24 | www.kn-aktuell.de PRAXISMANAGEMENT Nr. 11 | November 2015 Fortsetzung von Seite 23 werden, den Befund unter Be- nennung der Position im ICD- Katalog der WHO (https:// www.dimdi.de/static/de/klassi/ icd-10-gm/kodesuche/online- fassungen/htmlgm2016/index. htm) anzugeben. Auf diesem Weg vermag die subjektive Be- fundbewertung des Kiefer - orthopäden in ein objektiv be- stehendes Klassifizierungs- system eingeordnet werden, sodass der Einwand des Kos- tenträgers abgeschwächt wird, dass die Bewertung des Be- handlers subjektives Votum eines in den Behandlungsvor- gang verstrickten Beteiligten sei, bei dem ein eigenes wirt- schaftliches Interesse im Vor - dergrund stehe. b) Diagnose und Therapie sind Kategorien einer medizinisch indizierten Behandlung. Kos- metische oder ästhetische Überlegungen sind hier fehl am Platze. Auch wenn kiefer - orthopädische Behandlungen immer auch kosmetische As- pekte zu berücksichtigen ha- ben, insbesondere was das The- rapieziel anbelangt, bleibt es bei einer medizinischen Behand- lung. Nur wenn ausschließ lich kosmetische Zielsetzungen verfolgt werden, kann dies ein- mal anders sein. Dann wäre ge- mäß §2 Abs. 3 Satz 2 GOZ im HKP deutlich hervorzuheben, dass es sich insgesamt um eine Planung und Behandlung auf Verlagen des Patienten handelt, für die eine Erstattung durch ei- nen kostenträger ausgeschlos- sen ist. c) Höchst problematisch erscheint die Ausweisung von bloßen Ver- dachtsdiagnosen. Verdachtsdi- agnosen sind Zwischenschritte der Differenzialdiagnostik, die weder verifiziert noch verwor- fen sind und die somit keine geeigneten Bestandteile einer Therapiegrundlage sein kön- nen. Mit der Mitteilung „V. a. CMD“ im HKP erklärt der Be- handler, Probleme erkannt, aber nicht abgeklärt zu haben und gleichwohl eine mehrjährige, in das Humanmedi zinische aus - strah len de, Therapie einleiten zu können. Hierdurch wird der Patient zur Geltendmachung von Haf- tungsansprüchen eingeladen, auch in den Fällen, in denen vor Behandlungsbeginn eine CMD allenfalls latent vorhan- den gewesen war, wenn diese sich – evtl. auch nur in der Vor- stellung des Patienten – wäh- rend der mehrjährigen KFO- Behandlung verdichtet oder manifestiert. d) Sofern Anlass für funktions - diagnostische/-therapeutische Maßnahmen besteht, sind auch diese im HKP auszuweisen, falls nicht sogar die Erstellung eines separaten FAL-HKP er- folgt. Dieser ist im Rahmen der GOZ-Novelle – zulässig war er als solcher bereits zuvor – durch explizite Nennung in Pos. 0040 GOZ aufgewertet worden. Die ser Plan sollte dann den Hinweis enthalten, dass es sich insofern lediglich um die Planung einer Vorbehand- lung handelt, der die eigent - liche KFO-Behandlung ange- schlossen wird. Diese Klarstel- lung liegt im Obligio des Be- handlers, da sowohl der Patient wie auch seine Kostenträger davon ausgehen dürfen, dass ein HKP in dem Sinne voll- ständig ist, dass vor, nach oder neben ihm keine weiteren Pla- nungen/Behandlungen des- selben Kieferorthopäden durch- geführt werden. Soll ausnahms- weise etwas anderes gelten, wäre dies vor Behandlungs - beginn hervorzuheben, zu kon- kretisieren und von dem Pla- nungsinhalt des KKO-HKP deutlich abzugrenzen. e) Abweichend von dem Grund- satz, dass im Rahmen der Dia- gnose ausschließlich der Ist- Befund anzugeben ist, sollte auch auf die Progredienz einer Erkrankung hingewiesen wer- den, da bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einer Planung auch die abseh- bare Befundentwicklung und -verschlechterung in die Be- trachtung einzubeziehen ist. So kann auch die Therapie einer heute erst gering- fügigen Zahnfehl- stellung als medizi- nisch notwendig gewertet werden, wenn dem Patienten das beobachtende Zuwarten bis zum Abschluss der pathologischen Entwick- lung nicht zugemutet werden kann. Wenn immer möglich, sollte die Diagnose die Ausge- staltung des therapiewürdigen Bisses benennen – zum einen, weil so die Erkrankung des Ge- samtsystems erkennbar wird, und zum anderen, weil auch den Beurteilern des HKP so der Weg in eine gewisse Einord- nung als Behandlungsfall er- leichtert wird. So liegen zu sämt- lichen pathologischen Bisssi - tuationen Rechtsprechungen vor, auf die bei der Beurteilung des jeweiligen Falles zurückge- griffen werden kann. f) Die vorgesehenen Behand- lungsgeräte sollten im Plan konkret angegeben werden, da dies besonders gut das thera- peutische Konzept erkennen lässt und die Prüfbarkeit be- schleunigt. Die fehlende Be- nennung wird umso eher zur Anforderung eines separaten Laborkostenanschlages füh- ren. Eine Therapieänderung oder der Wechsel des Behand- lungsgerätes mag nicht stets die Erstellung eines neuen HKP erfordern, sollte dem Kosten- träger aber doch aus eigenem Antrieb mit- geteilt werden. Im Falle eines Therapiewechsels (häufig verbunden mit einem Behandler- wechsel) fürchten die Kostenträger zu Recht eine Verdoppelung der Kosten. So- fern der Wechsel aber medizi- nisch veranlasst und geboten ist, sind die Kosten zu erstat- ten, da der Patient nicht aus Gründen der Kostenbegren- zung an einer einmal getrof - fenen Wahl festgehalten wer- den kann, wenn aus klinischen Gründen nicht mehr festgehal- ten werden sollte (LG Dortmund, Urt. v. 27.10.2011, 2 O 29/10, be- treffend die Umstellung von einer festsitzenden Apparatur auf Invisalign® nach dem Auf- treten von Zahnfleischrezes- sionen und -schwellungen). g) Das Therapieziel ist im HKP häufig selbst nicht benannt (als solches käme die Herstellung einer Neutralokklusion in Be- tracht), sondern allenfalls ab- leitbar aus den zur Verwen- dung vorgesehenen Behand- lungsmitteln, die zur Beseiti- gung oder Verbesserung der unerwünschten Befund einge- setzt werden (z.B. Auflösung des Engstandes). In der Regel lässt sich eine Therapie im Rah- men eines Zeitraumes von vier Jahren umsetzen, wie dies von den GOZ-Positionen 6100–6300 als Planungsrahmen angesetzt ist. Die Therapiedauer ist im HKP anzugeben. Sofern eine erhebliche Reduzierung der Therapiedauer durch den Ein- satz spezieller Apparate er- reichbar ist, ist dies selbst wie - derum medizinisch notwendig, da so das krankheitsbedingte Leiden quantitativ gemindert wird. Bei sogenannten Frühbehand- lungen besteht die Problematik, dass im Zeitpunkt der Planung noch gar nicht abgesehen wer- den kann, welches Behandlungs- gerät nach Durchbruch der blei- benden Zäh ne zu favorisieren ist und von den Eltern später tat- sächlich gewählt werden wird. Hier besteht ein Dilemma: Ent- weder der Behandler verabschie- det sich von dem Postulat einer vollständigen Kostenerfassung und einer abschließenden Pla- nung in einem HKP oder aber er beschränkt sich auf einen Pla- nungstorso, der im „HKP“ offen lässt, ob ggf. eine Folgebehand- lung erforderlich ist und mit welchen Behandlungsmitteln diese später erfolgt oder ange- raten werden wird. Die Beschränkung auf einen Pla- nungstorso, der nur die sicher ab- sehbaren Maßnahmen enthält, vermeidet Angriffspunkte, ent- täuscht aber die Erwartung der Patienteneltern, bereits vor Be- handlungsbeginn die voraus- sichtlich anfallenden Gesamt - behandlungskosten vollständig in Erfahrung bringen zu können. Letzteres in kein Problem, sofern der Patient sachgerecht infor- miert ist. Im Rahmen einer Fest- stellungsklage hatte ein Sachver- ständiger die medizinische Not- wendigkeit einer solchen Gesamt- planung, also einschließlich der nach Durchbruch der Zähne anstehenden Behandlung, zu be- urteilen, und er kam zu der Be- wertung, derzeit ließe sich noch seriös keine Aussage darüber treffen, ob überhaupt eine Wei ter - behandlung erforderlich werde und ob die alternativ angegebe - ne Multiband- bzw. Invisalign®- Planung geeignet sei, das Thera- pieziel zu erreichen. Hier ist wahr- scheinlich die Erstellung zweier HKP – zeitlich nacheinander – die beste Lösung, wobei im Plan der Frühbehandlung anschließend auf die ggf. erforderliche Weiter- behandlung hinzuweisen ist. Im Ergebnis dauerte der Rechts- streit über den Durchbruch der bleibenden Zähne dieses Kindes hinaus an, sodass im Rechtsstreit erklärt werden konnte, dass eine Fortsetzung der KFO-Behandlung nicht mehr erforderlich sei, und die PKV wurde vollständig zur Tragung der Behandlungskosten in Höhe von 3.935,87 Euro verur- teilt, nebst der Verfahrenskosten in Höhe von 9.790,74 Euro (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.3.2015, I–4 U 179/11, eine Invisalign®-Behand- lung betreffend) Fortsetzung in KN 12/15 Kurzvita RA Michael Zach [Autoreninfo] Adresse Kanzlei für Medizinrecht Rechtsanwalt Michael Zach Volksgartenstraße 222a 41065 Mönchengladbach Tel.: 02161 6887410 Fax: 02161 6887411 Mobil: 0172 2571845 info@rechtsanwalt-zach.de www.rechtsanwalt-zach.de