20 | www.kn-aktuell.de PRAXISMANAGEMENT Nr. 4 | April 2015 Von Kollege zu Kollege – der Kieferorthopäde als Buddy-Coacher Mittwochabend, ein Treffen mehrerer Kieferorthopäden: Der Kollege Schmitz will seine Praxis erweitern, sie eventuell zur Gemeinschaftspraxis ausbauen. Was kommt da auf ihn zu? Hilfreiche Tipps erhält er von seiner Kollegin, der Kieferorthopädin Müller. Was geht hier vor? Ein Beitrag von Dr. Katja Kruckeberg. Unterstützung unter Kollegen auf derselben Hierarchieebene Wir werden Zeuge eines Buddy- Coaching: In dem idealtypischen Beispiel treffen sich die Kiefer - orthopäden Holger Schmitz und Kerstin Müller, um gemeinsam, partnerschaftlich und mithilfe ei ner kreativen Kooperation nach Weiterentwicklungsmöglichkei- ten des Kollegen Schmitz zu su- chen. Im Fokus steht mithin die Arbeit an der beruflichen Ent- wicklung einer Person, wobei die Kollegin Müller ihre Erfahrun- gen mit Holger Schmitz teilt und ihn unterstützt, seinen Weg an- gesichts der großen Herausfor- derung „Praxiserweiterung“ zu finden. Denn Kerstin Müller hat ihre Praxis vor einigen Jahren zur Gemeinschaftspraxis erwei - tert. Und jetzt ist sie bereit, diese Erfahrungen im Buddy-Coaching weiterzugeben. Die Unterstützung zwischen „Buddys“ (= Kollegen) hat den Vorteil, dass dabei nicht nur be- rufliche, sondern auch private und persönliche Gesichtspunkte auf die Agenda rücken. Darum ist dasVertrauensverhältnis zwi- schen den Buddys eine unabding- bare Voraussetzung für das Ge- lingen dieser innovativen Form des Coaching. Asynchrone Gesprächs- struktur entsteht Eines ist wichtig: Kollegen-Coa- ching unterscheidet sich von dem lockeren Austausch „zwischen Tür und Angel“ oder beim ge- meinsamen Essen beim Italie- ner. Der Buchtitel zum Thema, „Tausche Abendessen gegen Coaching“, bringt es auf den tref- fenden Punkt: Es geht darum, sich gezielt unter Kollegen zu unterstützen und sich hierfür be- wusst Zeit zu nehmen. Dabei ent- steht eine asynchrone Gesprächs- struktur, denn der Fokus richtet sich auf das Anliegen einer Per- son: Während der eine Kollege als beratender Coach fungiert, nimmt der andere die Rolle des zu beratenden Coachees ein. Schon ein einziges Gespräch dieser Art führt oft zu überraschenden Er- gebnissen wie innerer Klarheit und Mut zum Handeln. Das Coachinggespräch mit GROW strukturieren Buddy-Coaching verlangt von den Teilnehmern Selbstdisziplin und kommunikatives Geschick. Aktiv zuhören und Fragen stel- len – das ist zielführender als das monologisierende Erteilen ver- meintlich wohlmeinender Rat- schläge. Für das Beispiel der Kie- ferorthopäden Holger Schmitz und Kerstin Müller gilt: Es hilft, wenn die coachende Kollegin Müller die GROW-Kommunika- tionstechnik beherrscht, mit der sie den Buddy-Dialog strukturiert: Dabei werden zunächst in der Goal-Phase das Thema und das Wunschziel formuliert. Der Kol- lege Schmitz sucht nach Mög- lichkeiten der Praxiserweiterung. Welche Optionen gibt es, welche Vor- und Nachteile liegen vor? Dies wird im Realitäts-Check (Reality) geklärt: Ist eine Ge- meinschaftspraxis eine Lösung? Welche Kieferorthopäden sollen mit ins Boot geholt werden? Wie steht es um die Gründung eines Ärztehauses? Welche weiteren Alternativen gibt es? In der Optionsphase (Options) schließlich erarbeiten die zwei Kieferorthopäden in einem Brain - storming Lösungsalternativen dafür sprechen, dass der Kollege Schmitz – zum Beispiel – eine Gemeinschaftspraxis gründen sollte. Des Weiteren nutzt Kerstin Müller ein Entscheidungstool, das beim Buddy-Coaching eine wichtige Rolle spielt: das „Drei-plus-eins- Prinzip“. Es beruht darauf, bei wichtigen Entscheidungen alle vier elementaren Lebensbereiche zu berücksichtigen. Neben dem Bereich „Arbeit/Karriere/Finan- zielles Wohlergehen“ geht es um die Lebensbereiche „Familie/ Beziehungen“, „Gesundheit/Fit- ness“ und „Lebensmotive/Werte/ Träume“. Überdies sollten die Beteiligten vorab die Spielregeln des Buddy- Coaching ak- zeptieren: Sie sind angetrie- ben von dem Wunsch, Erfahrungen partnerschaftlich aus- Das kommunikative Handwerkszeug des Buddy-Coachers – drei Coachingtools Stärken-Interview: Der Buddy-Coacher geht zusammen mit dem Kollegen auf die Suche nach wieder kehrenden Verhaltens-, Wahrnehmungs- und Denkmustern, die seine Gestalter- kraft befeuern. Starke Ziele setzen: Der Buddy-Coacher unterstützt den Gesprächspartner dabei, seine per- sönliche Powerzone zu finden, die er bei der Bewältigung besonders schwieriger Situationen und Herausforderungen aufsucht und aktualisiert. Pareto-Prinzip: Der Buddy-Coacher findet zusammen mit dem Gesprächspartner heraus, welche 20 Prozent seiner Tätigkeiten für 80 Prozent, also den Großteil, seiner Erfolge verantwortlich zeich- nen. So gelingt die Konzentration auf das Wesentliche. und wägen das Für und Wider der verschiedenen Möglichkeiten ab. Dabei kommen auch die pri- vaten Fragestellungen nicht zu kurz: Welche Konsequenzen ha- ben die verschiedenen Lösungs- optionen für die Work-Life-Ba- lance des Kollegen Schmitz? Wie steht seine Partnerin dazu? Was bedeutet diese gewaltige Verände- rung für die familiäre Situation? In der vierten GROW-Phase (What?) schließlich stehen die konkreten Umsetzungsschritte und Umstände der Problemlö- sung im Vordergrund. Coachingtools professionell einsetzen Es ist zielführend, wenn sich die Teilnehmer des Kollegen-Coa- ching mit einigen grundlegenden Coachingtools beschäftigt haben und in der Lage sind, gemeinsam ein Stärkenprofil zu entwerfen: Um dies herauszufinden, führen sie ein Stärkeninterview, bei dem die spezifischen Kompetenzen und Fähigkeiten des Coaches he rausgestellt werden, die dieser selbst nicht so klar benennen kann wie der Kollege, weil ihm die Dis- tanz zu sich selbst fehlt. In unserem Fall diskutieren Hol- ger Schmitz und Kerstin Müller also darüber, welche Fähigkeiten zutauschen und sich zu unter- stützen. Im Mittelpunkt steht nicht der allgemein-unverbind - liche Austausch, sondern eine konkrete Aufgabenstellung. Eine Alternative besteht darin, dass sich die Kieferorthopäden – es können auch mehrere Ärzte sein, die sich zu einer „Buddy- Session“ zusammenfinden – in einem festen Rhythmus treffen und sich gegenseitig coachen, ohne die Themen vorher kon- kret festzulegen. „Psychovampire“ entdecken: Unterstützung im emotional- sozialen Bereich Es klang bereits an: Mit Buddy- Coaching kann ein Erfahrungs- austausch in Bereichen stattfin- den, die über das rein Berufliche hinausgehen – konkret: Wohl je- der Mensch leidet unter einem oder gar mehreren „Psychovam- piren“, also Menschen, die uns im bildlichen Sinn Blut aussau- gen und Gestalterkraft rauben, die uns in anderen wichtigen Le- bensbereichen fehlt. Mögliche „Psychovampire“ hal- ten sich oft in der Familie oder im Freundeskreis auf, häufig jedoch siedeln sie sich auch am Arbeits- platz an. Hier setzt der Buddy- Coacher an: „Halte dich von dem Huber fern, er verstrickt dich mit seinem Gerede und seiner nega- tiven Ausstrahlung immer wie- der in Konflikte, die dir Energie rauben, die du dringend benö- tigst, wenn du jetzt eine Gemein- schaftspraxis gründen willst.“ Fazit Alltagscoaching unter Kollegen, die sich gegenseitig unterstützen und partnerschaftlich unter die Arme greifen: Das ist mehr als ei - ne sozialromantische Utopie im real existierenden Berufsleben. Buddy-Coaching hilft, Psychovampire zu vertreiben und sich von negativen Einflüssen zu befreien. Von Buddy-Coaching sprechen wir, wenn ein Kollege mit dem anderen ein Gespräch mit der Zielsetzung führt, ihn bei der Lö- sung eines beruflichen Problems zu unterstützen, eine Schwäche abzumildern oder ein persönli- ches Ziel zu erreichen. Kurzvita Dr. Katja Kruckeberg [Autoreninfo] Adresse Dr. Katja Kruckeberg Kleine Straße 5 65207 Wiesbaden-Igstadt Tel.: 0151 17807842 kk@kruckeberg.de www.kruckeberg.de