8 | www.zt-aktuell.de WIRTSCHAFT Nr. 6 | Juni 2011 Mitarbeiterführung im Dentallabor – Führen mit Stil, Herz und Verstand Führungsstile werden definiert als beständige Verhaltenstendenzen, die eine Führungskraft relativ unabhängig von der jeweiligen Situation an den Tag legt. Ein Führungsstil ist demnach typabhängig und gehört zum Laborleiter „wie sein Name an der Tür“. Trotzdem sollten Optionen erarbeitet werden, um flexibel auf unterschiedliche Mitarbeitercharaktere reagieren zu können. Doris Stempfle erläutert die Strategien. Autoritären Laborleitern, die Wert auf Disziplin legen, mit Anordnungen führen und zeit- raubende Diskussionen verab- scheuen, wird es schwerfallen, in bestimmten Situationen ange- messen zu reagieren. Wenn die Mitarbeiter zum Beispiel eine Teamaufgabe selbstständig und in Eigenverantwortung erledi- gen sollen, ist autoritäres Ge- habe kontraproduktiv. Umgekehrt gilt: Der Laborleiter, der den Mitarbeitern ansonsten große Freiheiten lässt und Ent- scheidungen im Konsens mit ih- nen verabschiedet, hat ein Pro- blem, wenn die Situation ihn zwingt, eine rasche Entschei- dung fällen und eine knallharte Arbeitsanweisung verordnen zu müssen. Führungsrepertoire erweitern Die Beispiele zeigen: Es ist für die Führungskraft natürlich nützlich, wenn sie einschätzen kann, welche „beständigen Ver- haltenstendenzen“ sie auszeich- nen, die dann von den Mitarbei- tern als Führungsstil wahrge- nommen werden. Wenn der La- borleiter seinen Führungsstil kennt, kann er besser beurteilen, welche Führungsstärken und -schwächen er hat. Denn jeder Führungsstil weist bestimmte Vor- und Nachteile auf. So kann er gezielt daran arbei- ten, sein Führungsrepertoire zu erweitern und der jeweiligen Si- und sachorientierte Führungs- stile. Sie werden von dem je- weils dahinterstehenden Men- schenbild geprägt. Wichtig für den Laborleiter ist die Beant- wortung der folgenden Fragen: Ist er der Meinung, Menschen müssten grundsätzlich angelei- tet und kontrollierend geführt werden, weil sie ansonsten ver- suchten, eigenständiges Arbei- ten und Handeln zu vermeiden? Oder glaubt er, Menschen woll- ten ihre Fähigkeiten prinzipiell zum Wohle des Dentallabors einsetzen und aktiv Verantwor- tung übernehmen? Je nach Beantwortung leiten sich daraus drei grundlegende Führungsstile ab. Beim hierarchischen oder auto- ritären Führungsstil werden die Mitarbeiter durch feste Regeln und strikte Anweisungen ge- führt. Der Laborleiter möchte, dass Aufgaben sauber erledigt und konkrete Ergebnisse erzielt werden. Das kann zu einem funktionierenden Arbeitsalltag führen, hat allerdings den Nach- teil, dass die Menschen oft kein Vertrauen zueinander aufbauen, zuallererst ihre eigenen Interes- sen verfolgen und Fehler unter allen Umständen vermeiden. Der Laborleiter erscheint als übermächtigerVorgesetzter, den zu kritisieren fast schon als Sa- krileg gilt. Beim demokratischen Füh- rungsstil räumt der Laborleiter seinen Mitarbeitern Freiräume ein und lebt den Gedanken der kooperativen Partnerschaftlich- tuation und dem jeweiligen Mit- arbeiter anzupassen. Auf der Grundlage der Kenntnis, wel- cher Führungsstil ihm quasi in die Führungswiege gelegt wor- den ist, sollte er an der Flexi- bilisierung des vorherrschen- den Führungsstils arbeiten, um schließlich über mehrere Reak- tions- und Handlungsoptionen zu verfügen. Welche Führungsstilmodelle gibt es? Die Führungsstilforschung unterscheidet verschiedene Mo- delle – zum Beispiel: Differen- zierung in integrationsorientier- ten, zielorientierten, mitarbei- terorientierten und verfahrens- orientierten Führungsstil und die Führungskraft als: Experte, Beschützer, Förderer, Innovator. Die gängigste Unterscheidung ist die in aufgaben-, menschen- keit vor. Er vertraut darauf, dass sie eigenständige Problemlö- sungen kreieren und umsetzen. Die Zahntechniker sollen sich auch menschlich weiterentwi- ckeln können, der Laborleiter wünscht sich gute Beziehungen zwischen den Mitgliedern des gesamten Teams. Dafür muss er mit dem Risiko leben, dass eingeräumte Freiheiten ausge- nutzt sowie Entscheidungspro- zesse unnötig in die Länge ge- zogen und damit erschwert wer- den. Wenn die Mitarbeiter ein Höchst- maß an Entscheidungsfreiheit nutzen können und der Aspekt der Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz in den Vordergrund rückt, spricht man vom Laisser- faire-Führungsstil. Sein größter Nachteil: Das Nichtvorhanden- sein fester Regeln erschwert ge- ordnete Arbeitsabläufe. Den individuellen Führungsstil feststellen und Optionen erarbeiten Der Laborleiter sollte zunächst einmal prüfen, zu welchem Füh- rungsstil er tendiert. Hilfreich ANZEIGE Zahngold/Edelmetalle Dentallegierungen Ankauf/Recycling seit 1968 in D und CH ESG Edelmetall-Service GmbH & Co. KG Zahngold.de ist es, sich nicht allein auf die Selbsteinschätzung zu verlas- sen, sondern Menschen aus dem beruflichen und auch privaten Umfeld zu befragen. Es sind die Verwandten, Bekannten und Freunde, die den Laborleiter fernab seiner beruflichen Rolle und Position kennenlernen – deswegen haben diese Men- schen zuweilen einen objektive- ren Blick auf seine Persönlich- keit und seinen Charakter als die Kollegen und Mitarbeiter im Dentallabor. So gelangt der Laborleiter zu ei- ner relativ objektiven Einschät- zung, welche „beständigen Ver- haltenstendenzen“ seine Füh- rungsarbeit dominieren. Indem er analysiert, welche Aspekte der anderen Führungsstile er in das Repertoire seiner Mitarbei- terführung integrieren könnte, erarbeitet er sich Handlungs- optionen. Der Nutzen liegt auf der Hand: Wahrscheinlich wird er jeden Tag mit verschiedenen Führungssituationen konfron- tiert. Würde er über lediglich eine Führungsstrategie verfü- gen, könnte er nur selten ange- messen reagieren. So aber ist er fähig, entweder unterstützend- motivierend oder konstruktiv- problemlösend oder informie- rend oder autoritär zurechtwei- send zu führen – je nach Situa- tion und Mitarbeiter. Konkret: Der eher kooperativ führende Laborleiter erarbeitet sich Techniken, mit denen er in problematischen Situationen dem mobbenden Zahntechniker auch einmal autoritär seine Grenzen aufzeigen kann. Den allein selig machenden Führungsstil gibt es nicht Die Frage, welcher Führungsstil eingesetzt werden sollte, ist zu- meist von mehreren Faktoren abhängig. So spielt der Reife- und Entwicklungsgrad des Mit- arbeiters eine Rolle: Während der Laborleiter der langjährigen „rechten Hand“ durchaus grö- ßere Entscheidungsbefugnisse einräumen kann, ist es bei dem Auszubildenden notwendig, des Öfteren mit Arbeitsanweisun- gen zu führen. Es gibt Situationen, in denen die Mitarbeiterorientierung und -entwicklung in den Vorder- grund rückt und der demokrati- sche Führungsstil Anwendung finden sollte. Der konsensorien- tierte Führungsstil ist angesagt, wenn der Laborleiter tief grei- fende Veränderungen im Dental- labor plant. Wenn er diese Verän- derungen „von oben herab“ an- ordnet, besteht die Gefahr, dass sich die Zahntechniker verwei- gern. Nimmt hingegen die Aufgaben- orientierung zu, kommt es also darauf an, eine bestimmte Auf- gabe zu einem erfolgreichen und raschen Ende zu führen, gewinnt der autoritäre Zugang zum Mit- arbeiter an Gewicht. Die Mitar- beiter müssen eindeutig wissen, bis wann was in welchem Um- fang zu erledigen ist. Dazu ist es notwendig, auch einmal das autoritäre Basta-Machtwort zu sprechen. Hinzu kommt: Der Laborleiter sollte die Belange der Kunden nicht aus den Augen verlieren. Wenn sich ein Zahnarzt etwa über den unfreundlichen oder unverschämten Zahntechniker beschwert – und zwar zu Recht –, wird der Laborleiter zu den eher autoritären Führungsin- strumenten greifen müssen, auch wenn er von seiner Persön- lichkeitsstruktur her eine demo Führungskraft ist. Er muss dem Zahntechniker unmissverständ- lich verdeutlichen, dass er dieses Verhalten nicht duldet. Also: Den allein selig machen- den Führungsstil gibt es mithin nicht. Der authentische Laborleiter Entscheidend für die Akzeptanz des Führungsstils durch die Mitarbeiter ist die Glaubwürdig- keit des Laborleiters. Führungs- kräfte, die den autoritären Füh- rungsstil bevorzugen, weil sie sich nicht verbiegen wollen oder glauben, die Situation erfordere dies, sollten sich durchaus dazu bekennen. Dies wird von den Mitarbeitern eher akzeptiert als der Versuch, die autoritäre Ader zu verbergen und den koopera- tiv-partnerschaftlichen Chef nur vorzuspielen. Übrigens: Wenn der Laborleiter zu dem Ergebnis gelangt, dass er eher zu den autoritären Vor- gesetzten gehört und ihm dieser Führungsstil liegt, sollte er prü- fen, ob er ein Chef mit Autorität oder ein autoritärer Vorgesetz- ter ist. Die Wahlverwandtschaft zwischen den Begriffen ist mehr als eine kleinkrämerische Schlacht um Worte. Seit Erich Fromm wissen wir, dass sich die Differenz zwischen „Auto- rität haben“ und „Autorität sein“ aus den Worten „haben“ und „sein“ herleitet, die auf zwei ver- schiedene Existenzweisen hin- deuten: Wer Autorität hat, dem ist sie verliehen worden oder er hat sie sich angeeignet. Ein Laborleiter mit Autorität hingegen ist dies aufgrund sei- ner Wesensmerkmale. So kann er seine Mitarbeiter durch seine Persönlichkeit davon überzeu- Information Die wichtigsten Aspekte im Über- blick Prüfen Sie, welcher Führungsstil bei Ihnen dominiert. Verdeutlichen Sie sich die Vor- und Nachteile dieses Führungsstils, um seine Vorteile für Ihre Führungsarbeit zu nutzen und die Nachteile zu mildern. Erweitern und flexibilisieren Sie Ihren Führungsstil, erarbeiten Sie sich Optio- nen, um kontextabhängig und mitarbei- terbezogen führen zu können. Berücksichtigen Sie stets die Notwen- digkeiten, die sich aus der konkreten Si- tuation und der Persönlichkeitsstruktur und Mentalität Ihrer Mitarbeiter erge- ben. Den persönlichen Führungsstil feststellen Wenn Sie analysiert haben, zu wel- chem Führungsstil Sie tendieren, soll- ten Sie sich fragen, wie Sie sich in schwierigen Situationen verhalten – dort zeigt sich zumeist „das wahre Ich“: Wie verhalte ich mich unter Stress? Wie reagiere ich in Konfliktsituationen? Wie bewältige ich schwierige Ent- scheidungsprozesse? Wie gehe ich mit Kritik um? Die Fragen stellen Sie dann auch Personen aus dem Privatbereich. Literatur Welchen Führungsstil ein Laborleiter pflegt, hängt auch von seiner Persön- lichkeitsstruktur ab. Darum ist es hilf- reich, wenn er einschätzen kann, zu welchem Persönlichkeitstypus er ge- hört. Zur Persönlichkeitseinschätzung siehe das Buch der Autorin Stempfle, Doris: Alle doof, außer mich! Über die Lust (Last), andere Menschen besser zu verstehen. Illustriert von Timo Wuerz. Breuer & Wardin Verlagskontor, Ber- gisch Gladbach 2009. In dem Buch zeigt die Autorin auf humorvolle Weise, wie es uns gelingt, andere Menschen als Zugehörige eines bestimmten Persön- lichkeitstypus zu erkennen, sie aber dennoch in ihrer einzigartigen Individu- alität zu respektieren.