6 | www.zt-aktuell.de Nr. 1 | Januar 2014 TECHNIK Die Artikulatorprogrammierung mit dem Vector-Analyzer Die Durchsichtschablone ermöglicht eine optimale Anordnung der Modelle im Artikulator, bei der durch einfache Bestimmung des okklusalen Auftreffwinkels eine individuelle Montage gewährleistet ist. Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 1: Der okklusale Auftreffwinkel ␣ zur Okklusalebene ⌷ ist bei einer Rotation um die terminale Scharnierachse trigonometrisch berechenbar und ergibt sich aus den horizontalen (x) und vertikalen (y) Abständen des Messpunktes vom Achsenpunkt. Dabei spielt der Messpunkt eine unter - ge ordnete Rolle, solange sich das Verhältnis von x : y nicht allzu sehr verändert. – Abb. 2: Tritt bei der Öffnung auch eine Translation auf, so muss diese beim Schließen wieder zurücklaufen, wenn der originale Ausgangspunkt erreicht werden soll. Der okklusale Auftreffwinkel ␣ wird dadurch stumpfer und unterscheidet sich deutlich von dem, wie er aus einer reinen Rotationsbewegung resultiert. Der Umriss entstand aus der Durchzeichnung eines männlichen Unterkiefers. – Abb. 3: Artefakt beim Absenken im Artikulator: Schwarzer Umriss = Ausgangslage. Grüner Umriss: Habituell geöffnet (siehe Abb. 2). Roter Umriss: In der Translationsstellung wurde um die Scharnierachse abgesenkt. Der Zahnbogen kommt zu weit nach anterior (⌬x) und erreicht posterior nicht mehr die Ausgangshöhe (⌬y). Der Fehler ⌬y ist umso größer, je steiler die horizontale Kondylbahnneigung. Unter Gnathologen wird es oft als gegeben gesehen, dass der Mensch seinen Unterkiefer in der Vertika- len um eine sogenannte terminale Scharnierachse bewegt. Man sieht dies jeden Tag in Artikulatoren und hat sich an diese Vorstellung gewöhnt. Diese Prämisse lässt sich zurückverfolgen bis in die 1930er- Jahre, als sie in einer 25-köpfigen Studiengruppe im Süden von Kalifornien auftauchte, die sich den Namen „Gnathologic Society“ gab.1 Man ging davon aus, dass je- des Gelenk eine Bewegungsachse habe, ob Fingergelenk oder Hüh- nerbein,2 also müsste eine solche auch dem menschlichen Kiefer - gelenk zuzuordnen sein. Man war sich im Klaren darüber, dass dieses sich aus jeweils zwei Gelenk - räumen zusammensetzt: einem Gleit- und einem Rotationsgelenk. Jedoch ordnete man diese Bewe- gungskomponenten einfach ver- schiedenen Kieferbewegungen zu, die Rotation den vertikalen und die Translation den horizontalen Bewegungen. In der Tat ist es mög- lich, bei vielen Patienten die Kie- ferbewegung in der Form zu mani- pulieren, dass bei vertikalen Bewe- gungen eine Bewegung im oberen Gelenkspalt unterbleibt, also keine Translation erfolgt und somit eine Scharnierachse bestimmbar wird. Hierzu betrachtet man aber nicht die dem Patienten eigenen Bewe- gungen, sondern man muss das, was es zu messen gilt, durch die erforderliche Manipulation ver - fälschen. Lauritzen selbst wies in seinem Buch bereits im Vorwort darauf hin, dass solche Bewegun- gen nur darstellbar sind, wenn sie vom Zahnarzt manipuliert oder vom Patienten zuvor eingeübt wer- den.3 In der Praxis bedeutet das aber nichts anderes, als dass man solche Scharnierachsenbewegun- gen spontan nicht antrifft, weil sie den habituellen Bewegungen des Patienten nicht entsprechen. Pos- selt hat schon früh in seinem Buch4 dargelegt, dass bei der Öffnung des Mundes die Translation der Kondylen gemeinsam mit der Ro- tation einsetzt. Dies ist auch plau - sibel, denn es ist nicht zu erkennen, was den oberen Gelenkspalt fixie- ren soll, wenn die hyoidale Muskel- kette zur Mundöffnung aktiviert wird, zumindest, solange der Pa- tient sich in einer aufrechten, neutralen Körperhaltung befindet. Die Kiefergelenke nehmen einfach die Bahn des geringsten Wider- standes und bewegen sich in einer dem Patienten eigenen Mischung aus Translation und Rotation. Posselt führte weiterhin aus, dass beim Schließen des Kiefers die Be- wegung propriozeptiv durch das Ziel der Interkuspidation gesteuert wird, statt irgendwelchen Achsen zu folgen. Schließlich landen wir in der Regel beim Zubeißen eben nicht auf Störkontakten, sondern verstehen es, diese zu vermeiden, egal, wie irgendwelche Achsen dazu stehen. Je nachdem, aus welcher Kiefer - position die Schließbewegung er- folgt, ist eine bestimmte Kombina- tion aus Translation und Rotation notwendig, um die interkuspidale Position zu erreichen. Dabei be- darf es nicht unbedingt einer Axio- grafie, um der Frage nachzu - gehen, wie nun der Mensch seinen Kiefer öffnet oder schließt. Selbst in einiger Entfernung von den Kiefergelenken, in der Region der Schneidezähne, wo die Kiefer - bewegung am größten ist (und sich daher am genauesten messen lässt), kann man unterscheiden, ob Translationskomponenten an der Bewegung beteiligt sind oder nicht. Hierfür muss lediglich der Pfad der retralen Grenzbewe - gung bekannt sein, welcher der isolierten Rotation der Kieferge- lenke entspricht. Jede Kieferposi- tion davor geht zwangsweise mit einer gewissen Translationsstel- lung der Kiefergelenke einher. Stehen keine Vorkontakte im Weg, trifft die Schließbewegung norma- lerweise in einer glatten, leicht bo- genförmigen Bewegung unmittel- bar in die interkuspidale Position. Ein Knick, bei dem diese Bahn ab 19 mm (Lauritzen) in die einer reinen Rotation umschwenkt, ist so gut wie nie erkennbar. Lediglich Störkonturen, nicht selten durch steil stehende Schneidezähne, füh- ren dazu, dass eine glatte Schließ- bahn modifiziert wird, um solche „Klippen“ beim Schließen des Kie- fers zu „umfahren“. Manipulationen verändern diese habituelle Bewegung signifikant. Wird der Unterkiefer des Patienten von einer zweiten Person ma - nuell zurückgedrängt, oder auch mittels der körpereigenen Musku- latur zurückgezogen, indem z. B. die Zunge zurückgerollt wird, so wird der Unterkiefer aus seiner habituellen Ruhe-Schwebe dem- entsprechend deplatziert. Eine Schließbewegung mit dem Ziel der Interkuspidation muss nun in einem anderen Winkel zur Okklu- salebene erfolgen, als eine, die eine neutrale Ruhe-Schwebe als Aus- gangspunkt hat. Oder sie mündet in retrusiven Vorkontakten in einer Position außerhalb der habituellen Bisslage. Der Winkel, in dem die Zähne einander bei einer Schließ- bewegung um die terminale Schar- nierachse treffen, ergibt sich aus der Geometrie des Unterkiefers und lässt sich trigonometrisch mit Bezug zur Okklusalebene berech- nen, wenn die Scharnierachsen- punkte bekannt sind. Der genaue Punkt, für den dieser Winkel be- rechnet wird, spielt dabei eine Abb. 4 Abb. 5 Abb. 4: Wenn die Kauebene horizontal steht, ist der okklusale Auftreffwinkel im Artikulator recht einfach zu ver- stehen, denn Vertikalbewegungen sind hier kreisförmig um die Artikulatorachse. – Abb. 5: Der Vector-Analyzer wird am Unterrand entlang einer der roten Hilfslinien so zugeschnitten, dass sein Koordinatensystem mit der Artikulatorachse fluchtet, wenn man ihn davor auf den Tisch stellt. untergeordnete Bedeutung, so- lange sich das Verhältnis zwischen der horizontalen (x) und vertikalen Dimension (y) nicht nennenswert ändert. Entsprechende Berech- nungen des Autors führten hier mit recht guter Reproduzierbar- keit zu Werten um 60 ° (± 3 °). Je mehr bei der habituellen Bewe- gung in der Vertikalen jedoch auch eine Translation der Kiefergelenke ins Spiel kommt, desto stumpfer wird dieser Winkel. Potenziell pro- blematische Artefakte werden im Artikulator generiert, wenn dort in einem anderen Winkel abgesenkt wird, als der, mit dem bei der Biss- nahme in vivo gehoben wurde. Möchte man mit seinem Artiku - lator Bewegungen darstellen, die den habituellen Bewegungen des Patienten möglichst nahe kom- men, so macht es wenig Sinn, dort reine Rotationsbewegungen zu re- produzieren, die in der Regel durch Manipulation verfälscht werden müssen, um überhaupt darstell - bar zu werden. Wurde z. B. der Biss in einer gehobenen Kiefer - stel lung innerhalb des habituellen Bewegungsraumes registriert, im Artikulator aber um die terminale Scharnierachse abgesenkt, so würde eine Fehlstellung der Zahn- reihen zustande kommen, denn die Rückkehr aus der Translation würde fehlen. Translatieren die Kiefergelenke bei der für die Re- gistrierung nötige Bisshebung um den Vektor x nach anterior und y nach kaudal, beim Absenken im Artikulator erfolgt dann aber eine Rotation in der translatierten Stel- lung, so steht zu erwarten, dass da- bei Arbeiten herauskommen, die sich bei der Eingliederung als pos- terior zu hoch erweisen und dort eingeschliffen werden müssen. In der ersten Konsequenz ist es daher ratsam, allzu freizügige ver- tikale Veränderungen im Artiku - lator nach Möglichkeit prinzipiell zu vermeiden. Muss dennoch im Artikulator abgesenkt werden, so sollte die Absenkbahn im Bereich der Zähne möglichst mit der iden- tisch sein, entlang der in vivo ge -