8 I www.kn-aktuell.de WISSENSCHAFT & PRAXIS Nr. 10 I Oktober 2016 Prämolaren erforderlich sind, empfehle ich das teilweise Schlie- ßen der Extraktionslücken, wo bei Lücken von 2 mm gelassen wer- den, diese aber distal zu den la- teralen Schneidezähnen versetzt werden. Wenn der Patient keine Extrak- tionen der Prämolaren benötigt, aber auch keine Lücken hat, emp- fehle ich die Verwendung von bi- lateralen zusammengedrückten offenen Spiralfedern, die zwi- schen den Eckzähnen und den lateralen Schneidezähnen einge- setzt werden, um die Iowa Spaces zu erzeugen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass diese vier Zähne aufgrund der aktivierten Spiralfedern sich nicht drehen. Die Iowa Spaces sollten, sobald sie erzeugt wurden, mit geschlos- senen Spiralfedern offengehalten werden. Zu welchem Behandlungs- zeitpunkt empfehlen Sie das Schließen der Iowa Spaces? Meiner Empfehlung nach sollten die Iowa Spaces mindestens drei Monate nach der Operation bei- behalten werden. Dieser Zeitraum ermöglicht dem Kieferorthopä- den, zu beurteilen, ob ein skelet- taler Relapse auftritt. Die Iowa Spaces können dann entweder durch das Verschieben des an- terioren Segments nach lingual oder des posterioren Segments nach mesial geschlossen werden, je nach Richtung und Ausmaß des skelettalen Relapse des Un- terkiefers (Abb. 3a, b und 5a, b). Welche Probleme haben Sie mit den Iowa Spaces festgestellt? Das einzige Problem, das ich mit den Iowa Spaces festgestellt ha be, ist die Tendenz der Eckzähne, nach distal zu rotieren, wenn zu- sammengedrückte offene Spiral- federn zur Erzeugung dieser Lü- cken verwendet werden. Aus die- sem Grund empfehle ich das Öff- nen der Iowa Spaces nur, bis ein Edelstahldraht in Standardgröße in alle Brackets eingebunden wer- den kann. Warum sollten Kieferortho- päden eine orthognathe Chirur- gie als eine wurzelerhaltende Be- handlungsmethode ansehen? In der sehr streitsüchtigen Welt, in der wir heute leben, ist es sehr wichtig, die Entstehung von iatro- genen Problemen zu verhindern. Eine orthognathe Chirurgie sollte als wurzelerhaltende Behand- lungsmethode in Betracht gezo- Abb. 5c: Die kephalometrische Überlagerung des Patienten C zeigt die Änderungen, die während eines kombinierten operativen Vorverlagerns des Oberkiefers und eines operativen Zurücksetzens des Unter- kiefers aufgetreten sind (grüne Pfeile). Die präoperative kephalometrische Analyse entspricht dem Alter 15-0 und die postoperative kephalometrische Analyse entspricht dem Alter 15-4. Man beachte, dass der Chirurg den Unterkieferast nicht zurückgedrückt hat. Vielmehr steht er nun weiter vorn (gelber Pfeil). Trotzdem kam es zu einem skelettalen Relapse des Unterkiefers, wie in Abb. 5a gezeigt. gen werden, da die kieferortho- pädischen Bewegungen, die vor einer Operation erforderlich sind, dekompensatorisch sind, was be- deutet, dass Wurzeln nicht zum kortikalen Knochen verschoben werden. Leider besteht der aktuelle Trend in der Welt der Kieferorthopädie darin, orthognathe Chirurgien zu vermeiden, unter anderem, weil die Versicherungsgesell- schaften die Kosten für diese Ver- fahren nicht übernehmen. Dieser Trend setzt die Patienten dem erhöhten Risiko einer externen apikalen Wurzelresorption aus. Bei einer kieferorthopädischen Behandlung ohne orthognathe Chirurgie bei Patienten, für die eine Operation indiziert ist, muss der Kieferorthopädie die Wurzel- spitzen über lange Strecken ver- schieben, was einen behandlungs- bezogenen Risikofaktor für ex- terne apikale Wurzelresorptionen darstellt.5–16 Das Verschieben der Spitzen über lange Strecken hin- weg verlängert die Behandlungs- dauer, was auch einen behand- lungsbezogenen Risikofaktor für externe apikale Wurzelresorp- tionen darstellt.7–12 Beide Fakto- ren und die Nähe der Wurzel zu Kortikalplatten6, 17, 18 stellen ein erhöhtes Risiko einer Entwick- lung von externen apikalen Wur- zelresorptionen dar. Ein Patient, der in Kapitel 2 eines kürzlich von mir veröffentlichten Buches (mit dem Titel „Iatroge- nic Effects of Orthodontic Treat- ment: Decision-Making in Pre- vention, Diagnosis and Treat- ment“)19 vorgestellt wird, dient als Beispiel für die Anwendung einer orthognathen Chirurgie, um die Überkompensation der Zahnpositionen, die zu einer ex- ternen apikalen Wurzelresorp- tion führen kann, zu vermeiden. Die beste Vorsorgemaßnahme für eine externe apikale Wurzel- resorption ist es, Patienten, die eine orthognathe Chirurgie be- nötigen, aber sich keiner Opera- tion unterziehen möchten, nicht zu behandeln. Fazit Kieferorthopäden und Kiefer-/ Gesichtschirurgen sind hoch- qualifizierte zahnmedizinische Personen, die verpflichtet sind, sich an den Eid des Hippokrates, keinem Menschen Schaden zu- zufügen, zu halten. Ich hoffe, dass dieses Interview zur Anwendung der Iowa Spaces Mediziner da- rauf aufmerksam macht, dass die Anwendung dieser Spaces vor ei ner orthognathen Chirurgie ein wirksames Hilfsmittel bei der Behandlung von mandibulären skelettalen Relapses ist. Literatur Kurzvita Prof. Dr. Roberto Justus, DDS, MSD [Autoreninfo] Adresse Prof. Dr. Roberto Justus, DDS, MSD Ave. Ejército Nacional 530-502 Colonia Polanco México City México, 11560 Tel.: +52 555 5457170 Fax: +52 555 5314847 rojustus@mexis.com Abb. 5b: Iowa Spaces im Unterkiefer des Patienten C (siehe Abb. 3a und b) wurden durch das Verschieben der Schneidezähne nach lingual geschlossen, da ein postoperativer Relapse des Unterkiefers aufgetreten ist, wie in der kephalometrischen Überlagerung in Abbildung 5a dargelegt. Abb. 5a: Kephalometrische Darstellung von Iowa Spaces im Unterkiefer als Verfahren zum Ausgleich eines postoperativen Relapse des Unterkiefers nach vorn. Man beachte, dass der Unterkiefer nach der Operation tatsächlich einen Relapse nach vorn erlitt (grüner Pfeil), wie in der kephalometrischen Überlagerung des Pa tienten C beobachtet werden kann (kephalometrische Analyse direkt nach der Operation im Alter von 15-4 und kephalometrische Analyse 15 Monate nach der Operation im Alter von 16-9). Trotz des skelettalen Relapse des Unterkiefers nach vorn konnte der Kieferorthopäde mithilfe der Iowa Spaces im Unterkiefer dieses ungewünschte Ergebnis durch Verschieben der unteren Schneidezähne nach lingual ausgleichen (gelber Pfeil). Die Zähne innerhalb des weißen Vierecks (Eckzähne bis Backenzähne) entsprechen den pos- terioren Dentalbereichen und die Zähne im grünen Viereck (vier Schneidezähne) entsprechen dem ante- rioren Dentalbereich. • Empfohlene operative Verfah- ren, die eine größere Stabilität bieten, z. B. Anwendung von kombinierten Ober-/Unterkie- feroperationen, sofern mög- lich, um das Ausmaß des ope- rativen Zurücksetzens des Un- terkiefers zu reduzieren. Was empfehlen Sie als Rou- tineprotokoll für die Anwen- dung von Iowa Spaces in Vor- bereitung einer orthognathen Chirurgie? Wenn der Patient mit Zahnlücken vorbehandelt wird, empfehle ich das Schließen aller Lücken in drei separaten Segmenten, das heißt, das Schließen aller Lücken in den posterioren Segmenten (von den Eckzähnen zu den Mo- laren) und Schließen aller Lücken im anterioren Segment (vom la- teralen Schneidezahn zum late- ralen Schneidezahn), wobei Lü- cken von 2 mm distal der latera- len Schneidezähne beibehalten werden sollten. Bei einem ope- rativen Zurücksetzen des Unter- kiefers sollten die Iowa Spaces im Unterkiefer angewandt wer- den (Abb. 3a, b und 5a). Bei einer operativen Vorverlagerung des Un terkiefers sollten die Iowa Spaces im Oberkiefer angewandt werden (Abb. 1). Wenn der Patient keine dentalen Lücken hat und Extraktionen der Fortsetzung von Seite 7 zugleichen (Ramusinklination nach hinten gedrückt und/oder retropositionierte Kondylen). Mit welchen anderen Verfah- ren, neben der Anwendung von Iowa Spaces im Unterkiefer, be- handeln Sie die Tendenz eines skelettalen Relapses bei Patien- ten, die sich zur Korrektur einer Prognathie des Unterkiefers ei- ner BSSO unterziehen, oder wir- ken dieser entgegen? Anhand der Informationen, die im vorherigen Abschnitt darge- legt wurden, ist es wichtig, dem Chirurgen zu empfehlen, die Ast- neigung während der Operation nicht zu erhöhen. Die weiteren Verfahren, die ich zur Verbesse- rung der postoperativen Stabili- tät nach einer Unterkieferrück- verlagerung empfehle, sind die folgenden: • Tragen einer extraoralen Ge- sichtsmaske (Kinnkappe) durch den Patienten nach der Opera- tion, um die korrigierten skelet- talen Beziehungen beizubehal- ten, während die mandibuläre Muskelschlinge sich an die neue Position anpassen kann. Die Kinnkappe sollte in den ersten drei Monaten nach der Opera- tion für etwa 10 bis 14 Stunden pro Tag sowie für weitere drei Monate nachts getragen wer- den. Diese Apparatur sollte nicht eingesetzt werden, wenn sich der Patient einer gleichzeiti- gen Genioplastik unterzieht, da Druck durch die Kinnkappe auf das kürzlich operierte Kinn aus- geübt wird. • Verschieben der Operation, bis bewiesen werden kann, dass das Wachstum des Patienten ab- geschlossen ist (z. B. durch die Überlagerung von zwei aufein- anderfolgenden lateralen ke- pha lometrischen Kopfbildern, die ein Jahr auseinanderliegen), und