4 | WISSENSCHAFT & PRAXIS Nr. 1 | Februar 2013 Klinische Aspekte in der regenerativen Parodontaltherapie Fortsetzung von Seite 1 Fälle beschränkt ist, wurde in den letzten Jahren mehr und mehr von der regenerativen Therapie in den Hintergrund gedrängt. Dieser regenerative Therapie- ansatz beinhaltet Therapieme- thoden, welche speziell auf eine vorhersagbare Neubildung pa- rodontalen Gewebes (Wurzelze- ment, Desmodont und Alveolar- knochen) ausgelegt sind.5,59Zwar resultiert die klassische nicht chirurgische und chirurgische Parodontitistherapie im Sinne der offenen und geschlossenen Kürettage in einer Reduktion der Sondierungstiefen und in einem Gewinn an klinischem Attach- ment; histologisch ist die Heilung jedoch meist durch die Ausbil- dung eines langen Saumepithels charakterisiert. In diesem Fall spricht man von einer parodon- talen Reparation. Weil es wenn überhaupt im Taschenfundus zu einer Regeneration parodontaler Strukturen kommt, findet keine vorhersagbare Regeneration statt.5 Durch die Vielzahl auf dem Markt erhältlicher Materialien, man-histologische Evidenz auf- weisen. Knochenersatzmaterialien Bisher resultierte die Anwen- dung nur sehr weniger Knochen- ersatzmaterialien in einer paro- dontalen Regeneration. Fun- dierte Evidenz besteht hierbei lediglich in der Verwendung von autologem Knochen, deminera- lisiertem gefriergetrocknetem Knochen und von einem natür- lichen bovinen Knochenmine- ral, da deren Implantation in ei- ner parodontalen Regeneration resultieren kann.2,4,14,16,44,54 Nach einer Verwendung von synthe- tischen Knochenersatzmateria- lien wie z. B. Hydroxylapatit, Beta-Trikalziumphosphat (- TCP), Polymeren oder bioakti- ver Gläser zeigte sich überwie- gend eine Reparation, welche durch die Ausbildung eines lan- gen Saumepithels charakteri- siert war, wobei die meisten Par- tikel bindegewebig eingekapselt waren. Man geht daher davon aus, dass nach der Verwendung der meisten Knochenersatzma- terialien zwar ein klinischer Er- Abb. 2: Inzision mittels einer Mikroklinge. ist im Bereich der Parodontolo- gie zu beachten, dass Evidenz ei- nes histologischen Nachweises einer geförderten parodontalen Regeneration vorliegen sollte. Gesteuerte Geweberegeneration (GTR) Das Prinzip der GTR beruht auf der Isolation der langsam wachsenden Zellen aus Desmo- dont und Alveolarknochen von den umgebenden Epithel- und Bindegewebszellen und in der Stabilisierung des Blutkoagu- raus ein weiterer Nachteil. Durch den zweiten chirurgi- schen Eingriff kann das neu- gebildete Gewebe unter der Membran traumatisiert werden, was wiederum den Regenera- tionserfolg negativ beeinflusst. Dies hatte die Entwicklung re- sorbierbarer Membranen zur Folge. Tierexperimentelle sowie klinische Studien konnten zei- gen, dass mit resorbierbaren Membranen (Resorptionszeit 4 bis 6 Wochen) ähnliche Gewinne an neuem bindegewebigen At- zehn Jahren erhalten werden können41 und Nebenwirkungen wie Inkompatibilität oder aller- gische Reaktionen gegen SMP wurden bisher in keiner klini- schen Studie nachgewiesen.31,33,58 Schmelz-Matrix-Proteine vs. GTR Die meisten Studien, welche die Therapie intraossärer Defekte mit SMP oder GTR verglichen, zeigten keine Unterschiede zwi- schen beiden Therapieansät- zen.32,48,52,53,64 Trotzdem zeigten die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten randomisierten kontrollierten Studie, dass bei tiefen, nicht selbsterhaltenden (d.h. supraalveoläre und breite Defekte oder Defekte mit fehlen- den Knochenwänden) Knochen- defekten die Therapie mittels GTR in größerem Gewinn an klinischem Attachment resul- tierte als die Therapie mit SMP (4,1 ± 1,4mm versus 2,4 ± 2,2mm). Weiter zeigte sich, dass die mit GTR therapierten Zähne in 71,1 versus 10,2 Prozent in den mit SMP behandelten Defekten ei- nen Attachmentgewinn von 4 bis 5mm zeigten.22 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 3: Vorsichtige Mobilisierung des Papillenerhaltungslappens mithilfe eines speziellen Tunnelinstruments. – Abb. 4: Mit einem auf das Nahtmaterial abgestimmten Mikronadelhalter bzw. einer atraumatischen Pinzette (beide Instrumente Fa. Stoma, Liptingen) wird der Lappen vor- sichtig fixiert. – Abb. 5: Doppelte Umschlingungsnaht mittels einem monofilen Material (Medilene®, Fa. Stoma, Liptingen) vor der Applikation von Schmelz-Matrix-Proteinen Emdogain® (Fa. Straumann, Basel). – Abb. 6: Defektauffüllung mit Emdogain®. sowie die Komplexität der paro- dontalen Defekte ist es für den Praktiker nicht gerade leicht, die korrekte Therapie, aber auch das richtige regenerative Material oder die adäquate Kombination von Therapie und Materialien zu wählen. Ferner konnte gezeigt werden, dass neben der Auswahl der chirurgischen Technik auch Faktoren wie Patienten- und Defektselektion und auch das postoperative Nachsorgeproto- koll über eine erfolgreiche rege- nerative Parodontaltherapie ent- scheiden.10,12–15, 25,29,57,60,62 In diesem Artikel sollen neben verschiedenen klinischen The- rapiekonzepten auch die ein- flussnehmenden Faktoren an- hand der vorhandenen Evidenz vorgestellt werden. Regenerative Materialienauswahl Bei der Auswahl eines regene- rativen Materials sollten die bio- logischen Prinzipien beachtet werden. Jedes in der Anwen- dung befindliche Material sollte eine solide biologische und hu- folg verbucht werden konnte (Verringerung der Sondierungs- tiefen und Gewinn an klini- schem Attachment), jedoch nur in seltenen Fällen eine echte parodontale Regeneration statt- fand. Meist zeigte sich ein Auf- füllen des Defektes mit Fremd- material, welches zudem oft bindegewebig eingekapselt war. Ferner bildete sich ein langes Saumepithel entlang der Wur- zeloberfläche aus.18,30,37,45,55,56 An dieser Stelle sollte dem Praktiker klar werden, dass ver- besserte klinische und radiolo- gische Parameter auf histolo- gischer Ebene keinen Prozess einer Regeneration bestäti- gen.5,58 Der Mechanismus, wie ein Knochenersatzmaterial die parodontale Regeneration be- einflusst, beruht wahrscheinlich auf der Stabilisierung des Blut- koagulums und in der Verhin- derung eines Lappenkollap- ses.36,43,61 Bei der Verwendung von einem Knochenersatz – nicht nur in der regenerativen Parodontaltherapie – sollte so- mit die Auswahl des Materials aufgrund von biologischen Überlegungen erfolgen. Hierbei lums durch eine mechanische Barriere.20,23,61 Es besteht Evi- denz, dass es nach der GTR- Behandlung mit ePTFE-Mem- branen zu einer deutlichen Neu- bildung von bindegewebigem Attachment und Alveolarkno- chen kommen kann.20,23 Ferner zeigten Untersuchungen, dass die Ergebnisse einer erfolgrei- chen Regeneration stark von der Restmenge parodontalen Liga- mentes, der Defektmorpholo- gie, der chirurgischen Technik und der bakteriellen Infektion abhängen.8,9,12,13,15,20,24,25,29,51,58 Komplikationen der Anwendung nicht resorbierbarer ePTFE- Membranen sind Freilegungen der Membran. Zur Infektions- prophylaxe sollte diese dann, abhängig von der Größe der Exposition, entfernt werden. Da das Ausmaß der Regeneration jedoch durch die Standzeit der Membran beeinflusst wird (emp- fohlene Standzeit 6 bis 8 Wo- chen), hat dies meist eine ver- minderte Regeneration zur Folge. Da nicht resorbierbare ePTFE- Membranen in einem zweiten chirurgischen Eingriff entfernt werden müssen, ergibt sich hie- tachment und neuem Knochen erzielt werden können.3,7,11,17 Auch histologische Studien ha- ben gezeigt, dass die GTR-The- rapie sowohl mit nicht resorbier- baren als auch resorbierbaren Membranen in einer parodon- talen Regeneration resultieren kann.20,40,41 Schmelz-Matrix-Proteine Das biologische Konzept der Schmelz-Matrix-Proteine (SMP) beruht auf der Annahme, dass die in der Schmelz-Matrix ent- haltenen Proteine (hauptsäch- lich die Amelogenine), die Ze- mentogenese und die parodon- tale Wundheilung (über die Freisetzung von Wachstumsfak- toren aus den Parodontalfibro- blasten sowie über die Verhinde- rung einer Epithelproliferation) entscheidend beeinflussen.1 Histologische Studien an Tier und Mensch haben gezeigt, dass die regenerative Chirurgie unter Verwendung von SMP die parodontale Regeneration för- dert.1,21,28,39–41,63 Neuere Daten zeigten, dass die Ergebnisse re- generativer Chirurgie mit SMP über einen Zeitraum von bis zu Auf der anderen Seite zeigte jedoch eine weitere verglei- chende randomisierte kontrol- lierte Studie, dass bei der The- rapie mit GTR mindestens eine chirurgische Komplikation auf- trat (meist eine Membranexpo- sition), wobei jedoch in der The- rapiegruppe mit SMP nur in 6 Prozent eine Komplikation auf- trat.38 Trotzdem sollte bei dem Gebrauch von SMP bei der rege- nerativen Parodontaltherapie der klare Vorteil berücksichtigt werden, dass es verglichen zu den Studien zur GTR bei SMP gut dokumentierte Langzeitstu- dien zur Evidenz einer guten Langzeitstabilität gibt.36,41,45–47 Kombinationstherapien Experimentelle und klinische Studien haben gezeigt, dass das Ausmaß der Regeneration stark von dem sich unter dem Muko- periostlappen befindendem Freiraum abhängt. Ein Kollaps des Mukoperiostlappens kann den für den Regenerationspro- zess benötigten Raum limitieren und dadurch das Ergebnis der