6 | www.zt-aktuell.de WIRTSCHAFT Nr. 12 | Dezember 2010 Wenn Kollegen zu Mitarbeitern werden – Ihre Rolle als Führungskraft Ein Zahntechniker wird zum Teamleiter befördert. Gestern noch hat der Mitarbeiter die Kollegen im Dentallabor geduzt und in der Gruppe auf gleicher hierarchischer Stufe mit ihnen zusammengearbeitet – und heute ist er ihr „Chef“, weil ihm vom Laborleiter Führungsaufgaben übertragen wurden. Was hat der neue Teamleiter zu beachten? Wie meistens im (Berufs-)Leben: Wichtig ist es, aktiv und offen klärende Gespräche zu führen. Gerade in größeren Dentalla- boren können Konflikte, die durch Beförderungen entste- hen, zum Tragen kommen. Oft jedoch passiert es auch, dass ein Mitarbeiter im Rahmen einer zeitlich genau umrissenen Pro- jektaufgabe eine spezifische Aufgabe erhält und somit auch eine hervorgehobene Position: Er ist dann hinsichtlich dieser Aufgabe für zumindest eine zeitliche Frist weisungsbefugt. Ob befristete oder „richtige“ Beförderung – in solchen Fällen ist stets das Folgende zu beob- achten: In die Freude über die Beförderung mischen sich Be- fürchtungen. Bleiben wir bei dem Beispiel des Zahntechni- kers, der zum Teamleiter er- nannt worden ist. Er, der nun Führungsverantwortung trägt und vielleicht sogar zur „rech- ten Hand“ des Laborleiters auf- gestiegen ist, fragt sich: „Kann ich der Herausforderung über- haupt gerecht werden?“ Hinzu kommt: Zuweilen wer- den Zahntechniker, die bei der Arbeit am Zahnersatz hervor- ragende Arbeit leisten, auf eine Führungsposition befördert, ohne dass sicher ist, ob sie über die entsprechenden Führungs- qualitäten verfügen. Das Peter- Prinzip, nach dem in einer Hie- rarchie Beschäftigte auf die Stufe ihrer Unfähigkeit beför- dert werden, lässt dann grüßen. Das Hauptproblem jedoch ist: „Wie gehe ich mit den Kollegin- nen und Kollegen um, denen ich früher gleichgestellt war und jetzt Anweisungen geben soll?“ Hinzu kommen weitere poten- zielle Konfliktherde: (cid:129) Wie geht der beförderte Mitar- beiter insbesondere mit dem ehemaligen Kollegen um, mit dem er sich noch nie so richtig gut verstanden hat? (cid:129) Das andere Extrem ist die Duzfreundin – die Zahntech- nikerin, mit der er sich sogar privat getroffen hat. Siezt man sich jetzt wieder? „Kumpelverhalten“ vermeiden Wer die schwierige Aufgabe, den ehemaligen Kollegen An- weisungen erteilen zu müssen, mit Respekt vor dem anderen, mit Fingerspitzengefühl und mit einer klaren Haltung zu der neuen Rolle löst, dem wird in al- ler Regel ebenfalls Respekt ent- Information gegengebracht. Der beförderte Zahntechniker sollte zudem prüfen, ob es einen Mitarbeiter im Labor gibt, der eine ähnliche Erfahrung durchlebt hat, und ihn dann um Unterstützung bitten. Abzuraten ist hingegen von einem „Kumpelverhalten“, das als Anbiederei missverstanden werden könnte. So droht die Ge- fahr, dass einige ehemalige Kol- legen die nachgiebige Haltung auszunutzen versuchen, nach dem Motto: „Wir haben uns doch immer so gut verstanden. Könntest du jetzt als Teamleiter nicht mal berücksichtigen …?“ Die Erfahrung zeigt: „Everybo- dys Darling“ sein zu wollen – das funktioniert meistens nicht. Andererseits: Unsichere Mitar- beiter, die nicht wissen, wie sie sich nach der Beförderung ver- halten sollen, kompensieren ihre Unsicherheit oft mit über- triebenem Autoritätsgehabe. Dies provoziert sie zu einer „Po- litik der Stärke“. Sie wollen de- monstrieren, dass sie sich von den ehemaligen Kollegen kei- nesfalls auf der Nase herumtan- zen lassen – mit genau der Kon- sequenz, die sie verhindern wollten: „Was spielt der sich auf und lässt den Chef raushän- gen?“, heißt es aufseiten der Ex-Kollegen, die nun die Mitar- beiter des Zahntechnikers sind. Die neue Rolle an- nehmen und Gemein- samkeiten betonen Oberster Grundsatz ist: Der Zahntechniker in unserem Bei- spiel muss die neue Rolle als Führungskraft annehmen und im Dentallaborteam kommuni- zieren. Er sollte eine Haltung an den Tag legen, die signalisiert: „Obwohl sich das Binnenver- hältnis zwischen uns geändert hat, sitzen wir immer noch in demselben Teamboot. Und nur gemeinsam können wir es zum Erfolg steuern.“ Natürlich sind andere Haltun- gen möglich und denkbar – zu verschieden sind die Charak- tere der Beteiligten und die jeweilige Situation in dem ein- zelnen Dentallabor, als dass es eine allgemeinverbindliche „Platinregel“ geben könnte. Eine Strategie, die erfahrungs- gemäß häufig zum Erfolg führt, besteht darin, den Teamgedan- ken in den Mittelpunkt zu rü- Als neue Führungskraft Unterstützung suchen (cid:129) den Laborleiter bitten, die Besetzung der vakanten Position rechtzeitig zu kommunizieren (cid:129) den Laborleiter fragen, ob er bereit ist, zu Beginn des Teammeetings die Rolle der neuen Führungskraft zu erläutern (cid:129) Austausch mit anderen Personen, die ähnliche Situation bewältigt haben; sie um Rat fragen (cid:129) persönliches Gespräch mit dem Laborleiter führen Information Die ersten Schritte nach der Beförderung (cid:129) die Rolle als Führungskraft annehmen (cid:129) grundsätzliche Haltung zu der neuen Rolle festlegen und konsequent verfolgen (cid:129) im Teammeeting neue Rollenverteilung darlegen und Folgen diskutieren (cid:129) problematische Beziehungen (etwa Konflikt mit Ex-Kollegen, Duzfreund) in Einzelgesprächen klären (cid:129) erste Entscheidung als Führungskraft ist eine Bewährungsprobe und muss besonders gut vorbereitet werden (cid:129)das zu Beginn gewöhnungsbedürftige Verhältnis Schritt für Schritt normali- sieren cken. Der Zahntechniker defi- niert sich demnach als Bau- stein eines Teams, das von ihm zugleich geführt werden muss. Aber welche Haltung auch im- mer der neue Teamleiter ein- nimmt: Er muss diese Haltung konsequent beibehalten und jeden Anschein vermeiden, er würde einige Mitarbeiter an- ders behandeln als andere. Teammeeting veranstalten Einer der ersten Schritte nach der Beförderung besteht darin, in einem Teammeeting die neue Rollenverteilung anzuspre- chen und die Folgen zu thema- tisieren. Bei diesem Meeting kann der Laborleiter zugegen sein. Er erläutert die neue Rol- lenverteilung aus seiner Sicht haltspunkte über die Stim- mung im Laborteam zu erhal- ten. Nichts ist schlimmer als ein ehemaliger, nun höher gestell- ter Kollege, der alte Seilschaf- ten zu pflegen und zu nutzen versucht. In dem Meeting spricht der neue Teamleiter potenzielle Konfliktherde direkt an und setzt von sich aus eine Diskus- sion darüber in Gang, dass ein Ex-Kollege nun „Chef“ ist. Da- bei sollte er beachten: Nicht nur er selbst fühlt sich angesichts des Rollenwechsels unwohl – einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird es wohl ebenso ergehen. Der Kollege etwa, mit dem er sich einst hef- tig gestritten hat, befürchtet vielleicht eine „späte Rache“. Auch hier kann in dem Meeting durch eine Aussprache für Klarheit gesorgt werden. und fordert – in unserem Bei- spiel – die Mitarbeiter auf, den neuen Teamleiter wo immer zu unterstützen. Besser aber ist es, wenn der Zahntechniker diese Situation allein bewältigt und sich von Anfang an als Führungskraft präsentiert, die ohne die Unter- stützung „von oben“ zurecht- kommt. In dem Meeting verdeutlicht der ehemalige Kollege: „Ich bin zum Teamleiter ernannt worden – und dieser Rollenwechsel hat für unsere Zusammenarbeit folgende Konsequenzen: ...“ Er spricht deutlich an, welche Auf- gaben er ab sofort zu bewälti- gen hat: Er ist zum Beispiel be- fugt, Arbeitsaufträge zu ertei- len, Urlaub zu genehmigen, Ziele zu vereinbaren und deren Erreichung zu überprüfen, zu fördern und zu kritisieren. Er übt mithin durchaus Macht aus und trifft Entscheidungen, die nicht immer jedem gefallen werden und auch nicht jedem gefallen müssen. Mit offenen Karten spielen Der Teamleiter erläutert die neuen Aufgaben so detailliert wie möglich und macht klar, dass diese Aufgaben mit seiner Rolle als Führungskraft zu tun haben – wobei diese jedoch nichts an den jeweiligen per- sönlichen Beziehungen zu den ehemaligen Kollegen ändert. Und das heißt: Die Duzfreun- din schuldet dem Teamleiter in seiner Eigenschaft als Füh- rungskraft zwar den notwendi- gen Respekt – sie wird jedoch nicht plötzlich wieder gesiezt. Aber Achtung: Andererseits darf der Zahntechniker die gute Beziehung zur Duzfreun- din nicht ausnutzen, um An- Jeder Politiker, jede neue Füh- rungskraft wird an den ersten Entscheidungen gemessen – die „ersten 100 Tage“ sind ent- scheidend für die Akzeptanz beim Laborleiter und den ehe- maligen Kollegen. Darum muss der Teamleiter seine ersten be- deutenderen Entscheidungen gut vorbereiten, zumal, wenn sie die Ex-Kollegen unmittel- bar betreffen. Gelingt ihm dies, kann sich das zu Beginn ge- wöhnungsbedürftige Verhält- nis Schritt für Schritt normali- sieren. Zeitbombe entschärfen Je nachdem, wie eng die Bezie- hung zu einem „Ex-Kollegen“ ist, sollte die neue Führungs- kraft diese Problematik nicht nur im Meeting ansprechen, sondern zusätzlich in einem Einzelgespräch vertiefen. Das gilt vor allem dann, wenn der ehemalige Kollege vielleicht ebenfalls gehofft hatte, mehr Führungsverantwortung und jenen Teamleiterposten zu er- halten. Nun aber ist sein Kol- lege befördert worden. Der Zahntechniker in unserem Bei- spiel muss ausloten, wie der Mitarbeiter die Zurückstellung verkraftet und die Situation be- wertet: Ist er neidisch? Ist er ein „schlechter Verlierer“? Akzep- tiert er die Entscheidung des Laborleiters? Ist die Beziehung zu dem „über- gangenen“ Mitarbeiter nicht geklärt, tickt hier eine Zeit- bombe, die unbedingt ent- schärft werden muss. Falls das persönliche Gespräch zu kei- ner oder nur einer unbefriedi- genden Lösung führt, sollte der Laborleiter als schlichtende Instanz oder in seiner Eigen- schaft als Vorgesetzter hinzu- gezogen werden. Unterstützung durch den Laborleiter Wie sollte sich der Laborleiter bei der Angelegenheit verhal- ten? Natürlich gibt er die Ent- scheidung bekannt, begrün- det sie und erläutert die Konse- quenzen für Dentallabor und Mitarbeiterteam. Er bringt zum Ausdruck, er hoffe auf ein weiterhin gutes kollegiales Ver- hältnis. Dann aber sollte er sich zunächst einmal zurückhalten. Es darf nicht der Eindruck ent- stehen, er wolle die neue Füh- rungskraft protegieren. Denn dies würde die Stellung des Teamleiters vielleicht erschüt- tern und ihm das Leben in der neuen Führungsrolle noch schwerer machen. Erst bei Konflikten, die auf der Ebene des Laborteams nicht mehr zu klären sind und zu es- kalieren drohen, sollte der La- borleiter handeln und eingrei- fen. Bereits im Vorfeld der Ernen- nung zum Teamleiter kann der Laborleiter Unterstützung bieten, indem er seinen Mit- arbeiter auf eine Fortbildung schickt, bei der er auf die Über- nahme der größeren Perso- nalverantwortung vorbereitet wird. So kann es sinnvoll sein, dass er in einem Praxisseminar konkrete Führungskompeten- zen aufbaut. Denn wer nie gelernt hat, ein Gespräch mit Fragen zu führen und part- nerorientiert zu kommunizie- ren, dem wird es schwerfallen, zum Beispiel demotivierte Mit- arbeiter zu unterstützen. Daher lohnt es sich, wenn sich die junge Führungskraft selbst- kritisch fragt, welche konkre- ten Führungsqualitäten sie überhaupt benötigt, um der Führungsverantwortung ge- recht zu werden. Um schließ- lich Kompetenzlücken aufzu- füllen, etwa durch eine Weiter- bildung. Und wer anders als der un- mittelbare Vorgesetzte kann beurteilen, wo es hapert, wel- che Führungsqualitäten feh- len, welche Kompetenzen zu- sätzlich aufgebaut oder geför- dert werden sollten, damit der Aufstieg nicht mit dem Sturz ins Bodenlose endet und der Chefsessel zum Schleudersitz gerät. Persönliches Gespräch führen Und natürlich kann und soll der Laborleiter den Zahntechniker mit seinen Erfahrungen dabei unterstützen, die schwierige Aufgabe als Führungskraft zu meistern. Dies kann in einem persönlichen Gespräch unter vier Augen geschehen. Wenn der Zahntechniker aus erster Quelle vom Laborleiter erfährt, dass solche Führungspro- bleme so gut wie jedem begeg- nen, der vom Kollegen zum Chef aufsteigt, und diese durch eine offene Kommunikation mit den ehemaligen Kollegen aus dem Weg geräumt werden können, gewinnt er an Selbst- bewusstsein und Sicherheit. Oft setzt dann ein Reflexions- prozess ein, bei dem die neue Führungskraft für sich erst ein- mal klärt, was denn „Führung“ für sie bedeutet. Die Beantwortung dieser Frage erleichtert den Start auf dem Literatur Es hilft dem Mitarbeiter im Dental- labor, wenn er einschätzen kann, zu welchem Persönlichkeitstypus der ehemalige Kollege gehört, der ihm ggf. die Beförderung neidet. Zur Persönlichkeitseinschätzung siehe das Buch der Autorin: Stempfle, Do- ris: Alle doof, außer mich! Über die Lust (Last), andere Menschen bes- ser zu verstehen. Illustriert von Timo Wuerz. Breuer & Wardin Verlags- kontor, Bergisch Gladbach 2009. In dem Buch zeigt die Autorin auf hu- morvolle Weise, wie es uns gelingt, andere Menschen als Zugehörige eines bestimmten Persönlichkeits- typus zu erkennen, sie aber dennoch in ihrer einzigartigen Individualität zu respektieren. Chefsessel. Jungen Führungs- kräften unterläuft zuweilen der Fehler, den Führungsstil des Vorgesetzten zu kopieren, also hier des Laborleiters. Wer jah- relang vom „harten Knochen“ hart aber fair geführt wurde, ist vielleicht eher geneigt, autori- tär vorzugehen. Ist der Chef hingegen ein Be- ziehungsmanager, übernimmt man dessen Prioritäten. Je- doch: Viel wichtiger und glaub- würdiger ist es, einen eigenen und individuellen Stil zu entwi- ckeln. Auch diesen Aspekt soll- ten der Laborleiter und der Zahntechniker in dem persön- lichen Gespräch thematisie- ren. Kurzvita Doris Stempfle ist Unternehmens- Coach und Expertin für kreative Pro- blemlösungen in Führung und Ver- kauf. Die Betriebswirtin (VWA), die seit 1996 als Trainerin arbeitet, ist Mitglied im Q-Pool 100, der offiziel- len Qualitätsgemeinschaft Interna- tionaler Trainer und -berater e.V. und der GSA, der German Speakers Association. Mit ihrer Firma „Stempfle Unter- nehmensentwicklung durch Trai- ning“ ist Doris Stempfle mehrfach ausgezeichnet worden. 1997 erhielt „Stempfle Unternehmensentwick- lung durch Training“ den BDVT-Trai- ningspreis in Gold für offene Semi- nare. 2004 bekam das Unternehmen den Internationalen Deutschen Trai- ningspreis in Silber für Finanzdienst- leister, der vom Bundesverband der Verkaufsförderer und Trainer (BDVT) verliehen wird. 2007 hat das Unter- nehmen den Internationalen Deut- schen Trainingspreis des BDVT in Silber erhalten. Adresse Stempfle Unternehmens- entwicklung durch Training Herdweg 13 74235 Erlenbach Tel.: 0 71 32/3 41 50-11 E-Mail: dstempfle@stempfle-training.de www.stempfle-training.de