14 | www.pn-aktuell.de Nr. 2 | April 2014 PRAXISMANAGEMENT Motivierende Gesprächsführung in der Parodontaltherapie Fortsetzung von Seite 1 lichen Aufklärung selbst liegt. Folgt man diesem Standpunkt, tendiert man dazu, anzunehmen, dass eine Verhaltensänderung einfach vom Hintergrundwissen oder dem Verständnis des Patien- ten abhängt und es die Aufgabe des Arztes sei, seinem Patienten die für eine Verhaltensänderung notwendigen Informationen zu- gänglich zu machen. Motivie- rende Gesprächsführung (MI, Motivational Interviewing) ba- siert hingegen auf einer anderen These zu Verhaltensänderungen beim Menschen. Nach dieser These reicht das reine Wissen allein nicht aus, um eine Ver - haltensänderung auszulösen. Es wird davon ausgegangen, dass die Motivation, sich zu ändern, dem „Inneren des Patienten“ ent- lockt werden und diesem nicht von außen durch seinen Arzt aufgezwungen werden kann. MI wird als „klientenzentrierter, aber direktiver Beratungsansatz mit dem Ziel, intrinsische Moti - vation zur Verhaltensänderung durch Explorieren und Auflösen von Ambivalenz“ (Miller und Rollnick 2002) definiert. Obwohl die Patientenperspektive das zen- trale Element ist, und weil MI zudem auch ein direktiver Ansatz ist, ergreift der Arzt gezielte Maßnahmen, um eine bestimmte muss man für eine erfolgreiche Einbindung der MI in die Paro- dontaltherapie sowohl ihre zu- grunde liegende Philosophie als auch ihre Prinzipien richtig ver- stehen. Die Einbindung von MI in die Parodontaltherapie Obwohl die Methoden und Tech - niken von MI eine Vielzahl von Anregungen bieten, was man tun und was man lassen soll, wenn man Patienten berät, betonen Miller und Rollnick, dass man als effektiver MI-Anwender vor allem darauf achten soll, ihre zugrunde liegende Philosophie zu beherzigen und weniger dar- auf, möglichst alle Techniken an- wenden zu können. Sie haben vier allgemeine Prinzipien defi- niert, die die Philosophie hinter MI klar umreißen: (cid:129) Als erstes sollte der behan- delnde Arzt Mitgefühl für das Dilemma ausdrücken, in dem sich der Patient hinsichtlich einer möglichen Verhaltensän- derung befindet. Mit anderen Worten sollte der Arzt kommu- nizieren, dass er die Perspektive des Patienten versteht und ak- zeptiert und ihm so zu verstehen geben und garantieren, dass seine Gefühle und Bedenken vollständig anerkannt werden. (cid:129) Das dritte Prinzip heißt „Fle - xi bler Umgang mit Wider- stand“. Wenn Patienten gegen eine Verhaltensänderung argu- mentieren, ist die Wahrschein- lichkeit groß, dass man in die Falle geht und Gegenargumente vorbringen möchte. Als Ergeb- nis verwendet der Patient seine gesamte Energie darauf, gegen die Verhaltensänderung zu ar- gumentieren, was das Gegen - teil vom angestrebten Ziel ist und die Wahrscheinlichkeit wo möglich sogar verringert, dass der Patient sich ändert. MI- Anwender vermeiden deshalb Streitgespräche und nutzen MI-Methoden, um den Wider- stand des Patienten zu akzeptie- ren und in die Therapie einzu- binden. (cid:129) Beim vierten Prinzip geht es darum, Selbstvertrauen oder das Vertrauen des Patienten in seine Fähigkeit, sich zu ändern, zu unterstützen. Weiß oder glaubt ein Patient nicht, wie oder dass er sich ändern kann, ist es trotz hoher Motivation un- wahrscheinlich, dass er sich ändert. MI-Anwender streben deshalb an, das Selbstvertrauen ihres Patienten zu stärken, in- dem sie ihm sagen, dass sie an seine Fähigkeit, sich zu ändern, glauben, und ihn an vergangene Erfolge oder Schritte in die rich- tige Richtung erinnern. Verhaltensänderung auszulösen. Durch Erforschen und Herausar- beiten der persönlichen Gründe eines Patienten für eine solche Verhaltensänderung bleibt die Motivation des Patienten imma- nent oder individuell begründet, anstatt von außen aufgezwungen worden zu sein. Anwender von MI versuchen folglich, die patien- tenspezifischen Gründe zur Ver- haltensänderung zu verstärken, indem Sie die unterschwellige Ambivalenz des Patienten er - forschen und auflösen. Deshalb (cid:129) Das zweite Prinzip besagt, dass die Diskrepanzen zwischen dem gegenwärtigen Verhalten des Patienten und dem Idealver- halten, das mit seinen größeren Zielen und Werten vereinbar ist, herausgearbeitet werden. Zum Beispiel kann die Zielstellung, stark und verantwortungsvoll zu sein oder ein guter Partner und Elternteil, oft mit einer guten Gesundheit verbunden werden, sodass die Verbesse- rung des Gesundheitsverhal- tens naheliegt. Kommunikation mit dem Patienten Für unsere alltägliche Kommu - nikation mit anderen Menschen haben wir mit der Zeit, manch - mal sogar unbewusst, verschie- dene Formen entwickelt. In Ge- sprächssituationen mit einem Parodontalpatienten scheint es jedoch manchmal ratsam, sich deren individuellen Verhaltens- bedürfnissen und ihren Eigen - arten, wie sie ihren Hauptbe- schwerden Ausdruck verleihen, anzupassen. Rollnick et al. haben ein 3-Stile-Modell für Kliniker im Gesundheitswesen vorge- stellt, um mit Patienten in der täglichen Praxis zu kommuni - zieren. Dabei nutzen sie entwe- der einen direktiven, anleitenden oder einen passiven Stil (Roll- nick et al. 2007). Motivation Readiness Self-efficacy Abb. 1: Veränderungsbereitschaft, übernommen von Rollnick et al. 1999. (cid:129) Ein direktiver Stil beinhaltet Expertenrat und Unterstüt- zung. Er ist traditionell die Stan- dardherangehensweise im Rah- men einer dentalen Behand- lung. Ein derart lenkendes Ver- halten wird richtig angewendet, wenn zwischen dem Kliniker und dem Patienten Harmonie herrscht. Der therapeutische Rat sollte gut auf die indivi- duelle Situation des Patienten zugeschnitten, von persönli - cher Relevanz sein und den Pa- tienten ermutigen. Ein direkti- ver Stil kann angewendet wer- den, wenn der Patient so etwas sagt wie: „Was kann ich tun, damit ich nicht jedes Mal, wenn ich hierherkomme, wieder das Bedürfnis nach einer Zahn- steinentfernung habe?“ (cid:129) Ein passiver Stil setzt Zuhörer- Qualitäten voraus und ist in Si- tuationen anwendbar, die be- sondere Sensibilität verlangen, zum Beispiel, wenn ein Patient traurig oder wütend ist. Das Ziel eines Arztes, der einen passiven Gesprächsstil anwendet, ist es nicht, das Problem des Patien- ten sofort zu lösen, sondern ihn zu unterstützen und zu ermuti- gen. Beispielsweise kann der passive Stil angewendet wer- den, wenn der Patient etwas wie „Gerade passiert so viel in mei- nem Leben. Soll ich mich des- halb lieber nicht auch noch um meine Zähne sorgen?“ sagt. (cid:129) Beim anleitenden Stil arbeitet der Arzt mit dem Patienten zu- sammen, um ihn dabei zu unter- stützen, seine eigene Ziele und den besten Weg, diese zu errei- chen, herauszufinden. Dieser Stil ist besonders angemessen, wenn man mit Patienten über die Änderung von Verhaltens- weisen spricht – vor allem bei solchen Patienten, die einer Verhaltensänderung ambiva- lent gegenüberstehen. Der an- leitende Stil kann angewendet werden, wenn der Patient so etwas wie „Ich weiß, dass Rau- chen nicht gut für mich ist, aber es ist das Einzige in meinem Leben, das mir Spaß macht“, sagt. Wenn es um Änderungen des Gesundheitsverhaltens geht, be- nötigen manche Patienten „Hin- weise“, Direktiven, besonders solche Patienten, die aussagen, dass sie weiteren Rat oder Unter- stützung brauchen. Andere ha- ben vielleicht akutere Sorgen und brauchen deshalb ein eher „passives“ Gegenüber. Dennoch kann man zusammenfassend sa- gen, dass Patienten, die scheinbar wissen, was sie tun müssen, aber noch nicht geschafft haben, es zu tun, am ehesten für einen „an- leitenden“ Stil empfänglich sind (Rollnick et al. 2007). Bei der Kommunikation mit Patienten ist generell wichtig, einfühlsam mit deren Reaktionen auf einen be- stimmten Kommunikationsstil umzugehen. Wenn die Harmonie zwischen Arzt und Patient ge- stört scheint oder ganz zerstört wird, sollte dies ein Alarmsignal dafür sein, dass ein bestimmter Kommunikationsstil nicht funk- tioniert. Das kann wiederum dem Arzt zeigen, dass er einen ande- ren Stil ausproben sollte, um die Harmonie wiederherzustellen. „OARS“ Bei allen Kommunikationssitu - ationen mit dem Patienten sollte man beherzigen, dass man diesen nur direkt fragen sollte, wenn dieser sich mit der potenziellen Antwort wohlfühlt (ohne Ein- greifen des Arztes, auch nicht mithilfe von Instrumenten). Be- achtet man dies nicht, riskiert man den Erfolg der Behandlung, da der Patient einen Kontrollver- lust empfinden könnte. Es gibt vier Primäraktivitäten, die man für die Kommunikation mit einem Parodontalpatienten nutzen kann. Diese werden im Englischen mit dem Acronym OARS zusammengefasst. Es steht für: offene Fragestellungen (open-ended questions), Stärken des Patienten (affirm the patient), Reflektion (reflect) und Zu- sammenfassen (summarize). (cid:129) Offene Fragen stellen: Wenn man den Patienten mit meh - reren geschlossenen Fragen (Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können) konfrontiert, bringt ihn das in eine eher passive Rolle. Offene Fragen hingegen laden zu Ge- dankenspielen, zur Zusammen- arbeit und dazu ein, dass sich der Patient um eine Antwort be- müht. Beispiel: „Was denken Sie selbst darüber, dass Sie rau- chen?“ (cid:129) Den Patienten stärken: Es liegt in der menschlichen Natur, eine negative Grundeinstellung vor- auszusetzen, besonders, wenn