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anscheinend in besonderem Maße als Ausgangs- oder Bezugsobjekt einer fixen Idee. Neben all den an dieser Stelle als bekannt vorausgesetzten Eigen- schaften und Funktionen der Zähne macht sie die Tatsache außergewöhnlich, dass sie sich als einzige sichtbare Körperteile, die aus fester Substanz beste- hen, dauerhaft von Menschenhand wiederherge- stellt oder verändert werden können. Anders als bei Haaren oder Fingernägeln, die nur kosmetisch ver- ändert werden und einem ständigen Wuchs unter- liegen, ist das beabsichtigte Ziel von restaurativen Zahnbehandlungen in der Regel endgültiger Art. Gleichzeitig aber ist jedem Menschen bewusst, dass die eigenen natürlichen Zähne als einzigartige und extrem widerstandsfähige lebende Organe sehr wertvoll sind und ein Substanzverlust von Zahn- schmelz, Dentin, Pulpa im Grunde unwiederbringlich ist, und diese nach Möglichkeit ein Leben lang ge- sund erhalten werden sollten. Hinzu kommt, dass der naturgetreue Ersatz von Zähnen mit sehr hohen Kosten verbunden ist. Es ist also sowohl der hohe Wert der eigenen Zähne bewusst als auch die theo- retische Möglichkeit einer Wiederherstellung oder gar Verbesserung vorstellbar. Werbende Verspre- chungen von uns Zahnärzten unterstützen den Ein- druck, dass es möglich sein müsse, jedes zahnme- dizinische Problem vollständig im Sinne einer „Restitutio ad integrum“ zu beheben. Dass dies per se für keine Art von Prothese der Fall sein kann, sollten sich sowohl Laien als auch Fachleute immer wieder ins Bewusstsein rufen. Dieser Widerspruch erzeugt einen Zwiespalt, der offensichtlich unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. einer psychischen Prädisposi- tion, einem mentalen Trauma, einer negativen zahn- ärztlichen Vorgeschichte u. v. a. dazu führen kann, dass sich eine auf den Zustand der Zähne und des Kauorgans fixierte Psychose ausbildet. Schizophrene Tendenzen In verschiedenen Aspekten verhalten sich diese Pa- tienten widersprüchlich, ohne sich dessen bewusst zu sein oder sich davon abbringen zu lassen. Diese Patienten versuchen häufig, sowohl durch Jammern, Betteln oder Einschmeicheln sowie dann auch durch Drohungen und Ausübung von Druck zu erreichen, dass der Zahnarzt oder das Praxisteam ihren Vor- stellungen entsprechend handelt. Dass bei einem fremden Dritten durch Betteln an die Mitmensch- lichkeit appelliert wird, hingegen durch Drohungen Aversionen erzeugt werden, dessen sind sich die Pa- tienten offensichtlich nicht gewahr. Als Zahnarzt sollte man vorsichtig sein, wenn ein Patient gleich zu Beginn Einladungen im privaten Bereich aus- spricht oder Geschenke bringt. Zumeist reißen sich diese Patienten im Erstgespräch sehr zusammen und versuchen, einen besonders konzilianten Ein- druck zu vermitteln. Da in der Regel eine längere Psychologie Spezial | Was sind die häufigsten psychischen Störungen? Anorexia nervosa Körperlich bedingte psychische Störungen 0,7 0,9 Mediakementensucht 1,5 Posttraumatische Störungen (PTBS) Psychotische Störungen Bipolare Störungen Somatoforme Störungen Zwangsstörungen Unipolare Depression Alkoholstörungen Angststörungen 2,4 2,4 2,8 3,3 3,8 8,2 11,2 16,2 Abb. 1 0 2 4 6 8 10 12 14 16 Zwölfmonatsprävalenz (in Prozent) Abb. 1: Psychische Störungen in prozentualer Verteilung. (Quelle: Jachertz, N: Psychische Erkrankun- gen: Hohes Aufkommen, niedrige Behandlungsrate, Deutsches Ärzteblatt PP Heft 2, Februar 2013, S. 61–62. http://www.aerzteblatt.de/ archiv/134430) Vorgeschichte erfolgloser Behandlungen und Kon- flikte mit anderen Zahnärzten vorangegangen ist, spüren diese Patienten, dass sie den nächsten Zahn- arzt nicht gleich zu Beginn verschrecken dürfen. Auch dies ist ein Teil dieser gespaltenen Mentalität: Die anderen Zahnärzte sind vermeintlich alle schlecht und der neu gefundene Zahnarzt der ein- zige, der nun Rettung bringen kann und soll. Es wer- den sehr hohe Erwartungen in den neuen Behandler gesetzt und vorsichtige oder relativierende Aussa- gen beiseite gewischt. Die Einsicht, dass der größte Anteil aller Zahnärzte normalerweise so gut wie alle Patienten vernünftig versorgen kann, würde ja di- rekt zu der Einsicht führen, dass das Problem nicht an der Zahnärzteschaft, sondern beim Patienten selbst liegt. Die geleugnete Möglichkeit, sich selbst für verrückt zu halten, oder für verrückt gehalten zu werden, ist aber das, was nicht sein darf. Ein weiterer häufiger Aspekt der Spaltung ist die Überzeugung, dass der eigene Fall ja eigentlich ganz einfach zu behandeln sei, gepaart mit der Vermu- tung, man selbst wisse genau, was zu tun sei und demgegenüber die offensichtliche Tatsache, dass alle vorherigen Behandlungen gescheitert sind. Nicht selten eignen sich diese Pateinten ein umfas- sendes Detailwissen im Internet an, insbesondere zu Materialien. Wenn bei Patienten übliche und be- währte Therapievorschläge nicht mit deren vorge- fassten Vorstellungen über die „richtige“ Behand- lung oder Material übereinstimmen, dann ist allergrößte Vorsicht geboten, sich als Zahnarzt oder Zahntechniker nicht beeinflussen zu lassen. Dies gilt auch für den zeitlichen Ablauf. Des Weiteren ist auch nicht schlüssig, dass die „endgültige“ und „richtige“ Versorgung der Zähne als sehr dringend und ausschlaggebend empfunden wird, gleichzeitig aber die meisten dieser Patienten oft jahrelang mit cosmetic 2 2017 dentistry 33

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