliefert werden können (Abb. 3). Für das Einsetzen der Apparatur sind keiner- lei Laborschritte nötig. Notwendig sind le- diglich Molarenbänder mit Zusatzröhrchen für Headgear oder Lipbumper. In dieser Form kann die Apparatur im Wechselgebiss bei Verwendung einer partiellen Multibracket- apparatur ebenso verwendet werden wie im permanenten Gebiss. Dafür sind keine zu- sätzlichen Maßnahmen nötig. Das BMT kann zusätzlich zur vollständigen MB-Apparatur jederzeit nachträglich eingesetzt werden. Das Indikationsspektrum beginnt mit dem Durchbruch der ersten Molaren und reicht bis in die Erwachsenenbehandlung hinein. Sollten üblicherweise in der Praxis Molaren- bänder ohne Röhrchen verwendet werden, empfiehlt es sich, zunächst ein in der Praxis vorliegendes Band zu probieren und ent- sprechend dieser Größe Bänder mit einem KOMPENDIUM 2013 I 81
Das Baxmann Mini Teleskop (BMT) Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 6–9: Mithilfe einer Weingartzange wird zuerst das Teleskoprohr im Oberkiefer eingesetzt und der Kugelkopfanker mesial scharf nach distal umgebogen. Im zweiten Schritt wird die Teleskopstange in das Te- leskoprohr eingeschoben und schließlich der Kugel- kopfanker im Unterkiefer durch Umbiegen gesichert. – Abb. 10: Einfacher Einbau, hoher Tragekomfort und gute Ästhetik durch die geringen Dimensionen der Apparatur zeichnen das BMT aus. Das Einsetzen Zu Beginn werden die Kugelkopfanker von dis- tal nach mesial durch die Ösen der Teleskop - rohre geführt (Abb. 5). Die Teleskoprohre sind für den Einsatz im Oberkiefer bestimmt. Dann werden Kugelkopfanker von mesial nach distal durch die Ösen der Teleskopstangen, die für den Unterkiefer bestimmt sind, geführt. Nun kann der am Teleskoprohr eingeschobene Kugelkopfanker von distal nach mesial in das Headgearröhrchen des ersten Molaren einge- schoben werden (Abb. 6). Dabei sollten etwa 4mm distaler Überstand verbleiben. Jetzt wird das anteriore Ende des Kugelkopfankers mit einer Flachspitz- oder Weingartzange scharf nach oben/hinten umgebogen (Abb. 7). Um genügend Abstand zwischen Öse und Gingiva zu erreichen, kann ggf. eine Bajonettbiegung distal des Röhrchens um etwa 20° nach buk- kal durchgeführt werden. Im zweiten Schritt wird die Teleskopstange (an der bereits der Kugelkopfanker befestigt ist) in das Teleskoprohr eingeführt (Abb. 8). Nun wird der Unterkiefer des Patienten in die therapeutische Position gebracht und der Kugelkopfanker von mesial nach distal durch das Röhrchen des Unterkiefermolarenbandes geschoben. Distal erfolgt, unter ständiger Kontrolle der korrekten Kieferposition, eine Biegung des distalen Endes nach unten/vorn (Abb. 9). Hat der Patient Schwierigkeiten, die ge- wünschte Kieferposition ausreichend lang zu halten, wird ein Konstruktionsbiss zur Stabi- Abb. 9 Abb. 10 Röhrchen einzukaufen. Bei einer Verwen- dung parallel zur Lingualtechnik ist es mitt- lerweile bei verschiedenen Systemen mög- lich, individualisierte Bänder zu erhalten und diese ebenfalls mit bukkalen Röhrchen versehen zu lassen. Also auch hier sind kei - ne Grenzen gesetzt. Liegt eine asymmetrische Situation vor, kön- nen Distanzringe oder passive Federn Abhilfe schaffen. Bei Patienten mit besonders großen Kaukräften oder bei vorliegendem Bruxismus empfiehlt sich die Verwendung doppelt ge- schweißter Molarenbänder (Abb. 4). Kieferorthopädische Vorberei- tung vor dem Einsetzen Bevor das BMT eingesetzt wird, sollten die Zahnbögen so vorgeformt sein, dass ein aus- reichend starker Vollbogen eingesetzt wer- den kann. Beim frühen Einsatz kurz nach Mo- larendurchbruch sollten Transpalatinal- und Lingualbogen verwendet werden. Im (frühen) Wechselgebiss kann auch ein Utility-Bogen verwendet werden. Der empfohlene Arbeits- bogen ist ein Vierkant-Stahlbogen in der Min- deststärke von 0.016⬙ x 0.022⬙. Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 11–13:Aus der habituellen Okklusion heraus können problemlos Exkursionsbewegungen ausgeführt werden. Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 14–16: Die Mundöffnung ist in der Regel nahezu maximal möglich. Und auch bei geöffnetem Mund können natürliche Exkursionsbewegungen durchgeführt werden. 82 I KOMPENDIUM 2013
Das Baxmann Mini Teleskop (BMT) Abb. 17 Abb. 18 Abb. 19 Abb. 20 Abb. 17–20: Um die Apparatur nachzuaktivieren, werden Distanzringe auf die Teleskopstange aufgeklemmt. Alternativ kann auch eine Feder verwendet werden. lisierung der Kieferposition verwendet. Beim beidseitigen Einsatz des BMT wird der gleiche Vorgang auf der gegenüberliegenden Seite durchgeführt. Soll diese Position weiter opti- miert werden, kann ein einfaches Nachakti- vieren an den Enden der Kugelkopfanker er- folgen (im Oberkiefer distal, im Unterkiefer mesial). Alternativ können Distanzringe auf die Tele - skopstange aufgeklemmt werden. Ist die the- rapeutische Position erreicht und der Patient kann beschwerdefrei Öffnungs- und Schließ- bewegungen durchführen, werden die Enden der Kugelkopfanker mit einem Kompositma- terial an den Bändern fixiert. Die Einsetzzeit für das BMT beträgt mit etwas Übung weniger als zwei Minuten pro Seite. Ohne laborseitige Vorarbeit! Um den distalen Überstand von 4 mm ein - zuhalten, kann dieser Abstand vorab mit einem Markierungsring abgesteckt werden, der ebenfalls im KIT enthalten ist, dies ver- hindert auch gleichzeitig ein Herausgleiten des Kugelkopfankers aus der Öse (Abb. 5) und erleichtert gerade dem Neuanwender das Einsetzen. Der Patient ist darauf hinzuweisen, den Mund nicht übermäßig weit zu öffnen, da dies zu einem Herausgleiten der Teleskopstange aus dem Teleskoprohr führen kann. Allerdings hat sich dies in der Praxis als unproblematisch er- wiesen, da die Apparatur selbst von jungen Patienten leicht wieder zusammengeführt werden kann. Der Kieferorthopäde nutzt diese Möglichkeit zudem zu seinem Vorteil: Er kann den therapeutischen Erfolg der Apparatur ohne aufwendigen Aufbau in jedem Termin überprüfen und erlebt somit keine „böse Überraschung“, z.B. eines Dualbisses nach der üblichen Tragezeit von ca. sechs Monaten. Durch die geringen Länge der Apparatur und die daraus folgende Steifigkeit ist ein Verbie- gen der Apparatur extrem selten, Frakturen höchst unwahrscheinlich. Bei Patienten mit ausgeprägtem Bruxismus sind doppelt ge- schweißte Bänder indiziert. Zusätzlich kann auch eine nächtliche Aufbissschiene in thera- peutischer Position hilfreich sein. ANZEIGE 8 F O RT B I L D U N G S - P U N K T E 3M Unitek lädt ein! KLASSE II-KORREKTUREN MIT FORSUS™: EINFACH UND EFFIZIENT WANN: Freitag, 4. April 2014, 9.00 bis 17.30 Uhr Dr. Lisa Alvetro Die renommierte Referentin Dr. Lisa Alvetro informiert in ihrem praxisbezogenen Vortrag wie Sie Klasse II-Maloklu- sionen, die eine Headgear-Versorgung erfordern würden, effi zient und kostengünstig mit der Forsus™-Apparatur behandeln können. Im Anschluss sind alle Teilnehmer eingeladen, die Diskus- sion bei einem Imbiss fortzuführen. Der Vortrag wird in Englisch mit deutscher Simultanübersetzung gehalten. WO: Novotel München City, Hochstraße 11, 81669 München ANMELDUNG: Online unter www.3MUnitek.de oder kontaktieren Sie Frau Daniela Fellner, Tel.: +49 (0) 8191 9474-5043, E-Mail: dfellner@mmm.com © 2013 3M. Alle Rechte vorbehalten. Scannen und online anmelden
Das Baxmann Mini Teleskop (BMT) a b c Abb. 21a–c: Die Fehlstellung nach dem Einsetzen der Multibracketapparatur. Um ein Abbeißen der Brackets im Unterkieferfrontbereich zu vermeiden, wurden auf den Molaren Aufbisse aufgebracht. a b c Abb. 23 Abb. 22a–c: Das BMT wurde nach der Nivellierungsphase eingesetzt. Als therapeutische Position wurde ein Overjet von 0mm bestimmt. Die erste Bewegungsprüfung verlief reibungslos. – Abb. 23: Durch die geringe Größe der Apparatur können Irritationen der Schleimhaut in der Regel vermieden werden. a b c Abb. 24a–c: Nach 4,5 Monaten Tragezeit der BMT-Apparatur war die Kieferlage stabil. Durch die Stabilisierung der Molaren bei gleichzeitiger Protrusion der Oberkieferfront können Lücken entstehen. Wirkung und Behandlungseffekt Im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen starren Klasse II-Apparaturen hält das BMT den Unterkiefer nicht nur in der gewünschten Position (Abb. 10), sondern ermöglicht auch weitere, z.B. exkursive Bewegungen (Abb. 11 bis 16). Dies entspricht dem natürlichen Be - wegungsumfang und -drang der Kiefergelenke und des Patienten. Dies steigert den subjekti- ven Tragekomfort der Apparatur deutlich. Allerdings sind durch diese größere Flexibi- lität, ähnlich wie bei den federnden Appara - turen, Nebeneffekte denkbar. Je nach Kiefer- position und Kaumuster kann es neben der sa- gittalen Komponente auch zu intrusiven und expansiven Kraftvektoren oder unerwünsch- ten Drehmomenten kommen. Dies wird je- doch durch ausreichende starre Vollbögen bzw. Transpalatinal- oder Lingualbögen kon- trolliert. Gerade aber auch bei Frühbehand- lungen mit z.B. inkompletter Klasse II-Ver- zahnung der Molaren, kann durch eine zügige Änderung der Angulation der ersten Molaren und ggf. auch Distalisation der oberen Sechser eine deutliche Verbesserung der Ausgangs - situation erreicht werden. Die häufig uner- wünschte Vertikalentwicklung, wie z.B. bei Variable Norm Auswertung 1 Auswertung 2 Differenz SNA-Winkel SNB-Winkel ANB-Winkel GnGoAr-Winkel Interinzisalwinkel OK1-NA-Winkel UK1-NB-Winkel ML-NSL-Winkel NL-NSL-Winkel ML-NL-Winkel 80° 82° 2° 122° 123° 21° 24° 28° 8° 20° 77 72,1 4,9 122,4 140,4 14 20,7 31,5 13,1 18,3 76,5 73,7 2,8 124,4 120,5 26,1 30,5 32,1 11,7 20,5 –0,5 1,6 –2,1 2,5 –19,9 12,1 9,8 0,6 –1,4 2,2 Tabelle 1: Die ermittelten Messwerte der FRS-Analyse vor und nach der Behandlung sowie deren Differenz im Vergleich zu durchschnittlichen Normwerten. Klasse II-Gummizügen, ist hier eher nicht zu erwarten und konnte bisher auch nicht beob- achtet werden. Die durchschnittliche Behand- lungszeit liegt je nach Behandlungszeitpunkt zwischen sechs und zwölf Monaten. Das Nachaktivieren Bedarf die therapeutische Position einer Nach- korrektur, kann die Apparatur einfach nach - aktiviert werden. Dies ist auf mehrere Arten möglich, die alternativ verwendet oder zudem beliebig kombiniert werden können. Ebenfalls ist es natürlich möglich, diese Maßnahmen je nach Bedarf einseitig (z.B. bei einer Asymme- trie) oder beidseitig durchzuführen. 1. Der distale Überstand der Kugelkopfanker im Oberkiefer wird verringert, indem diese wei- ter nach mesial gezogen werden. Mesial des Headgear-Röhrchens werden diese dann er- neut umgebogen wie beschrieben und ggf. mit Komposit fixiert. Dies ermöglicht eine Nachaktivierung von 2 bis 3mm. 1 bis 2mm sollten als Überstand verbleiben, um eine optimale Kieferbeweglichkeit zu erhalten. 2. Der mesiale Überstand der Kugelkopfanker im Unterkiefer wird verringert, indem diese weiter nach distal gezogen werden. Distal des Tubes werden diese dann umgebogen und 84 I KOMPENDIUM 2013
Das Baxmann Mini Teleskop (BMT) ggf. mit Komposit fixiert. Dies ermöglicht eine Nachaktivierung von 2 bis 3mm. 1 bis 2mm sollten als Überstand verbleiben, um eine op- timale Kieferbeweglichkeit zu gewährleisten. 3. Es werden Distanzringe auf das Teleskop - rohr aufgeklemmt. Je nach notwendiger Nachkorrektur können mehrere Ringe ver- wandt werden (Abb. 17, 18). 4. Alternativ zu den Distanzringen kann eine Feder auf das Teleskoprohr aufgeschoben werden. Dazu lässt man den Patienten ma- ximal den Mund öffnen und zieht die Tele - skopstange aus dem Rohr. Die Feder wird auf die Stange geschoben und die Apparatur unter maximaler Mundöffnung des Patien- ten wieder ineinander gefügt (Abb. 19, 20). Sollte eine Aktivierung darüber hinaus erfor- derlich sein, sind die Möglichkeiten 1 bis 4 nach Bedarf zu kombinieren. Klasse II-Korrektur mit dem BMT Anhand dieses Falles wird der Standardein- satz der BMT-Apparatur bei einer beidseitigen Klasse II vorgestellt. Bei einem 13-jährigen Jungen lag rechts und links eine Distalokklu- sion von einer ¾ Prämolarenbreite (Abb. 21) vor. Therapieziele waren, eine Neutralokklu- sion und eine physiologische Frontzahnstufe herzustellen. Dies sollte als Non-Ex-Behand- lung mit einer Multibracketapparatur in der Straight-Wire-Technik und dem BMT erfolgen. Nach Abschluss der Nivellierung und Inser- tion von Vierkant-Stahlbögen ca. sechs Mo- nate nach Behandlungsbeginn konnte auch das BMT eingesetzt werden. Als therapeuti- sche Position wurde eine überkorrigierte Kie- ferstellung mit einem Overjet von 0mm fest- gelegt (Abb. 22). Eine Irritation der Wangen- schleimhaut konnte während der gesamten Therapie nicht festgestellt werden und die Apparatur wurde sehr gut toleriert (Abb. 23). In jedem folgenden Kontrolltermin, der alle sechs Wochen erfolgte, wurde das BMT aus- gehakt, um die Stabilität der Kieferposition zu überprüfen. Nach dem dritten Kontrolltermin (4,5 Monate) konnte kein Zurückgleiten des Kiefers nach distal mehr festgestellt werden. Zur Retention der Kieferposition wurde die BMT-Apparatur noch weitere drei Monate ge- tragen. Dies war auch als Verankerungsein- heit beim folgenden Lückenschluss hilfreich (Abb. 24). Nach deren Ausbau folgte noch die a b c d e Abb. 25a–e: Nach der Entfernung des BMT erfolgte noch eine Feineinstellung der Okklusion. a b c d e Abb. 26a–e: Vollständige Klasse I bei gutem vertikalen und sagittalen Überbiss. P ArArArAr Ba S XI Ct Cond DC (XIR1) R2 Rt Go (XIR4) a b c ·n· N ·n-nd· ·nd· Pt Or PcS R3 (XIR2) Spp Apd6_ R1 dp6_ dH6_dH6¯ Okkp dp6¯ Im R4 (XIR3) Apd6¯ ·nd·-·no· ·no-s· ·no· ·no-i· ·ctg· Spa Ap1_ A Okka Is1¯ Is1_ ·sn· ·ss· ·ls· (UL) ·lsk· ·sto-s· ·sto-i· ·lik· ·li· (LL ) ·li-sm· ·sm· ·sm·-·pog· ·pog· ·gn· Ap1¯ Gn Me B PM Pog ·me· Abb. 27a–c: Vergleich der FRS-Auswertungen vor und nach der Behandlung sowie der Überlagerung. Feineinstellung der Okklusion (Abb. 25) und einen Monat später konnte die gesamte fest- sitzende Apparatur entfernt werden (Abb. 26). Die gesamte Behandlungszeit betrug damit ca. 15 Monate. Durch die Therapie konnte ne- ben einem dentoalveolären Effekt auch eine Verbesserung der Unterkieferlage und des Weichteilprofils erzielt werden (Abb. 27, Ta- belle 1). Die Stabilisierung und Sicherung des Behandlungsergebnisses erfolgte im Anschluss mit einem herausnehmbaren funktionskiefer- orthopädischen Gerät. KOMPENDIUM 2013 I 85
Das Baxmann Mini Teleskop im Praxistest Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c Abb. 1d Abb. 1e Abb. 1f Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c Abb. 1a–f: Das BMT ermöglicht vielfältige Bewegungen und wird daher vom Tragekomfort als angenehm beschrieben. Zudem ist es von anterior kaum sichtbar. – Abb. 2a–c: Nach Entfernung der MB-Apparatur ist bereits eine optimale Okklusion erreicht. Bei kleineren Abweichungen, gerade posterior-vertikal, hilft das natürliche Settling wäh- rend der Retentionsphase. Ein Beitrag von Dr. Martin Baxmann, Entwickler der BMT-Klasse II-Apparatur. Das Baxmann Mini Teleskop im Praxistest Erfolgte im ersten Teil dieses Artikels (siehe Seite 81ff.) die Beschreibung des Apparatur- designs, soll im Folgenden die klinische An- wendung des BMT gezeigt werden. Korrektur einer beidseitigen Klasse II mit ausgeprägter Lippenstufe (Abb. 1 bis 4) Beim Vorliegen einer Klasse II bei Jugendli - chen besteht grundsätzlich die Möglichkeit der funktionskieferorthopädischen Vorbe- handlung mit herausnehmbaren Apparatu- ren, wie z.B. dem Twin Block oder ähnlichen Geräten. In diesem Fall lag bereits im Alter von elf Jahren ein vollständiges permanentes Gebiss vor. Daher schien es effektiver zu sein, auf die Vorbehandlung zu verzichten und die benötigte Therapie durch eine Multibracket- apparatur mit dem BMT zu verbinden (Abb. 1). MB-Apparatur und BMT wurden zeitgleich eingesetzt, während der Nivellierung ledig- lich die Molaren durch Transpalatinal- und Lingualbögen stabilisiert. Somit konnte die - se Behandlung nach nur 16 Monaten abge- schlossen werden und in die Retentions- phase übergehen. Das BMT wurde nach zehn Monaten entfernt, sodass Finishing und initiales Settling ohne die festsitzende Klasse II-Apparatur erfolgen konnten (Abb. 2). Besonders hilfreich bei der Anwendung des BMT ist die Möglichkeit, die Apparatur bei jedem Termin kurzfristig zu lö- sen. Dazu wird einfach bei maximaler passiver Mundöffnung die Teleskopstange aus dem Rohr gezogen, was inklusive der erneuten Aktivierung ca. eine Minute pro Seite in An- spruch nimmt. Dann ist es möglich, den tat- sächlichen nicht forcierten Zubiss des Patien- ten zu prüfen und Phänomene, wie z.B. einen Dualbiss, zu vermeiden. Dieses Fallbeispiel zeigt darüber hinaus noch sehr deutlich das mögliche Bewegungsaus- maß beim Tragen der Apparatur. Im Fernrönt- genseitbild lässt sich erkennen, dass eine Biss - öffnung – wie bei intermaxillären Gummizü- gen üblich – nahezu vollständig vermieden werden kann (Abb. 3). Dass gleichzeitig auch eine hervorragende Profilverbesserung durch den Einsatz des BMT möglich ist, kann anhand der Profilfotos gezeigt werden (Abb. 4). 86 I KOMPENDIUM 2013
Das Baxmann Mini Teleskop im Praxistest Korrekturen vorgenommen. Das BMT wurde nach sechs Monaten Tragezeit zusammen mit der restlichen MB-Apparatur, die insge- samt 13 Monate getragen wurde, entfernt (Abb. 8, 9). Sollte zu diesem Zeitpunkt ein durch die Apparatur bedingt minimal poste- rior offener Biss bestehen, kann dies einfach durch natürliches Settling in der Retentions- phase optimiert werden. Wer dies lieber ak- tiv erreichen möchte, wählt gegebenenfalls einen Positioner. Korrektur einer unilateralen Klasse II (Abb. 10 bis 12) Dieser Fall eines 12-jährigen Mädchens veranschaulicht die Korrektur einer unila- teralen Klasse II, die primär durch eine Ro- tation der Mandibula hervorgerufen war. Während die Mittellinie im Oberkiefer mit der Gesichtsachse verlief, war die Unter- kiefermitte dagegen nach links verschoben (Abb. 10). Entsprechend lag eine Angle- Klasse I im Bereich der rechten Molaren so- wie eine ½ Klasse II-Verzahnung links vor. Die untere Gesichtshöhe war gering und es zeigte sich eine Tiefbisstendenz. Die Be- handlung wurde ohne Extraktionen mit ei- ner Multibracketapparatur in der Straight- Wire-Technik durchgeführt. Nach der Ni- vellierungsphase (ab .018⬙er Stahlbogen im 22⬙er Slot-System) wurde auf der lin- ken Seite das BMT eingesetzt, um eine Mittekorrektur durch eine einseitige Nach- entwicklung der Mandibula zu erreichen (Abb. 11). Wichtig ist hierbei, parallel auf eine gute Bogenkoordination von Ober- Abb. 6a Abb. 6b Abb. 5 Abb. 6c KOMPENDIUM 2013 I 87 Abb. 3a Abb. 3b Abb. 4a Abb. 4b Abb. 3a, b: Eine Bissöffnung, wie z.B. bei Gummizügen, erfolgt bei der Behandlung mit dem BMT nicht. Außerdem kann eine sonst übliche übermäßige Protrusion der Unterkieferfront vermieden werden. – Abb. 4a, b: Beim Ver- gleich des Profils vor und nach der Behandlung wird die schöne Harmonisierung des Gesichtsprofils deutlich. Stark vergrößerte sagittale Frontzahnstufe (Abb. 5 bis 9) Einer vergrößerten sagittalen Frontzahn- stufe muss nicht immer eine ausgeprägte skelettale Klasse II zugrunde liegen (Abb. 5). Im Fall dieses 13-jährigen Jungen existierte eine Frontzahnstufe von 7 mm zu Beginn wurde zusätzlich ein Transpalatinalbogen verwendet. Für die Nivellierung wurden .014⬙er NiTi, .018⬙er NiTi und .0180er Stahlbögen in beiden Kiefern verwendet. Dann wurde das BMT beidseits eingesetzt und mit den Bögen 19⬙ x 25⬙er NiTi, 17⬙ x 25⬙er Stahl weiterbehan- delt (Abb. 7). Auf dem danach folgenden 19⬙ x 25⬙er Stahlbogen wurden dann Restlücken geschlossen und letzte Abb. 5:Trotz großer sagittaler Frontzahnstufe und entsprechen- der Behandlungsnotwendigkeit liegt bei manchem Klasse II- Fall eine eher geringere skelettale Komponente zugrunde. – Abb. 6a–c: Ursache der vergrößerten Frontzahnstufe sind hier primär die ausgeprägten Speekurven in Ober- und Unterkiefer. Während der Nivellierung kann es zum Verankerungsverlust kommen, der durch das BMT abgefangen werden kann. der Behandlung. Diese entstand allerdings durch die ausgeprägten Speekurven im Ober- und Unterkiefer und weniger durch eine starke skelettale Komponente (Abb. 6). Behandlungsziel war es hier, die Front - zahnstufe deutlich zu reduzieren, beidseits eine Klasse I im Molaren- und Eckzahn - bereich einzustellen und den vertikalen Überbiss zu regulieren. Hierzu wurde eine Non-Ex-Therapie mit einer Multibracket- apparatur im Straight-Wire-System durch- geführt. Zur Kontrolle der oberen Molaren
Das Baxmann Mini Teleskop im Praxistest Abb. 7 Abb. 8a Abb. 9a Abb. 9b Abb. 8b Abb. 9c Abb. 7: Das Baxmann Mini Teleskop wurde hier nach der Nivellierung zeitgleich mit einem 17⬙ x 25⬙er Stahlbogen eingesetzt. Damit konnte eine stabile Okklusion gesichert werden. – Abb. 8a, b: Auch bei hauptsächlich dento - alveolärem Einsatz zeigt sich wiederum eine signifikante Verbesserung des Profils. – Abb. 9a–c: Eine vollstän- dige Klasse I mit optimaler sagittaler und vertikaler Frontzahnstellung konnte nach nur sechs Monaten Tragezeit des BMT erreicht werden. einem befriedigenden Ergebnis zu führen (Abb. 13). Therapie der Wahl war daher eine Multibrackettherapie mit wenig ästhetisch akzeptablen Keramikbrackets sowie einer kaum sichtbaren Apparatur zur Korrektur der skelettal bedingten Rücklage der Mandibula (Abb. 14). Das Baxmann Mini Teleskop wurde direkt mit der MB-Apparatur zusammen ein- gesetzt. Die oberen Molaren wurden mittels Transpalatinalbogen gestützt. Es wurde nun komplikationsfrei mit der Standardbogensequenz gearbeitet: .014⬙er NiTi, .018⬙er NiTi, .018⬙er Stahl, 19⬙ x 25⬙er NiTi, 17⬙ x 25⬙er Stahl und 19⬙ x 25⬙er Stahl (Abb. 15). Das BMT wurde bis zum 17⬙ x 25⬙er Stahlbogen (zwölf Monate) belassen und bei jedem Kontrolltermin (ca. alle sechs Wo- chen) die Stabilität der Kieferposition ge- prüft. So konnte auf einfache und praktische Art und Weise sichergestellt werden, dass die neue Kieferposition nicht nur tempo- rär und habituell eingestellt war, sondern tatsächlich langfristig stabilisiert werden konnte. Die aktive Behandlung wurde nach einem Zeitraum von insgesamt 15 Monaten abge- schlossen (Abb. 16). Im Anschluss wurde die Retention mit Hawley-Retainern und nächt- lichen Klasse II-Gummizügen durchgeführt. Nach weiteren drei Monaten konnten die Gummizüge vollständig weggelassen und die Tragezeit von 14 Stunden auf nachts re- duziert werden. Das weitere Re- tentionsprotokoll verläuft dann weiter individuell. Die Behandlungszeit betrug 18 Monate mit der Multibracketapparatur. Das BMT wurde nach sechs Monaten eingesetzt und nach 15 wieder entfernt, was eine Trage- zeit von neun Monaten bedeu- tete. Die Therapieziele der Neu - tral okklusion und Mittenkorrek- tur konnten somit in einem ak- zeptablen Zeitrahmen erfolgreich umgesetzt werden (Abb. 12). Abb. 12a–c: Die Mitte und eine beidseitige Klasse I- Okklusion wurden erfolg- reich eingestellt und das Therapieziel erreicht. und Unterkiefer zu achten, sowie vertikale Komponenten bei der einseitigen Klasse II- Therapie zu berücksichtigen. Abb. 10 Abb. 11a Abb. 11b Abb. 11c Abb. 10: Die Unterkiefermitte ist nach links verscho- ben, es liegt eine mandibuläre Laterognathie vor. – Abb. 11a–c: Zur Korrektur der Asymmetrie wurde das BMT nur links eingesetzt und mit einer leichten Über- korrektur aktiviert. 88 I KOMPENDIUM 2013 Klasse II-Therapie bei Erwachsenen (Abb. 13 bis 15) Abb. 12a Liegt bei fehlendem Wachstum eine Klasse II vor, gab es in der Vergangenheit lediglich die Möglichkeiten der orthognathen Chi - rurgie oder der Camouflage-Extraktions- therapie. Mittlerweile ist aber auch be- kannt, dass festsitzende Klasse II-Appara- turen hier Erfolg versprechend eingesetzt werden können. Eine Operation war keine Option für die hier vorgestellte 28-jährige Patientin. Aufgrund des vorliegenden Profils erschien allerdings ebenfalls eine Extraktionstherapie nicht zu Abb. 12b Abb. 12c
Das Baxmann Mini Teleskop im Praxistest Abb. 13 Abb. 14a Abb. 14b Abb. 13: Chirurgie, Extraktionstherapie oder BMT? Bei moderat ausgeprägten Klasse II-Fällen sind festsitzende Klasse II-Apparaturen sicherlich eine sehr gute Alternative. – Abb. 14a, b: Unterkiefer-Rücklage mit einer dreiviertel Klasse II rechts und links sowie steilstehenden Fronten in Ober- und Unterkiefer. a b c Abb. 15a–c: Das BMT wurde direkt zu Beginn der Behandlung, schon während der Nivellierung verwendet. Die Molaren wurden mit einem Transpalatinalbogen gesichert. Bei bruxierenden Patienten können gegebenenfalls temporäre posteriore Aufbisse verwendet werden. a b c Abb. 16a–c: Nach 15 Monaten Gesamtbehandlungszeit und zwölf Monaten mit BMT konnte auch bei dieser erwachsenen Patientin ein sehr schönes und stabiles Ergebnis erreicht werden. Zusammenfassung Beim Baxmann Mini Teleskop handelt es sich um eine neue Apparatur, die sich in die Reihe der starren, festsitzenden Klasse II-Apparatu- ren einfügt. Sie wurde hier im Praxistest vorge- stellt und in verschiedenen Situationen des kie- ferorthopädischen Behandlungsalltags erfolg- reich eingesetzt. Sie ist je nach Ausgangslage einseitig oder beidseitig einsetzbar. Dies ist da- durch besonders angenehm für den Behandler, dass die entsprechenden Bauteile rechts und links identisch sind und die Anbringung der Ap- paratur an herkömmlichen Molarenbändern in allen vier Quadranten identisch durchgeführt wird. Demzufolge sind hierbei weder beson- dere Vorkenntnisse noch aufwendige Labor- schritte für die Verwendung des BMT nötig. Das Indikationsspektrum ist durch die aus- schließliche Anbringung im Molarenbereich sehr groß, denn das BMT ist dadurch von der Frühbehandlung bis zur Erwachsenentherapie einsetzbar. Gerade auch für ästhetisch an- spruchsvolle Patienten erscheint es durch die geringen Dimensionen der Apparatur und re- sultierende „Unsichtbarkeit“ sehr gut geeignet. Nicht nur, dass es bei geöffnetem Mund kaum sichtbar ist. Auch die ausgeprägte Protrusion der Unterlippe, die bei Verwendung größerer Apparaturen häufig zu beobachten ist, tritt mit dem BMT nicht auf. Als Behandler kann man durchaus feststellen: Wer sie einmal ausprobiert und die einfache Handhabung verinnerlicht hat, wird sie im Praxisalltag nicht mehr missen mögen. Abschließend ist festzuhalten, dass sich das BMT nicht nur durch die einfache Handhabung, den hohen Tragekomfort und die sehr gute Ästhetik, sondern auch durch die klinisch er- probte Wirksamkeit als interessante und praktische Alternative innerhalb der Familie der Klasse II-Apparaturen erwiesen hat. *Fa. adenta GmbH, www.adenta.de Kurzvita Dr. med. dent. Martin Baxmann [Autoreninfo] Adresse Dr. Martin Baxmann Arnoldstraße 13b 47906 Kempen Tel.: 02152 89261-90 Fax: 02152 89261-91 info@praxis-baxmann.de www.praxis-baxmann.de KOMPENDIUM 2013 I 89
Vorschubdoppelplatte nach Sander (S-II-Apparatur) Abb. 1: Die Vorschubdoppelplatte (VDP) konstruiert mit der Vorschub- doppelplatten-Schraube nach San- der (Fa. FORESTADENT). Der diesjährige KN-Themenschwer- punkt widmet sich der Therapie von Klasse II-Malokklusionen und gibt einen Überblick hinsichtlich aktuell am Markt befindlicher Behandlungs- apparaturen. Natürlich darf in diesem Zusammenhang die Vorschubdop- pelplatte nach Sander (S-II-Appara- tur) nicht fehlen. Dr. Heike Charlotte Sander und Priv.-Doz. Dr. Christian Sander stellen sie vor. Gute Behandlungsergebnisse in relativ kurzer Zeit Die kieferorthopädischen Doppelplattensys- teme gehen auf A.M. Schwarz zurück. Er durch- trennte Mitte des 20. Jahrhunderts einen Andresen-Häupl-Aktivator auf solche Art und Weise, dass eine vom Oberkiefer ausgehende Kunststofflamelle an einer schiefen Ebene des Unterkiefers entlanggleitete. Seine Be- handlungsapparatur nannte er „Vorbiss-Dop- pelplatte“. Eine Modifikation dieses Systems stellte die „Vorbiss-Doppelplatte“ mit Drahtbügeln dar, welche über die Führungsfläche eine Vor - verlagerung des Unterkiefers auslösen sollte. Den Vorteil dieser Konstruktion sah A.M. Schwarz darin, dass die verwendeten Drahtbügel durch den Behandler nachträg- lich ak tivierbar und damit die Vorverlage- rung des Unterkiefers steuerbar sei. Eine Modifikation der Schwarz’schen Konstruk- tion wurde in den 1960er-Jahren dann von Mül- ler beschrieben – die „Doppelplatte mit Ober- kiefer-Spornführung“. Bei dieser Konstruktion werden die Vorschubstege lateral angebracht, um die Sprachbehinderung des Patienten zu reduzieren und der Zunge mehr Bewegungs- freiheit zu geben. Lateralbewegungen des Un terkiefers sind hingegen nicht möglich. Als weiterer Nachteil werden die häufigen Fraktu- ren und damit die gesteigerte Reparaturanfäl- ligkeit dieser Apparatur nach Müller gesehen. Erst über 30 Jahre nach Entwicklung der „Vor- biss-Doppelplatte“ nach A.M. Schwarz wur- den von F.G. Sander Nachtschlafuntersuchun- gen durchgeführt, die für die Konstruktion der S-II-Apparatur (Vorschubdoppelplatte nach Sander)* von entscheidender Bedeutung wa- ren: So wird bei der S-II-Apparatur sowohl der Neigung der Metallstege von 60°±5° zur Ok- klusionsebene als auch der Steglänge eine wichtige Rolle zugesprochen (Abb. 1). Beide Parameter sind nach Sander für den Behand- lungserfolg zwingend notwendig. Abb. 2: Die Inklination der schiefen Ebene wird durch die Ausrichtung des Kunststoffplättchens erreicht, das je nach Wachstumsmuster des Patienten auf 55° (horizontales Wachstum), 60° (neutrales Wachstum, hier gezeigt) oder 65° (ver- tikales Wachstum) zur Okklusionsebene ausge- richtet wird. – Abb. 3: Vorschubdoppelplatten- Schrauben nach Sander (Fa. FORESTADENT) mit an den Schraubenkörper gelaserten Stegen. Abb. 2 Abb. 3 90 I KOMPENDIUM 2013
Ihr Adenta Effekt EINFACH NUR EINFACH! NEU Das Baxmann Mini Teleskop BMT Die neue Generation der Klasse II-Korrektur (cid:114)(cid:1)(cid:38)(cid:74)(cid:79)(cid:84)(cid:70)(cid:74)(cid:85)(cid:74)(cid:72)(cid:1)(cid:86)(cid:79)(cid:69)(cid:1)(cid:67)(cid:70)(cid:74)(cid:69)(cid:84)(cid:70)(cid:74)(cid:85)(cid:74)(cid:72)(cid:1)(cid:70)(cid:74)(cid:79)(cid:84)(cid:70)(cid:85)(cid:91)(cid:67)(cid:66)(cid:83) (cid:114)(cid:1)(cid:1)(cid:34)(cid:79)(cid:67)(cid:83)(cid:74)(cid:79)(cid:72)(cid:86)(cid:79)(cid:72)(cid:1)(cid:66)(cid:79)(cid:1)(cid:73)(cid:70)(cid:83)(cid:76)(cid:213)(cid:78)(cid:78)(cid:77)(cid:74)(cid:68)(cid:73)(cid:70)(cid:79)(cid:1)(cid:46)(cid:80)(cid:77)(cid:66)(cid:83)(cid:70)(cid:79)(cid:67)(cid:197)(cid:79)(cid:69)(cid:70)(cid:83)(cid:79) (cid:114)(cid:1)(cid:1)(cid:44)(cid:70)(cid:74)(cid:79)(cid:70)(cid:1)(cid:45)(cid:66)(cid:67)(cid:80)(cid:83)(cid:84)(cid:68)(cid:73)(cid:83)(cid:74)(cid:85)(cid:85)(cid:70)(cid:1)(cid:79)(cid:213)(cid:85)(cid:74)(cid:72) (cid:114)(cid:1)(cid:1)(cid:45)(cid:66)(cid:85)(cid:70)(cid:83)(cid:66)(cid:77)(cid:67)(cid:70)(cid:88)(cid:70)(cid:72)(cid:86)(cid:79)(cid:72)(cid:1)(cid:69)(cid:70)(cid:84)(cid:1)(cid:54)(cid:79)(cid:85)(cid:70)(cid:83)(cid:76)(cid:74)(cid:70)(cid:71)(cid:70)(cid:83)(cid:84)(cid:1)(cid:78)(cid:213)(cid:72)(cid:77)(cid:74)(cid:68)(cid:73) (cid:114)(cid:1)(cid:1)(cid:39)(cid:77)(cid:66)(cid:68)(cid:73)(cid:70)(cid:84)(cid:1)(cid:49)(cid:83)(cid:80)(cid:224)(cid:1)(cid:77)(cid:1)(cid:86)(cid:79)(cid:69)(cid:1)(cid:116)(cid:54)(cid:79)(cid:84)(cid:74)(cid:68)(cid:73)(cid:85)(cid:67)(cid:66)(cid:83)(cid:105) (cid:114)(cid:1)(cid:1)(cid:34)(cid:77)(cid:84)(cid:1)(cid:84)(cid:85)(cid:66)(cid:83)(cid:83)(cid:70)(cid:1)(cid:80)(cid:69)(cid:70)(cid:83)(cid:1)(cid:71)(cid:70)(cid:69)(cid:70)(cid:83)(cid:79)(cid:69)(cid:70)(cid:1)(cid:34)(cid:81)(cid:81)(cid:66)(cid:83)(cid:66)(cid:85)(cid:86)(cid:83)(cid:1)(cid:70)(cid:74)(cid:79)(cid:84)(cid:70)(cid:85)(cid:91)(cid:67)(cid:66)(cid:83) (cid:114)(cid:1)(cid:1)(cid:55)(cid:80)(cid:79)(cid:1)(cid:69)(cid:70)(cid:83)(cid:1)(cid:39)(cid:83)(cid:219)(cid:73)(cid:67)(cid:70)(cid:73)(cid:66)(cid:79)(cid:69)(cid:77)(cid:86)(cid:79)(cid:72)(cid:1)(cid:67)(cid:74)(cid:84)(cid:1)(cid:91)(cid:86)(cid:83)(cid:1)(cid:38)(cid:83)(cid:88)(cid:66)(cid:68)(cid:73)(cid:84)(cid:70)(cid:79)(cid:70)(cid:79)(cid:14) (cid:85)(cid:73)(cid:70)(cid:83)(cid:66)(cid:81)(cid:74)(cid:70)(cid:1)(cid:70)(cid:74)(cid:79)(cid:84)(cid:70)(cid:85)(cid:91)(cid:67)(cid:66)(cid:83) Alle weiteren Adenta Effekte i nden Sie im aktuellen Newsletter auf www.adenta.de. (cid:56)(cid:74)(cid:83)(cid:1)(cid:71)(cid:83)(cid:70)(cid:86)(cid:70)(cid:79)(cid:1)(cid:86)(cid:79)(cid:84)(cid:1)(cid:219)(cid:67)(cid:70)(cid:83)(cid:1)(cid:42)(cid:73)(cid:83)(cid:70)(cid:1)(cid:42)(cid:79)(cid:84)(cid:81)(cid:74)(cid:83)(cid:66)(cid:85)(cid:74)(cid:80)(cid:79)(cid:70)(cid:79)(cid:1)(cid:66)(cid:86)(cid:84)(cid:1) (cid:42)(cid:73)(cid:83)(cid:70)(cid:83)(cid:1)(cid:49)(cid:83)(cid:66)(cid:89)(cid:74)(cid:84)(cid:15) Rufen Sie uns an: +49 (0)8105 73436-0 Adenta GmbH | Gutenbergstraße 9 | D–82205 Gilching Telefon: 08105 73436-0 | Fax: 08105 73436-22 Mail: info@adenta.com | Internet: www.adenta.de
Vorschubdoppelplatte nach Sander (S-II-Apparatur) bis zu 15 mm betragen. Wenn es in der Nacht zu mandibulären Aktivitäten kommt, erfolgt die Aktivierung der Mus- keln nicht simultan wie am Tag, son- dern unkoordiniert. Durch die Vorverlagerung des Unterkiefers mittels der Stege entstehen reziproke Kräfte auf den Oberkiefer. Diese Kräfte entstehen durch die Dehnung (Visko - elastizität), nicht jedoch durch eine erhöhte Muskelaktivität. Während des nächtlichen Tragens kann eine Kraft von ca. 3 N auf den Oberkiefer über- tragen werden. Tageffekt Wird die S-II-Apparatur am Tag getragen, so führen das Sprechen mit dem Gerät und die Anwendung beim Lernen zu besonders funk- tionellen Bewegungen. Spricht der Patient mit der Vorschubdoppelplatte im Mund, so nimmt der Unterkiefer einen größeren sagit- talen Vorschub ein, als vom Konstruktions- biss her vorgegeben wurde. Der Patient ver- sucht beim Sprechen den Kontakt mit den Stegen zu vermeiden. Dies bedeutet, das Sprechen mit dem Gerät entspricht der funk- tionellen Anpassung der Weichteile, Mus- keln und Zähne. Abb. 5: Kraftvektoren bei der Vorschubdoppel- platte bei Einstellung des Winkels der schiefen Ebene zur Okklusionsebene auf 55°. Die Reactio auf die Oberkieferbasis verläuft ante- rior des Widerstandszentrums (WZ). Die Oberkie- fergrundebene wird in Richtung Anteinklination beeinflusst. Elemente der S-II-Apparatur Die Vorschubdoppelplatte besteht aus zwei getrennten, herausnehmbaren Platten für den Oberkiefer und für den Unterkiefer. Beide Platten sind durch zwei an der Oberkiefer- platte angebrachte Führungsstege miteinan- der verbunden. Die Unterkieferplatte enthält eine schiefe Ebene, die nach Sander in einem Winkel von 60°±5° zur Okklusionsebene hergestellt wird. Zur Erleichterung der Konstruktion hat die Firma FORESTADENT die Unterkieferschraube mit einem Kunststoffhalter und einer Monta- geplatte versehen, die beliebig zur Okklu- sionsebene ausgerichtet werden kann (Abb. 2). Die Oberkieferplatte mit den Protrusionsste- gen dient der Führung des Unterkiefers. Diese polierten Stege weisen eine Länge von 16 mm auf, stehen parallel zueinander und wurden auf eine Dehnschraube aufgelasert. Diese Konstruktion sorgt für eine hohe Stabilität der Apparatur (Abb. 3). Beide Geräte zusammen erzeugen beim Zubiss den gewünschten Vorschub des Unterkiefers. Inklination der schiefen Ebene im Unterkiefer In Abhängigkeit vom Wachstumsmuster des zu behandelnden Patienten kann der Winkel der schiefen Ebene im Unterkie- fer verändert werden. Das thera- peutische Ziel ist, negativen Folgen, wie sie durch das Wachstumsmuster ent- stehen können, entgegenzuwirken. Dies bedeutet nicht, dass ein skelettal offener Biss mithilfe einer Vorschubdoppelplat - te geschlossen werden kann. Diagnostiziert man aber bei einem Patienten ein vertikales Wachstumsmuster, dann besteht die Gefahr, dass der Patient auf- grund des ungünstigen Unterkiefer- wachstums irgendwann einen offenen Biss bekommt. Das Ziel ist, die nega- tive Entwicklung in einen offenen Biss mithilfe der Vorschubdoppelplatte güns - tig zu beeinflussen. Bei einem horizontalen Wachstumsmuster ist das Bestreben, Gegensätzliches zu erreichen. Bei bereits vorhandener Tiefbisssituation soll - te auf ständige Bisshebung hingearbeitet wer- den. Durch Variation der Inklination der schie- Abb. 4: Kraftvektoren bei der Vorschubdoppel- platte bei Einstellung des Winkels der schiefen Ebene zur Okklusionsebene auf 60°. Die Reactio auf den Oberkiefer wirkt in der Weise, dass die Inklination der Oberkieferbasis während der Therapie nicht beeinflusst wird (WZ = Widerstands zentrum). Wirkungsweise der S-II-Apparatur Nachteffekt Nachtschlafuntersuchungen von F.G. San- der haben gezeigt, dass Patienten nach dem Einschlafen mit einer mehr oder minder gro- ßen Mundöffnung schlafen. Diese Mundöff- nung wird lediglich unterbrochen durch be- stimmte Schluckakte bzw. durch ein kurzes Erwachen oder durch den Wechsel der Schlafstadien. Dabei ergibt sich eine immer wiederkehrende Systematik: Während des Wachseins haben die Muskeln noch unter- schiedlich hohe Aktivitäten und stellen eine relativ kleine Abstandshaltung zum Ober- kiefer her. Mit fortschreitender Ermüdung je- doch spielen die Faktoren Schwerkraft, Lage des Kopfes, Unterstützung des Kopfes sowie Viskoelastizität der Weichteile und Gewebe eine Rolle. Während also zu Beginn die Muskulatur mit ihrer Aktivität für die Abstandshaltung ver- antwortlich ist, treten im weiteren Verlauf ganz andere Faktoren in den Vordergrund. Diese Faktoren bedingen eine gewisse Mund- öffnung, dabei geht der Kontakt zwischen Ober- und Unterkiefer bei der Anwendung von funktionskieferorthopädischen Geräten verloren. Die Mundöffnung kann zeitweilig 92 I KOMPENDIUM 2013
Vorschubdoppelplatte nach Sander (S-II-Apparatur) läuft dabei anterior des „Widerstands - zentrums“ des Oberkiefers (Abb. 5). Die Inkli- nation der Oberkieferbasis wird dadurch im Sinne einer Anteinklination beeinflusst. Vertikales Wachstums- muster Durch die Inklination der schie- fen Ebene auf 65° verläuft der Kraft- vektor posterior des „Widerstandszen- trums“ der Oberkieferbasis (Abb. 6). Das hierdurch erzeugte Drehmoment ver- ändert die Wachstumsrichtung des Oberkiefers im Sinne einer Retroinklination. Konstruktionsbiss Der Konstruktionsbiss für die S-II-Apparatur sollte eine sagittale Vorverlagerung von ca. 5mm aufweisen, bei einer vertikalen Biss- sperre von 3mm. Durch einen derartigen Kon - s truktionsbiss wird erreicht, dass am Anfang, d.h. während der Gewöhnungsphase, der Pa- tient seinen Mund zunächst nur 3 bis 4mm schließt. Im Laufe eines Monats jedoch kommt es bei den Muskelaktivitäten während des Ta- ges und während der Nacht zu einem komplet- ten Schluss, was durch die vertikale Bisssperre von 3mm zu einem zusätzlichen Vorschub von 2mm beiträgt. Der so empfohlene Konstruk- tionsbiss führt dann im Laufe eines Monats zu einer sagittalen Beeinflussung von ca. 7mm. Nebenwirkungen Die schnelle Vorverlagerung des Unterkiefers in der Sagittalen führt bei einigen Patienten dazu, dass ein seitlich offener Biss entsteht. Der Grund für diesen seitlich offenen Biss be- steht darin, dass der (vertikale) Durchbruch der betroffenen Zähne der Vorverlagerungs- geschwindigkeit nicht standhalten kann. Der- artig seitlich offene Bisse lassen sich jedoch problemlos mit einer Multibandapparatur wieder schließen. Vorteile der S-II-Apparatur ö Die S-II-Apparatur findet hohe Akzeptanz bei den Patienten, da sie mit diesem Gerät im Mund recht gut sprechen können. ö Durch die Anbringung unterschiedlicher Halteelemente ist es auch möglich, eine gute Verankerung im reduzierten Wechselgebiss zu erreichen. ö Die Konstruktion des Gerätes in zwei separa- ten Platten macht es gleichzeitig möglich, Einzelzahnbewegungen im Oberkiefer und im Unterkiefer durchzuführen. ö Da die Patienten sehr häufig mit mehr oder weniger geöffnetem Mund während der Nacht schlafen, haben die langen Stege einen skelettalen Effekt auf den Oberkiefer und den Unterkiefer. ö Durch die Kombination mit extraoralen Ge- räten kann die Wirkung der S-II-Apparatur noch gesteigert werden. öBei der Anwendung der S-II-Apparatur wäh- rend des Tages tritt ein Übungseffekt auf, der den Patienten veranlasst, den Unterkiefer in der Sagittalen weiter vorzuverlagern, als dies vom Konstruktionsbiss programmiert wurde. ö Funktionelle Bewegungen, wie sie für die Therapie erforderlich sind, werden nicht be- hindert. Der Unterkiefer gleitet nahezu frik- tionsfrei nach anterior. Bereits geringe Mus- kelaktivitäten führen bei der S-II-Apparatur zum kompletten Mundschluss. ö Es erfolgen gute Behandlungsresultate in relativ kurzer Zeit. *Fa. FORESTADENT, www.forestadent.com Kurzvita Dr. Heike Charlotte Sander [Autoreninfo] Priv.-Doz. Dr. Christian Sander [Autoreninfo] Adresse DocSander Die Kieferorthopäden Eversbuschstr. 107 80999 München Tel.: 089 66660494 praxis@docsander.de www.docsander.de KOMPENDIUM 2013 I 93 Abb. 6: Kraftvektoren bei der Vorschubdoppel- platte bei Einstellung des Winkels der schiefen Ebene zur Okklusionsebene auf 65°. Die Reactio auf die Oberkieferbasis verläuft pos- terior des Widerstandszentrums (WZ). Die Ober- kiefergrundebene wird in Richtung Retroinklina- tion beeinflusst. fen Ebene im Unterkiefer bei der Vorschubdop- pelplatte kann die Inklination der Oberkiefer- grundebene beeinflusst werden. Bei Vorliegen eines vertikalen Wachstums- musters kann eine weitere Bissöffnung durch Beeinflussung der Oberkiefergrundebene im Sinne einer Retroinklination vermieden wer- den. Bei einem horizontalen Wachstumstyp ist das Bestreben, den Oberkiefer im Sinne einer Anteinklination zu beeinflussen. Ein durch die VDP erzeugtes Moment auf den Oberkiefer im Sinne einer Retroinklination würde die skelet- tale Situation des Patienten verschlechtern und einer weiteren Bissöffnung entgegenwirken. Neutrales Wachstumsmuster Bei neutralem Wachstumsmuster soll die In- klination der Oberkieferbasis nicht verändert werden. Der Winkel der schiefen Ebene im Unterkiefer ist auf 60° einzustellen. Damit läuft der Kraftvektor direkt durch das „Wider- standszentrum“ des Oberkiefers (Abb. 4). Die Inklination der Oberkieferbasis bleibt somit während der Therapie unbeeinflusst. Horizontales Wachstumsmuster Bei bestehender Distalbisslage und Tiefbiss - situation sollte bei einem horizontalen Wachs- tumsmuster die Inklination der schiefen Ebene auf 55° eingestellt werden. Der Kraftvektor ver-
AdvanSyncTM Class II M2M Im Rahmen des AAO-Jahreskongresses in Philadelphia referierte Dr. Terry Dischinger über AdvanSyncTM Class II M2M (Fa. Ormco), die zweite Generation der von ihm entwickelten Klasse II-Apparatur. KNtraf den Kieferorthopäden aus Lake Oswego, Oregon/USA, zum Interview. „Diese Apparatur besitzt großes Potenzial“ Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Vorteile der zweiten Generation von Advan- SyncTM*? Die Apparatur wird im MIM-Verfahren (Metal Injection Molding) gefertigt, die Ösen sind nicht gelötet. Das Gerät wird somit auf die gleiche Art und Weise gefertigt wie Brackets, was zu einer stärkeren Bindung zwischen Ösen und Me- chanismus führt. AdvanSync 2 wurde zum Zeit- punkt dieses Interviews (während des AAO in Philadelphia, Anm. d. R.) in insgesamt 86 Fäl- len durch 21 Behandler getestet, wobei keine einzige Störung des Mechanismus auftrat. Die Ösen sind um 16% größer gestaltet, so- dass eine größere Bewegungsfreiheit ermög- licht wird. Je weniger starr die Apparatur ist, desto bequemer ist sie, da mehr laterale Be- wegung zur Verfügung steht. Ich denke, dass dies eine Rolle dabei spielt, dass sich Patien- ten recht schnell an die Apparatur gewöhnen. Und auch für die Bruchanfälligkeit ist dieser Aspekt entscheidend. Bei einer starren Appa- ratur können Bewegungen schneller zu einem Bruch führen. Die größeren Ösen von Advan- Sync 2 bewirkten bei den untersuchten 86 Fäl- len keinerlei Brüche. Durch das Loch auf der Rückseite der Apparatur können eventuell auf- tretende Ablagerungen aus dem Mechanismus der Apparatur entfernt werden. Außerdem ist die Apparatur lasergeschweißt. Das distale Ende ist abgerundet, während es beim Origi- nal noch flach war und damit vergleichsweise scharfe Kanten aufwies. Einstellstange und Röhrchen der Apparatur sind elektropoliert, sodass der Mechanismus besser gleitet. Zudem sind die Enden der Röhr- chen verrundet, sodass das Gerät sich nicht ver- fangen kann. Die Einstellstangen und Röhr- chen überlagern sich jetzt etwas stärker, wo- durch die Apparatur stabiler ist. Des Weiteren gibt es doppelte Schraubenlöcher im Oberkie- fer, sodass nach Aktivierung der Apparatur die obere Schraube zum vorderen Loch hin bewegt werden kann, um den Kiefer nach vorn zu brin- gen. Das verhindert eine Beeinträchtigung des aufsteigenden Ramus durch Aktivierung der Apparatur und Vorwärtsbewegung des Kiefers. Dadurch kann jeder Fall mit ein und demselben Mechanismus behandelt werden. Anders als bei der Herbst-Apparatur steht immer genü- gend Raum für die Aktivierung zur Verfügung. Das Innere der Kronen ist mikrogeätzt, um die Haftung zu verstärken. Zudem wurden die Spitzen der Kronen herausgeschnitten, um die Passung zu unterstützen. Man kann damit ge- nau erkennen, ob die Krone komplett auf der okklusalen Fläche aufliegt. Die vier Kronen- größen im AdvanSync-Kit passen in 90% der Fälle mit bleibendem Gebiss. Die Schraubengehäuse weisen eine Spira- lock-Gewindeform auf. In Tests wiesen sie ohne Ceka-Bond die gleiche Stärke bei der Schraubensicherung auf wie mit Ceka-Bond bei AdvanSync 1. Wir empfehlen nach wie vor Ceka-Bond mit Spiralock. Anders als bei jeder Herbst-Apparatur, die ich bisher verwendet habe, lösen sich bei uns jedoch keine Schrau- ben. Eltern finden sich lösende Schrauben schlimmer als alles andere, was mit dieser Apparatur passieren kann. Warum, weiß ich auch nicht. Insgesamt wurden sieben Dinge bei Advan- Sync 2 verändert. Schaut man sich die zweite Generation an, ist es jedoch schwer, diese sie- ben Veränderungen sofort zu erkennen. Bei erwähnter Studie erschien den Behandlern der Mechanismus kleiner. Ich weiß nicht, wa- rum sie das so wahrgenommen haben. Aber ich vermute, es geschah aufgrund der abge- rundeten Rückseite. Die Apparatur ist sehr komfortabel. Als wir AdvanSync 2 in unserer Praxis getestet ha- ben, haben wir bei unseren Patienten die Vor- gängergeneration gegen AdvanSync 2 aus - getauscht. Ich rief daraufhin jeden Patienten einzeln an, um zu fragen, wie er sich fühlte. Sie sagten dann, dass sie sich mit der neuen Ap- paratur wesentlich besser fühlten. Es entstan- den dabei interessante Gespräche hinsichtlich der Verbesserungen bei AdvanSync 2. Für mich war das natürlich sehr aufregend, da alle Pa- tienten, mit denen ich sprach, Teenager oder junge Erwachsene waren. AdvanSync 2 unter- scheidet sich signifikant von AdvanSync 1 und anderen Apparaturen durch die Art, wie sie wirkt, wie sie sich im Mund anfühlt und da- durch, dass keine Störungen des Mecha- nismus auftreten. Haben die Weiterentwicklungen die klini- sche Indikation und die Anwendungszeiten beeinflusst? An unserem Protokoll hat sich nichts geändert. Es ist genau das Gleiche, was wir zuvor für die Herbst-Apparatur verwendet haben. Über das Timing denken wir dabei gar nicht nach. Su- chen uns Patienten im Wechselgebiss auf und es liegt eine ausgeprägte Klasse II vor, behan- deln wir sie. Kommen Teenager zu uns, behan- deln wir sie, wenn sie eine Klasse II mit retru- siver Mandibula haben. Suchen uns Erwach- sene auf, zeigen wir ihnen die verschiedenen Optionen. Wir sprechen dabei über chirurgi- sche Eingriffe, Extraktion der oberen Prämo- 94 I KOMPENDIUM 2013
KLINISCHER FALL 1 AdvanSyncTM Class II M2M a b c a b c Abb. 1a–c: 11,8-jähriger Patient, extraorale Ausgangssituation. Abb. 3a–c: Extraorale Situation zu Behandlungsbeginn. a b c d e a b c d e Abb. 2a–c: 11,8-jähriger Patient, intraorale Ausgangssituation. Abb. 4a–e: Intraorale Situation zu Behandlungsbeginn. a b c a b c d e Abb. 5a–c: Extraorale Aufnahmen nach einem Jahr Retention. Abb. 6a–e: Intraorale Aufnahmen nach einem Jahr Retention. KOMPENDIUM 2013 I 95
AdvanSyncTM Class II M2M KLINISCHER FALL 2 a b c d Abb. 7a–d: Extraorale Aufnahmen: Ausgangssituation (a), finale Situation (b), ein Jahr Retention (c), zwei Jahre Retention (d). Dentofaziale Orthopädie beginnt am ersten Tag der Behandlung. Maxilläre Veränderung Position oberer Molar Veränderung maxilläre Zähne Veränderung Profil Mandibuläre Veränderung Abb. 8: Profilveränderung Fall 2. Veränderung mandibuläre Zähne laren und über AdvanSync. Die Akzeptanz der Apparatur war in allen Altersgruppen phäno- menal. Sogar Erwachsene und Teenager mö- gen sie, weil keiner merkt, dass sie die Appa- ratur tragen. Sie sehen vielmehr aus, als trü- gen sie eine ganz normale Zahnspange. Und in den USA haben viele Teenager eine Zahn- spange und ich glaube, in Deutschland ist das ähnlich. Gibt es ein Grenzalter, bis zu welchem Sie Patienten mit AdvanSync behandeln? Nein, wir behandeln Patienten jeden Alters. Bei der Behandlung von Erwachsenen gibt es je- doch Unterschiede im Behandlungsprotokoll. Die Behandlung dauert länger, da wir die Appa- ratur nicht so oft reaktivieren. Zudem fertigen wir ein MRT an, um zu bestimmen, ob der Kon- dylus angemessen in der Glenoid Fossa zen- triert ist, bevor wir die Apparatur reaktivieren. Der Grund dafür, dass wir die Apparatur reakti- vieren müssen, ist – wie uns auch alle Tierstu- dien gezeigt haben – , dass der orthopädische Effekt nachlässt, wenn die Apparatur nicht nach zwei oder drei Monaten reaktiviert wird. Als ich damals mit der Herbst-Apparatur anfing zu behandeln und mein Protokoll hierfür fest- legte, stützte ich mich vor allem auf Tierstudien. Mittlerweile zeigen auch meine Studien am Menschen, dass unser Protokoll funktioniert. Bei Erwachsenen dauert es länger, bis der Kondylus wieder in der Fossa sitzt. Wir haben 60 MRTs bei 40 heranwachsenden Patienten gemacht. Wir fertigten ein MRT aller drei Mo- nate an und fanden heraus, dass bei unseren heranwachsenden Patienten der Kondylus nach drei Monaten in der Fossa saß. Um eine maximale Orthopädie zu erreichen, müssen wir die Apparatur also reaktivieren. Dies dis- artikuliert den Kondylus in der Fossa, sodass sich der orthopädische Effekt fortsetzt. Distalisiert man die oberen Molaren, setzt sich der Kondylus und der Molar bewegt sich zu- rück, während sich die Mandibula mit dem 96 I KOMPENDIUM 2013 Mechanismus ebenfalls zurückbewegt. Damit verliert man den orthopädischen Effekt. Für jede Behandlung muss ein Behandlungspro- tokoll eingehalten werden. Unser Protokoll besagt, dass wir im oberen Zahnbogen keinen Raum schaffen bzw. den oberen Zahnbogen distalisieren. Wir wollen den Headgear-Effekt minimieren. Und um den orthopädischen Ef- fekt zu erhalten, möchten wir, dass der Kon - dylus disartikuliert ist. Eine wirkliche Schwierigkeit, wenn man die Anwendung der Herbst-Apparatur lehrt, ist, dass es so viele verschiedene Wege gibt, diese zu nutzen. Forscher sagen, es sei nur Zahnbe- wegung, keine Orthopädie. Wie sieht Ihr Pro- tokoll aus? Spielt dies überhaupt eine Rolle? Das Protokoll spielt für jede orthodontische Bewegung eine Rolle. Das Gleiche gilt für die dentofaziale Orthopädie. Insofern ist das Pro- tokoll sehr wohl wichtig. Die Apparatur muss alle drei Monate reaktiviert werden und wir müssen aufgrund des Rebound-Effekts über- korrigieren. Woodside und Vouderous haben die Herbst-Apparatur bei Versuchen an Affen in Toronto überkorrigiert, genau weil es die- sen Rebound-Effekt gibt. Die Kieferorthopädie hat sich auf den sich im Wachstum befindlichen Unterkiefer fixiert. Wir können sehen, dass wir die Wachstumsrich- tung in der Fossa verändern. Während das nor- male Wachstum der Fossa nach unten und rück- wärts gerichtet ist, erkennen wir anhand unse- rer Forschung, dass sich die Fossa nach oben und vorwärts remodelliert. Dieses Wachstum wurde über einen Zeitraum von sechs Jahren beibehalten. Die durchschnittliche Behand- lungsdauer mit der Herbst-Apparatur liegt im Wechselgebiss bei 8,5 Monaten, wobei eine Bracketbehandlung nur im bleibenden Gebiss durchgeführt wird. Die Fälle waren sechs Jahre nach Behandlungsbeginn stabil, also müssen wir überkorrigieren. In der Kieferorthopädie wird alles überkorrigiert, warum sollten wir also in der dentofazialen Orthopädie nicht überkorrigieren? Unser Protokoll gibt eine Überkorrektur vor, wir wollen den Kondylus in der Fossa in einer überkorrigierten Position. Bei einer Asymmetrie ist ebenfalls eine Über- korrektur notwendig. Ich habe noch nie ge- hört, dass jemand, der über funktionelle Ap- paraturen spricht, eine Überkorrektur für eine Asymmetrie erwähnt. 50% aller Klasse II- Fälle weisen eine mandibuläre Asymmetrie auf. Wie kann man diese behandeln, wenn man sie ignoriert?
Welche Behandlungsdauer empfehlen Sie für die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit AdvanSync? Für die Behandlung mit AdvanSync gilt das Gleiche wie für die Behandlung mit Herbst: Die Initialaktivierung erfolgt für einen Klasse I-Eckzahn. Warum? Der Grund für die Aktivierung ist, dass ich Brackets zusammen mit meiner Herbst- oder AdvanSync-Appara- tur verwende. Mit AdvanSync kann man alle kieferorthopädischen Bewegungen auf ein- mal durchführen. Das ist eine ihrer vielen tol- len Eigenschaften. Aber wenn man sie nicht in eine Klasse I-Eckzahn-Beziehung bringt, würden die Patienten die Brackets auf den unteren Zähnen abbeißen. Das ist der Grund, warum ich meine Behandlung mit einer sol- chen initialen Aktivierung beginne. Der Grund dafür, dass ich mit der Anwendung von Brackets begonnen habe, ist Robert Ri- cketts. Er riet mir zu Brackets, damit man die Zähne kontrollieren kann. So ist der richtige Torque auf den oberen Schneidezähnen not- wendig, um eine Klasse I-Beziehung zu errei- chen. Verhindert man eine Distalisierung der oberen Molaren, erreicht man einen maxi - malen orthopädischen Effekt. Brackets auf den unteren Schneidezähnen verhindern, dass die se kippen und gestatten die Ausrichtung des unteren Zahnbogens. Brackets in Verbin- dung mit AdvanSync ermöglichen eine Klas se II-Behandlung in Klasse I-Zeit, d.h. Brackets von 5-5 bei jedem Fall. Fälle können auf der einen Seite eine Klasse I und auf der anderen eine Klasse II aufweisen. Man setzt die Apparatur ein und eine Klasse I- Eckzahn-Beziehung wird auf beiden Seiten erreicht. Nach drei Monaten aktivieren wir ei- nen symmetrischen Fall, da der Kondylus nicht mehr verschoben ist. Dann aktivieren wir 4mm auf jeder Seite und belassen es so für drei Monate. Haben wir einen halben Klasse II-Eckzahn oder weniger, überkorrigieren wir einen hal- ben Zahn, basierend auf dem Eckzahn. Der obere Eckzahn ist zum unteren ersten Prämo- laren in Richtung Klasse III überkorrigiert, so- dass wir eine dentale Klasse III-Situation vor- liegen haben. Sind wir einmal in dieser Posi- tion, wie lange dauert es dann? Es könnten zwei Termine nötig sein, oder auch drei. Meis- tens, wenn wir alles richtig machen, sind es drei Sitzungen. Hin und wieder auch einmal vier. Lässt man eine Distalisierung der Molaren zu, läuft man der Überkorrektur hinterher, erreicht AdvanSyncTM Class II M2M KLINISCHER FALL 3 a b c Abb. 9a–c: 11,11-jährige Patientin, extraorale Ausgangssituation. a b c d e Abb. 10a–e: 11,11-jährige Patientin, intraorale Ausgangssituation. a b c Abb. 11a–c: Extraorale Aufnahmen: Behandlungsfortschritt nach 14 Monaten, bereit für das Finishing (Gum- mizüge und dann Debonding). a b c d e Abb. 12a–e: Intraorale Aufnahmen: Behandlungsfortschritt nach 14 Monaten, bereit für das Finishing (Gum- mizüge und dann Debonding). KOMPENDIUM 2013 I 97
AdvanSyncTM Class II M2M KLINISCHER FALL 3 a d b e c f Abb. 13a–f: Vergleich intraorale Aufnahmen: Ausgangssituation (a, d), nach sechs Wochen (b, e) und nach 14 Monaten (c, f). KLINISCHER FALL 4 a b Abb. 14a, b: Extraorale Situation nach 2,4-jähriger Behandlung, bevor Überweisung erfolgte – keine Koope- ration der Patientin (a); extraorale Situation nach 14,6-monatiger Behandlung mit der M2M-Apparatur (b), welche keiner Kooperation bedarf. a b Abb. 15a, b: Intraorale Situation während (a) und nach erfolgter Therapie (b). 98 I KOMPENDIUM 2013 sie aber nicht, sodass der orthopädische Effekt ineffektiv ist. Deshalb lassen wir den oberen Zahnbogen zusammen. Haben wir eine Klasse II-Beziehung von mehr als einem hal- ben Eckzahn, basierend auf der Eckzahnbezie- hung, überkorrigieren wir einen kompletten Zahn, sodass der obere Eckzahn sich zwischen dem unteren ersten und zweiten Prämolaren in einer dentalen Klasse III-Beziehung befindet. Schon ab dem ersten Tag in unserer Praxis sprechen wir mit den Eltern und Patienten über diese Überkorrektur. Wenn wir bei der Erst- vorstellung mit einem Patienten über Advan- Sync sprechen, zeigen wir auf dem Computer die Gesichtsaufnahmen, morphen das Kinn und erklären, dass in 90% der Fälle die obe- ren Zähne herausstehen, weil das Kinn zu weit zurück liegt. Deshalb wollen wir dieses Problem behandeln, und das verstehen un- sere Patienten dann auch. Aber wir sagen ih- nen auch, dass wir, um den Robund-Effekt zu vermeiden, für stabile Behandlungsergeb- nisse nach Entfernen der AdvanSync Appa - ratur überkorrigieren müssen. Wir sprechen darüber, dass in der Kieferorthopädie mehr oder weniger alles überkorrigiert wird: Ro - tationen, Tiefbisse, Überbisse, alles. Überkor- rekturen machen also für mich Sinn, jedoch ist es schwer für einen Kieferorthopäden, wenn Eltern dies nicht akzeptieren. Haben wir eine Asymmetrie, korrigieren wir diese entsprechend. 50% aller Klasse II-Fälle weisen einen asymmetrischen Unterkiefer auf. Bei einer Asymmetrie ist die untere Mittellinie
überkorrigiert. Das heißt, sie befindet sich ge- nau in der Mitte des gegenüberliegenden obe- ren zentralen Schneidezahns auf der weniger stark ausgeprägten Klasse II-Seite. Wir über- korrigieren also die Mittellinie und auch in ante- riorer-posteriorer Richtung. Erreichen wir eine finale Position, die durch die Schwere der initia- len Klasse II-Malokklusion vorgegeben wird, planen wir drei Monate später ein MRT ein. Haben Sie nicht die Möglichkeit, Aufnahmen des Gelenks zu machen, gehen Sie 4,5 Monate in die finale Position. Bei heranwachsenden Menschen ist der Kondylus fast immer nach drei Monaten zentriert. Bei einigen Patienten geschieht dies auch nach drei Monaten noch nicht, deswegen empfehlen wir 4,5 Monate in finaler Position, wenn keine Gelenkaufnah- men zur Verfügung stehen. Eine Woche nach dem MRT werden Apparatur und Kronen ent- fernt und obere und untere sektionale Bögen platziert. Eine Woche später fertigen wir unser OPG an und es erfolgen die Repositionierung der Brackets und die Brackets auf den Molaren. Bei Erwachsenen benötigen wir vor der Akti- vierung ein MRT. Sie kommen nach drei Mo- naten in die Praxis, wir machen das MRT und sehen, dass der Kondylus meist noch nicht in der Fossa, sondern immer noch verschoben ist, weil es hier einfach länger dauert. Des- wegen aktivieren wir Erwachsene erst, wenn sich der Kondylus richtig zentriert in der Fossa befindet. Dann überkorrigieren wir immer im höchstmöglichen Maß, weil bei erwachsenen Patienten der Rebound-Effekt größer ist. Und wir fragen alle Erwachsenen, ob sie bereit sind, die Apparatur für ein bis eineinhalb Jahre zu tragen. Bisher wurde sie sehr gut akzeptiert. Grundsätzlich ist es keine große Sache mehr, die Apparatur ist sehr angenehm zu tragen. Wie lang die AdvanSync-Apparatur angewen- det wird, hängt also davon ab, wie stark die in- itiale Klasse II ausgeprägt ist und wie lange es dauert, eine überkorrigierte Position zu errei- chen. Generell ist es schwer, Kieferorthopäden zu einer Überkorrektur zu bewegen. Behandeln Sie Patienten mit Diskusverlage- rung und Reduktion mit AdvanSync? Das tun wir. Ich selbst bin ein gutes Beispiel, denn ich wurde mit der Herbst-Apparatur be- handelt. Aber nicht mit AdvanSync, weil es AdvanSync nicht gab, als ich behandelt wurde. Ich hatte ein Klicken, was es heute nicht mehr gibt. Natürlich können wir keine Garantie ge- ben. Wenn Kinder ein Klicken oder ein TMJ im AdvanSyncTM Class II M2M KLINISCHER FALL 5 a b c Abb. 16a–c: 12,9-jährige Patientin, extraorale Ausgangssituation. a b c d e Abb. 17a–e: 12,9-jährige Patientin, intraorale Ausgangssituation. a b c Abb. 18a–c: Extraorale finale Situation nach 14-monatiger Behandlung (11 Sitzungen; 7,5 Monate mit Advan- Sync 2). a b c d e Abb. 19a–e: Intraorale finale Situation nach 14-monatiger Behandlung (11 Sitzungen; 7,5 Monate mit Advan- Sync 2). KOMPENDIUM 2013 I 99
AdvanSyncTM Class II M2M KLINISCHER FALL 6 a b c a b c Abb. 20a–c: Extraorale Ausgangssituation. Abb. 22a–c: Extraorale Aufnahmen nach erfolgter Behandlung. a b c d e a b c d e Abb. 21a–e: Intraorale Ausgangssituation. Abb. 23a–e: Intraorale Aufnahmen nach erfolgter Behandlung. a b Abb. 24a, b: FRS vor (a) und nach erfolgter Behandlung (b). Wechselgebiss haben und eine Klasse II vor- liegt, möchte ich sie behandeln. Gibt es keine Kiefergelenk-Dysfunktion und es liegt keine ausgeprägte Klasse II vor, warten wir, bis wir alle bleibenden Zähne haben, denn dann können wir in einem Schritt behandeln. Die schweren Fälle möchte ich jedoch frühzeitig behandeln. Unsere Forschung hat gezeigt, dass wir die Wachstumsrichtung des Unterkiefers dauerhaft bis sechs Jahre nach einer dento - fazialen orthopädischen Behandlung verän- dern können. Das könnte eine große Sache für Kieferorthopäden werden. Weitere i-CAT-Nach- weise sind jedoch notwendig. In den meisten Fällen hilft die Vorwärtsbe - wegung des Unterkiefers mit dieser Apparatur einem Patienten mit Kiefergelenk-Dysfunktion, überwiegend verschwindet das Klicken. Wir sprechen hier natürlich von Klasse II-Behand- lungen. Wir setzen AdvanSync nicht bei Klasse I-Fällen ein. Wir haben diese Fälle er- folgreich behandelt, aber wir haben unsere Forschung zu diesen Fällen noch nicht wirklich systematisiert. Gibt es ein Klicken zu Behand- lungsbeginn, sagen wir unseren Patienten meistens, dass es auch noch da sein könnte, wenn die Behandlung abgeschlossen ist. Eine Kiefergelenk-Dysfunktion zu Beginn könnte auch beim Behandlungsende noch vorliegen. Ich habe der TMJ-Forschung bisher wenig Zeit gewidmet. Nun mit der Schlafapnoe hoffe ich, dass wir in diesem Bereich erfolgreicher sein können. Ich denke, diese Apparatur besitzt ein großes Potenzial dafür, vielen Klasse II-Patien- ten mit vorhersagbarem Ergebnis zu helfen. Das gibt es in dieser Form bisher nicht. Gibt es mit AdvanSync weniger Rezidive als mit anderen vergleichbaren Apparaturen? Ich weiß nicht, ob ich diese Frage mit Ja beant- worten kann, denn ich denke, dafür wäre eine gute Langzeitstudie nötig. Wir haben bereits 100 I KOMPENDIUM 2013
AdvanSyncTM Class II M2M eine Langzeitstudie durchgeführt, bei der wir 22 Kinder im Wechselgebiss bei einer durch- schnittlichen Behandlungsdauer von 8,5 Mo- naten im Wechselgebiss und kompletter Spange für die Dauer von sechs Monaten im bleibenden Gebiss untersucht haben. Nach durchschnittlich sechs Jahren waren sie stabil. Wir hatten auch eine Studie in St. Louis über einen Zeitraum von neun Jahren durchgeführt. Die Patienten waren ebenfalls Klasse I-stabil. In unserer Praxis haben wir eine Zufallsaus- wahl getroffen und Langzeitfälle angerufen. Die 15 Patienten, die wir erreicht haben, waren absolut stabil. Hierzu fertigen wir gerade ei- nen entsprechenden Artikel an. Es ist wirklich schwer, eine größere Anzahl von Beispielfäl- len zu sammeln, wenn die Patienten über ei- nen längeren Zeitraum zurückkommen sollen. Deshalb hoffe ich, dass wir diese Forschung systematisieren können, sodass wir diese Technik über einen langen Zeitraum verfolgen können, auch dann, wenn ich einmal nicht mehr bin. Zum Glück habe ich meinen Sohn. Nun, ich übe diese Tätigkeit seit über 30 Jahren aus. Ich habe in den ganzen Jahren keine Pa- tienten gehabt, die mit einem Rezidiv zu mir zurückkamen. Ich habe viele meiner ehemali- gen Teenager-Patienten, die jetzt Erwachsene sind, gesehen, und auch deren Kinder behan- delt. Diese Eltern kommen zu mir und sagen, dass sie immer noch eine Klasse I haben. Ich selbst bin nach der Herbst-Behandlung als Erwachsener und Kieferorthopäde seit über zehn Jahren Klasse I-stabil. Ich habe das Gefühl, dass es eine gute Sache ist, wenn man sagen kann, dass man mit dieser Apparatur behandelt wurde. Ich glaube, man sollte dem beschriebenen Protokoll folgen und überkorrigieren, sodass auch bei einem Re- bound-Effekt die Ergebnisse stabil sind. Aber ich bin voreingenommen, denn es handelt sich hier um mein Protokoll, was einfach funktio- niert. Wenn es ein anderes effektives Protokoll gibt, bin ich gern bereit, auch dieses Protokoll zu verwenden, solange es nur effektiv ist. Wenn ich unterrichte oder schreibe, sage ich allen Kieferorthopäden, dass ich nur das Pro- tokoll lehren kann, das ich selbst seit über 30 Jahren erfolgreich anwende. Ich glaube, dass mein Protokoll auf festen Prinzipien ba- siert und dass ich es geschafft habe, dass eine Klasse II-Therapie für Patienten meiner Praxis angenehm und vorhersagbar ist, gut akzep- tiert wird und durch ihre großen Vorteile das Leben meiner Patienten verändern kann. *Fa. Ormco, www.ormcoeurope.com Aktivierung der AdvanSyncTM Class II M2M Abb. 25: AdvanSyncTM Class II M2M Patienten-Kit. – Abb. 26: Aktivierung der AdvanSync 2-Apparatur. Platzieren Sie den weichen Aktivierungsring in einer Zange oder einem Drahtschneider. Abb. 31a, b: Initiales MRT. Abb. 27: Bewegen Sie die Zange inklusive Ring zur Einstellstange im Mechanismus. – Abb. 28: Plat- zieren Sie den Ring auf der Einstellstange im Mechanismus und drücken Sie diesen auf die Stange. Abb. 29: Ring ist auf der Stange platziert. – Abb. 30: Patient schließt in einer 4 mm vorwärtigen Posi- tion in der Apparatur. Abb. 32: Nach drei Monaten in finaler überkorrigierter Posi- tion, der Kondylus befindet sich nicht in der Fossa. – Abb. 33: Nach 4,5 Monaten in finaler überkorrigierter Position, der Kon- dylus befindet sich in der Fossa. KOMPENDIUM 2013 I 101
Wilson 3-D Quad-Helix Ein Beitrag von Dr. Nelson José Oppermann. Abb. 1 Ein zeitgenössischer Blick auf die bioprogressive Therapie „große“ Kieferorthopäden der Welt ausfindig machen kann, die diesen bioprogressiven Prinzipien folgen. Ricketts et al.2 legten 1979 folgende Prinzipien der bioprogressiven The- rapie fest: 1. Diagnose und Behandlung erfolgen nach einem systematischen Konzept durch Vi - sualisierung des Therapieziels (VTO, Visual Treatment Objective) als Basis der Behand- lungsplanung, zur Beurteilung der Veranke- rung und Kontrolle der Ergebnisse. Die bio- progressive Therapie vertritt die Auffassung, dass eine umfassende diagnostische Ana- lyse der Malokklusion entscheidend ist. Dabei sollten Gesicht und Schädel betrach- tet und sowohl die lateralen als auch poste- rior-anterioren Röntgenaufnahmen her- angezogen werden. Es ist wichtig, sich auf die sieben Schlüssel- parameter der lateralen Analyse zu konzen- trieren: a) anteriore Schädelbasis, b) poste- riore Schädelbasis, c) Unterkiefer, d) Ober- kiefer, e) obere Zähne, f) untere Zähne, g) Weichgewebe. Dabei sollte immer beachtet werden, dass das Ergebnis bei jedem Patien- ten individuell mit den folgenden Fak toren abzustimmen ist: Genetik, angeborene Fak- toren, Lebensumfeld sowie pers önliche Fak- toren des Patienten. 2. Wurzeltorquekontrolle während der ge - samten Behandlung. Diese ist insbeson- dere während der mechanischen Behand- lungsphase von Bedeutung, gerade in der vertikalen Dimension. 3. Muskelkraftverankerung und kortikale Kno- chenverankerung. Die Grenzen der kiefer - a b a b c Abb. 3a, b: Initiale Aufnahmen mit Lip- peninkompetenz und konvexem Profil. Abb. 4a–c: Intraorale Aufnahmen: Wechselgebiss, Klasse II/1, Lückenstand. Abb. 2 Abb. 1: Der „Kybernetische Regelkreis“. – Abb. 2: Pla- nung der einzelnen Behandlungsschritte – die Rei- henfolge des Behandlungskonzepts.5 Dr. Robert Murray Ricketts veröffentlichte im Jahre 1950 den AJO-Artikel „Variations of the temporomandibular joint as revealed by cephalometric laminagraphy“, in welchem er über den Ursprung der bioprogressiven The- rapie schrieb. Der kieferorthopädischen Ge- meinschaft stellte Ricketts, ein junger wacher Geist und Postgraduate-Student der Univer- sität Illinois/USA, eine alternative Perspek- tive dieser Therapie vor.1 Nach jener ersten Veröffentlichung brachte Ricketts noch weitere – insgesamt über 300 – Referenzartikel und Bücher in die kieferortho- pädische Gemeinschaft. Auf dieser Reise, die letztlich durch seinen Tod endete, entstanden im Laufe der Zeit zahlreiche Freundschaften. Es fanden sich viele Anhänger, unter ihnen zwei große Vorreiter der bioprogressiven The- rapie, nämlich Dr. Ruel Bench und Dr. Carl Gugino. Bis in die heutigen Tage dauert die - ser Prozess und dessen (Weiter-)Entwicklung an, sodass man auch heute noch zahlreiche 102 I KOMPENDIUM 2013
Für alle, denen Standard nicht genügt! (cid:43) Das Damon System für eine innovative kieferorthopädische Behandlung mit optimaler Kräfteverteilung (cid:43) Passiv selbstligierende Damon Technik für den individuellen Anspruch Ihrer Patienten (cid:43) Effi ziente Nutzung der Torquewerte für Ihren profi tablen Praxisablauf Informieren Sie sich bei unseren Experten! Die nächsten Damon System Kurse: Dr. Rafael García Espejo Dr. Ramón Perera Grau Berlin 14. Feb. 2014 Dr. García Espejo Hamburg 15. Feb. 2014 Dr. García Espejo München 14. Feb. 2014 Dr. Perera Grau Stuttgart 15. Feb. 2014 Dr. Perera Grau Zum heutigen Zeitpunkt ist eine kieferorthopädische Behandlung mit optimalen Kräften keine Zukunfts- vision mehr. Die aktuelle Entwicklungsstufe der passiv selbstligierenden Brackets eröffnet Behandlungs- möglichkeiten, die vor kurzem noch undenkbar waren. Weitere Infos und Anmeldungen unter: ormcoeurope.com
Wilson 3-D Quad-Helix a b c Abb. 5a–c: Gipsmodelle zu Behandlungsbeginn. a b Abb. 6a, b: Gipsmodelle der okklusalen Ansicht, ästhetische obere Molaren, transversale Dimension von 5,7cm. orthopädischen Mechaniken müssen ver- standen werden. Das Konzept sollte dafür angewandt werden, den Fall orthopädisch zu kontrollieren, wobei jeder Patient als In- dividuum zu betrachten ist, biologisch und orthopädisch. Man sollte die spezifischen Grenzen der Patienten verstehen, im Be- wusstsein dessen, dass brachyfaziale und dolichofaziale Patienten spezielle Bedürf- nisse für die Verankerung aufweisen. 4. Bewegung jedes beliebigen Zahns in jede mögliche Richtung durch Anwendung an- gemessener Kräfte. Die Proportionen der Wurzeloberfläche jedes Zahns, der bewegt werden soll, sind zu beobachten. 5. Orthopädische Veränderungen. Die skelet- tale Dysplasie spielt in diesem Zusammen- hang eine wichtige Rolle. So impliziert die bioprogressive Therapie eine gute Kennt- nis der Mandibula und ihrer Gegenreak- tion auf abnormale Funktionen wie Kreuz- bisse und tiefe Überbisse. Diese Probleme zu korrigieren, ist wichtig für eine positive Reaktion der Mandibula und eine normale Wachstumsrichtung, die letztlich zu einem ansprechenden Profil führen. Die bioprogressive Therapie betont die Wichtigkeit einer genauen Beobachtung der funktionalen Okklusionsebene. Die Okklusionsebene stellt einen guten Indi- kator für orthopädische Probleme dar, die zu einem (schwachen) Wachstum der Man- dibula im Uhrzeigersinn führen könnten. Die Höhe des Ramus mandibulae, die Wachstumsrichtung des Kondylus und die Ausprägung des Wachstums des Kronen- fortsatzes (coronoid process) sind starke Indikatoren dafür, ob das Gesicht eines Pa- tienten einem phy siologischen Wachstums- muster entspricht. Liegt ein abnormales Wachstum vor, reagiert die Mandibula am wenigsten, leidet jedoch am meisten. 6. Den vertikalen Überbiss vor dem Overjet behandeln. Werden Bite-Jumper-Appara- turen oder Klasse II-Gummizüge bei Fällen mit tiefem Überbiss angewendet, bevor der Biss geöffnet wird, kann dies zu einem der häufigsten Fehler in der Kieferorthopädie führen. Interferenzen und Frühkontakte zwischen den Schneide- zähnen können die Folge sein. Die Mandibula re - agiert positiv (Bewegung gegen den Uhr- zeigersinn), wenn sie keine Anterior/ Schneidezahn-In terferenz erfährt. 7. Behandlung mit Teilbögen. Es ist nur lo- gisch, Behandlungsmechaniken zu entwi- ckeln, die Teilbögen verwenden. Die obe- ren und unteren Zahnbögen werden dabei in verschiedene Bereiche gegliedert und in Molaren, Prämolaren, Eckzähne und Schneidezähne unterteilt, sodass die Me- chanik vereinfacht wird. Wird mit diesen Bereichen des oberen und unteren Zahn- bogens in transversaler, dann vertikaler und schließlich horizontaler Dimension gearbeitet, wird der Fall bestens auf den Einsatz der Straight-Wire-Mechanik für ein ideales Finishing vorbereitet. 8. Überbehandlung. Die Überkorrektur eines Falls stellt dessen Langzeitstabilität sicher. So sollte man immer im Hinterkopf behal- ten, dass mit parodontalem Ligament, Pe - riost, Sutura und Muskeln gearbeitet wird. Diese Strukturen haben nun mal die Ten- denz, wieder in ihren Ursprungszustand zurückzukehren, sodass es absolut wichtig ist, die Möglichkeit eines Rebound-Effekts in Betracht zu ziehen. 9. Aufschließen der Malokklusion durch auf- einander folgende Therapieschritte, um ei ne normale Funktionalität (wieder-) herzustellen. Die Behandlung des Falls erst in transversaler, dann vertikaler und ho- rizontaler Dimension resultiert darin, dass sich die Malokklusion progressiv auf natür- liche und biologische Art und Weise auf- löst. Dies bietet für die Knochenstrukturen und die Dentition die Möglichkeit, sich na- türlicheren Bedingungen anzupassen und gesunde Kiefergelenke zu bewahren. 10. Die Nutzung qualitativ hochwertiger vorge- fertigter Apparaturen für effiziente Behand- lungsergebnisse von höchster Qualität. Die bioprogressive Therapie setzt auch weiterhin moderne Techno- logien und Materialien ein, folgt dabei aber immer den grundle- genden Prinzipien, wie sie in die- sem Artikel beschrieben werden. Abb. 7: Fernröntgenseitenauf- nahme zu Behandlungsbeginn. – Abb. 8: Laterale Bissregistrierung und Ricketts-Analyse. Abb. 7 Abb. 8 104 I KOMPENDIUM 2013 All diese beschriebenen Konzepte können hinsichtlich Diagnose und Behandlungsme- chaniken bei jedem Fall eingesetzt werden, um ein virtuelles Behandlungsziel zu erstel- len, bevor irgendeine festsitzende Apparatur eingesetzt wird. Durch laterale und frontale
Wilson 3-D Quad-Helix Kephalogramme und einen Behandlungs - beginn, bei dem das Therapieziel stets fest im Blick behalten wird, erhält der Behandler die größtmöglichen Erfolgschancen und vermei- det unvorhergesehene Zwischenfälle wäh- rend der Behandlung. Um die Kephalometrie vollständig zu verstehen, muss der Behandler damit beginnen, ganz normale Wachstums- konzepte zu begreifen. So sollten Konzepte zu Proportionen und Prinzipien der sogenannten „goldenen Proportionen“ beachtet werden.3 In der Phase der Arbeitsmechaniken folgen Sie der Idee der progressiven Mechaniken. So wird in der transversalen Dimension mit Ex- pansionsapparaturen begonnen, wobei eine schnelle oder langsame palatinale Expansion – je nach Stärke der angestrebten Kräfte – stattfindet. Zum Beispiel verwenden wir die Wilson 3-D Quad-Helix*, eine vorgefertigte Apparatur, um in der transversalen Dimension zu arbeiten. Der große Vorteil dieses Systems ist die vollständige, dreidimensionale Kon- trolle über Torque und Rotation der Molaren während der Behandlung. Da die Apparatur durch den Kieferorthopäden eingesetzt und entfernt wird, sind die Ergebnisse voll vorher- sagbar. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie die bioprogressiven Prinzipien mithilfe vieler verschiedener Arten von Apparaturen einge- setzt werden können. Nach der transversalen Dimension wird die vertikale Dimension mithilfe von Apparatu- ren wie einem zervikalen Headgear behan- delt, um die vertikale posteriore Dimension bei heranwachsenden Patienten und die ver- tikale anteriore Position durch einen Utility- Bogen zu kontrollieren. Um die vertikale pos- teriore Dimension zu kontrollieren, ist es not- wendig, eine vollständige Verankerungskon- trolle der unteren ersten Molaren zu haben. Tip-Back-, Toe-In- und Torque-Biegungen kön- nen für eine maximale Verankerung einge- setzt werden. Die Anwendung sektionaler Ap- paraturen, um den Bogen vom ersten Molaren zu den Prämolaren oder Eckzähnen zu stabili- sieren, ist ein wichtiger Bestandteil der bio- progressiven Therapie, um dadurch ein unge- wolltes Tip-Back der Molaren zu vermeiden. TADs können ebenfalls verwendet werden, um das Verankerungssystem zu verstärken. Jede Art neuer Legierung oder Technologie kann in der bioprogressiven Therapie ange- wendet werden, solange die grundlegenden Prinzipien eingehalten werden. Zum Beispiel ist die Verwendung von Nickel-Titanium- oder a b c Abb. 9a–c: Utility-Bogen im UK zur Kontrolle der unteren Schneidezähne. Es wurden Synergy Brackets (Ricketts Prescription .0185⬙ x .030⬙) eingesetzt. Teilbögen im oberen Zahnbogen, zudem wurden Klasse II- Gummizüge (3/16⬙) von den oberen ersten Prämolaren zu den unteren ersten Molaren eingehängt. a b c Abb. 10a–c: Nachdem eine Klasse I-Molarenbeziehung erreicht war, wurden Retraktionsbögen auf den Eckzähnen platziert. Ein Utility-Bogen wurde im OK zur Verstärkung der Verankerung eingesetzt. Der untere Utility-Bogen wur - de entfernt. Nur vier Brackets und zwei Bänder wurden für die Behandlung des unteren Zahnbogens verwendet. a b c Abb. 11a–c:Die Retraktion der oberen Schneidezähne beginnt, nachdem eine Klasse I-Beziehung der Eckzähne und Molaren erreicht wurde. Weil der Fall besonders viel Sorgfalt hinsichtlich Torquekontrolle und Intrusion der obe- ren Schneidezähne verlangte, wurde die Retraktion mithilfe eines Contradiction-Utility-Bogens durchgeführt. a b Abb. 12a–c: Das Finishing der oberen Schneidezahnretraktion. a b c c Abb. 13a–c: Platzieren einer „L“-Sektonalfeder für eine Verbesserung der Position des unteren linken Eck- zahns. a b c Abb. 14a–c: Es wird empfohlen, heranwachsende Klasse II/1-Patienten mit meso- bis brachyfazialer Typolo- gie mit einem leichten Overjet von 2 bis 3 mm abzuschließen, sodass für das Wachstum der Mandibula in die richtige Richtung genügend Raum bleibt. So können ein Klasse II-Rezidiv oder ein künftiger Engstand in der unteren anterioren Region verhindert werden. Der Patient erreicht das Erwachsenenalter mit einer gesun- den Mundsituation. TMA-Legierungen für die Retraktion der Eck- zähne eine gute Idee, bedenkt man die Menge und Richtung der Gegenkräfte, die durch diese Art Materialien erzeugt werden. Nachdem die Behandlungsziele in transversa- ler und vertikaler Dimension festgelegt wur- den, passt sich die Mandibula einer natürliche- ren, vorwärts gerichteten Position an. Oft muss auch die horizontale Dimension berücksichtigt werden, um den Fall gut in das Finishing über- führen zu können. Es gibt eine Vielzahl von Op- tionen für diese Phase, zum Beispiel Klasse II- Gummizüge, die Distalisation der oberen Molaren und/oder Mesialisation der unteren Molaren. Die Entscheidung zwischen zwei ver- schiedenen Mechaniken basiert auf den Infor- mationen, die wir durch die VTO erhalten. Bei der Arbeit mit der VTO ist es von grund - legender Bedeutung, die Beziehung und Interaktion zwischen dentalen und skeletta- KOMPENDIUM 2013 I 105
Wilson 3-D Quad-Helix Abb. 15a, b: Finale Modelle beim Debonding. a b len Veränderungen zu erkennen und vollstän- dig zu begreifen. Diese werden von Dr. Ricketts als Reaktionskreislauf des „Kybernetischen Regelkreises“ erstmalig 1976 beschrieben.4 Bevor Bänder und Brackets platziert werden, sollte der Behandler den „Kybernetischen Re- gelkreis“ vollständig verstanden haben. Be- hält man das avisierte Behandlungsergebnis im Auge und visualisiert die Aktionen und Re- aktionen des Weich- und Hartgewebes, kann man seine Ideen besser organisieren und leichter vorhersagen, wie der Patient auf die Behandlung anspricht. Ein Beispiel für ein Verständnis des Kyber- netischen Regelkreises ist es, mit der Position des Unterkiefers zu beginnen (1). Nachdem die Mandibula in sagittaler Ebene platziert wurde, besteht der zweite Schritt darin, den A-Punkt zu platzieren und die Mechanik zu verstehen, die diesen beeinflussen können (2). Nachdem sich Mandibula und A-Punkt gewid- met wurde, kann man eine neue A-Po-Ebene gestalten. Verwendet man die A-Po-Ebene als a b a b c Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18 Abb. 16: Finale Fernröntgenseitenaufnahme. – Abb. 17: Finale laterale Bissregistrierung. – Abb. 18: Vor und nach Superimposition. Beachten Sie den Umfang der Rotation der Mandibula gegen den Uhrzeigersinn. Die „burning anchorage“ der unte- ren Molaren unterstützte die Vorwärtsbewegung der Mandibula. Die oberen Molaren sind nicht nach mesial gewandert und die oberen Schneide- zähne wurden bei genauer Torquekontrolle retra- hiert. 106 I KOMPENDIUM 2013 Referenz, können die unteren Schneidezähne korrekt positioniert werden (3). Im nächsten Schritt werden die unteren Mo - laren positioniert, wobei die untere Bogen- tiefe und die Art der unteren Verankerung beachten werden sollten. Jede Vorwärtsbe - wegung der unteren Molaren oder eine in - korrekte Verankerung („burning anchorage“) kann dazu führen, dass der Unterkiefer gegen den Uhrzeigersinn bewegt wird (4). Sobald die untere Molarenposition identifiziert wurde, werden die oberen Molaren gemäß des Be- handlungsplans platziert, üblicherweise in einer Klasse I-Beziehung. Verlangt der Fall nach einer Distalisation der oberen Molaren, wird sich die Mandibula ten- denziell mit dem Uhrzeigersinn bewegen (5). Danach wird die Position der oberen Schneide- zähne überprüft, wobei Torque und Intrusion gemäß der Gesichtstypologie ausgerichtet wer- den. Die Gesichtsachse wird als Referenz für die Schneidezahninklination genutzt (6). Klinische Anwendung Der folgende klinische Fall zeigt, wie Biome- chaniken mithilfe der bioprogressiven The ra - pie und des „Kybernetischen Regelkreises“ angewendet werden können. Eine 12,2 Jahre alte Patientin mit Protrusion, rückverlagertem Kinn sowie Lückenstand stell te sich vor. Zusammenfassend zeigen die Aufnahmen eine Patientin mit brachyfazialem Wachstum Abb. 19a, b: Debonding. Beachten Sie die Verbesserung des Profils. Abb. 20a–c: Vier Jahre nach der Behandlung. Die Mandibula bewegte sich weiter nach vorn und der Overjet verschwand.
Wilson 3-D Quad-Helix den Uhrzeigersinn rotiert. Das Profil wird ver- bessert und eine der Hauptbeschwerden der Patientin somit behandelt. Um diesen Weg zu wählen, muss die Extrusion der oberen Schneidezähne kontrolliert werden, wobei eine Tiefensensibilität der Schneidezähne durch Öffnung des tiefen Überbisses vermie- den werden sollte. Es wurde die Variante 4 umgesetzt. Die Abbil- dungen 9 bis 23 zeigen den Behandlungsver- lauf und die Biomechanik. Zusammenfassung Die bioprogressive Therapie ist keine „Tech- nik“, sondern vielmehr ein System von Be- handlungsansätzen, durch das man klinische KFO-Fälle basierend auf biologischen Prinzi- pien und patientenindividueller Biomecha- nik behandeln kann. Unabhängig von neuen Bracketdesigns, neuen Drahtlegierungen oder künftigen Apparaturen kann der Behandler diese immer in sein Behandlungskonzept in- tegrieren, wenn er die im Artikel beschriebe- nen Prinzipien befolgt. So können alle Vor- teile dieser futuristischen Variante der Kie- ferorthopädie genutzt werden. Literaturliste *Fa. Rocky Mountain Orthodontics RMO®, Exklusivvertrieb für DE über dentalline GmbH & Co.KG, www.dentalline.de Kurzvita Dr. Nelson J. Oppermann [Autoreninfo] Adresse Dr. Nelson J. Oppermann Ortodontia Pazotto Cirurgiões, Dentistas, Ortodontia e Ortopedia Facial Av Benjamin Constant, 1680 – Centro Campinas, SP Brasilien Tel.: +55 (19) 3231-6400 KOMPENDIUM 2013 I 107 Abb. 21a Abb. 21b Abb. 22 Abb. 21a, b: Das Gesicht nach vier Jahren im Erwachsenenalter. – Abb. 22: Ausgereiftes Lä- cheln. Die Torquekontrolle während der Re- traktion spielt eine wichtige Rolle dabei, die Schneidezähne exponiert zu erhalten und so- mit ein jugendliches Lächeln zu erreichen. Es ist wichtig, dass die oberen Schneidezähne nicht hinter der Oberlippe verborgen sind. – Abb. 23a, b: Vor (a) und nach (b) Profilveränderung. Die Mandibula ist in die gewünschte Richtung ro- tiert und hat das Patientenprofil signifikant ver- bessert, sodass die Erwartungen der Patientin an die Behandlung erfüllt wurden. und ein ästhetisches Lächeln. Doch das Profil der Patientin würde nicht verändert werden. Das Behandlungsergebnis wäre in diesem Fall dann ein (konvexes) Klasse II-Profil. Variante 2 Extraktion von vier Prämolaren. Aufgrund der in diesem Fall gegebenen Lückenstände würde es die Prämolarenextraktion jedoch er- schweren, größere Lücken zu einem späteren Zeitpunkt zu schließen. Zusätzlich würde die Extraktion die Gesichtstypologie verstärken, was es schwierig macht, die vertikale Dimen- sion während der Retraktion der Schneide- zähne zu kontrollieren. Variante 3 Extraktion der oberen ersten Prämolaren. Die- ser Behandlungsansatz würde die Overjet- Problematik lösen, doch das konvexe Profil bliebe. Den Fall mit einer Klasse II-Molaren- beziehung abzuschließen, würde es erschwe- ren, letztlich eine gut ausgeglichene Okklu- sion zu erhalten. Variante 4 „Burning anchorage“ der unteren Molaren. Diese Herangehensweise korrigiert die Mo - larenbeziehung und bewegt die posterioren Zähne nach vorn. Die Mandibula wird gegen Abb. 23a Abb. 23b bei skelettalem und dentalem tiefen Überbiss. Die Mandibula ist gut positioniert, doch die Maxilla ist nach vorn in Richtung Frankfurter Horizontale verlagert, sodass eine leichte skelettale Klasse II indiziert ist. Die Gesichts - achse zeigt eine leichte Rotation gegen den Uhrzeigersinn, was ungewöhnlich für brachy- faziale Patienten ist. Die oberen Molaren können distalisiert wer- den, indiziert durch eine große Distanz zwi- schen oberen Molaren und der PTV-Linie. Die Schneidezähne sind protrudiert, was für eine Extrusion der oberen Schneidezähne spricht. Die unteren Schneidezähne sind in guter Po - sition für eine brachyfaziale Typologie. Das Profil ist konvex und schwach, was durch 4,5 mm zwischen unterer Lippe und E-Linie angezeigt wird. Das Gipsmodell zeigt, dass diese Patientin keine Bogenexpansion benötigt, die oberen Molaren gut rotiert sind und dass beide Zahn- bögen über einen guten generellen Zahnab- stand verfügen. Nach sorgfältiger Analyse der Aufnahmen gibt es für diesen Fall verschie- dene Behandlungsoptionen. Mögliche Thera- pievarianten wären hierbei: Variante 1 Distalisation der oberen Molaren. Diese He - rangehensweise wäre gut für die Dentition
Der gegossene Distal-Jet – ein Erfahrungsbericht Einen interessanten Einsatz des Gussverfahrens in der KFO zeigen Dr. Johanna Franke, ZTM Michael Schön und Dr. Torsten Krey. Der gegossene Distal-Jet – ein Erfahrungsbericht Der herkömmliche Distal-Jet hat sich seit vielen Jahren als zuverlässiges und leicht zu handhabendes Gerät bei der compliance- unabhängigen Molarendistalisation bewährt (Abb. 1). Dieses Gerät hebt sich insbesondere durch eine nahezu parallele Bewegung der Oberkiefermolaren nach distal, die durch eine teleskopartige Führung sowie den tiefen Kraftansatz bedingt ist, von den meisten an- deren Distalisationsapparaturen ab (Abb. 13). Störende Kippungen oder Rotationen wäh- rend der Distalbewegung können minimiert werden. Grundsätzliche Voraussetzungen für eine er- folgreiche Therapie mittels Distal-Jet sind ein hoher Gaumen sowie vollkommen durchge- brochene erste (ggfs. alternativ zweite) Prä- molaren (Abb. 2, 3). Während der aktiven Dis- talisationsphase kann es durch die reziproken Kräfte auch zur Mesialwanderung der ante- rioren Ankerzähne sowie zur Einlagerung der Nance-Pelotte in die Gaumenschleimhaut kommen. Das Ausmaß dieser Nebenwirkung ist direkt abhängig von der Beschaffenheit der genannten Verankerungseinheit. Manche Zahnfehlstellungen fordern jedoch eine ma- ximale Verankerung. Beispielsweise könnte ein extrem flacher Gau - men mit starkem Engstand in den Stützzonen (in diesem Fall fehlt die Schleimhautabstüt- zung) sowie ein ausgeprägter sekundärer Eng- stand mit Handlungsbedarf bereits am Ende der ersten oder während der zweiten Wech- selgebissphase (in diesem Fall fehlt die den- tale Abstützung anterior) nach einer anderen Verankerungsform verlangen. Zwei median im Gaumen platzierte Mini- schrauben, die über das Distalisationsgerät miteinander verblockt werden, eignen sich gut zum Abfangen der reziproken Kraft. Das Autorenteam verwendete hierfür das Schrau- bensystem der Firma Mondeal. Die Idee der Gruppe war jedoch, alternativ zum Bene - slider, der vom Kollegen Professor Benedict Wilmes propagiert wird, die originalen Be- standteile des Distal-Jets mit den Mini - implantaten zu kombinieren. Zunächst wurde dafür im Laborschritt die Beneplate, die zuvor an den Schrauben adaptiert und dem Verlauf des anterioren Gaumens angebogen worden war, mit dem konfektionierten Ende des Distal-Jet-Tele - skopes verlasert (Abb. 4 bis 6). Intraoral zeigte sich daraufhin während der Distalisa- tion, dass das Verbindungselement zwischen Distalisationsteleskopen und Miniimplanta- ten den Kräften nicht standhalten konnte. Zum einen kam es zur Einlagerung des ante- rioren Bereiches in die Gaumenschleimhaut, zum anderen konnte die transversale Rela- tion (v. a. im dorsalen Bereich) nicht gesichert werden. Dies führte dazu, dass sich die ers - ten Molaren nach bukkal rausdrehten, in einigen Fällen kam es sogar zum Zwangsbiss durch bukkale Nonokklusion. Mit dem Bestreben, eine rigidere Konstruktion zu erhalten, die sich dennoch mit den Mondeal- Schrauben verbinden lässt, kam die Idee auf, die Modellgusstechnik dafür zu nutzen. Also wurde schließlich das Verbindungsteil (Su- prakonstruktion) individuell modelliert und gegossen (Abb. 7, 8). Die konfektionierten Dis- Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 1: Konventioneller Distal-Jet auf dem Modell. – Abb. 2: Fallbeispiel vor Distalisation. – Abb. 3: Fallbei- spiel nach Distalisation – konventioneller Distal-Jet in situ. – Abb. 4: Miniimplantat-gestützter Distal-Jet – Beneplate, noch nicht verlasert. – Abb. 5:Miniimplantat- gestützter Distal-Jet – Beneplate. – Abb. 6: Fallbeispiel: Distal-Jet mit Miniimplantaten und Beneplate in situ. 108 I KOMPENDIUM 2013
(cid:36)(cid:71)(cid:89)(cid:71)(cid:73)(cid:87)(cid:80)(cid:73)(cid:85)(cid:15)(cid:2) (cid:72)(cid:84)(cid:71)(cid:75)(cid:74)(cid:71)(cid:75)(cid:86)(cid:3) (cid:2) (cid:84)(cid:81)(cid:69)(cid:77)(cid:91)(cid:2)(cid:79)(cid:81)(cid:87)(cid:80)(cid:86)(cid:67)(cid:75)(cid:80)(cid:2)(cid:81)(cid:84)(cid:86)(cid:74)(cid:81)(cid:70)(cid:81)(cid:80)(cid:86)(cid:75)(cid:69)(cid:85)(cid:115) (cid:47)(cid:76)(cid:69)(cid:72)(cid:85)(cid:87)(cid:92) (cid:73) (cid:74) (cid:37)(cid:76)(cid:72)(cid:79)(cid:79)(cid:72)(cid:138) (cid:41)(cid:76)(cid:91)(cid:55)(cid:48) (cid:48)(cid:87)(cid:86)(cid:92)(cid:71)(cid:80)(cid:2)(cid:53)(cid:75)(cid:71)(cid:2)(cid:67)(cid:68)(cid:2)(cid:85)(cid:81)(cid:72)(cid:81)(cid:84)(cid:86) (cid:2) (cid:67)(cid:78)(cid:78)(cid:71)(cid:2)(cid:56)(cid:81)(cid:84)(cid:86)(cid:71)(cid:75)(cid:78)(cid:71)(cid:2)(cid:70)(cid:71)(cid:84)(cid:2) (cid:46)(cid:75)(cid:68)(cid:71)(cid:84)(cid:86)(cid:91)(cid:2)(cid:36)(cid:75)(cid:71)(cid:78)(cid:78)(cid:71)(cid:115)(cid:2)(cid:40)(cid:75)(cid:90)(cid:352)(cid:2)(cid:75)(cid:80)(cid:2)(cid:70)(cid:71)(cid:84)(cid:2)(cid:56)(cid:71)(cid:84)(cid:85)(cid:75)(cid:81)(cid:80)(cid:2)(cid:2)(cid:2)(cid:2)(cid:2)(cid:2) (cid:2)(cid:2)(cid:2)(cid:2)(cid:79)(cid:75)(cid:86)(cid:2)(cid:36)(cid:81)(cid:73)(cid:71)(cid:80)(cid:88)(cid:71)(cid:84)(cid:67)(cid:80)(cid:77)(cid:71)(cid:84)(cid:87)(cid:80)(cid:73) (cid:46)(cid:75)(cid:68)(cid:71)(cid:84)(cid:86)(cid:91)(cid:2) (cid:36)(cid:75)(cid:71)(cid:78)(cid:78)(cid:71)(cid:115)(cid:2) (cid:40)(cid:75)(cid:90)(cid:352)(cid:2) (cid:89)(cid:87)(cid:84)(cid:70)(cid:71)(cid:2) (cid:67)(cid:78)(cid:85)(cid:2) (cid:35)(cid:78)(cid:86)(cid:71)(cid:84)(cid:80)(cid:67)(cid:86)(cid:75)(cid:88)(cid:71)(cid:2) (cid:92)(cid:87)(cid:2) (cid:70)(cid:71)(cid:80)(cid:2) (cid:68)(cid:71)(cid:84)(cid:71)(cid:75)(cid:86)(cid:85)(cid:2) (cid:67)(cid:87)(cid:72)(cid:2) (cid:70)(cid:71)(cid:79)(cid:2) (cid:47)(cid:67)(cid:84)(cid:77)(cid:86)(cid:2) (cid:71)(cid:84)(cid:74)(cid:188)(cid:78)(cid:86)(cid:78)(cid:75)(cid:69)(cid:74)(cid:71)(cid:80)(cid:2) (cid:35)(cid:82)(cid:82)(cid:67)(cid:84)(cid:67)(cid:86)(cid:87)(cid:84)(cid:71)(cid:80)(cid:2) (cid:92)(cid:87)(cid:84)(cid:2) (cid:45)(cid:81)(cid:84)(cid:84)(cid:71)(cid:77)(cid:86)(cid:87)(cid:84)(cid:2)(cid:88)(cid:81)(cid:80)(cid:2)(cid:38)(cid:75)(cid:85)(cid:86)(cid:67)(cid:78)(cid:68)(cid:75)(cid:85)(cid:85)(cid:71)(cid:80)(cid:2)(cid:71)(cid:80)(cid:86)(cid:89)(cid:75)(cid:69)(cid:77)(cid:71)(cid:78)(cid:86)(cid:16)(cid:2)(cid:38)(cid:75)(cid:71)(cid:2)(cid:35)(cid:87)(cid:72)(cid:84)(cid:75)(cid:69)(cid:74)(cid:86)(cid:87)(cid:80)(cid:73)(cid:2) (cid:70)(cid:71)(cid:84)(cid:2) (cid:67)(cid:79)(cid:2) (cid:45)(cid:87)(cid:73)(cid:71)(cid:78)(cid:73)(cid:71)(cid:78)(cid:71)(cid:80)(cid:77)(cid:2) (cid:68)(cid:71)(cid:72)(cid:71)(cid:85)(cid:86)(cid:75)(cid:73)(cid:86)(cid:71)(cid:80)(cid:2) (cid:35)(cid:69)(cid:74)(cid:85)(cid:71)(cid:2) (cid:71)(cid:84)(cid:78)(cid:67)(cid:87)(cid:68)(cid:86)(cid:2) (cid:71)(cid:75)(cid:80)(cid:71)(cid:2) (cid:72)(cid:84)(cid:71)(cid:75)(cid:71)(cid:2) (cid:36)(cid:71)(cid:89)(cid:71)(cid:73)(cid:87)(cid:80)(cid:73)(cid:2) (cid:79)(cid:75)(cid:86)(cid:2) (cid:73)(cid:71)(cid:84)(cid:75)(cid:80)(cid:73)(cid:71)(cid:79)(cid:2) (cid:52)(cid:67)(cid:87)(cid:79)(cid:68)(cid:71)(cid:70)(cid:67)(cid:84)(cid:72)(cid:16)(cid:2) (cid:38)(cid:75)(cid:71)(cid:2) (cid:56)(cid:71)(cid:84)(cid:67)(cid:84)(cid:68)(cid:71)(cid:75)(cid:86)(cid:87)(cid:80)(cid:73)(cid:2) (cid:75)(cid:80)(cid:2) (cid:73)(cid:84)(cid:209)(cid:178)(cid:71)(cid:84)(cid:71)(cid:80)(cid:2) (cid:47)(cid:71)(cid:80)(cid:73)(cid:71)(cid:80)(cid:2) (cid:88)(cid:71)(cid:84)(cid:85)(cid:82)(cid:84)(cid:75)(cid:69)(cid:74)(cid:86)(cid:2) (cid:75)(cid:80)(cid:2) (cid:56)(cid:71)(cid:84)(cid:68)(cid:75)(cid:80)(cid:70)(cid:87)(cid:80)(cid:73)(cid:2) (cid:79)(cid:75)(cid:86)(cid:2) (cid:70)(cid:71)(cid:79)(cid:2) (cid:79)(cid:75)(cid:80)(cid:75)(cid:79)(cid:67)(cid:78)(cid:71)(cid:80)(cid:2) (cid:38)(cid:71)(cid:85)(cid:75)(cid:73)(cid:80)(cid:2) (cid:74)(cid:209)(cid:69)(cid:74)(cid:85)(cid:86)(cid:71)(cid:80)(cid:2) (cid:45)(cid:81)(cid:79)(cid:72)(cid:81)(cid:84)(cid:86)(cid:2)(cid:87)(cid:80)(cid:70)(cid:2)(cid:60)(cid:87)(cid:88)(cid:71)(cid:84)(cid:78)(cid:188)(cid:85)(cid:85)(cid:75)(cid:73)(cid:77)(cid:71)(cid:75)(cid:86)(cid:16)(cid:2)(cid:46)(cid:75)(cid:68)(cid:71)(cid:84)(cid:86)(cid:91)(cid:2)(cid:36)(cid:75)(cid:71)(cid:78)(cid:78)(cid:71)(cid:115)(cid:2)(cid:40)(cid:75)(cid:90)(cid:352)(cid:2)(cid:85)(cid:86)(cid:71)(cid:74)(cid:86)(cid:2) (cid:43)(cid:74)(cid:80)(cid:71)(cid:80)(cid:2)(cid:67)(cid:68)(cid:2)(cid:85)(cid:81)(cid:72)(cid:81)(cid:84)(cid:86)(cid:2)(cid:75)(cid:80)(cid:2)(cid:70)(cid:71)(cid:84)(cid:2)(cid:56)(cid:71)(cid:84)(cid:85)(cid:75)(cid:81)(cid:80)(cid:2)(cid:79)(cid:75)(cid:86)(cid:2)(cid:36)(cid:81)(cid:73)(cid:71)(cid:80)(cid:88)(cid:71)(cid:84)(cid:67)(cid:80)(cid:77)(cid:71)(cid:84)(cid:87)(cid:80)(cid:73)(cid:2) (cid:92)(cid:87)(cid:84)(cid:2) (cid:56)(cid:71)(cid:84)(cid:72)(cid:215)(cid:73)(cid:87)(cid:80)(cid:73)(cid:14)(cid:2) (cid:70)(cid:75)(cid:71)(cid:2) (cid:43)(cid:74)(cid:84)(cid:71)(cid:2) (cid:36)(cid:71)(cid:74)(cid:67)(cid:80)(cid:70)(cid:78)(cid:87)(cid:80)(cid:73)(cid:85)(cid:82)(cid:78)(cid:188)(cid:80)(cid:71)(cid:2)(cid:75)(cid:80)(cid:86)(cid:71)(cid:73)(cid:84)(cid:75)(cid:71)(cid:84)(cid:71)(cid:80)(cid:2)(cid:78)(cid:188)(cid:85)(cid:85)(cid:86)(cid:16)(cid:2) (cid:85)(cid:75)(cid:69)(cid:74)(cid:2) (cid:82)(cid:84)(cid:81)(cid:68)(cid:78)(cid:71)(cid:79)(cid:78)(cid:81)(cid:85)(cid:2) (cid:75)(cid:80)(cid:2) (cid:46)(cid:75)(cid:68)(cid:71)(cid:84)(cid:86)(cid:91)(cid:2)(cid:36)(cid:75)(cid:71)(cid:78)(cid:78)(cid:71)(cid:115)(cid:2)(cid:40)(cid:75)(cid:90)(cid:352)(cid:2)(cid:332)(cid:2)(cid:39)(cid:90)(cid:77)(cid:78)(cid:87)(cid:85)(cid:75)(cid:88)(cid:88)(cid:71)(cid:84)(cid:86)(cid:84)(cid:71)(cid:86)(cid:87)(cid:80)(cid:73)(cid:2)(cid:70)(cid:87)(cid:84)(cid:69)(cid:74)(cid:28) dentalline GmbH & Co. KG - Goethestr. 47 - 75217 Birkenfeld T +49(0)7231.9781-0 F +49(0)7231.9781-15 E info@dentalline.de www.dentalline.de
Der gegossene Distal-Jet – ein Erfahrungsbericht Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 7: Individuell gegossenes Verbindungsteil (Suprakonstruktion) zwischen Miniimplantaten und Distal-Jet- Elementen. – Abb. 8: Einzelteile für die Herstellung eines gegossenen Distal-Jets mit Miniimplantaten. – Abb. 9: Miniimplantat-gestützter Distal-Jet – gegossen, auf dem Modell. – Abb. 10: Fallbeispiel: gegossener Distal-Jet mit Miniimplantaten in situ. – Abb. 11: Fallbeispiel: gegossener Distal-Jet mit Miniimplantaten beim Einsetztermin. – Abb. 12: Fallbeispiel: gegossener Distal-Jet mit Miniimplantaten während der Distalisation. – Abb. 13: Seiten - ansicht konventioneller Distal-Jet auf dem Modell. – Abb. 14: Seitenansicht gegossener Distal-Jet (Miniimplan- tat-gestützt) auf dem Modell. tal-Jet-Teleskope wurden anschließend an - gelasert. Es entstand eine stabile und pass - genaue maximale Verankerungseinheit, der gegossene Distal-Jet (Abb. 9, 14). Das Gerät lässt sich im Patientenmund be- quem einsetzen und mit den Innenschräub- chen an den Miniimplantaten fixieren (Abb. 10). Die Aktivierung der 240-g-Feder geht genauso schnell und einfach wie beim herkömmlichen Distal-Jet. Während der Behandlung konnte nun endlich die erwünschte geradlinige Distalisation der Molaren beobachtet werden (Abb. 11, 12). Hin - zu kommt der schöne Vorteil aller Geräte, die sich über den Gaumen verankern: die Zahn- bewegung wird in keinem Bereich durch die Miniimplantate behindert. Sobald die Mola- ren korrekt stehen, kann daher die Apparatur als Retentionsgerät passiv genutzt werden, während die übrigen Seitenzähne mit Multi- band-Technik nach distal bewegt werden. Im Anschluss können nun, wie üblich, der Lü- ckenschluss im Frontbereich sowie die Fein - einstellung der Okklusion erfolgen. Da es durch die knöcherne Verankerung zu keinen reziproken Nebenwirkungen kommt, treten die Lückenbildungen in der Regel et- was später auf als beim Einsatz des konven- tionellen Distal-Jets. Im Vergleich der beiden Geräte überzeugt das gegossene Gerät au - ßerdem durch eine bessere Hygienefähigkeit gegenüber der Kunststoff-Pelotte am Gau- men. Die Patienten werden gezielt in der Rei- nigung geschult und instruiert, einmal täglich CHX-Gel zirkulär der Miniimplantate aufzu- tragen. Wichtig ist noch, darauf hinzuweisen, dass der gesamte Übertragungsprozess (Abdruck, Modell, Herstellung des Gerätes) höchste Prä- zision erfordert. Wenn die Gaumenimplan- tate gesetzt sind, werden die Laborimplantate eingesteckt. Bei einem Abdruck mit Alginat Adresse life-dental & Partner GBR Westerwaldstraße 11 35745 Herborn Tel.: 02772 582148 Fax: 02772 582209 info@life-dental.de www.life-dental.de 110 I KOMPENDIUM 2013 empfiehlt es sich, intraoral die beiden Über- tragungspfosten mit einem dünnfließenden Kunststoff (z.B. Tetric Flow) miteinander zu verblocken, bevor das Abdruckmaterial ein- gebracht wird. Dadurch kann die Stabilität der Laborimplantate im Alginat und somit auch die Übertragungsgenauigkeit deutlich verbessert werden. Abschließend sei erwähnt, dass bei allen po- sitiven Aspekten des gegossenen Distal-Jets, der Erfahrung nach dennoch der konventio- nelle Distal-Jet das deutlich häufiger einge- setzte Gerät bleibt. Viele Patienten scheuen die Implantation der Minischrauben sowie den damit verbundenen Aufwand und ent- scheiden sich deshalb für eine Alternativ - therapie. Das Labor „life-dental“ hat sich auf Modell- gusstechnik für KFO spezialisiert. Die Arbeiten werden alle made in Germany angefertigt. Individuelle Absprachen können jederzeit te lefonisch getroffen werden. Die Lieferzeit der Geräte beträgt in der Regel 12 bis 14 Tage. Kurzvita Dr. Johanna Franke [Autoreninfo] ZTM Michael Schön [Autoreninfo] Dr. Torsten Krey [Autoreninfo]
NACHRICHTEN STATT NUR ZEITUNG LESEN! KIEFERORTHOPÄDIE NACHRICHTEN Die Zeitung von Kieferorthopäden für Kieferorthopäden I www.kn-aktuell.de Nr. 11 | November 2013 | 11. Jahrgang | ISSN: 1612–2577 | PVSt: 62133 | Einzelpreis 8,– € Aktuell MALU- Apparatur Dr. Jakub Malinowski und Katarzyna Jastrzębska un - tersuchten im Rahmen ei- ner Studie, inwieweit die mo- difizierte Herbst-Apparatur MALU als Alternative zur chirurgischen Vorgehenswei - se bei der Therapie erwach- sener Patienten der Klasse II erfolgreich eingesetzt wer- den kann. Wissenschaft & Praxis (cid:2) Seite 7 Forsus™ Feder Dr. Nadja Grättinger zeigt anhand eines Patienten- falls, dass die kieferor - thopädische Regulierung eines einseitigen Distal- bisses mithilfe der lingu - alen Incognito™ Appara- tur in Kombination mit der ForsusTM Klasse II-Gebiss- feder gleichermaßen mög- lich ist wie bei der Vestibu- lärtechnik. Wissenschaft & Praxis (cid:2) Seite 13 Güterstand Drum prüfe, wer sich ewig bindet – Rechtsanwalt Arne Bruns über den Güterstand bei Selbstständigen und sei ne Gestaltungsmöglich- keiten. Praxismanagement (cid:2) Seite 20 Risiken in der KFO-Praxis Zu diesem Thema findet vom 2. bis 7. Februar 2014 das „1. KiSS Winter-Sympo- sium & individuelle Praxis- beratung“ statt. Events (cid:2) Seite 23 „Hohe Akzeptanz der Apparatur“ ANZEIGE Im Rahmen des diesjährigen AAO-Kongresses stellten Professor Dr. Yoon-Ah Kook (Seoul/Korea) und Assistant Professor Dr. Mohamed Bayome (Seoul/Korea und Asuncion/Paraguay) ihre Ergebnisse zum Einsatz von Gaumenverankerungsplatten bei der Behandlung von Klasse II-Malokklusionen vor. KN sprach mit ihnen. Dual-Top™ Anchor-Systems
KIG kennt keine Härtefallregelung Ein Beitrag von RA Michael Zach, Experte im Bereich Zahnarzt-, Arzt- und Medizinrecht. KIG kennt keine Härtefallregelung Bei gesetzlich versicherten Kindern mit ei- ner Angle-Klasse II/2 kann der Konflikt ent- stehen, dass bei der Therapie distaler Biss - lagen eine GKV-Leistungspflicht nur noch bei einer Rückverlagerung des UK von mehr als 6 mm besteht und andererseits mit Blick auf Kie fergelenkerkrankungen aus funktio- nellen Gründen eine Behandlung erforder- lich sein kann. Letztere wäre dann privat zu bezahlen, obwohl eine u. U. schwerwiegen - de oder chronifizierte Erkrankung vorliegt oder droht. Der Leistungsausschluss wird von den Betroffenen dann als unbillig und von den Behandlern aus medizinischen Grün- den als inadäquat angesehen. Seit 1993 ist der Leistungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Kran - ken versicherung im Prinzip auf Minderjäh - ri ge und auf jene Leistungen beschränkt, die in der Positivliste des Gemeinsamen Bun - menbedingungen in § 29 SGB V niederge- legt, wonach ausschließlich Minderjährige und Patienten mit kombiniert kieferchirur- Für die Kieferorthopädie sind diese Rahmenbedingungen in § 29 SGB V niedergelegt, wonach ausschließlich Minderjährige und Patienten mit kombiniert kieferchirurgisch-kieferorthopädi- schem Behandlungsbedarf in den Genuss einer GKV- Kostentragung gelangen. desausschusses wie dergegeben sind, sofern die übri gen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Für die Kieferortho- pädie sind diese Rah- gisch-kieferorthopädischem Behandlungs- bedarf in den Genuss einer GKV-Kostentra- gung ge langen. Eine inhaltsgleiche Regelung findet sich im Bereich der Beihilfe unter Nr. 1.2.3 der An- lage zur BVO Baden-Württemberg. Für den gesetzlich versicherten Patienten legen die Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für kie- ferorthopädische Behandlungen vom 4.6.2003 (Bundesanzeiger Nr. 226, S. 24966) die kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) fest. Da - rin werden zum Teil millimeter - genau jene Befundgruppen ab- gegrenzt, die noch der Erstat- tungspflicht der gesetzlichen Kassen unterliegen sollen. Ausge- grenzte oder auch „ausge-KIG-te“ Be- fundsituationen können nach her- kömmlichem Verständnis unter kei- nem Gesichtspunkt eine Leistungs- pflicht der Krankenkasse auslösen. 112 I KOMPENDIUM 2013
v. einge- Zwar hat der Gesetzgeber einen weiten Ge- staltungsspielraum bei Vornahme dieser Abgrenzung insbesondere auch vor dem Hintergrund chronisch ange- spannter Haushaltsla ge. Tatsäch lich ist die Begrenzung der kiefer or - thopädischen Leistungspflicht auf Minderjährige wiederholt als verfassungsgemäß stuft worden (VGH Baden- Württemberg, Urt. 2.5.2012, 2 S 2904/10). Zur Abgrenzung derartiger Sachverhalte darf der Gesetzgeber sich einer solchen Stichtagsrege- lung bedienen. Sach- licher Hintergrund hierfür ist die Erwägung, dass idealerweise die kiefer - or thopädische Behandlung vor Abschluss des Körperwachstums aus medizinischen Gründen begonnen werden soll. Allerdings wurde dieser Grundsatz vom VGH Baden-Württemberg (s.o.) in einer Beihilfe- konstellation durchbrochen, in der eine er- wachsene Patientin unter einer schweren craniomandibulären Dysfunktion (CMD) litt. Das Gericht hielt in diesem Ausnahmefall („Skel. Kl. 1, mand. Verschiebung nach rechts, Biss abgesackt durch fehlende dorsale Ab- stützung“) ausschließlich die Bewilligung ei ner kiefer orthopädischen Leistung für er- messensgerecht und vertrat den Standpunkt, die erfolgte Kostenversagung verstoße ge- gen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gericht verwies darauf, dass eine Behandlungsalternative zur kie- ferorthopädischen Therapie hier nicht be- stand, dass im Falle der Versagung der Kos- tenerstattung und der Behandlungsdurch- führung mit erhebli chen Fol gepro ble men zu rechnen war und dass eine sogenannte sekundäre Anomalie vorlag, die erst im Erwachsenenalter erworben worden war. Hier löste sich das Gericht von der sonst aus- nahmslos durchgehaltenen Linie, wonach ei ne kieferorthopädische Behandlung aus- schließlich bei minderjährigen Patienten sei - tens der Beihilfestelle zu tragen sei. Rechts- grundlage hierfür war eine in der Beihilfe- verordnung vorgesehene Härtefallregelung (§ 5 Abs. 6 BVO BW), die im Bereich des So zialrechtes nicht vorhanden ist. Ob eine solche Durchbrechung auch für den Bereich des Sozialrechtes im Einzelfall in - KIG kennt keine Härtefallregelung 4.9.2006, 4 Cg 133/02 d-102). Auch mag die Frage aufge- worfen werden, ob chronische Schmerzen dentaler Ge nese mit ihren orthopädischen und psychiatrischen Mani- festationen nicht insgesamt den Patienten in seiner Exis- tenz bedrohen können. Aller- dings würde eine solch exzes- sive Anwendung der zitierten sozialgerichtlichen Recht - sprechung zu einer Umkeh- rung von Regel und Aus nah me führen, die so von der Rechtsprechung si- cher nicht gewollt ist und getragen werden würde. Die sozialrechtliche Rege - lung ist insofern starr und enthält keine Härte- fallklausel, die es beispielsweise bei schwer- wiegender CMD-Erkrankung ausnahmsweise den Krankenkassen ermög li chen würde, Be- handlungskosten zuzusagen, wenn keine der KIG-Indikationsgruppen zu bejahen ist. In einer anderen Konstellation lag eine Klasse II/2 bei einer minderjährigen Patien- tin mit Kiefergelenkbeschwerden vor, wo die Berater von PKV und GKV uneins waren, ob ein traumatischer Tiefbiss mit Gingivakon - takt im Sinne von D2 der KIG-Richtlinien vor- lag oder nicht. Der gerichtlich bestellte Sach- verständige teilte die Einschätzung des Be- handlers und das Amtsgericht verurteilte die private Krankenzusatzversicherung zur ta- riflichen Kostentragung der mit 3.949,71 € kalkulierten Behandlungskosten. Dieser Fall zeigt, dass es für die Indikations- gruppeneinstufung ausschließlich auf die in der Richtlinie festgelegten Kriterien an- kommt und eine CMD oder Kiefergelenksbe- schwerden von den gesetzlichen Kranken- kassen nicht zu berücksichtigen sind (Amts- gericht Bonn, Urt. v. 3.1.2013, 110 C 128/11). fra ge kommen kann, erscheint höchst zwei- felhaft, da die sozialrechtliche Rechtspre- chung eine anderweitige Lösungsoption kras- ser Konfliktfälle vorgesehen hat: Nur wenn die Versagung einer sozialrechtlichen Kos- tentragung eine lebensbedrohliche und in der Regel tödlich verlaufende Krankheit be- trifft, für deren Behandlung keine dem medi- zinischen Standard entsprechende Leistung in der GKV besteht, kann dennoch eine Kos- tentragung durch die gesetzliche Kranken- kasse in Betracht kommen (Bundesverfas- sungsgericht, sog. Nikolausbeschlüsse vom 6.12.2005, Az. 1 BvR 347/98). Bei kieferorthopädischen Befunden dürften aber kaum jemals existenzbedrohliche Erkran- kungen anzunehmen sein. Zwar sind Kons tel - lationen bekannt, in denen aufgrund einer CMD-Erkrankung Berufsunfähigkeitsrenten bewilligt wurden (DRV 13050763C031) oder auch orthopädisch und psychologisch ver- mittelte Folgeerkrankungen infolge einer unterbliebenen, unzureichenden oder man- gelhaften zahnärztlichen Behandlung auf- getreten waren (Landesgericht Wels, Urt. v. Adresse Kurzvita Kanzlei für Medizinrecht Rechtsanwalt Michael Zach Volksgartenstraße 222a 41065 Mönchengladbach Tel.: 02161 68874-10 Fax: 02161 68874-11 info@rechtsanwalt-zach.de www.rechtsanwalt-zach.de RA Michael Zach [Autoreninfo] KOMPENDIUM 2013 I 113
IMPRESSUM Ein Supplement der: KIEFERORTHOPÄDIE NACHRICHTEN Verlag OEMUS MEDIA AG Holbeinstraße 29, 04229 Leipzig Tel.: 0341 48474-0 Fax: 0341 48474-190 kontakt@oemus-media.de Redaktionsleitung Cornelia Pasold (cp), M.A. Tel.: 0341 48474-122 c.pasold@oemus-media.de Fachredaktion Wissenschaft Prof. Dr. Axel Bumann (ab) (V.i.S.d.P.) Tel.: 030 200744100 ab@kfo-berlin.de Dr. Christine Hauser, Dr. Kerstin Wiemer, Dr. Kamelia Reister, Dr. Vincent Richter, ZÄ Dörte Rutschke, ZÄ Margarita Nitka Projektleitung Stefan Reichardt (verantwortlich) Tel.: 0341 48474-222 reichardt@oemus-media.de Anzeigen Marius Mezger (Anzeigendisposition/-verwaltung) Tel.: 0341 48474-127 Fax: 0341 48474-190 m.mezger@oemus-media.de Abonnement Andreas Grasse (Aboverwaltung) Tel.: 0341 48474-200 grasse@oemus-media.de Layout/Satz Josephine Ritter Tel.: 0341 48474-119 j.ritter@oemus-media.de 114 I KOMPENDIUM 2013
Die Schraube, die mitdenkt. Dehnschraube für Vorschubdoppelplatten. Millionenfach bewährt. Erhältlich mit und ohne Memory-Funktion. Dehnschraube für Vorschubdoppelplatten* *acc. to Prof. Dr. F. G. Sander www.forestadent.com