Nr. 1 | Februar 2016 www.pn-aktuell.de | 9 PRAXISMANAGEMENT Standortsicherheit durch sorgfältige Vertragsgestaltung Der Praxismietvertrag: Was vor Abschluss beachtet werden muss, erklärt Dr. Philipp Schön im folgenden Beitrag. I. Der Vertragsabschluss Bei mehreren gemeinschaftlich tätigen Zahnärzten stellt sich die Frage, wer den Mietvertrag unter- zeichnet. Aus Sicht jedes einzel- nen Zahnarztes innerhalb z.B. einer Berufsausübungsgemein- schaft (BAG) ist außerordentlich wichtig, darauf zu achten, dass der Mietvertrag nicht im Namen eines Mitgesellschafters, son- dern im Namen der BAG, also der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, abgeschlossen wird. Wird dies nicht beachtet, so findet sich der Zahnarzt in der unliebsamen Rolle des Untermieters einer sei- ner Mitstreiter wieder. Der Mieter sollte, gewisserma- ßen als Notausgang, den Mietver- trag unter die auflösende Bedin- gung stellen, dass er – wider Er- warten – keine Kassenzulas- sung oder keine Finanzierung erhält oder gar vor Beginn des Mietverhältnisses berufsunfähig wird. Tritt einer dieser Fälle ein, gilt der Mietvertrag als nicht ab- geschlossen, der Mieter ist von allen Pflichten befreit. II. Eignung und Nutzung der Mieträume Zahnarztpraxen erfordern, an- ders als reguläre Büroräume, oft einen hohen technischen Auf- wand, z.B. Strahlenabsicherung (Röntgengeräte), Installation von Entsorgungsgeräten (Amalgam- abscheider usw.), schweren Appa- raturen und Starkstromanschlüs- sen. Die Mieträume müssen dazu geeignet sein. Hierfür muss der Vermieter ausdrücklich vertrag- lich einstehen. Der Mieter sollte darauf achten, dass neben der ge- nauen Bezeichnung der Heiltätig- keit auch etwaige Nebengeschäfte erfasst werden, wie z.B. Labortä- tigkeit, Verkauf von Heil- und Hilfs- mitteln (Beispiel: Zahnpflegepro- dukte in Zahnarztpraxis). III. Zweckentfremdung von Wohnraum? Seit 1. Mai 2014 ist es in Berlin verboten, Wohnräume zu ande- ren als Wohnzwecken zu nutzen. Im Grundsatz darf also eine Wohnung nicht ohne Weiteres als Zahnarztpraxis genutzt wer- den. Bei Zuwiderhandeln droht ein Bußgeld, schlimmstenfalls die Zwangsräumung. Natürlich gibt es für Praxen, die zu diesem Zeitpunkt bereits betrieben wur- den, einen Bestandsschutz. Dies gilt auch für Zahnärzte, die eine bereits zum 1. Mai 2014 in Wohn- räumen betriebene Praxis über- nehmen und fortführen. Zahnärzte, die heute beabsichti- gen, in einer Wohnung eine Pra- xis zu gründen, müssen einen Antrag auf Genehmigung der ge- werblichen Nutzung von Wohn- raum beim zuständigen Bezirks- amt stellen. Eine Ausgleichszah- lung, wie etwa im Falle der Nut- zung als Ferienwohnung, darf das Amt nicht verlangen. Auch in Hamburg und im Frei- staat Bayern gilt ein ähnliches Zweckentfremdungsverbot. In jedem Fall sollten Zahnärzte frühzeitig Kontakt mit den zu- ständigen Behörden aufneh- men, um Fehlinvestitionen zu verhindern. IV. Konkurrenzschutz Der Mieter sollte unbedingt auf die Einräumung eines Konkur- renzschutzes bestehen, sodass der Vermieter sich verpflichtet, in dem Mietobjekt sowie in ei- nem gewissen Umkreis keine Räume an branchengleiche Mie- ter zu vermieten. V. Bauliche Veränderungen In Zahnarztpraxen sind oft er- hebliche Umbauten erforderlich. Dies kann auch – zum Beispiel bei einer Modernisierung des Praxis - inventars – erst nach einigen Jah- ren der Fall sind. Für diesen Fall sollte sich der Mieter bereits mit dem Mietvertrag die Grundrisse sowie die ausdrückliche Zustim- mung zu Umbaumaßnahmen ge- ben lassen. Es ist dringend zu empfehlen, dass Mieter und Vermieter eine klare Regelung hinsichtlich der Anbringung von Hinweisschil- dern vereinbaren (Größe, farbli- che Gestaltung, Kosten der An- bringung, evtl. Kosten der Be- leuchtung). Auch sollte für den Fall eines späteren Auszugs be- reits geregelt werden, dass der Mieter innerhalb einer Über- gangszeit ein Schild mit Verweis auf die neue Praxisanschrift an- bringen darf. VI. Vermieterpfandrecht Der Mieter sollte darauf drän- gen, dass in der Rubrik Miet - sicherheiten das Vermieter- pfandrecht an dem Praxisinven- tar ausgeschlossen wird. Ausrei- chende Mietsicherheit kann der Zahnarzt durch Barkaution oder eine Bankbürgschaft leiten. VII. Praxiserweiterung/ Nachmieterklausel Wichtig ist auch, dass sich der Mieter die Freiheit vorbehält, die Praxis personell zu erweitern. Der Mieter sollte sich also aus - bedingen, dass er weitere Part- ner oder Kooperationspartner (Praxisgemeinschaft) aufneh- men darf. Insbesondere sollte er sich vorbehalten, die Praxis auch untervermieten zu dürfen. Der Mieter sollte sich das Recht vorbehalten, bei Stellen eines adäquaten Nachmieters aus dem Mietvertrag ausscheiden zu können. Für einen möglichen Übernahmeinteressenten an ei- ner Praxis ist es sicherlich at- traktiv, zu lesen, dass er zu un- veränderten Konditionen in den bestehenden Praxismietvertrag einsteigen kann. Auch für den Todesfall des einzig verbleibenden Zahnarztes sollte eine Regelung aufgenommen werden, wonach seine Erben ent- weder den Mietvertrag kündigen oder einen anderen Zahnarzt als Nachmieter stellen dürfen. VIII. Sonderkündigungs- rechte für den Mieter Der Mieter sollte sich ein außer- ordentliches Kündigungsrecht für den Fall vorbehalten, dass er nachweislich (z.B. Rentenbe- scheid des Versorgungswerks über Eintritt von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Er- werbsminderung; amtsärztli- ches Zeugnis über den Eintritt der Berufsunfähigkeit; amtlicher Be- scheid über eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 %) berufsunfähig wird. Denkbar ist auch, dass er bei ei- ner z.B. länger als sechs Monaten andauernden Arbeitsunfähigkeit zur Kündigung berechtigt ist. Dringend sollte auch ein Sonder- kündigungsrecht vereinbart wer- den, für den Fall, dass dem Mieter die Zulassung von der kassen- ärztlichen oder kassenzahnärzt- lichen Vereinigung entzogen wird. IX. Zuletzt der „Dauer- brenner“ des Gewerbe- mietrechts: Schriftform- mängel Gewerbemietverträge mit einer längeren Laufzeit als einem Jahr müssen zwingend in Schriftform abgeschlossen werden (§ 550 BGB). Vereinfacht gesagt bedeu- tet Schriftform, dass ein Mietver- trag alle wesentlichen Vertrags - inhalte enthält (Person des Ver- mieters, Person des Mieters, Mietobjekt, Mietdauer, Miet - höhe) und der Mietvertrag durch beide Parteien unterschrieben ist. Ein Mietvertrag, welcher z.B. per E-Mail geschlossen worden ist, entspricht nicht der Schrift- form. Auch alle späteren Än - derungen eines Mietvertrags (Nachträge) müssen immer und ausnahmslos schriftlich festge- halten werden. Falls die gesetzli- che Schriftform nicht eingehal- ten ist, gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlos- sen. Dies hat zur Folge, dass jede der beiden Vertragsparteien den Vertrag mit der ordentlichen Kündigungsfrist von sechs Mo- naten kündigen kann. Der Ver- mieter könnte also den Zahnarzt per ordentlicher Kündigung „hinauswerfen“ und die Immo - bilie an einen besser zahlenden Mieter vermieten. Vorsorge: Jegliche Änderung des Mietvertrags muss in einem schriftlichen Nachtrag fixiert werden. Mündliche Absprachen oder E-Mail-Korrespondenz ge- nügen nicht! Ein Vermieter könnte sich also aus einem unliebsam geworde- nen Mietvertrag lange vor Ab- lauf der Festmietzeit lösen. Für den Praxisinhaber wäre das eine Katastrophe. Andererseits ist es nicht gesagt, dass nicht auch ein Vermieter einen Mieter vor der Zeit unter Berufung auf Form- mängel kündigt und dadurch Platz schafft für einen lukrative- ren Mieter. In der Praxis versuchen Vermie- ter und Mieter dieses Risiko durch sog. Heilungsklauseln zu minimieren. Diese Klauseln ha- ben zum Inhalt, dass beide Par- teien verpflichtet sind, den Miet- vertrag nicht unter Berufung auf eventuelle Formverstöße zu kün- digen. Ob und inwieweit derar- tige Klauseln wirksam sind, ist noch nicht endgültig entschie- den. Im Jahr 2014 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ent- schieden, dass eine solche Hei- lungsklausel unwirksam sein kann, je nachdem, wie sie for - muliert ist. Vorsorge: Für den Fall, dass trotz aller Bemühung die Schriftform nicht gewahrt ist, ist eine sog. Heilungsklausel in den ur- sprünglichen Mietvertrag aufzu- nehmen – sie kann helfen, den Mietvertrag „am Leben zu erhal- ten“. Zahlreiche Heilungsklauseln aus laufenden Mietverträgen dürften aber vor dem Hinter- grund der neuen Rechtspre- chung unwirksam sein. Mieter sollten keinesfalls auf ältere Ver- tragsmuster oder Vorlagen zu- rückgreifen, sondern mit Blick auf die noch nicht gefestigte Rechtsprechung anwaltlichen Rat zum Thema Heilungsklau- seln einholen. Adresse Dr. Philipp Schön Rechtsanwalt ROSE & PARTNER LLP. Rechtsanwälte Steuerberater Jägerstraße 59 10117 Berlin Tel.: 030 25761798-0 schoen@rosepartner.de www.rosepartner.de Infos zum Autor