8 I www.zt-aktuell.de Nr. 7+8 I Juli/August 2017 WIRTSCHAFT Kooperativ zum Erfolg Trainerin Ulrike Stahl zeigt anhand eines anschaulichen Beispiels, wie ein unterstützendes Miteinander langfristig zum Erfolg führen kann und stellt die W.I.R.-Formel vor. Führung Teil 1 – Absolute Kontrolle ANZEIGE Sobald Menschen beteiligt sind, sind Emotionen im Spiel. Sich und sein Team kooperativ zum Erfolg zu führen, heißt nicht nur, gemeinsam anzukommen, son- dern die Irrungen und Wirrungen auf dem Weg dorthin zusammen zu meistern. Das gelingt am bes- ten, wenn dieser Weg als vereinte Lern erfahrung betrachtet wird. Wie bei Sebastian … Sebastian ist Führungskraft und will mehr über seine Art zu füh- ren heraus finden. Das eher un- gewöhnliche Umfeld ist ein Raft auf einem Wildbach. Ein erfahre- ner Rafting Guide zeigt, wie das Raft auf Rudereinsatz und Steu- erbewegungen reagiert. Jetzt ist Sebastian dran. Der Guide brieft ihn zum Streckenabschnitt. Se- bastian setzt sich ans Heck, nimmt das Steuerruder in die Hand und gibt seiner Mann- schaft das Kommando, zu ru- dern. Immer wieder korrigiert er „rechts mehr“, „links weni- ger“, „schneller“, „langsamer“. Je näher die Stromschnelle kommt, umso häufiger und schneller wer- den seine Kommandos. Trotz- dem erwischt das Boot nicht die ideale Bahn, bleibt am Fels hän- gen und droht umzukippen. Der Guide greift ein, um das Boot vor dem Kentern zu bewahren. Mit seiner Hilfe wird die Strom- schnelle überwunden und das Boot ins Kehrwasser, eine Ruhe- zone am Rande des Wildbachs, gesteuert. Sebastian kann hier überlegen, wie er seine Vorge- hensweise optimiert. Führung Teil 2 – Reflexion und Perspektivenwechsel Es ist erforderlich, immer wieder Reflexionsmomente zu schaffen, in denen die Vorgehensweise ge- meinschaftlich bewertet und nach Optimierungsmöglichkeiten ge- sucht wird. Die hierfür investierte Zeit zahlt sich gerade dann aus, wenn es hoch her geht ... Aus Sebastians Sicht ist es wich- tig, dass die Ruderer seinen An- weisungen präziser folgen und sich mehr anstrengen. Das Feed- back seiner Mannschaft geht in eine ganz andere Richtung. Die Anweisungen wären zu hek- tisch gewesen und hätten mehr Durcheinander beschert als ge- nutzt. Eine Erklärung zum Ziel und wie die geplante Vorgehens- weise sei, hätte komplett ge- fehlt. Einer beschreibt, seine Intelligenz und sein Können würden nicht wertgeschätzt, schließlich sei er zum reinen Be- fehlsempfänger degradiert wor- den. Ein anderer, dass er sich wirklich angestrengt habe, er aber nach dem Kommentar nicht mehr motiviert sei. Insgesamt meint die Mannschaft, Sebas- tian solle im Vorfeld mehr erklä- ren und abstimmen. Dann solle er sie ihre Arbeit machen lassen. Schließlich wüssten sie ja ge- nauso gut wie er, was man tun müsse, um nach rechts oder links zu fahren. Aus seiner erhöhten Position sehe er natürlich besser, ob sie in der richtigen Richtung unterwegs seien und könne die nötigen Korrekturen geben. Führung Teil 3 – Überblick statt Kontrolle Mit der W.I.R.-Formel gelingt Führungskräften genau dieser Perspek tivenwechsel von „ich muss alles kontrollieren“ hin zu „ich steuere mich und mein Team zum Ziel“ ... Auf dem nächsten Abschnitt setzt Sebastian genau das um. Sowohl das Team als auch Se- bastian sind deutlich entspann- © KieferPix/Shutterstock.com ter und gemeinsam meistern sie die nächste Stromschnelle erfolgreich. Sebastian merkt, dass er den Überblick viel besser behalten kann, wenn er sich nicht um alles kümmert, sondern nur um die Richtung. Das Team ist hoch motiviert, weil alle spü- ren, dass der Erfolg in ihren Hän- den liegt. Die W.I.R.-Formel: W wie Werte und Wertschätzung Wem Macht, Kontrolle, Position und Ansehen sehr wichtig sind, dem wird es schwerfallen, wirk- lich kooperativ zu führen. Denn da stehen Werte wie Augenhöhe, Verbundenheit, Vertrauen Lern- bereitschaft und Bescheiden- heit im Fokus. Bescheidenheit bedeutet dabei nicht, sein Licht unter den Scheffel zu stellen. Es geht vielmehr darum, Füh- rung mehr als Aufgabe denn als Auszeichnung zu betrachten. Wie bei jeder anspruchsvollen Aufgabe gibt es eine Entwick- lungskurve. In einer sich schnell verändern- den Umwelt gibt es ständig et- was zu lernen und natürlich die Möglichkeit, Fehler zu machen. Führungserfolg wird nicht aus- schließlich am Ergebnis abgele- sen, sondern im selben Maß an der Zufriedenheit der Mitarbei- ter. Bescheidenheit ist deshalb auch gefragt, wenn es um den Anspruch geht, alles im Detail zu verstehen und zu durchbli- cken. Gerade für Fach experten, die in eine Führungsposition kommen, ist es schwer auszu- halten, dass das nun kaum mehr möglich ist. Haben sie sich ihr bisheriges Ansehen doch genau darüber erarbeitet. Höchste Zeit, das persönliche Wertesystem zu überdenken und neu zu ordnen. Umso mehr als die Herausforderungen des Informationszeitalters nur ko- operativ zu bewältigen sind. Führungskräfte vergessen im Ei- fer des Gefechts immer wieder, dass ihre Mitarbeiter nicht nur Arbeitskräfte, sondern Men- schen mit eigenen Fähigkeiten und einem eigenen Gehirn sind. Und dass sie beides auch be- nutzen möchten. Je komplexer und veränder licher Aufgaben- stellungen sind, umso wichtiger ist es, dass Mitarbeiter sich selbst steuern. Die Führungs- kraft kann nicht immer über alles im Detail informiert sein und schon gar nicht alles ent- scheiden. Sie wird sonst zum Fla- schenhals. Die zentralen Werte lauten Vertrauen und Trans pa- renz. Zwei Fragen sollten sich Führungskräfte immer wieder stellen: 1. Bewege ich mich auf Augen- höhe? Sobald sich die Führungskraft als über ihrem Mitarbeiter ste- hend präsentiert, indem sie die- sem im Detail vorgibt, wie er etwas zu tun hat, geht diese Augenhöhe verloren. Je nach Mitarbeitertyp kommt es zu Rebellion, Kompetenzgerangel oder Unterwerfung. Der Mitar- beiter macht dann zwar viel- leicht genau das, was der Chef will. Aber eben nur das und das selbst dann, wenn es keinen Sinn macht. 2. Hilft mein Führungsverhalten meinem Mitarbeiter, sich selbst besser zu steuern? Damit der Mitarbeiter sich selbst steuern kann, muss er das Ziel seiner Aufgabe genau verste- hen. Anstatt das WIE und WAS vorzugeben, erklärt die Füh- rungskraft das WOZU. Regel- mäßiges Feedback hilft dem Mitarbeiter. Dazu gehört es nicht, nur auf Kursabweichun- gen zu reagieren, sondern auch zu bestätigen, wenn er sich auf Kurs befindet. Ein „gut ge- macht“ oder ein „das geht aber besser“ dienen der Selbststeue- rung nicht. Diese wird erst möglich, wenn die Führungs- kraft auch genau beschreibt, woran sie ihre Einschätzung festmacht. Die W.I.R.-Formel: I wie Interessen maximieren Kooperativ zusammenzuarbei- ten heißt, einen Weg zu finden, bei dem die Inte ressen aller und nicht nur die weniger befrie- digt werden. Das ist dann der Fall, wenn jeder der Beteiligten einen eigenen Nutzen in der Ziel- erreichung oder im Weg dorthin sieht und erlebt. Je mehr oder inten siver Interessen befriedigt werden, desto mehr Motivation entsteht. Motivierte Menschen übernehmen bereitwilliger Ver- antwortung, erzielen bessere Er- gebnisse. Menschen haben un- terschiedliche Bedürfnisse. Die Selbstbestimmungstheorie gibt uns allerdings als Anhaltspunkt drei psychologische Grundbe- dürfnisse, die sowohl effektives Verhalten als auch Wohlbefin- den fördern. Autonomie ent- steht, wenn wir Dinge freiwillig tun, weil wir deren Notwendig- keit verstanden haben. Kompe- tenz erleben wir, wenn wir aktiv Einfluss nehmen können und so Resultate erzielen. Soziale Ein- gebundenheit empfinden wir, wenn wir eine Bedeutung für andere haben und diese für uns. Die Fragen für die Führungs- kraft lauten: