20 I www.kn-aktuell.de Nr. 9 I September 2016 PRAXISMANAGEMENT Das Accelerando in der Kieferorthopädie Ein Beitrag von RA Michael Zach, Kanzlei für Medizinrecht, Mönchengladbach. -besei tigung zu verstehen. Die Anwendung eines Medizinpro- duktes im Rahmen einer kie- ferortho pädischen Therapie ist damit jedenfalls dann medizi- nisch in diziert und notwendig, wenn sie geeignet ist, das durch den Heil- und Kostenplan fi- xierte Behandlungsziel (z. B. die Auflösung ei nes Engstandes, K07.3) in beschleunigter Weise zu erreichen. Bis zu einer Emanzipation eines modernen Verfahrens als Schul- medizin ist diese Eignung immer wieder Gegenstand der Auseinan- dersetzung in der wissenschaftli- chen Diskussion und im juristi- schen Erstattungsstreit mit den Kostenträgern. Je nach der Inte- ressenlage werden die Anforde- rungen an den Eignungsnachweis von den zahnärztlichen oder den juristischen Interessenvertretern überspannt oder vernachlässigt. Auch wenn die Eignungsbeurtei- lung eines Behandlungsansatzes letztlich dem zahnmedizinischen Sachverständigen vorbehalten bleibt, sind die Kriterien, nach denen diese Beurteilung zu er- folgen hat, durch die Rechtsord- nung, den Vertragsinhalt und die Rechtsprechung vorgegeben. Geklärt ist, dass die Anwendung innovativer Verfahren schon er- folgen kann und ihre Erstattung im Rahmen der privaten Kran- kenversicherung erfolgen muss, schon bevor sie als Schulmedizin etabliert sind, da ansonsten die Teilhabe des privat Krankenversi- © Boryana Manzurova / Shutterstock.com Therapiebeschleunigungen be- sitzen das Potenzial, alle an der Behandlung Beteiligten bis hin zum Kostenträger für sich einzu- nehmen. Von der beschleunigten Wundheilung und der beschleu- nigten Ausheilung frischer Kno- chenfrakturen bekannt, erreicht die Beschleunigungsoption durch Verwendung innovativer Medizin- produkte nun auch die Kiefer- orthopädie. Erste Erfahrungen und Bewertun- gen, die bei der Anwendung/Ab- rechnung/Erstattung des Accele- Dent®-Behandlungsgerätes der Fa. OrthoAccel Technologies, Inc. gemacht wurden, sollen anhand dieses Beitrages dargestellt wer- den. Das AcceleDent®-Gerät ist Ausdruck innovativer Medizin- technik. Es besitzt die CE-Zulas- sung seit 2009, das FDA-Clea- ring seit 2011. Es war Gegen- stand diverser klinischer Unter- suchungen sowie In-vivo-/In- vitro- Studien* und befindet sich auch ANZEIGE in Zentraleuropa in der klini- schen Anwendung. Kostenträ- ger versagen derzeit zum Teil allerdings noch die vollwertige Erstattung. I. Medizinische Notwendig keit/Indikation Jede Anomalie einer Zahnstel- lung stellt eine Krankheit dar (§ 1 Abs. 3 S. 2 ZHG). Jede auf die Beseitigung dieser Anomalie ge- richtete Therapie ist medizinisch indiziert (§ 1 Abs. 2 GOZ) und medizinisch notwendig im Sinne der Musterbedingungen der pri- vaten Krankenversicherung (§ 1 Abs. 2 MB/KK 2009). Der Arzt schuldet das Bemühen um die möglichst zielführende, die mög- lichst risikolose und möglichst zügige Heilung, denn unter einer Heilung ist auch die Schmerz- linderung, die beschleunigte Krankheitsausschaltung oder KIEFERORTHOPÄDIE NACHRICHTEN KN Kieferorthopädie Nachrichten Die Zeitung von Kieferorthopäden für Kieferorthopäden I www.kn-aktuell.de Nr. 9 | September 2016 | 14. Jahrgang | ISSN: 1612–2577 | PVSt: 62133 | Einzelpreis 8,– e Aktuell Apps für die KFO (2) Dr. Louis-Charles Roisin stellt im zweiten Teil der KN-Artikelserie zum Dental MonitoringTM System die Toolbox zur Behandlungs- kontrolle aus der Ferne vor. Wissenschaft & Praxis 8 Seite 12 Diagnostische Vermessung Die Arbeit mit digitalen Mo- dellen zählt in vielen KFO- Praxen im Hinblick auf Scan- vorgang, Archivierung und sogenannte zertifizierte Work- flows bereits zum Stand der Technik. Dr. Rolf Kühnert und Dr. Georg-Martin Schmid be- schreiben die Abläufe bei der Diagnostik und Modellver- messung. Wissenschaft & Praxis 8 Seite 16 Beschleunigte Zahnbewegung RA Michael Zach berichtet über erste Erfahrungen und Bewertungen, die bei der An- wendung, Abrechnung und Erstattung des AcceleDent®- Gerätes gemacht wurden. Praxismanagement 8 Seite 20 Benefit- Anwendertreffen Zum siebten Mal luden die Organisatoren zum beliebten Event nach Düsseldorf. Die- ses fand diesmal mit einem Vorkongress mit Prof. Dr. Ravindra Nanda statt. Events 8 Seite 32 Abb. 1: DVT-Scans, welche bei einem Herbst-Patienten vor (T0) und nach der Behandlung (T1) erstellt wurden, zeigen die veränderte Kinnposition nach erfolgter Therapie. Einführung Die Klasse II-Malokklusion ist rund um den Globus weitverbrei- tet und da mandibuläre Defizite bei heranwachsenden Patienten mit solcher Malokklusion eine große Rolle spielen, stellt der Einsatz von Geräten zur Vorver- lagerung des Unterkiefers ein wichtiges Tool in kieferorthopä- dischen Praxen dar.11, 14 Randomi- sierte, klinische Multicenterstu- dien haben gezeigt, dass bei der Suche nach einem effizienten Klas- se II-Therapieansatz die Frühbe- Für höchste Behandlungseffizienz Prof. Dr. David Suárez Quintanilla, Kieferorthopäde aus Santiago de Compostela/Spanien, erläutert anhand des Synergy®-Brackets* die Vorteile der Straight-Wire- Low- Friction-Technik (SWLF). Die reibungsarme Straight-Wire- Technik (SWLF, Straight Wire Low Friction) besteht nicht nur einfach aus Brackets mit einem speziellen Design und einer Reihe von Bögen, sondern sie umfasst eine Behandlungsphilosophie, die in unterschiedlichen klinischen Protokollen dargestellt und durch wissenschaftliche Forschungen (evidenzbasierte Behandlung) sowie die erfolgreichen Ergeb- ANZEIGE nisse von Tausenden von Fällen in den letzten 15 Jahren belegt wird. In die SWLF-Technik sind alle Neuentwicklungen der mo- dernen Kieferorthopädie inte- griert: der digitale Entwurf des Lächelns, die modernsten ther mo- elastischen Legierungen oder orthopädische Mikroimplantate. All das führt zu einer hohen Effi- zienz, wodurch sich die Behand- lungszeiten bei Klasse II-Malok- klusionen aufgrund von Wachs- tumsdefiziten des Unterkiefers erheblich reduzieren (Abb. 1 bis 3). Bei der Biomechanik der SWLF- Technik sind vier grundlegende Prinzipien hervorzuheben: Friktionsselektionskontrolle Aufgrund des speziellen Designs der Synergy®-Brackets (drei Flü- gelpaare, von denen die zentralen 8 Seite 8 www.dentalline.de Markiersonde N E U ! BENEfit ® System System ...und viele weitere Neuheiten im aktuellen Sonderkatalog Herbst – was haben wir gelernt? Im Rahmen des AAO-Kongresses wurde eine Studie präsentiert, die dentoskelettale Veränderungen in Verbindung mit der Herbst-Apparatur dreidimensional untersuchte. 50 pubertäre skelettale Klasse II-Patienten wurden dabei mithilfe virtueller 3D-Modelle bewertet, die aus zu Therapiebeginn sowie -ende erstellten DVT-Aufnahmen generiert wurden. Ein Beitrag von Bernardo Q. Souki1, DDS, MSD, PhD; Paula L. Cheib1, DDS, MSD; Antonio Carlos O. Ruellas2, DDS, MSD, PhD; Lorenzo Franchi3, DDS, PhD; James McNamara Jr.4, DDS, PhD und Lucia H.S. Cevidanes4, DDS, MsD, PhD. ANZEIGE OrthoLox Snap-In Kopplung für die skelettale Verankerung N! I T I P A N S A. Ahnfeldt GmbH Marienhütte 15 • 57080 Siegen Tel. 0271-31 460 0 www.ort hodontie-shop.de verlagerung des Unterkiefers bei den Kieferorthopäden in verschie- denen Ländern an Popularität ge- wonnen. Die Herbst-Apparatur stellt dabei das am meisten ver- wendete Gerät bei der Behand- lung mandibulärer Defizite in den Vereinigten Staaten von Amerika dar.11 8 Seite 4 ANZEIGE Kurs-Highlight 2016 Die Zeitung von Kieferorthopäden für Kieferorthopäden Erscheinungsweise: 10 x jährlich BESTELLUNG AUCH ONLINE MÖGLICH handlung nicht hinzugezogen werden sollte.3–5, 13 Zudem wird in der Literatur empfohlen, dass die Einbeziehung der Pubertät in den Behandlungsplan eine gute Praxis für einen effektiven und effizienten Klasse II-Ansatz sei.8, 9 Andererseits wurde gezeigt, dass unter besonderen Bedingungen, wie dem erhöhten Risiko einer traumatischen Verletzung des Schneidezahns sowie psychosozi- alen Problemen, die frühe Behand- lung ei ner Klasse II/1-Malokklu- sion von Vorteil für die Patienten ist.5, 12 Sofern Pubertät bedeutet, dass es sich um Teenager im Ju- gendalter handelt, kann der ide- ale Zeitpunkt, eine Klasse II-Mal- okklusion unter der Perspektive einer effizienten dentofazialen Or- thopädie anzugehen, dem Kiefer- orthopäden hinsichtlich der Pa- tientenmitarbeit bei Verwendung herausnehmbarer Apparaturen jedoch Probleme bereiten. Daher haben festsitzende Geräte zur Vor- & Mini -Schrauben Dr. Chris Chang & Prof. Dr. Benedict Wilmes „Simplify Your Mechanics for Challenging Cases“ 11.–12. November 2016 in Berlin Weitere Details & Anmeldung bei Ihrer/m Ormco-Außendienstmitarbeiter/in oder bei unserer Seminar-Organisatorin Frau Nicole Gertz-Wilkes: +49 2561 6079438 ormcoseminare.d-a-ch@ormco.com +49 180 5529106 www.ormcoeurope.com Abopreis 75,– O* www.kn-aktuell.de www.oemus.com/abo Fax an 0341 48474-290 Ja, ich abonniere die KN Kieferorthopädie Nachrichten für 1 Jahr zum Vorteilspreis von 75,– €. Das Abonnement verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es nicht sechs Wochen vor Ablauf des Bezugs zeitraums schriftlich gekündigt wird (Post stempel genügt). Unterschrift Widerufsbelehrung: Den Auftrag kann ich ohne Begründung innerhalb von 14 Tagen ab Bestel- lung bei der OEMUS MEDIA AG, Holbeinstraße 29, 04229 Leipzig schriftlich widerufen. Recht- zeitige Absendung genügt. * Preis versteht sich inkl. MwSt. und Versandkosten (Preis für Ausland auf Anfrage). Name / Vorname Straße/Hausnummer PLZ/Ort Telefon/E-Mail Praxisstempel 6 1 / 9 N K O EM U S M E D I A AG Holbeinstraße 29 · 04229 Leipzig · Tel.: 0341 48474-308 · grasse@oemus-media.de II. Einordnung des Accele Dent®-Behand- lungsgerätes in die GOZ/ PKV-Begrifflichkeit Die Anschaffung des AcceleDent®- Gerätes auf entsprechende zahn- ärztliche Verordnung hin unter- fällt nicht § 9 GOZ („Ersatz von Auslagen für zahntechnische Leistungen“), da es sich nicht um Zahntechnik handelt. cherten an innovativen Verfahren ausgeschlossen wäre. Denn bei gleichermaßen wirksamen, al ter - nativen Behandlungsmetho den fehlt es naturgemäß (noch) an Langzeitstudien (OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.3.2012, 7 U 10/12). Zum Teil wird schon das bloße Bestehen der CE- Kennzeichnung als hinreichender Be leg für eine ausreichende wissenschaftliche Anerkennung eines Medi- zinpro duk tes angesehen (OLG Köln, Urt. v. 7.2.2007, 23 O 458/04 Zahn im plan tate betreffend). Bei der verordnungsgestützten Anschaffung und Weiterberech- nung des Gerätes handelt es sich auch nicht um eine Weiterberech- nung von Praxiskosten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 GOZ, denn die Pra- xis erwirbt das Gerät nicht zur Anwendung in der Praxis, son- dern um dem Patienten hieran das Eigentum zu verschaffen. Die Erstattung des AcceleDent®- Gerätes im Bereich der privaten Krankenversicherung hängt da- von ab, welcher Tarif vereinbart ist und wie das Gerät in die versi- cherungsvertraglichen Begriff- lichkeiten einzuordnen ist. Heil- mittel und Hilfsmittel sind in der Regel (nach einem offenen oder geschlossenen Katalog) zu er- statten, für Heilapparate hinge- gen findet sich häufig ein Erstat- tungsausschluss. Es stellt kein Heilmittel dar, denn hierunter sind physikalisch-medizinische ANZEIGE Shop www.ortho-rebels.de Heilmaßnahmen durch Angehö- rige staatlich anerkannter Heil- berufe (z. B. Massageanwendun- gen) zu verstehen. Vorliegend geht es jedoch um die Erstattung von Anschaffungskosten, nicht aber um die Erstattung abge- rechneter Maßnahmen von Heil- hilfsberufen. Es stellt kein Hilfsmittel dar. Da- runter werden Gegenstände ver- standen, die eine körperliche Be- hinderung unmittelbar ausglei- chen oder mildern, ohne sie zu heilen oder zu lindern (z. B. Seh- hilfen, Stützapparate, elektro- AcceleDent™ (Fa. OrthoAccel Technologies, Inc.) Ganz überwiegend wird ange- nommen, dass schon eine auch nur dürftige Dokumentation oder Bewertung in der wissenschaft- lichen Literatur der Erstattungs- fähigkeit nicht entgegensteht, so- fern zumindest Behandlungen in einer solchen Anzahl stattgefun- den haben, die eine Aussage da- rü ber zulassen, ob der Behand- lungsansatz prognostisch geeig- net ist, die angestrebte therapeu- tische Wirkung wahrscheinlich zu erreichen. Der Annahme der Eignung kann jedenfalls nicht entgegenhalten werden, dass noch keine Langzeitstudien vorliegen oder sich die vorgelegten Stu- dien auf kleinere Patientenzah- len und kurze Behandlungszeit- räume beziehen (Landgericht Tü- bingen, Urt. v. 11.5.2005, 3 O 267/03, die Sofortbelastung von Zahn- implantaten betreffend.). Im Hinblick auf das AcceleDent®- Gerät liegt eine – gemessen an die- sen juristischen Kriterien – bereits hinreichende wissenschaft liche Befassung vor. So spricht schon jetzt alles dafür, die me dizinische Vertretbarkeit seiner Verordnung durch den Facharzt als medizinisch notwendig/vertretbar zu bejahen.