30 I www.kn-aktuell.de EVENTS Nr. 6 I Juni 2016 Chancen und Risiken der digitalen Welt Dass mit der Digitalisierung nicht nur beeindruckende Möglichkeiten modernster Kieferorthopädie einhergehen, sondern auch Gefahren sowie juristische Fallstricke lauern, machte das jüngst in Fulda zu Ende gegangene 4. Symposium „Digitale Kieferorthopädie“ der KFO-IG deutlich. Von Cyberkriminalität über die Digitalisierung von Praxisabläufen bis hin zu rechtlichen Aspekten – die Themenpalette war breit gefächert und hochinteressant (v.l.n.r.: Kriminalhauptkommissar Dirk Hintermeier, Dr. Philipp Geis, Prof. Dr. Albert Mehl und RA Gesa Deneke). Wer heute eine kieferorthopädi- sche Praxis gründet, kommt an digitalen Technologien nicht mehr vorbei. Doch auch für alt einge- sessene Praxen stellt die Digita- lisierung ein immens wichtiges Thema dar, mit dem es sich aus- einanderzusetzen gilt. Wie groß hierbei das Interesse ist, zeigte das vierte, erneut gut besuchte Symposium „Digitale Kiefer- orthopädie“ der KFO-IG. Rund 60 Teilnehmer konnte das am ersten Juni-Wochenende in Fulda ver anstaltete Event aufweisen und bot mit einer breit gefächer- ten Vortragspalette viele Fakten und jede Menge Stoff für den ge- danklichen Austausch unter Kol- legen. Risiken durch Cyberkriminalität Die Einladung von Kriminal- hauptkommissar Dirk Hinter- meier, dem ersten Referenten des Symposiums, geht auf eine negative Erfahrung von KFO- IG- Vorstandsmitglied Prof. Dr. Ger- hard Polzar zurück. Diesem kam Anfang des Jahres die mühsam gestaltete Praxiswebsite abhan- den, woraufhin er Bekanntschaft mit dem Polizeipräsidium Hessen und letztlich mit erwähntem Fach- berater für Cyberkriminalität schloss. Wie kann man sich schüt- zen vor den Gefahren im Internet? Zu diesem Thema zeigte Hinter- meier auf unterhaltsame Art und Weise Sicherheitslücken auf und gab nützliche Tipps zur Präven- tion. Rund 400.000 Straftaten wurden im letzten Jahr in Hessen verübt, wovon über 17.500 Taten mit dem Internet verbunden wa- ren, das Tatmittel also der Com- puter war. Eine beachtliche Zahl, die erkennen lässt, wie wichtig es z. B. ist, die eigene Technik in der Praxis zu pflegen (Software-Up- dates) bzw. zu alte Geräte (für die keine Updates mehr verfügbar sind) auszusortieren. Dass es ge- nauso sinnvoll ist, alles am Com- puter abzukleben, was nicht für den Praxisbetrieb gebraucht wird (Webcams), demonstrierte er an- schaulich anhand von Beispielen, die das Publikum z. B. live in die Lobby eines russischen Hotels oder auf das Firmengelände ei- ner schwedischen Baufirma führ- ten. Die Sicherheitslücke hier: Es wurde stets kein Passwort für die Kameras vergeben. Doch auch Passwörter sind ein Thema für sich. „Wer mit schwachen Pass- wörtern agiert, wird über den Tisch gezogen“, mahnte Hinter- meier. Zwölf Stellen sollte ein si- cheres Passwort haben und aus Groß- und Kleinbuchstaben, Zah- len und Sonderzeichen bestehen. Neben der strikten Trennung von privaten und geschäftlichen Pass- wörtern sollten diese zudem un- bedingt regelmäßig (alle fünf bis sechs Wochen) geändert werden. „Für Internetsicherheit braucht es keinen Hochschulabschluss. Passwörter und Software sind das A und O“, so Hintermeier re- sümierend. Ebenfalls zum Thema „Cyber- kriminalität“ informierte das Re- ferenten-Duo Dr. Anja Padberg und Andreas Ferber (MarcanT GmbH). „Eine 100%ige Sicher- heit kann Ihnen keiner bieten“, startete Dr. Padberg ihren Vor- trag. „Sie können die besten Sys- teme kaufen, wenn Ihre Mitarbei- ter nicht geschult sind, sind Sie angreifbar.“ Insbesondere die Themen Endgeräte-Sicherheit sowie Dinge, die nicht ins In- ternet gehören, stellte die Refe- rentin dabei in den Fokus. Eine große Angriffsfläche bieten laut Padberg Mobiltelefone. Der Ein- satz von Schadsoftware (Mobile Malware) und die Unmenge von Schnittstellen (z. B. WLAN) kön- nen hier beträchtlichen Schaden anrichten (Diebstahl oder Lö- schung von Daten, Entwendung von Zugangsdaten für Online- Banking, Verhinderung des Smart- phone-Zugriffs etc.). Maßnahmen zum Schutz können hier laut Pad- berg u. a. das Deaktivieren draht- loser Schnittstellen, die erhöhte Vorsicht bei Nutzung öffentlicher Hotspots oder die Prüfung unbe- kannter Rufnummern vor dem Rückruf sein. Zudem sollten bei fremden WLANs die WLAN- Funktion nur bei direkter Nut- zung ein- und sonst ausgeschal- ten sein und auch vertrauliche Daten besser nicht über fremde Netze abgerufen werden. Am bes- ten sei es, die Datei- und Ver- zeichnisfreigaben sowie die au- tomatische Anmeldung an be- kannten Hotspots zu deaktivie- ren. „Das Internet erleichtert mir zwar das Leben, doch ich muss etwas für die Sicherheit tun. Und der wichtigste Punkt hierbei ist der Mensch selbst.“ Um die Teil- nehmer für das Thema Sicher- heit zu sensibilisieren, demons- trierte Andreas Ferber abschlie- ßend, wie leicht es ist, sich in fremde Geräte zu hacken. Ein leider existierender Fakt, der bei so manch einem ein mulmiges Gefühl aufkommen ließ. sondern man sich manchmal auch durchbeißen muss, wurde an- schließend deutlich. Geis berich- tete von der Auswahl und An- schaffung des Modellscanners (er nutzt den OrthoX von Dentau- rum), vom schrittweisen Heran- führen des Praxispersonals an die neue Technik, von der Arbeit mit Dienstleistern usw. Ein sehr pra- xisnaher Vortrag, der viele Wort- meldungen hervorrief. Als „Papst der intraoralen Scan- ner“ kündigte Professor Polzar den nächsten Referenten an – lei Unterschiede zwischen mat- tiert und puderfrei erkennen. Für die Zukunft vermutet der Refe- rent den Einsatz mattierungs- freier Systeme mit Farbe. Doch auch spezielle Eigenschaften im Mund (Speichel, Materialober- fläche) haben Einfluss auf das Scanergebnis. So stellen feuchte Oberflächen eine Fehlerquelle bei der Messung dar, da der Strahl gebrochen wird und man somit nicht exakt an der Zahnoberflä- che scannt. Ein vorheriges Tro- ckenlegen ist daher immer noch Rund 60 Teilnehmer konnte die diesjährige vierte Auflage des Symposiums „Digitale Kieferorthopädie“ verzeichnen. (Rechts im Bild: DDr. Silvia Silli, die zur virtuellen Planung in der klinischen Anwendung sprach.) Digitaler Workflow – Vorteile und Equipment „Digitale Modelle in der prakti- schen Anwendung“ standen bei Dr. Philipp Geis im Fokus. Dieser berichtete der Kollegenschaft von seinen Erfahrungen bei der Di- gitalisierung der eigenen Praxis. Wie sicherlich jede Praxis hatte auch er den Keller voller Gips- modelle stehen. Ein Umstand, der ihn störte, sodass er begann, die Modelle einzuscannen. Wird in der Praxis ein physisches Modell nochmals benötigt, druckt er es einfach aus. Doch wird ein ge- drucktes Modell auch vom Gut- achter anerkannt? Solange Gut- achter nicht verpflichtet sind, di- gitale Modelle zu akzeptieren, werden Gipsmodelle wohl auch weiterhin eine Rolle spielen. Dass eine Digitalisierung nicht von heute auf morgen funktioniert, Prof. Dr. Albert Mehl von der Universität Zürich. Dieser sprach zum Thema „Intraorale 3D-Scan- systeme“ und gab zunächst ei nen aktuellen Überblick über exis- tierende Messverfahren wie bei- spielsweise die Stereofotogram- metrie (z. B. TrueDefinition) oder das konfokale Mikroskopiever- fahren, wie es z. B. beim TRIOS von 3Shape zur Anwendung kommt. Egal, welches Messprinzip ver- wendet wird, die Ergebnisse sind gleichwertig, so Mehl. Beim STL- Datenformat sei dies jedoch nicht so. Zwar ist STL heutzutage Stan- dard, jedoch könne es sich qua- litativ von System zu System un- terscheiden. Daher sollte man stets schauen, dass die benutzten Konzepte auch zusammenpas- sen. Was die Genauigkeit des in- traoralen Scannens angeht, las- sen sich laut Mehl heute keiner- erforderlich. Die Zukunft sieht der Referent im geführten Scan (höhere Genauigkeit) bzw. im Ganzkieferscan (inklusive Weich- teile). Doch auch das Thema Be- wegungsaufzeichnungen lasse viel Spielraum für neue Entwick- lungen und Anwendungen. Den Abschluss des ersten Vor- tragsblocks gestalteten Dr. Phi- lipp Eigenwillig und Udo Höhn (Fa. DentaCore) zum Thema „Di- gitaler Workflow vom Intraoral- scan bis zum 3D-Druck“. Eigen- willig erläuterte dabei u. a. den Ablauf bei Einsatz von suresmile® fusion bei Anwendung der Lin- gualtechnik, während Udo Höhn detailliert auf die generative Fer- tigung einging und die Möglich- keiten der Extruder-Technologie (RepRap X350 pro) mit der Poly- Jet-Technologie (Objet Eden260) verglich. Während die Extruder-