28 I www.kn-aktuell.de EVENTS Nr. 6 I Juni 2017 „Fangen Sie an! Je früher, desto schneller sind Sie oben!“ Am 19. und 20. Mai lud die KFO-IG zu ihrem mittlerweile 5. Digitalen Fachsymposium. Dieses vermittelte insbesondere Erfahrungen, die bei der Umstellung der eigenen Praxis auf einen (komplett) digitalen Workflow gemacht wurden, und gab wertvolle Tipps und Anregungen. Prävention gegen Cyberkriminalität Bereits vom letzten Symposium bekannt, war der erste Redner – Kriminalhauptkommissar Dirk Hintermeier (Fachberater Cyber- crime beim Polizeipräsidium Mittelhessen), der erneut über die Gefahren im Internet aufklärte. Dabei sprach er über Schadsoft- ware (Viren, Trojaner und Bot- Netze), Gefahren in sozialen Netzwerken (Datendiebstahl, se- xuelle Belästigung oder Identi- tätsdiebstahl), Computerbetrug, Ausspähen von Daten im Inter- net (Phishing), Urheberrechts- verletzungen, mobile Internet- nutzung sowie die Sicherheit von PCs, und gab neben aktuellen Bei- spielen vor allem wichtige prä- ventive Tipps für den Alltag. Das A und O seien geeignete Pass- wörter (12-stellig und am besten aus Satzfragmenten bestehend) und die Softwareaktualisierung. „Berücksichtigen Sie beides und pflegen es regelmäßig, sind Sie auf der sicheren Seite“, so Hin- termeier resümierend. Einfluss der Digitalisierung auf den Fachbereich KFO Wie die Digitalisierung das Fach- gebiet KFO verändert, verdeut- lichte der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Bernd Lapatki von der Universi- tät Ulm. Auch dort habe man fest- stellen müssen, dass an der Digi- talisierung heute kein Weg mehr vorbeiführt. Dennoch sei es un- verzichtbar, zunächst einmal zu evaluieren, was die neuen Tech- niken überhaupt an Vorteilen bringen bzw. wie uns der rasante technische Fortschritt betreffe. Als für die KFO relevante Ent- wicklung nannte Lapatki z. B. die Digitalisierung von 3D-Oberflä- chen und Volumen (primäre dia- gnostische Relevanz), beispiels- weise von Kiefermodellen und Gesichtskontur (3D-Scanverfah- ren), oder die Darstellung von Hart- und Weichgewebe (DVT, CT, MRT) sowie funktionelle As- pekte. Weitere relevante Bereiche seien CAD/CAM oder auch die Mikrosystemtechnik. Dabei ging der Referent auf die kieferortho- pädischen Applikationen dieser innovativen Techniken ein – sowohl im diagnostischen (Erstellung di- gitaler Kiefermodelle, digitale Mo- dellanalyse, 3D-Gesichtsscans und Analysen, gesichtsbezügli- che Kiefermodellregistrierung), also auch im therapeutischen Be- reich (digitalgestützte Herstel- lung von KFO-Apparaturen, me- chanische Sensorsysteme für kie- ferorthopädische Applikationen). Von Vorteil sei dabei u. a., dass bei der Erstellung digitaler Kie- fermodelle ggf. kein Bedarf mehr für ein Gipslabor bestehen würde. Zudem würde kein Raum mehr für das Modellarchiv gebraucht. Der Datenaustausch (z. B. zwi- schen den Kollegen) sei verein- facht und die Zahnbewegungen quantifizierbar (Matchen von Modellen, sodass erkennbar ist, in welcher Zeit sich die Zähne bewegen). Die Nachteile (z. B. Aufrüstungsbedarf Hard-/Soft- ware, fehlende Haptik) sieht Pro- fessor Lapatki eindeutig in der Minderzahl, was wiederum als Motivation verstanden werden könnte, sich in diesem digitalen Bereich zu bewegen. Was die Digitalisierung von Mo- dellen angeht, hat die Uni Ulm verschiedene Studien durchge- führt, die zeigen, dass ein Desk- topscan von Alginatabformun- gen ein für die Diagnostik eher ungeeignetes Verfahren darstelle (zwar genau, aber löchrig; zu- sätzliches digitales Bissregistrat). Der Desktopscan von Gipsmodel- len sei hingegen zwar sehr genau, erfordere aber den doppelten Auf- wand (reelles und digitales Mo- dell). Für die Diagnostik als genau ge nug (für die Herstellung von Apparaturen hingegen grenzwer- tig) erweist sich der direkte In- traoralscan. Er dauere u. U. zwar noch etwas länger als eine Abfor- mung, jedoch sei er dieser in man- chen Aspekten überlegen. Zudem stellte er weitere Studien vor, die sich z. B. der Genauigkeit von In- traoralscans widmeten. Abschlie- ßend gab Professor Lapatki noch einen Ausblick auf die Möglich- keiten der Mikrosystemtechnik und die mit ihr verbundenen mi- niaturisierten Technologien, mit denen sich die Uni seit einigen Jahren beschäftige. So arbeite man an der Realisierung einer Vision der klinischen Anwen- Sehr offen berichtete Dr. Fiona Adler über ihre Erfah- rungen, die sie bei der Umstellung einer 30 Jahre al- ten, komplett analogen Praxis auf deren Digitalisie- rung gemacht hat. Dabei gab sie so manchen Tipp mit auf den Weg. dung, indem ein Mikrochip in die Basis eines Brackets integriert wird, um die auf den Zahn wäh- rend der Therapie wirkenden Kräfte und Momente messen zu können. Zudem entwickle man derzeit eine Software, die diese Menge an gewonnenen Daten auszuwerten weiß und mittels Farbskala verdeutlicht, welche Zähne gut, zu viel oder zu wenig belastet werden. CAD/CAM in der KFO-Praxis Inwieweit ohne physische Mo- delle gearbeitet werden kann, verdeutlichte Simon Graf an- hand klinischer Fallbeispiele. Zunächst ging der Gast aus Belp (Schweiz) auf die Grundprinzi- pien des Scannens ein und ver- glich die Präzision eines Scans mit der einer herkömmlichen Ab- formung. Dabei gab er folgende Werte an: Scan Einzelzahn (10 µ), Scan Quadrant (23 µ), Scan ge- samter Kiefer (50–80 µ), Alginat mit Post-Processing (200 µ) und Silikon (Vinylsiloxanether, 25 µ). Neben der sofortigen Verfügbar- Mit rund 70 Teilnehmern fand am dritten Mai-Wochenende in Fulda das 5. Digitale Fachsymposium der KFO-IG statt. Zum fünften Mal stand die „Digi- tale Kieferorthopädie“ im Fokus des alljährlich stattfindenden Fachsymposiums der Kieferortho- pädischen Interessengemein- schaft (KFO-IG). Wie 2016 in Fulda, vermittelte es den teilnehmenden Kieferorthopäden den Status quo aus Praxissicht und gab zudem Ausblicke auf künftig zu erwar- tende Entwicklungen. lisierung ablesen konnte: Stufe 0 (digitales Röntgen, digitale Foto- grafie, digitales Verwaltungspro- gramm), Stufe 1 (digitales Röntgen mit One-Shot), Stufe 2 (manuelle Funktions- und Strukturanalyse (MFA/MSA) per EDV-Programm, Stufe 3 (digitale Kondylografie, karteikartenlose Praxis, Stand- alone-EDV-Lösungen), Stufe 4 (digitaler Modellscanner, gesamte Prof. Dr. Dr. Bernd Lapatki (r.) verdeutlichte, inwieweit der rasante technische Fortschritt den Fachbereich Kieferorthopädie betreffe und stellte Ergebnisse aktueller Studien vor. Simon Graf (l.) berichtete von den Erfahrungen, die er bei der Fertigung kieferorthopädischer Apparaturen mithilfe eines metallverarbeitenden 3D-Druckers in der eigenen Praxis gesammelt hat. In seiner Begrüßungsrede stimmte Vorstandssprecher Dr. Peter Watz- law die Anwesenden auf das be- vorstehende zweitägige Vortrags- programm ein, indem er von sei- nen eigenen Erfahrungen berich- tete. Seit eineinhalb Jahren sei er nun dabei, seine Praxis kom- plett digital umzustellen. „Die Kosten sind zunächst immens, das muss ich Ihnen sagen. Und Sie müssen sich vorab genau über- legen, was das Ganze räumlich, arbeitsrechtlich usw. für die Pra- xis bedeutet“, so Watzlaw. Den- noch rät er je dem Kieferorthopä- den „Fangen Sie an! Je früher Sie den Schritt wagen, desto schnel- ler sind Sie oben.“ In Anlehnung an das EMRAM- Modell für Kliniken (Electronic Medial Records Adoption Model) hatte Watzlaw acht Stufen der Digitalisierung auf die KFO-Pra- xis heruntergebrochen, an denen jeder Teilnehmer seinen aktuel- len Istzustand bezüglich Digita- Daten auf einem Server, Client- Server-Technik und Netzwerke), Stufe 5 (Client-Server-Technik mit WLAN, Intraoralscanner), Stufe 6 (Intraoralscanner und 3D-Drucker) bis Stufe 7 (kabel- loser Intraoralscanner, mehrere 3D-Drucker für die Herstellung von Modellen, Trays fürs Bracket- kleben, Aufbissschienen, chirur- gische Splints etc.). Er sei so mit- ten drin, könne aber in jedem Fall sagen, dass es Spaß mache und er es jedem nur empfehlen kann, denn „irgendwann müssen Sie springen!“ Diese Aussage bestätigte an- schließend auch Vorstandsspre- cher Prof. Dr. Gerhard Polzar, indem er verdeutlichte, dass die digitale Welt nicht aufzuhalten sei. Egal, ob eine Praxis klein oder groß sei, so Polzar, es käme darauf an, wie diese strukturiert sei und es verstehe, das Ganze (Digitalisierung) in den Work- flow einzubinden. Dr. Mathias Höschel (l.) gewährte Einblick in seine Arbeit als Mitglied des Deutschen Bundestags und betonte, dass er ohne Dr. Peter Watzlaw (r.) und die KFO-IG dort heute nicht wäre. Er habe ihr viel zu verdanken. Fortsetzung auf Seite 30