2 | www.zt-aktuell.de POLITIK Nr. 7/8 | Juli/August 2009 Ungewollte Vielstimmigkeit Weltweit erfolgreich Ende Mai trafen sich im Berliner Bundestag Vertreter des Zahntechniker-Handwerks, der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen sowie der Politik. Abseits des Treffens spielte die Frage eine Rolle, Umsatz und Beschäftigung der deutschen Dental- industrie entwickelten sich 2008 insgesamt positiv. wer wann mit wem worüber reden darf und wer nicht. Manfred Heckens (li.) und Dr. Rolf Koschorrek gehören beide der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU (MIT) an, die als Initiator die Obermeister der Foto: Rolf Walther, Mainz Zahntechniker-Innungen eingeladen hatte. Die „Ehrengäste“ – Dr. Doris Pfeiffer (GKV) und Christian Weber (GKV) nahmen für die bundesdeutschen Krankenversicherer an der Gesprächsrunde in Berlin teil. Foto: Rolf Walther, Mainz (ms) – Berlin,Unter den Linden 71. Eine lang gezogene, nüch- tern wirkende Rasterfassade am berühmten Boulevard. Der Sitzungssaal 123 ist zwar hell gestrichen und durch die me- terlange Fensterfront dringt reichlich Tageslicht. So ganz ohne Bilder wirkt der Raum mit den in einem großen U auf- gestellten Tischen dennoch ähnlich nüchtern wie der Blick von außen. Drinnen dreht sich am 29. Mai gegen 11 Uhr eine Debatte rund um die Zukunft des Zahntechniker-Handwerks und damit um ein auch emotio- nal aufwühlendes Thema. An der Stirnseite sitzen links außen Dr. Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetz- lichen Krankenversicherung, und rechts außen der stellver- tretende Verbandsdirektor So- zialpolitik der privaten Kran- kenversicherung, Christian Weber. Dazwischen haben Manfred Heckens, Obermeis- ter der Zahntechniker-Innung Rheinland-Pfalz (ZTI Rhein- land-Pfalz), und Dr. Rolf Ko- schorrek, Bundestagsmitglied der CDU sowie Vorsitzender der Kommission Gesundheits- politik der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/ CSU (MIT) Platz genommen. Heckens hat das Treffen unter dem Motto „Zahntechnik trifft Politik – globale Gesundheit und regionale Versorgung“ in- itiiert und dafür alle Obermeis- ter der Zahntechniker-Innun- gen eingeladen. Wohnortnah für alle Die Diskussion reicht von glo- baler Gesundheitspolitik bis hin zur regionalen Versorgung. Heckens fordert unter ande- rem Gesundheitsschutz und -vorsorge für alle Bürger. Sie hätten ein Recht auf „eine hochwertige, wohnortnahe medizinische Versorgung“. Die Maßnahmen des Staates der zurückliegenden 25 Jahre seien jedoch mit Budgetie- rung und zahlreichen Regle- mentierungen verbunden. „Einige der neu geschaffenen Regelungen sind intranspa- rente, bürokratische Monster und benachteiligen den Pa- tienten und die Leistungser- bringer“, sagt Heckens. Kassenvertreter und Politi- ker teilen seine Sichtweise in mehreren Punkten. Koschor- rek bemerkt, dass „derzeitige Regelungen über das Ziel hinausgingen und faire Rah- menbedingungen notwendig seien. Der Import von Zahn- ersatz könne und dürfe die Einzelstückanfertigung vor Ort nicht ersetzen.“ Daneben bedauert der Abgeordnete, „dass nicht mehr Obermeis- ter die Gelegenheit ergriffen haben, sich im Dialog zwi- schen Politik, GKV und PKV zu Wort zu melden.“ Eingeschlossen, ausgeschlossen Tatsächlich sind neben He- ckens nur sechs weitere der insgesamt 22 Obermeister nach Berlin gekommen. Die Obermeister der Zahntech- niker-Innungen Arnsberg, Dresden-Leipzig, Köln, Saar- land, Westsachsen und Rhein-Main gehören der Runde an. Letztere ist neben der Innung Rheinland-Pfalz derzeit nicht Mitglied im Ver- band Deutscher Zahntechni- ker-Innungen (VDZI). Dem dürfte die übersichtliche Prä- senz kaum ein Dorn im Auge sein. Denn sein Begriff der Geschlossenheit des Berufs- standes klammert Innungen außerhalb des Bundesver- bandes eindeutig aus. „Ober- meister der Mitgliedsinnun- gen des VDZI treten nicht für Einzelinteressen ausgetrete- ner Innungen ein, die sich der kollegialen Debatte und Su- che nach besten Lösungen innerhalb des Berufsstandes mangels eigener Substanz in der Sache entziehen“, er- klärt VDZI-Präsident Jürgen Schwichtenberg. Auf der Hauptmitgliederver- sammlung des VDZI Mitte Mai ruft Schwichtenberg die Teilnehmer auf, das über He- ckens vermittelte Gesprächs- angebot auszuschlagen. Laut Protokoll, das der Redaktion vorliegt, sieht er sein Vorge- hen durch vorherige Verein- barungen gedeckt. „Er (der VDZI-Präsident, Anm. d. Red.) verweist auf das Votum des Hauptausschusses, nach der letzten Reaktion der aus- getretenen Innungen nun die Kontakte zu diesen Innungen abzubrechen. Er appelliert an die Innungen und Ober- meister, sich an dieses Votum zu halten und die Einladung zu der Veranstaltung nicht wahrzunehmen.“ Auch sei- tens der Politik will der Ver- band seinen Einfluss geltend machen. „Der Vorstand des VDZI wird sich dafür einset- zen, dass prominente Vertre- ter der CDU an diesem Tref- fen ebenfalls nicht teilneh- men.“ „Weniger angebracht“ Unter einigen Obermeistern, die dennoch in die Haupt- stadt gereist sind, stößt diese Haltung auf wenig Verständ- nis.„Wir müssen jede Chance nutzen und auf die Politik zu- gehen, gerade im Wahljahr“, sagt Klaus Bartsch, Ober- meister der Zahntechniker- Innung Köln. Der Fraktions- zwang des VDZI müsse in sol- chen Fällen zurückstecken. „Unser Berufsstand ist eher klein und wird politisch selten wahrgenommen. Die Prob- leme sind mit einer schwieri- gen Beschäftigungslage, dem niedrigen Lohnniveau und drohenden Einzelverträgen der Krankenkassen aber ziemlich groß.“ Ähnlich argumentiert Lutz Bigl, Obermeister der Zahn- techniker-Innung Westsach- sen. „Ich fand gut, dass es zu dem Treffen gekommen ist. Auch wenn man sich nicht zu viel davon erhoffen darf. Die Bemühungen gegenüber der Politik verlangen aber drin- gend nach Kontinuität“, meint Bigl. Den Aufruf des VDZI zum Boykott hält er für „weniger angebracht“. Man solle „lieber grenzübergreifend“ arbeiten. stattdessen Einigkeit geht anders Zumal Eingeschlossene und Ausgeschlossene zum Teil gleiche Ziele verfolgen. „Wir haben in der Runde, wie seit Jahren, darauf aufmerksam gemacht, dass eine Bindung an den Paragrafen 71 des So- zialgesetzbuches mit Blick auf die sinkenden Verdienste nicht länger hinzunehmen ist“, erklärt Obermeister Tho- mas Marx der Zahntechniker- Innung Rhein-Main. Der Punkt taucht auf Platz eins des Positionspapiers des VDZI für den aktuellen Bundestagswahlkampf auf. Heckens, der um die Vorbe- halte seitens des Bundesver- bandes ihm gegenüber weiß, hatte im Vorfeld versucht, mögliche Irritationen zu ver- meiden. Sein bundesweites Einladungsschreiben rich- tete er in seiner Funktion als Vorsitzender des Kreisver- bandes Mainz-Bingen der MIT und nicht im Namen sei- ner Innung an die Obermeis- ter. „Ich habe mich bewusst als Politiker an meine Kolle- gen gewandt, leider hat es wenig genützt“, sagt He- ckens. Der aktuelle Kommentar Zahntechniker-Handwerks vorlebt. Statt gemeinsam – auch durch Präsenz – Ge- schlossenheit zu demons- trieren, wird intrigiert und manipuliert. Ich finde es gut, dass Manfred Heckens als ein Mann aus dem ZT-Hand- werk seine politischen Kon- takte auch dazu nutzt, den Zahntechnikern zu helfen. Solche Leute braucht unser Handwerk. Nur leider ist He- ckens mit seiner Innung nicht Mitglied im VDZI. Und dahin geht auch gleich- zeitig meine Kritik an He- ckens.Wenn er politisch und standespolitisch glaubhaft sein möchte, so geht das nur, wenn er sich nachdrücklich dafür einsetzt, dass seine In- nung in den VDZI zurück- kehrt. Er müsste spätestens Betriebswirt d. H. Roman Dotzauer, Fachredak- teur der ZT Zahntechnik Zeitungund Laborinha- ber in Chemnitz. Liebe Kollegen, eigentlich kann man nur den Kopf schütteln,bei so viel po- litischer Unbeholfenheit wie es die Standespolitik des durch die schlechte Teil- nahme an seiner Veranstal- tung in Berlin gemerkt ha- ben, dass er nur dann poli- tisch erfolgreich ist, wenn alle anderen Obermeister seine Aktionen mit tragen. Eben Geschlossenheit des Handwerks demonstrieren. Alles andere schadet den scheinbar gemeinsamen Zielen der Zahntechniker mehr als es ihnen nutzt. Ich kann es verstehen, dass VDZI-Präsident Jürgen Schwichtenberg bei all dem, was zwischen Heckens und dem VDZI vorgefallen ist, nicht glücklich über die Organisation dieser Ge- sprächsrunde war. Doch der Versuch, die Veranstaltung platzen zu lassen, indem man die Obermeister und Po- litiker von der Teilnahme ab- halten wollte, ist nach hinten losgegangen. Das Bild, wel- ches den Politikern aus die- sem Versuch entstanden ist, ist wohl nicht das Beste. Ei- ner der Teilnehmer bezeich- nete dieses Verhalten gar als „Selbstüberschätzung des VDZI“. Auch wenn es dem Präsidenten nicht recht ist, wäre in diesem Fall etwas mehr Zurückhal- tung angemessen gewesen. Letztlich war es aber ein Fehler von Herrn Heckens, dass er nicht von Anfang an den VDZI bei der Planung und Durchführung seiner Veranstaltung mit einge- bunden hat. Ich denke, das hätte der Veranstaltung den nötigen Erfolg gebracht und den Ruf des Zahntech- niker-Handwerks nachhal- tig gestärkt. Daraus lernen wir aber, dass Alleingänge keinen Sinn machen. Ihr Roman Dotzauer Die 200 Mitgliedsunternehmen des Verbandes der Deutschen Dental-Industrie e.V.(VDDI) er- zielten 2008 einen Gesamtum- satz von 3,9 Milliarden Euro und konnten damit ein Umsatz- plus von 4,6 Prozent im Ver- gleich zum Vorjahr erwirtschaf- ten.Trotz schwieriger Rahmen- bedingungen auf den inter- nationalen Finanz- und Wirt- schaftsmärkten, Unsicherhei- ten bei der Gesundheitsgesetz- gebung und des verstärkten Wettbewerbs auf den interna- tionalen Gesundheitsmärkten stieg der Exportanteil um elf Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Der Inlandsumsatz sank im sel- ben Zeitraum um 2,6 Prozent auf 1,58 Milliarden Euro. Dies geht aus dem Geschäftsbericht 2008/2009 des VDDI hervor, den Vorstandsvorsitzender Dr. Martin Rickert im Juni in Köln präsentierte. „Unsere Dentalindustrie ist auch deshalb eine wirtschaft- lich stabile Größe,weil sie echte Werte produziert. Inhaberge- führte Unternehmen, persön- lich haftende Gesellschafter, verantwortungsbewusste Ma- nager, hoch qualifizierte und engagierte Mitarbeiter, mo- derne Produktionsstätten und ein weltweit anerkannter guter Ruf sind Grundlagen unserer Arbeit“, sagte Rickert. Mögliche neue Gebührenord- nung verunsichert Zahnärzte Mit fast 18.700 Mitarbeitern im In- und Ausland verzeichneten die Mitgliedsunternehmen des VDDI 4,6 Prozent mehr Be- schäftigte als noch 2007. Die- ZAHNTECHNIK ZEITUNG ser Zuwachs entstand mit ei- nem Plus von knapp 13 Pro- zent hauptsächlich im Aus- land. Das Marktgeschehen in Deutschland wurde unter an- derem von Diskussionen um die neue Gebührenordnung für Zahnärzte geprägt,die ihre I nve s t i t i o n s b e r e i t s c h a f t schmälert. Die Zahnärzte- schaft befürchtet mittelfristig eingeschränkte Therapiemög- lichkeiten. Die Therapieviel- ANZEIGE falt ist jedoch im Sinne einer Zukunftssicherung des Zahn- ärzteberufs und des zahntech- nischen Handwerks unab- dingbar. „Wenn mehr junge Menschen für Medizinberufe und die Gesundheitshand- werke begeistert werden sol- len, brauchen sie heute schon Gewissheit, dass sie nach ei- nem intensiven Studium oder nach einer fachlich-hand- werklichen Ausbildung auf hohem und höchstem Niveau das erworbene Wissen,die ent- wickelten Fähigkeiten und Fertigkeiten auch tatsächlich in Deutschland anwenden können“, so Rickert. M U S S E R P M I Verlag Verlagsanschrift: Oemus Media AG Holbeinstraße 29 04229 Leipzig Fachredaktion Roman Dotzauer (rd) Betriebswirt d. H. (V.i.S.d.P.) Redaktionsleitung Matthias Scheffler (ms) Redaktion Matthias Ernst (me) Betriebswirt d. H. 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