Nr. 5 | Mai 2014 www.kn-aktuell.de | 17 AUS DER PRAXIS Juristische Fallsammlung zur digitalen Kieferorthopädie Ein Beitrag von RA Michael Zach. und lediglich Teile der Nachkon- trolle unter Einsatz moderner Kommunikationstechnologie auf die Distanz erfolgt. So liegt es hier: Die aktive Behandlungs- ANZEIGE phase war im unmittelbaren Pa- tientenkontakt ausgeführt wor- den und bildet den Schwerpunkt der Behandlung. Die Retentionsbehandlung ist demgegenüber bloß befundwah- rend und es begegnet berufsrecht- lich wohl keinen durchgreifenden Bedenken, wenn ein Qualitäts- verlust im Vergleich zur un mittel - baren Behandlung durch einen asiatischen Kieferorthopäden am jeweiligen Aufenthaltsort des Pa- tienten nicht eintritt. Die kiefer - orthopädische Behandlung ist hier als einheitlicher Be- handlungskomplex zu verstehen, der über meh- rere Jahre verlaufen kann, in den auch mehrere Be- handler unter schiedli cher Fachrichtungen einge- bunden sein können. Deshalb spricht nichts da - ge gen, einzelne untergeordnete Elemente dieser Behandlung un- ter Einbeziehung moderner Tech- nologien oh ne un mittelbaren Arzt- Patienten-Kontakt auszuführen, sofern der Facharztstandard als solcher gewahrt bleibt. Literatur Digitale Planung und analoge Abrechnung – Fall 6 Nachdem sich der Patient P nach Rücksprache mit seiner privaten Krankenversicherung DBK auf der Grundlage des schriftlichen Heil- und Kostenplanes für die Durchführung einer Invisalign®- Behandlung entschieden hat, nimmt der Behandler die Detail- planung mithilfe des ClinCheck®- Programmes vor. P wundert sich darüber, dass die DBK ausge- rechnet diese 3-D-Planungen am simulierten Computermodell nicht für erstattungsfähig hält. Die ClinCheck®-Freigabe ist Aus - übung der Zahnheilkunde. Sie un terliegt dem Arztvorbehalt und ist dem labortechnischen Herstel - lungsprozess sowohl fachlich wie auch zeitlich vorgelagert. Erst durch die Freigabe bzw. Geneh- migung der animierten Behand- RA Michael Zach [Autoreninfo] Adresse Kanzlei für Medizinrecht Rechtsanwalt Michael Zach Volksgartenstraße 222a 41065 Mönchengladbach Tel.: 02161 68874-10 Fax: 02161 68874-11 info@rechtsanwalt-zach.de www.rechtsanwalt-zach.de lungsplanung am 3-D-Modell kann und darf das Labor umset- zend tätig werden. Die ärztliche ClinCheck®-Bearbei- tung ist in der GOZ nicht abge- bildet. Die direkte Abrechnung mit GOZ 6010 (Anwendung von Methoden zur Analyse von Kie- fermodellen – dreidimensionale, grafische oder metrische Analy- sen, Diagramme: 2,3-fach: 23,28 €) ist zweifelhaft, da dort von Mo- dellen die Rede ist, die nur als her- kömmliche körperliche Modelle verstanden werden können. Ferner handelt es sich bei der Be- arbeitung des ClinChecks® kaum um eine analytisch-diagnostische Tätigkeit, sondern vielmehr um Maßnahmen der Therapiepla- nung. Die analoge Abrechnung über GOÄ 5377 (Zuschlag für ei ne computergesteuerte Analyse – ein- schließlich speziell nachfolgen- der 3-D-Rekonstruktion: 1-fach: 46,63 €), war durch Stellungnah- men einzelner Zahnärztekam- mern abgelehnt worden,11 da auch hier vorrangig diagnostische Maß - nah men honoriert werden, wozu der ClinCheck® eben nicht gehört. Dem Gesetzgeber war dieses Ver- fahren vor der GOZ-Novelle zum 1.1.2012 auch bekannt gewesen, sodass er es hätte regeln können, wenn er eine Honorarpflicht und Ab rechenbarkeit dies- bezüglich hätte begrün- den wollen. Teil 3 des Beitrags er- scheint in der kommen- den Ausgabe der KN, Heft 6/2014. Kurzvita Teil 2 Die papierlose Karteikarte und die digitalisierte Patienten- erklärung – Fall 4 Der Patient bestätigt, seinerzeit vor Behandlungsbeginn auf einem Pad die elektronische Un ter schrift geleistet zu haben, ihm sei aber nicht klar gewesen, wofür er diese Unterschrift geleistet habe und sei heute überrascht darüber, dass sich der Namenszug unter einem Textausdruck befinde, der die Überschrift Risikoaufklärung trägt. Weder dieser Text sei auf dem Pad lesbar gewesen noch habe durch Dr. KFO überhaupt eine Aufklärung stattgefunden. Die Anforderungen an die Doku- mentation in der Zahnarztpraxis sind gestiegen. Nicht wirksam dokumentierte Patienteneinwil- ligungen oder Behandlungsab- läufe gelten als nicht erfolgt – quod non est in actis, non est in mundo. Die ärztliche Karteikarte wächst in ihrem Umfang immer weiter an, vielfach wird parallel zu der herkömmlichen körper- lichen DIN A5-Karteikarte auch noch eine EDV-gestützte Kartei- karte geführt oder ganz auf digi- tale Dokumentation umgestellt, was zweifellos zulässig ist. Die beweisrechtlichen Angriffe ge- gen die EDV-gestützte Behand- lungsdokumentation und die digi- talisierten Röntgenbilder we gen denkbarer Manipulation haben sich in der forensischen Praxis nicht durchgesetzt. Als Perspektive wird die Patien- tensignatur auf einem elektroni- schen Pad diskutiert, wodurch die Unterschrift des Patienten dem dort abgelegten jeweili- gen Vordruck zugeordnet und darunter abgespei- chert wird. Hersteller- firmen halten das Verfah- ren für grundsätzlich fälschungs- sicher und unter allen rechtli chen Gesichtspunkten für geeignet, die papiergetragene und dokumen- tenechte Patientenunterschrift zu ersetzen.8 Dabei dürfte zwischen den Erklä- rungen zu differenzieren sein, die in der Zahnarztpraxis und im Klinikalltag verwendet werden: Soweit vertragsrelevante Willens- erklärungen des Patienten be- troffen sind (Heil- und Kosten- plan, Vereinbarung des Ausfall- honorars, Anmeldebogen in der Praxis, Quittungen z.B. für aus- gehändigte Behandlungsunter- lagen, Ratenzahlungsvereinba- rungen) dürfte eine elektroni- sche Signatur in der Praxis risi- kolos einsetzbar sein. Der Verbraucher kennt das Ver- fahren aus anderen vertrags- rechtlichen Zusammenhängen. Es hat in einer Fülle von gesetz- lichen Bestimmungen eine Rege- lung erfahren, ohne Ausschluss - tatbestände für den medizini- schen Bereich zu enthalten. Die elektronische Form der Unter- schriftsleistung ist der papierge- tragenen Unterschrift kraft Ge- setzes gleichgestellt, §126 Abs. 3 BGB. Durch das Gesetz über die Rahmenbedingungen für elek - tronische Signaturen wurde die EU-Richtlinie 1999/93/EG mit Wirkung zum 22.5.2001 in deut- sches Recht umgesetzt. Für die o. g. Gestaltungen be- steht nicht einmal ein gesetzli- ches Schriftformerfordernis. Die hinreichende Identifizierbarkeit des Unterzeichners sei nach Her- stellerangaben gewährleistet, ins - besondere wenn der Patient eine Schreibunterlage erhält und zu seiner „normalen“ Unterschrift angehalten wird. Auch für den Abschluss der Ho- norarvereinbarung nach §1 Abs. 2 GOZ oder der Mehrkostenver- einbarung nach §28 Abs. 2 S. 2 SGB V erfüllt die elektronische Signatur das in diesem Zusam - menhang vorgesehene Schrift- formerfordernis, sodass insoweit Gleichwertigkeit gegeben ist. Hinzuweisen ist freilich auf die Verpflichtung des Behandlers gemäß §1 Abs. 2 Satz 3 GOZ, dem Patienten einen Abdruck der Ver- einbarung auszuhändigen. Soweit der Patient mit seiner Un - terschrift über seine Persönlich- keitsrechte verfügt (Einwilligung in die Datenweitergabe, Schwei- gepflichtentbindung, Eingriffs- einwilligung) kommt von Rechts wegen kein strengerer Maßstab zur Anwendung, insbesondere ist auch insofern nicht einmal Schriftform gesetzlich vorge- schrieben. Allerdings sollte zur Sicherung der eigenen Beweis- lage umso eher auf die papierge- tragene Unterschrift des Patien- ten zurückgegriffen werden, je intensiver der zahnärztliche oder kieferchirurgische Eingriff ist, da für den Patienten durch seine bloße Unterschrift auf dem Pad sonst die Bedeutung und Trag- weite seiner Erklärung bagatel- lisiert werden könnte. Anderer- seits ist zu bedenken, dass die Pa- tientenaufklärung nicht alleine in einer Unterschrift unter einem Aufklärungsbogen bestehen darf, sodass der Behandler unabhän- gig von der Art der erteilten Un - terschrift den Beweis dafür an- zutreten hat, dass dem Patienten die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs zuvor durch den Arzt mitgeteilt wurde. Die erteilte Un - terschrift ist ohnehin lediglich ein Indiz für eine vollwertige Aufklä- rung und dies dann unabhängig davon, ob sie auf einem Pad oder auf Papier erfolgte. Telematische Kontrollbefunde in der passiven Phase – Fall 5 Dr. KFO aus München verzichtet auf die Einbestellung des erwach- senen Patienten und meint, die Verlaufsentwicklung in der Re- tentionsphase anhand der jeweils patientenseitig übersendeten di - gi talen Lichtbilder und von Skype-Übertragungen sogar besser beurteilen zu können. Ohnehin halte sich sein Pa- tient zurzeit überwiegend in Asien auf und wünsche schon aus Gründen seines PKV-Ta- rifes den Abschluss der Be- handlung in Deutschland. Die Erhebung von KFO- Kontrollbefunden stellt auch dann eine Aus - übung von Zahnheilkun - de dar, wenn keine reak- tionspflichtigen Befun de vorliegen. Hier könnte ein Verstoß gegen das Fernbehandlungsverbot in Betracht kommen. Ei - ne Fernbehandlung liegt vor, wenn der Kranke dem Arzt, der die Krank- heit erkennen oder be- handeln soll, Angaben über die Krankheit insbesondere Symptome oder Befunde über- mittelt und dieser, ohne den Kran- ken gesehen oder die Möglich- keit der Untersuchung gehabt zu haben, entweder die Diagnose stellt und/oder einen Behand- lungsvorschlag unterbreitet.9 Spiegelbildlich wird ein Verstoß gegen die Pflicht zur persönli - chen Leistungserbringung ange- nommen, wenn das Fernbehand- lungsverbot verletzt ist.10 Aus- schlaggebend ist aber, dass nur die „ausschließliche“ Fernbehand- lung durch §7 Abs. 3 MBO-Ä ver- boten ist, die Norm also nicht ein- greift, wenn die aktive ärztliche Behandlung abgeschlossen ist