8 | www.zt-aktuell.de POLITIK Nr. 4 | April 2012 Fortsetzung von Seite 6 den muss. Die Medical Devices Directive aus Brüssel z. B. ist die Grundlage für das Medizin- produktegesetz in Deutschland, die nur eins zu eins von der eng- lischen Masterkopie übersetzt werden durfte und dann im Deutschen Parlament umgesetzt werden musste. Darum bin ich sofort nach Bekanntwerden der Entwicklung der Medical Devi- ces Directive auf europäischer Ebene in den FEPPD-Vorstand eingetreten. Als es dann notwen- dig wurde, weitreichende Ent- scheidungen zu fällen, habe ich gern die Präsidentschaft der FEPPD übernommen, um für uns Deutsche die Sicherheit zu schaffen, dass unsere Intentio- nen bei der Beschreibung des Herstellers von Zahnersatz, des Inverkehrbringens von Zahn- ersatz, aber auch bei den Doku- mentationspflichten die feder- führende Rolle spielen. Das war schon eine außerordentlich große Herausforderung, zumal wir mit 25 Sprachen umgehen mussten, und die 27 Mitglieds- länder der FEPPD dann auf ei- ausgenommen. Man hat den Ge- sundheitshandwerken anheim- gestellt, ein eigenes, branchen- spezifisches Qualitätssicherungs- system zur Gewährleistung der Patientensicherheit anzustre- ben. In Deutschland gelang es auf hervorragende Weise mit QS-Dental. Gerade jetzt geht die Medical Devices Directive auf europäischer Ebene als Richt- linie für den Binnenmarkt in eine erneute Revision. Hier muss sich der VDZI für die deutschen Zahntechniker an führender Stelle beteiligen. Natürlich gibt es nicht nur Erfolge, sondern auch zähe Pha- sen in jeder Amtsträgerschaft. Was waren Ihre schwierigs- ten Entscheidungen oder Ihre schwierigsten Projekte? Seit 1997 bin ich im Vorstand dieses Verbandes, und es gab natürlich außerordentlich viele schwierige Phasen während der neuen Gesetzgebungsverfahren in dieser Zeit. Es gab aber auch schwierige Phasen bezogen auf die europäische Ebene, wo der deutsche Verband sich mit sei- nen doch sehr hohen Standards auch noch gesund. Daneben gibt es ein zweites Projekt, das ich noch weitermachen werde. Das ist mein Betrieb. Ich gehöre ja zu der Gattung Präsident, die es bisher noch nicht gegeben hat. Ich bin nämlich der einzige, der zum Abschluss seiner Prä- sidentschaft einen funktionie- renden, gewerblichen zahntech- nischen Betrieb hat, und den werde ich fortsetzen. Ich habe beschlossen bis zum 90. Lebens- jahr ganztags weiterzumachen, und dann werde ich auf halbtags umstellen. Was geben Sie denn Ihren Nachfolgern auf den Weg? Zunächst einmal zolle ich ihnen meinen höchsten Respekt. Sie stellen sich in dieser schwierigen Zeit an die Spitze eines Hand- werks, das durch ordnungspo- litische Rahmenbedingungen unglaublichen politischen und wirtschaftlichen Zwängen unter- liegt, die aus eigener Kraft und Macht kaum zu verändern sind. Sie haben meine Anerkennung für den Mut, sich ehrenamtlich die Zeit zu nehmen, die nötig ist, um den Verband engagiert zu 2006: Q_AMZ-Auftaktveranstaltung in Berlin. VDZI-Präsident Jürgen Schwichtenberg spricht zu knapp 200 Teil- nehmern. wortung gegenüber des Berufs- standes war und ist, die BEB Zahntechnik® in Analogie zur neuen GOZ markteinführungs- tauglich zu machen und sie letzt- endlich auch in den Markt ein- zuführen. Diese Herkulesauf- gabe ist fast abgeschlossen, und insofern bin ich froh, an der Stelle dem nachfolgenden Vor- stand ein bestelltes Feld über- geben zu können. Wünschen würde ich mir eine höhere Ak- zeptanz bei unseren Kollegen in diesem Bereich, weil sie meiner ben. Ich habe schon begonnen, die Titel sind schon da! Eines wird auf Wunsch meiner Söhne alle Gutenachtgeschichten ent- halten, die ich Ihnen als kleine Kinder erzählt habe, um diese an die nächste Generation der En- kel weiterzugeben. Als Zweites werde ich ein Kochbuch für alle diejenigen schreiben, die keine Zeit zum Kochen haben und sich trotzdem so wie ich über- wiegend vegetarisch ernähren wollen. Ich gewährleiste jedem Leser, auch dem Anfänger, inklu- 2008: Holger Schwannecke (damals UDH-Geschäftsführer) zu Besuch im Labor von Jürgen Schwichtenberg. – 2011: VDZI-Präsident Jürgen Schwichtenberg im Rahmen des politischen Forums des VDZI mit Generalsekretär Walter Winkler sowie die MdBs Jens Ackermann (FDP), Dr. Rolf Koschorrek (CDU), Steffen-Claudio Lemme (SPD) und Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) (v.l.). – 2012: Die Gesundheitshandwerke präsentierten sich im Rahmen des 2. ZDH-Medientages den Journalisten: Präsidentin Marianne Frickel (Hörgeräterakustiker), Vizepräsident Olaf Kelz (Orthopädietechniker), Präsident Werner Dierolf (Orthopädieschuhtechniker), Präsident Jürgen Schwichtenberg (Zahntechniker) und Präsident Thomas Truckenbrod (Augenoptiker). nen Konsens demokratisch ein- stimmen mussten, der dem deut- schen Standard so nahe wie möglich kam. Sicherlich hat mir meine Sprachbegabung dabei geholfen. Ich konnte jederzeit mit anderssprachlichen europä- ischen Parlamentariern Kontakt aufnehmen, um die Interessens- lage der Deutschen zu vertreten. Ein wesentlicher Erfolg aus die- ser Zeit wirkt bis heute: nämlich die Anforderungen der Konfor- mität einer Sonderanfertigung. Zu jeder Arbeit muss eine Kon- formitätserklärung vom herstel- lenden Labor geschrieben wer- den. Ein weiterer Erfolg ist si- cher auch die klare Abgrenzung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber im Originaltext der Medical Devices Directive. Last but not least als Erfolg für die vor Ort tätigen Labors zu verbuchen, dass kein Qualitäts- managementsystem nach EN 13485 oder ISO 9001 2005, da- mals noch zwingend vorgese- hen, eingeführt werden musste. Resultierend aus der juristi- schen Begründung der Medical Devices Directive wurden Opti- ker, Hörgeräteakustiker, Ortho- pädieschuhtechniker, Orthopä- dietechniker und Zahntechniker durchsetzen musste, sei es bei der Ausbildung, sei es bei den Anforderungen nach dem Medi- zinproduktegesetz. Eine wesentliche Herausfor- derung entstand durch den Be- schluss des Verbandes zur Kün- digung des Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnisses für zahn- technische Leistungen (BEL). Im Grunde führte diese Kündigung zu immer noch andauernden Verhandlungen, was ich außer- ordentlich bedaure. Die nach- folgenden, weiter verhandeln- den Vorstände übernehmen eine außerordentliche Verantwortung. Mir fällt die Übergabe an dieser Stelle schwer, weil ich einfach denke, hier trifft die zahntech- nische Wirklichkeit auf eine Verhandlungsstrategie, die auf lange Zeitabläufe angelegt ist, und wo zahntechnischer Sach- verstand nicht in der gebühren- den Weise anerkannt wird. Für mich als Zahntechnikermeister eine äußert schmerzliche Erfah- rung. Ich hätte das Projekt sehr gern zu Ende geführt, um der nachfolgenden Vorstandsgene- ration die Möglichkeit zu geben, hier auf einem bestellten Feld zu ackern. Ein weiteres, riesiges Projekt mit einer hohen Verant- Ansicht nach die Vorteile gegen- über der BEB 1997 erkennen müssen. Was macht ein VDZI-Prä- sident a. D. nun in der nun frei- werdenden Zeit? Sie werden sich sicherlich auch anderen Feldern widmen, aber was machen Sie, wenn Sie nicht mehr dem VDZI vorstehen? Das ist eine ganz tolle Frage, die sich ein Mensch, der sich ent- scheidet, nicht wieder zu kandi- dieren, sehr wohl und sehr lange überlegen muss. Sie kommen aus einem mit Vollgas gefahre- nen Rennwagen, der zum Bei- spiel im Jahre 2011 150 Tage für den Verband unterwegs war, in eine Situation, wo Sie keinen Rennwagen mehr haben, wo Sie auch keine Informationsflut mehr haben, wie sie jeden Tag in vielfältiger Weise auf einen solchen Amtsträger einprasselt. Natürlich gibt es Lebensplanung für die Zeit danach, und ich ge- höre eher zu den Menschen, die ihr Leben sehr strukturiert orga- nisieren und so auch die Zeit „da- nach“ organisieren. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele, was der Präsident a. D. plant. Als Erstes werde ich zwei Bücher schrei- siv Vorbereitung und Garen eine Dauer von 15 Minuten bis zum Genuss des Selbstgekochten. Das wird sicherlich nach dem Boom auf Kochbuchmarkt in der letzten Zeit nur ein Add-on auf dem Berg der Kochbücher sein. Mir ist a priori aber nicht wich- tig, ob es verlegt wird, sondern die Rezepte, die ich dort auf- schreibe, sind außerordentlich einfach, gutschmeckend und ANZEIGE BLUE GALVANO T E C H N I K ENTSCHEIDUNG FÜR QUALITÄT UND SERVICE: (cid:81) Legierungen (cid:81) Galvano- technik (cid:81) Discs / Fräser (cid:81) Lasersintern (cid:81) Experten für CAD/CAM und 3Shape +49 (0) 40 / 86 07 66 . www.flussfisch-dental.de FLUSSFISCH s i n c e 1 9 1 1 vertreten. Das wird ein gravie- render Einschnitt in das persön- liche und geschäftliche Leben. Sowohl die Familie als auch der Betrieb leiden darunter. Ich gebe ihm oder ihr auch Mut machende Erfahrungen mit: In einem sol- chen Amt lernt man viele Men- schen kennen, Menschen mit völlig unterschiedlichen Auf- fassungen, mit völlig unter- schiedlichen Argumenten zu politischen und nicht zuletzt berufspolitischen Entscheidun- gen. Eine Bereicherung für jeden Amtsinhaber! Ich bitte sie zu jedem Zeitpunkt zu verstehen, dass es eine unter- schiedliche Geschwindigkeit im politischen Verständnis gibt zwi- schen dem, was ein Präsident ei- ner solchen Organisation denkt, erfährt, aber auch umsetzen möchte, und wie die Innungen nachfolgen können und die Ba- sis in der Lage ist, dem Ganzen am Ende zu folgen. Wenn der nächste Vorstand in diesem Ver- ständnis handelt, bin ich davon überzeugt, dass es eine gute Kommunikation zwischen den Ebenen im Verband geben wird. Vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen alles Gute.